Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 12.08.2010, Az.: 8 PA 183/10

Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis an einen Ausländer bei unmöglicher Abschiebung wegen auf einer schuldhaft unzureichenden Mitwirkung des Ausländers bei der Passbeschaffung beruhenden Passlosigkeit; Entgegenstehende Gründe der Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis i.S.v. § 11 S. 1 Beschäftigungsverfahrensverordnung (BeschVerfV); Unterbrechung einer bestehenden Kausalität im Hinblick auf die Gründe für eine tatsächliche oder rechtliche Unmöglichkeit der Abschiebung eines Ausländers

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
12.08.2010
Aktenzeichen
8 PA 183/10
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 22616
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2010:0812.8PA183.10.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Osnabrück - 22.06.2010 - AZ: 5 A 56/10

Fundstellen

  • AUAS 2010, 230-232
  • DVBl 2010, 1322
  • ZAR 2010, 406

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Eine Beschäftigungserlaubnis nach § 10 Satz 1 BeschVerfV darf einem Ausländer nicht erteilt werden, wenn dessen Abschiebung wegen Passlosigkeit unmöglich ist und die Passlosigkeit auf einer schuldhaft unzureichenden Mitwirkung des Ausländers bei der Passbeschaffung beruht.

  2. 2.

    Nach dem Wortlaut des § 11 Satz 1 BeschVerfV stehen nur solche Gründe der Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis entgegen, die im Zeitpunkt der Entscheidung über die Erteilung der Beschäftigungserlaubnis die Abschiebung hindern.

  3. 3.

    Eine Anordnung nach § 5 Abs. 3 Satz 2 NHärteKVO unterbricht nicht eine bestehende Kausalität von vom Ausländer zu vertretenden Gründen für eine tatsächliche oder rechtliche Unmöglichkeit seiner Abschiebung.

Gründe

1

Die gegen die Ablehnung ihres Antrages auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe erhobene Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Denn das Verwaltungsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Klageverfahren im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

2

Nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO ist einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

3

Der Rechtsverfolgung der Klägerin fehlt die hinreichende Erfolgsaussicht. Denn nach der im Prozesskostenhilfeverfahren nur vorzunehmenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.2.2007 - 1 BvR 474/05 -, NVwZ-RR 2007, 361, 362) hat sie keinen Anspruch auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis nach§ 10 Beschäftigungsverfahrensverordnung - BeschVerfV -, der hier allein in Betracht zu ziehen ist.

4

Nach Satz 1 dieser Bestimmung kann geduldeten Ausländern (§ 60a AufenthG) mit Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit die Ausübung einer Beschäftigung erlaubt werden, wenn sie sich seit einem Jahr erlaubt, geduldet oder mit Aufenthaltsgestattung im Bundesgebiet aufgehalten haben. Diese Voraussetzungen liegen in Person der Klägerin zwar vor. Sie hält sich seit 1991 im Bundesgebiet auf und wird hier seit dem negativen Abschluss ihres Asylverfahrens im Jahre 1993 geduldet.

5

Die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis ist indes nach § 11 Satz 1 Alt. 2 BeschVerfV ausgeschlossen. Hiernach darf geduldeten Ausländern die Ausübung einer Beschäftigung nicht erlaubt werden, wenn bei diesen Ausländern aus von ihnen zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können. Zu vertreten hat der Ausländer insbesondere ein Abschiebungshindernis, das er durch Täuschung über seine Identität oder seine Staatsangehörigkeit oder durch falsche Angaben herbeiführt (§ 11 Satz 2 BeschVerfV) oder das kausal auf einer schuldhaft unzureichenden Mitwirkung des Ausländers bei der Passbeschaffung beruht (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 8.4.2010 - 11 PA 85/10 -, [...] Rn. 5; OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 5.4.2007 - 7 A 10108/07, 7 E 11594/06 -, [...] Rn. 9; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 18.1.2006 - 18 B 1772/05 -, [...] Rn. 43 ff.; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: Juni 2010, BeschVerfV, Anm. 47; Zühlcke, Die Zulassung von geduldeten Ausländern zur Ausübung einer Beschäftigung nach dem neuen Zuwanderungsrecht, in: ZAR 2005, 317, 321).

6

Ein solcher, die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis ausschließender Fall, liegt hier vor. Jedenfalls für ihre minderjährigen Kinder D., E. und F. liegen derzeit keine gültigen Pässe vor. Diese können daher aus tatsächlichen Gründen nicht abgeschoben werden, so dass in der Folge derzeit auch die Abschiebung der Klägerin selbst aus rechtlichen Gründen nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG unmöglich ist. Diese Abschiebungshindernisse beruhen auf einer von der Klägerin zu vertretenden unzureichenden Mitwirkung bei der Passbeschaffung für ihre drei minderjährigen Kinder.

7

Die Klägerin ist als gesetzliche Vertreterin ihrer derzeit 15, 13 und 11 Jahre alten Kinder D., E. und F. zur Mitwirkung bei der Beschaffung eines Passes oder Passersatzes für diese verpflichtet. Nach § 3 Abs. 1 AufenthG dürfen sich Ausländer grundsätzlich nur dann im Bundesgebiet aufhalten, wenn sie einen anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz besitzen (Passpflicht). Besitzt der Ausländer keinen gültigen Pass oder Passersatz, ist er gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 AufenthG, § 5 Abs. 2 Nr. 2 AufenthV ausdrücklich dazu verpflichtet, an der Beschaffung eines derartigen Papiers mitzuwirken und alle Urkunden und sonstigen Unterlagen, die für die Feststellung seiner Identität und Staatsangehörigkeit und für die Feststellung und Geltendmachung einer Rückführungsmöglichkeit in einen anderen Staat von Bedeutung sein können, vorzulegen. Hat der Ausländer das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet, ist sein gesetzlicher Vertreter nach § 80 Abs. 4 AufenthG verpflichtet, für ihn den Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Passes oder Passersatzes zu stellen (vgl. auch OLG Köln, Beschl. v. 19.2.2001 - 25 UF 213/00 -, NJWE-FER 2001, 285; jurisPK-BGB, 4. Aufl., § 1629 Rn. 3; Palandt, BGB, 69. Aufl., § 1626 Rn. 14, wonach auch die Personensorge die Pflicht zur Beantragung notwendiger Ausweispapiere umfasst).

8

Dass die Klägerin der so beschriebenen Verpflichtung bisher nachgekommen wäre, hat sie nicht dargetan. Sie hat lediglich unsubstantiiert auf "Vorsprachen beim Generalkonsulat in Hamburg" (vgl. Bl. 4 GA) verwiesen. Ob Gegenstand dieser Vorsprachen die Passbeschaffung war und die Klägerin tatsächlich Anträge auf Erteilung von Pässen für ihre Kinder gestellt und die hierzu notwendigen Unterlagen vorgelegt hat, bleibt offen. Derartige Bemühungen ergeben sich auch nicht aus den Verwaltungsvorgängen des Beklagten.

9

Diese Nichterfüllung gesetzlicher Pflichten hat die Klägerin zu vertreten. Gründe, die ihr Verhalten rechtfertigen oder entschuldigen könnten, sind bisher nicht vorgebracht worden. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass sowohl die Klägerin als auch ihre minderjährigen Kinder D., E. und F. derzeit nur im Bundesgebiet geduldet werden, also nach wie vor vollziehbar ausreisepflichtig sind und deswegen innerhalb der ihnen hierfür gesetzten Frist das Bundesgebiet zu verlassen haben (§ 50 Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Schon deshalb sind sie verpflichtet, alles zu tun, um ihren gesetzlichen Pflichten unverzüglich nachzukommen, soweit ihnen dies vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zumutbar ist, und zwar nicht nur oberflächlich und ein einziges Mal, sondern ernsthaft, nachhaltig und gegebenenfalls wiederholt (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 5.4.2007 - 7 A 10108/07, 7 E 11594/06 -, [...] Rn. 13). An solchen ernsthaften und nachhaltigen Bemühungen fehlt es hier offensichtlich.

10

Die Klägerin kann sich auch nicht erfolgreich darauf berufen, dass die Abschiebung nicht (nur) wegen der Passlosigkeit ihrer minderjährigen Kinder unmöglich ist, sondern maßgeblich auf die verschiedenen Staatsangehörigkeiten der Klägerin einerseits (ggf. serbisch oder/und kosovarisch) und ihres Ehemannes und einiger Kinder andererseits (kroatisch), und die daraus resultierende Unmöglichkeit der Abschiebung in e i n Land zurückzuführen ist. Denn ungeachtet der Frage, ob die Staatsangehörigkeit der Klägerin überhaupt hinreichend geklärt ist, ist nicht ersichtlich, dass die gemeinsame Abschiebung in e i n zur Rückübernahme bereites Land von vorneherein ausgeschlossen ist (vgl. hierzu Senatsbeschl. v. 27.1.2010 - 8 ME 2/10 -, [...] Rn. 4 m.w.N.).

11

Ob darüber hinaus auch die vorsätzlichen Täuschungen der Klägerin über aufenthaltsrechtlich relevante Umstände (vgl. hierzu die Entscheidungen in den vorausgegangenen, auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gerichteten Verfahren der Klägerin: Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 27.8.2008 - 10 LA 168/08 - und v. 2.1.2008 - 10 PA 261/07 -), die jedenfalls in der Vergangenheit aufenthaltsbeendende Maßnahmen verhindert haben, zu einem Ausschluss nach § 11 BeschVerfV führen, kann der Senat daher hier dahinstehen lassen. Hiergegen spricht allerdings, dass zumindest der Wortlaut des § 11 Satz 1 BeschVerfV darauf hindeutet, dass nur solche Gründe der Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis entgegen stehen, die derzeit den Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen hindern. Anders als etwa im Rahmen des § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG dürften daher Gründe, die den Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlich in der Vergangenheit verzögert oder behindert haben, im Rahmen des § 11 BeschVerfV unbeachtlich sein (vgl. Leineweber, Die Beschäftigung von geduldeten Ausländern seit Inkrafttreten desZuwanderungsgesetzes, in: InfAuslR 2005, 302, 304).

12

Schließlich folgt entgegen der Auffassung der Klägerin ein Anspruch auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis auch nicht daraus, dass sie sich mit einer Eingabe an die Niedersächsische Härtefallkommission gewandt hat. In den Fällen, die von der Härtefallkommission zur Beratung angenommen worden sind, ordnet das Fachministerium lediglich an, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen bis zur Entscheidung über die Eingabe zurückgestellt werden (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 2 Niedersächsische Härtefallkommissionsverordnung - NHärteKVO - vom 6.8.2006, Nds. GVBl. S. 426, zuletzt geändert durch Verordnung vom 9.12.2009, Nds. GVBl. S. 448). Ungeachtet der Frage, ob die Eingabe der Klägerin von der Härtefallkommission zur Beratung angenommen worden ist, folgt hieraus offensichtlich kein unmittelbarer Anspruch auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis nach § 10 Satz 1 BeschVerfV. Ein solcher Anspruch ergibt sich auch nicht mittelbar daraus, dass eine etwaige Anordnung des Fachministeriums nach § 5 Abs. 3 Satz 2 NHärteKVO die Abschiebung der Klägerin hindert und daher der Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegen die Klägerin nicht mehr allein (vgl. zu diesem Kausalitätserfordernis Zühlcke, a.a.O., S. 321) wegen deren unzureichender Mitwirkung bei der Passbeschaffung unmöglich ist. Denn die Anordnung nach § 5 Abs. 3 Satz 2 NHärteKVO führt lediglich dazu, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen bis zur Entscheidung über die Eingabe zurückgestellt werden, begründet aber keine tatsächliche oder rechtliche Unmöglichkeit im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG (vgl. GK-AufenthG, Stand: Juni 2010, § 60a Rn. 198) und unterbricht damit auch nicht eine bestehende Kausalität von vom Ausländer zu vertretenden Gründen für eine tatsächliche oder rechtliche Unmöglichkeit seiner Abschiebung.