Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 12.08.2010, Az.: 10 LA 36/09
Anspruch auf Widerruf einer Erklärung eines Bürgermeisters in seiner Beschlussvorlage; Entscheidung eines Gemeinderates über Anregungen und Beschwerden nach § 22c Niedersächsische Gemeindeordnung (NGO); Überprüfbarkeit von Werturteilen auf Richtigkeit oder Wahrheit in Anbetracht ihres subjektiven Charakters; Widerruf von Überzeugungen und Würdigungen; Beschränkungen des Widerrufs auf Tatsachenbehauptungen bei Amtsrägern
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 12.08.2010
- Aktenzeichen
- 10 LA 36/09
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 22618
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2010:0812.10LA36.09.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Göttingen - 11.02.2009 - AZ: 1 A 395/07
Rechtsgrundlagen
- Art. 5 Abs. 1 GG
- § 124a Abs. 4 VwGO
- § 22c NGO
Fundstellen
- DVBl 2010, 1321
- FStNds 2011, 601-603
- NdsVBl 2011, 144-146
Amtlicher Leitsatz
Zum Anspruch auf Widerruf einer Erklärung eines Bürgermeisters in seiner Beschlussvorlage (hier: Entscheidung des Rates der Gemeinde über Anregungen und Beschwerden nach § 22c NGO) Werturteile sind wegen ihres subjektiven Charakters nicht auf Richtigkeit oder Wahrheit überprüfbar. Da niemand rechtlich gezwungen werden kann, eine Überzeugung aufzugeben oder eine Würdigung zurückzunehmen, beschränkt sich der Widerruf auf Tatsachenbehauptungen. Dies gilt grundsätzlich auch für Amtsträger.
Gründe
Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, bleibt ohne Erfolg. Die von ihm geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) sowie der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) hat der Kläger nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt, im Übrigen liegen sie nicht vor.
1.
Die Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung genügt bereits nicht den Anforderungen, die nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO an die Darlegung der Zulassungsgründe zu stellen sind. Nach dieser Bestimmung sind innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Der Antragsteller muss sich auf einen oder mehrere der in § 124 Abs. 2 abschließend genannten Zulassungsgründe berufen. Werden mehrere Zulassungsgründe geltend gemacht, sind alle zu bezeichnen bzw. müssen sich diese aufgrund der erfolgten Darlegung jeweils eindeutig zuordnen lassen. Die Begründung des Zulassungsantrags muss sich mit der angegriffenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Einzelnen auseinandersetzen, wobei eine eindeutige Zuordnung des Vorbringens zu den geltend gemachten Zulassungsgründen zu erfolgen hat (vgl. Bader, in: Bader u.a., VwGO, 4. Aufl. 2007, § 124a Rdnr. 81 m.w.N.). Es ist nicht Aufgabe des Berufungsgerichts, aus einem Sachvortrag mit erheblichem Aufwand bestimmte Zulassungsgründe herauszufiltern (Senatsbeschluss vom 28. April 2010 - 10 LA 229/08 -, n.v.; Kopp/Ramsauer, VwGO, 16. Aufl. 2009, § 124a Rdnr. 49).
Der Kläger hat sich mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung im Schriftsatz vom 14. April 2009 auf die o.a. Zulassungsgründe berufen und sodann eine Begründung ohne Unterscheidung der einzelnen Zulassungsgründe angefügt. Er hat damit sein Vorbringen nicht den geltend gemachten Zulassungsgründen zugeordnet. Dies trifft in gleicher Weise auf das nach Ablauf der Begründungfrist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) vorgetragene Vorbringen mit Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 15. Mai 2009 zu. Auch nach dem Inhalt des Vorbringens lässt sich dieses nicht ohne erheblichen Auslegungsaufwand eindeutig den angeführten Zulassungsgründen jeweils zuordnen.
2.
Im Übrigen liegen die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vor.
a.
Die Berufung kann nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen werden.
Eine Rechtssache ist nur dann grundsätzlich bedeutsam, wenn sie eine höchstrichterlich bislang noch nicht beantwortete Frage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die im Rechtsmittelverfahren entscheidungserheblich ist und die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts einer fallübergreifenden Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf. Hierzu hat der Antragsteller im Hinblick auf ein Klärungsbedürfnis die für fallübergreifend gehaltene Frage zu formulieren sowie zu begründen, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. Hier hat der Kläger schon eine klärungsbedürftige Rechts- oder Tatsachenfrage nicht bezeichnet.
b.
Die Berufung kann auch nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen werden.
Ernstliche Zweifel in diesem Sinne bestehen dann, wenn gegen die Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts gewichtige Gründe sprechen. Für die Zulassung der Berufung reicht es aber nicht aus, wenn Zweifel lediglich an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen bestehen, auf welche das Urteil des Verwaltungsgerichts gestützt ist. Vielmehr müssen zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses der Entscheidung begründet sein. Die Darlegung dieses Zulassungsgrundes erfordert nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, dass der Antragsteller im Einzelnen unter konkreter Auseinandersetzung mit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung begründet, weshalb ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestehen. Diesen Anforderungen hat der Kläger nicht genügt. Hat das Verwaltungsgericht die angefochtene Entscheidung in jeweils selbständig tragender Weise mehrfach begründet, so muss im Hinblick auf jeden der Begründungsteile ein Zulassungsgrund dargelegt werden und gegeben sein (Beschluss des Senats vom 15. April 2010 - 10 LA 11/09 -, [...] [Rn. 2] Der Kläger begehrt, den Beklagten zu verurteilen, seine Aussage in der Vorlage an den Rat der Stadt Göttingen vom 15. Januar 2007 "Die Vorwürfe des Herrn Dr. B. sind haltlos und in vollem Umfang unzutreffend" richtig zu stellen und die Mitglieder des Rates der Stadt Göttingen und andere Personen, denen die Vorlage zur Kenntnis gebracht worden ist, hierüber zu informieren.
Das Verwaltungsgericht hat den entsprechenden Antrag des Klägers dahin ausgelegt, dass dieser den vollständigen Widerruf der o.a. Aussage des Beklagten verlange. Die so verstandene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die beanstandete Äußerung stelle keine unwahre Tatsachenbehauptung, sondern eine vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG umfasste Meinungsäußerung dar. Allein rechtsverletzende unwahre Tatsachenbehauptungen seien geeignet, ein Widerrufsverlangen zu rechtfertigen. Dagegen seien Wertungen und Meinungen einem Widerruf nicht zugänglich. Dies stütze sich zum einen auf das Grundrecht des Urteilenden, seine Meinung gemäß Art. 5 Abs. 1 GG frei zu äußern. Zum anderen seien Werturteile wegen ihres subjektiven Charakters nicht auf Richtigkeit oder Wahrheit überprüfbar, und niemand könne rechtlich gezwungen werden, eine Überzeugung aufzugeben oder eine Würdigung zurückzunehmen. Tatsachenbehauptungen unterschieden sich von Werturteilen dadurch, dass bei diesen die subjektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Wirklichkeit im Vordergrund stehe, während für jene die objektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Äußerung charakteristisch sei. Die Abgrenzung zwischen Werturteilen und Tatsachenbehauptungen könne im Einzelfall schwierig sein, weil beide Äußerungsformen nicht selten miteinander verbunden würden und erst gemeinsam den Sinn einer Äußerung ausmachten. In solchen Fällen sei der Begriff der Meinung im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes weit zu verstehen. Sofern eine Äußerung, in der Tatsachen und Meinungen sich vermengten, durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sei, werde sie als Meinung vom Grundrecht geschützt. Für die Ermittlung des Aussagegehalts einer Äußerung sei darauf abzustellen, wie sie unter Berücksichtigung des allgemeinen Sprachgebrauchs von einem unvoreingenommenen Durchschnittsleser verstanden werde, wobei eine isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils regelmäßig nicht zulässig sei, sondern auch der sprachliche Kontext und die sonstigen erkennbaren Begleitumstände zu berücksichtigen seien.
Die vom Kläger beanstandete Äußerung sei als eine Schlussfolgerung anzusehen, die der Beklagte im Rahmen seiner dienstlichen Aufgaben auf der Grundlage der Beschwerdeschrift des Klägers und der Stellungnahme des Herrn C. gezogen habe. Diese Einordnung ergebe sich daraus, dass die Äußerung Teil der Begründung der an den Verwaltungsausschuss und den Rat der Stadt Göttingen gerichteten Beschlussvorlage sei. Die Aufgabe des Beklagten bei der Erstellung der Beschlussvorlage habe darin bestanden, zu den erhobenen Vorwürfen des Klägers Stellung zu nehmen. Hierbei habe er erkennbar die der Beschlussvorlage als Anlage beigefügten Schriftstücke ausgewertet. Indem er diese beiden Darstellungen gegenübergestellt und miteinander verglichen habe, sei er im Wege der Schlussfolgerung zu einer (subjektiven) Gewissheit über die (Un-)Begründetheit der vorgebrachten Beschwerde gelangt und habe dieses Ergebnis in der beanstandeten Äußerung uneingeschränkt festgehalten. Schlussfolgerungen seien als (Be-)Wertungen grundsätzlich Meinungsäußerungen, die einem Widerruf unabhängig von deren Richtigkeit verschlossen seien.
Die in Streit stehende Äußerung sei im Anschluss an den Beschlussvorschlag erfolgt, die Beschwerde des Klägers als unbegründet zurückzuweisen. Im Zusammenhang mit dem Verweis auf die der Beschlussvorlage beigefügten Anlagen könne der Leser zwar den Eindruck gewinnen, der Kläger habe bei Einlegung seiner Beschwerde einen nicht wahren Sachverhalt vorgetragen. Gleichwohl sei der Schluss, den der Beklagte mit seiner Äußerung gezogen habe, die Bewertung und nicht die Behauptung von Tatsachen. Der Beklagte habe sich, nachdem er die beiden gegenläufigen Darstellungen miteinander verglichen gehabt habe, billigend zu der Sichtweise des Herrn C. geäußert. Hierin liege ein Dafürhalten, eine eigene Stellungnahme des Beklagten. Dieser habe in der beanstandeten Äußerung seine subjektive Wahrnehmung und das daraus gewonnene Urteil wiedergegeben. Seiner Zielrichtung nach sei es eine Wertung und werde von den Empfängern auch so verstanden. Der Beklagte können nicht gezwungen werden, es zu widerrufen oder richtigzustellen und damit der Wahrheit zuwider zu erklären, dass er die getroffene Schlussfolgerung in Wahrheit nicht getroffen habe. Demnach überwiege der Wertungscharakter der in Streit stehenden Äußerung, so dass letztlich von einer nicht widerrufsfähigen Meinungsäußerung auszugehen sei. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass die der Schlussfolgerung vorausgehende Prüfung der Tatsachengrundlage nur vorgetäuscht oder grob leichtfertig vorgenommen worden sei. Das gefundene Ergebnis ändere sich auch nicht deshalb, weil die beanstandete Äußerung nicht mit "Ich meine, dass ..." oder einer vergleichbaren Wendung eingeleitet worden sei. Denn für die Abgrenzung zwischen Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung komme es auf die äußere Formulierung nicht an.
Mit diesen Erwägungen des Verwaltungsgerichts hat sich der Kläger nicht näher auseinandergesetzt.
In Bezug auf die Zuordnung der beanstandeten Äußerung als Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung hat der Kläger vorgetragen: Die in Streit stehende Erklärung des Beklagten sei klar keine Meinungsäußerung, sondern "deutliche Tatsachenbehauptung". Der Beklagte habe nämlich keine Wertungen vorgenommen, sondern mit der Äußerung den Eindruck gegenüber den Mitgliedern des Rates erwecken wollen, er (der Kläger) habe sich mit sachlich falschen Behauptungen an den Rat gewandt. Der Beklagte habe also nicht eine persönliche Einschätzung im Sinne einer bloßen Meinungsäußerung vermittelt, sondern im Sinne einer sachlichen und fachlichen Prüfung. Der Rat der Stadt sei auch nicht an bloßen Meinungsäußerungen unter anderem des Beklagten interessiert gewesen, sondern ausschließlich an Tatsachenfeststellungen. Hätte der Beklagte seine Äußerung als bloße eigene Meinungsäußerung gegenüber dem Rat verstanden wissen wollen, hätte er dieses deutlich machen müssen. Dies gelte umso mehr, als der Beklagte im Detail über den zugrunde liegenden Vorgang nicht nur unterrichtet gewesen sei, sondern diesen auch gesteuert habe. In diesem Zusammenhang komme den Äußerungen des Beklagten eine besondere Bedeutung zu. Erkennbar sei es dem Beklagten darum gegangen, einen ihn - den Kläger - diskreditierenden Eindruck zu erwecken, er sei mit falschen Behauptungen und Tatsachendarstellungen vorstellig gewesen.
Durch diesen Vortrag hat sich der Kläger nicht mit den tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts bezüglich der Zuordnung der beanstandeten Äußerung als Meinungsäußerung oder Tatsachsenbehauptung im Einzelnen auseinandergesetzt und deren Richtigkeit in Zweifel gezogen, sondern lediglich seine bereits mit der Klage vorgetragenen gegenteiligen Ansichten wiederholt und vertieft. So ist er auf die tragende Erwägung des Verwaltungsgerichts nicht eingegangen, der Beklagte habe erkennbar die der Beschlussvorlage als Anlage beigefügten Schriftstücke ausgewertet und - indem er diese Darstellungen gegenübergestellt und miteinander verglichen habe - sei im Wege der Schlussfolgerung zu einer (subjektiven) Gewissheit über die (Un-)Begründetheit der vorgebrachten Beschwerde gelangt; dieses Ergebnis habe er in der beanstandeten Äußerung uneingeschränkt festgehalten. Des Weiteren hat das Verwaltungsgericht die beanstandete Äußerung des Beklagten auch deshalb als Meinungsäußerung qualifiziert, weil der Beklagte sich billigend zu der Sichtweise des Herrn C. geäußert habe, nachdem er die beiden gegenläufigen Darstellungen miteinander verglichen gehabt habe. Hierin liege ein Dafürhalten, eine eigene Stellungnahme des Beklagten. Dieser habe in der beanstandeten Äußerung seine subjektive Wahrnehmung und das daraus gewonnene Urteil wiedergegeben.
Im Übrigen teilt der Senat auch die Einordnung der beanstandeten Äußerung des Beklagten als Meinungsäußerung. Zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass eine isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils regelmäßig nicht zulässig ist, sondern auch der sprachliche Kontext und die sonstigen erkennbaren Begleitumstände zu berücksichtigen sind. Für die Zuordnung der in Streit stehenden Erklärung des Beklagten ist deshalb auch zu berücksichtigten, dass die Beschwerdeschrift des Klägers vom 15. September 2006 selbst in großen Teilen (zulässigerweise) Meinungsäußerungen, Wertungen und Schlussfolgerungen enthält. Dabei kann auch der beträchtliche Umfang der Beschwerdeschrift mit 36 Seiten nebst Anlagen nicht außer Betracht bleiben. Da sich die umstrittene Erklärung des Beklagten aber gerade auch auf die Vielzahl von Wertungen und Meinungsäußerungen des Klägers bezieht, liegt es auf der Hand, dass bei objektiver Betrachtung auch der Adressat der Erklärung erkennt, dass der Beklagte hierzu seine wertende Stellungnahme abgeben wollte. Auch wenn diese Erklärung im Zusammenhang mit Tatsachenbehauptungen des Klägers (und des Rechtsamts) steht, überwiegt bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der wertende Charakter der in Streit stehenden Äußerung.
Dies wird auch nicht durch den Einwand in Zweifel gezogen, der Rat der Stadt sei bei Verwaltungsvorlagen ausschließlich an Tatsachenfeststellungen interessiert. Mit Verwaltungs- oder Beschlussvorlagen sollen zweckmäßigerweise u.a. die Sitzungen des Rates sachgerecht vorbereitet werden. Es steht im Ermessen des für die Ladung zuständigen Bürgermeisters (§ 41 NGO), ob er solche Vorlagen erstellt und ob er einen Beschlussvorschlag unterbreitet (vgl. Blum, in KVR-NGO, Stand: März 2010, § 41 Rdnr. 15; Thiele, Niedersächsische Gemeindeordnung, 8. Aufl. 2008, § 41 Anm. 2 jeweils mit weiteren Nachweisen der Rechtsprechung). Hierbei ist es dem Bürgermeister und damit dem Beklagten gerade nicht verwehrt, auch wertende Stellungnahmen abzugeben. Vielmehr kann ganz im Gegenteil regelmäßig davon ausgegangen werden, dass zur Vorbereitung der Sachentscheidungen des Rates deren Mitglieder erwarten, dass der Bürgermeister und die von ihm geleitete Verwaltung der Gemeinde fachliche Stellungnahmen wertenden Art abgegeben, um gerade die fachlichen Kenntnisse und Einschätzungen der Verwaltung bei der zu treffenden Entscheidung nutzen zu können.
Soweit der Kläger rügt, der Beklagte hätte deutlich machen müssen, dass seine Äußerung als bloße eigene Meinungsäußerung zu verstehen sei, vermag dies ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung ebenfalls nicht zu begründen. Das Verwaltungsgericht hat zu diesem Gesichtspunkt unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bereits ausgeführt, es sei nicht erheblich, ob die beanstandete Äußerung nicht mit "Ich meine, dass ..." oder einer vergleichbaren Wendung eingeleitet worden sei, weil für die Abgrenzung zwischen Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung es auf die äußere Formulierung nicht ankomme. Mit diesen tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts und der in Bezug genommenen Rechtsprechung hat sich der Kläger nicht auseinandergesetzt.
Des Weiteren hat der Kläger eingewendet, das Verwaltungsgericht habe sich ausschließlich mit einem gänzlichen Widerruf befasst, obwohl auch ein eingeschränkter Widerruf in Betracht gekommen sei; diese Möglichkeit sei bereits dann gegeben, wenn die Unwahrheit noch nicht einmal positiv feststehe, aber auch keine ernsthaften Anhaltspunkte für die Wahrheit des Vorwurfs bestünden. Dieser Einwand greift nicht durch. Zum einen hat das Verwaltungsgerichtsgericht folgerichtig einen Anspruch des Klägers sowohl auf Widerruf als auch auf Richtigstellung der beanstandeten Erklärung (Seite 9 des Urteilsabdrucks) verneint, weil es diese nicht als Tatsachenbehauptung, sondern als Meinungsäußerung angesehen hat. Unter dieser Voraussetzung scheidet aber auch eine Verurteilung zum eingeschränkten Widerruf der im Streit stehenden Äußerung aus. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass der geltend gemachte Widerruf dahin zu beschränken ist, die umstrittene Äußerung nicht mehr aufrecht zu erhalten, wenn die ehrverletzende Äußerung zwar ursprünglich in Wahrnehmung berechtigter Interessen getätigt worden ist, nach dem Wegfall des berechtigten Interesses und nach Feststellung der Unwahrheit aber weiterhin ehrbeeinträchtigende Wirkungen zu befürchten sind (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 28. August 2003 - 1 BvR 2194/02 -, NJW 2004, 354 mit weiteren Nachweisen der Rechtsprechung). Ein solcher Anspruch auf einen beschränkten Widerruf einer in Streit stehenden Äußerung setzt aber - ebenso wie der unbeschränkte Widerruf - die Feststellung der Unwahrheit behaupteter Tatsachen voraus. Da das Verwaltungsgericht aber die beanstandete Äußerung des Beklagten nicht als Tatsachenbehauptung, sondern als Meinungsäußerung angesehen hat, konnte es den Beklagten nicht zum beschränkten Widerruf seiner Äußerung verurteilen. Auch die mit Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 15. Mai 2009 vorgetragene weitere Begründung vermag die Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO - wollte man das Vorbringen diesem Zulassungsgrund zuordnen - nicht zu rechtfertigen.
Zunächst kann dieses Vorbringen keine Berücksichtigung finden, weil es nach Ablauf der Frist zur Begründung der Berufung (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) am 14. April 2009 vorgetragen worden ist. In diesem Vorbringen kann auch keine zulässige Ergänzung der fristgerecht eingereichten Antragsbegründung gesehen werden. Die Zulassungsgründe können nach Ablauf der genannten Frist nur ergänzt werden, soweit der konkrete zu ergänzende Zulassungsgrund in offener Frist bereits den Mindestanforderungen entsprechend dargelegt worden ist (vgl. Happ, in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 13. Aufl. 2010, § 124a Rdnr. 53). Da der Kläger aber innerhalb der Begründungsfrist - wie der Senat bereits zuvor ausgeführt hat - Zulassungsgründe nicht entsprechend den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt hat, scheidet eine ergänzende Begründung nach Ablauf der Begründungsfrist aus.
Aber auch in der Sache ergäben sich hieraus keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts. So hat der Kläger in dem o.a. Schriftsatz vom 15. Mai 2009 im Wesentlichen vorgetragen: Die Vorlage sei mit der Anlage (Stellungnahme des Rechtsamtes vom 12. Januar 2007) als integraler Bestandteil gesamthaft zu sehen. Eine gedankliche Trennung von Vorlage und der Stellungnahme des Rechtsamts sei unzulässig. Der Beklagte habe mit seiner im Tatsächlichen falschen, ihm zuzurechnenden Stellungnahme vom 12. Januar 2007 nicht nur ein Fehlverhalten von Amtsträgern des Rechtsamtes, sondern eigenes Fehlverhalten verteidigt und versucht, dieses zu verschleiern. Bei den in seiner Klageschrift im Detail beanstandeten Äußerungen (zur Stellungnahme des Rechtsamts) handele es sich weitgehend um Tatsachenbehauptungen. Amtsträger seien zu wahrheitsgemäßen Äußerungen verpflichtet. Auch könnten sich Amtsträger in ihrer amtlichen Eigenschaft nicht auf die Meinungsfreiheit des Art. 5 GG berufen.
Diese Einwände greifen nicht durch. Selbst wenn die Stellungnahme des Rechtsamts der Stadt Göttingen vom 12. Januar 2007 unwahre Tatsachenbehauptungen enthalten sollte, folgt hieraus nicht unmittelbar, dass die in Streit stehende Erklärung des Beklagten selbst als unwahre Tatsachenbehauptung einzuordnen sei. Wie bereits ausgeführt, ist bei der Frage, ob die umstrittene Äußerung als Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung zu werten ist, eine isolierte Betrachtung der beanstandeten Erklärung als solche nicht zulässig, sondern es sind der sprachliche Kontext und die erkennbaren Begleitumstände zu berücksichtigen; zu Letzteren zählt freilich die vom Kläger angesprochene Stellungnahme des Rechtsamts. Indes dürfen die weiteren, o.a. Begleitumstände der Äußerung des Beklagten nicht außer Betracht gelassen werden, welche für das Vorliegen einer Meinungsäußerung des Beklagten streiten. Wie bereits dargelegt, überwiegt bei der gebotenen Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände der wertende Charakter der in Streit stehenden Äußerung, auch wenn diese Erklärung im Zusammenhang mit Tatsachbehauptungen des Klägers und des Rechtsamts steht.
Soweit der Kläger geltend macht, der Beklagte könne sich in seiner Eigenschaft als Amtsträger nicht auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG berufen, ist dieser Einwand nicht entscheidungserheblich. Zwar hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die beanstandete Äußerung eine vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG umfasste Meinungsäußerung darstelle (Seite 6 Urteilsabdruck). Selbständig tragend hat das Verwaltungsgericht den geltend gemachten Anspruch aber auch mit der Begründung verneint, es gebe (generell) keinen Anspruch auf Widerruf von Werturteilen, weil diese wegen ihres subjektiven Charakters nicht auf Richtigkeit und Wahrheit überprüfbar seien und niemand rechtlich nicht gezwungen werden könne, eine Überzeugung aufzugeben oder eine Würdigung zurückzunehmen (Seite 7 Urteilsabdruck). Gegen diese selbständig tragende Begründung hat der Kläger keine Einwände erhoben; sie steht vielmehr im Einklang mit der Rechtsprechung und erfasst grundsätzlich auch Amtsträger und juristische Personen des öffentlichen Rechts (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 7. Mai 1997 - 1 BvR 1805/92 -, [...]; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 8. Januar 2001 - 3 W 106/00 -, MDR 2001, 368).
c.
Die Berufung kann schließlich nicht wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zugelassen werden. Der Kläger hat mit seiner fristgerechten Begründung seines Zulassungsantrages nicht dargelegt, dass der Streitfall besondere, d.h. überdurchschnittliche, das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht aufweist. Dies ist auch zu verneinen. Die maßgeblichen Rechtsfragen zur Abgrenzung von Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen sind in der Rechtsprechung als geklärt anzusehen.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).