Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 13.08.2010, Az.: 9 LB 148/08

Ermittlung des umzulegenden Aufwands bei der Erhebung von Vorausleistungen auf einen Erschließungsbeitrag für die erstmalige Herstellung einer Straße

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
13.08.2010
Aktenzeichen
9 LB 148/08
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2010, 22875
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2010:0813.9LB148.08.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Lüneburg - 27.04.2006 - AZ: 3 A 22/05

Fundstellen

  • FStBW 2011, 496-499
  • FStHe 2011, 428-430
  • FStNds 2011, 226-228
  • NVwZ-RR 2010, 937

Amtlicher Leitsatz

Zur Ermittlung des umzulegenden Aufwands bei der Erhebung von Vorausleistungen muss im Zeitpunkt des Erlasses des Vorausleistungsbescheids beurteilt werden, was bei späterer Realisierung der gemeindlichen Planungen voraussichtlich die beitragsfähige Erschließungsanlage sein wird.

Gründe

1

Der Kläger wendet sich der Höhe nach gegen die Festsetzung von Vorausleistungen auf den Erschließungsbeitrag für die erstmalige Herstellung der F. straße in G.. Er ist Eigentümer der jeweils ein selbstständiges Buchgrundstück bildenden und an die F. straße grenzenden Flurstücke E. und D. der Flur 14 in der Gemarkung G.. Die F. straße verläuft im Bereich der 1980 sowie 1982 in Kraft getretenen Bebauungspläne Nr. 2 "F." und Nr. 3 "H.". Beide Bebauungspläne sehen jeweils eine in südöstliche Richtung abzweigende, etwa 45 m lange Stichstraße vor. Östlich der Stichstraßen liegt eine unbebaute Freifläche, für die der Flächennutzungsplan sowie der am 10. November 2009 in Kraft getretene Bebauungsplan I. Wohnbebauung vorsehen.

2

Nachdem die Beklagte im Verlaufe des Jahres 2003 mit dem Ausbau der F. straße begonnen hatte, zog sie den Kläger mit Bescheiden vom 3. Dezember 2003 zu Vorausleistungen auf den Erschließungsbeitrag in Höhe von 12.900,- EUR für das Flurstück D. und in Höhe von 12.400,- EUR für das Flurstück E. heran. Der Kläger legte dagegen jeweils Widerspruch ein, den er (später nur noch) damit begründete, dass er als Anwohner der F. straße nicht auch zu den Kosten für die beiden Stichstraßen, an die seine Grundstücke nicht grenzten, herangezogen werden könne; die beiden Stichstraßen seien nicht Bestandteile der F. straße, sondern dienten allein dem Zweck, eine Zufahrt in das östlich gelegene künftige Bebauungsgebiet zu gewährleisten. Mit zwei Widerspruchsbescheiden vom 19. Januar 2005 wies die Beklagte die Widersprüche des Klägers als unbegründet zurück, weil beide Stichstraßen als unselbstständige Anhängsel der F. straße zu qualifizieren seien; solange ein Bebauungsplan für das östlich gelegene Gebiet nicht vorliege, seien die Stichstraßen als normale, eine übliche Funktion erfüllende Sackgassen zu qualifizieren.

3

Mit seiner daraufhin erhobenen Klage hat der Kläger sein Rechtsschutzbegehren aus dem Widerspruchsverfahren weiter verfolgt. Nachdem die Beklagte die bei Herausrechnung der Kosten für die Stichstraßen festzusetzende Vorausleistung auf 10.100,- EUR für das Flurstück D. und 9.700,- EUR für das Flurstück E. beziffert hatte, hat der Kläger beantragt,

den Vorausleistungsbescheid der Beklagten vom 3. Dezember 2003 betreffend das Flurstück D. in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 19. Januar 2005 aufzuheben, soweit darin ein höherer Betrag als 10.100,- EUR festgesetzt ist, und den Vorausleistungsbescheid der Beklagten vom 3. Dezember 2003 betreffend das Flurstück E. in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 19. Januar 2005 aufzuheben, soweit darin ein höherer Betrag als 9.700,- EUR festgesetzt ist.

4

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

5

Sie hat weiterhin den Standpunkt vertreten, dass die Stichstraßen unselbstständige Bestandteile der F. straße seien und der Kläger als deren Anwohner daher auch zu den Kosten für die Stichstraßen herangezogen werden könne.

6

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Aufwand für die Herstellung der beiden Stichstraßen sei in den beitragsfähigen Aufwand für die Erschließungsanlage F. straße einzubeziehen, weil die Stichstraßen als unselbstständige Anhängsel dieser Anlage zu qualifizieren seien. Da eine Wohnbebauung im östlichen Bereich zwar durch den Flächennutzungsplan vorgesehen werde, die Aufstellung eines Bebauungsplans für dieses Gebiet aber noch in weiter Ferne liege, handele es sich bei den Stichstraßen um normale, eine übliche Funktion ausübende Sackgassen. Sie seien auch erforderlich im Sinne von§ 129 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Denn ihnen komme hinsichtlich der an sie angrenzenden Grundstücke eine Erschließungswirkung zu, wie die Anlegung von Garagen und die Realisierung von Zufahrten zu den Stichstraßen zeigten.

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Mit Beschluss vom 7. Februar 2008 (9 LA 208/06) hat der Senat die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts wegen ernstlicher Zweifel an dessen Richtigkeit zugelassen. Die - vom Verwaltungsgericht hervorgehobene - tatsächliche Nutzung einzelner Grundstücke sei für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer Erschließungsanlage im Sinne von § 129 Abs. 1 Satz 1 BauGB nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Die Erforderlichkeit beurteile sich auf der Grundlage der baurechtlichen Vorschriften und nach der Beziehung, welche die Erschließungsanlage nicht nur zu einem einzelnen Grundstück, sondern zu dem gesamten zu erschließenden Gebiet habe. Es werde im Berufungsverfahren darauf ankommen, ob die beiden Stichstraßen als Teile der Erschließungsanlage F. straße oder aber als kurze Teilstrecken einer zukünftig in dem südöstlichen Baugebiet entstehenden eigenständigen Erschließungsanlage einzuordnen seien.

8

Der Kläger vertieft im Berufungsverfahren sein bisheriges Vorbringen. Er beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.

9

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

10

Sie meint, die beiden in die F. straße einmündenden Stichstraßen könnten entgegen der Ansicht des Senats im Zulassungsbeschluss nicht als kurze Teilstrecken einer zukünftig im südöstlichen Baugebiet entstehenden eigenständigen Erschließungsanlage angesehen werden. Zunächst hat die Beklagte diese Auffassung damit begründet, dass die sachliche Beitragspflicht für die F. straße nebst Stichstraßen mit Eingang der letzten Unternehmerrechnung am 14. Oktober 2004 entstanden sei und die Überplanung des südöstlichen Baugebiets erst 2 1/2 Jahre später begonnen habe und erst 4 Jahre später abgeschlossen sein werde. Im weiteren Verlauf des Berufungsverfahrens hat sie sodann den Standpunkt eingenommen, die sachliche Beitragspflicht sei erst mit Inkrafttreten der die Straßenentwässerung betreffenden Abweichungssatzung am 16. März 2005 entstanden. Im Rahmen der Vorbereitung der Berufungsverhandlung hat die Beklagte die Ansicht vertreten, die sachliche Beitragspflicht sei bis zum heutigen Tage noch nicht entstanden, weil wohl die F. straße, nicht aber die beiden Stichstraßen gewidmet seien. In der Berufungsverhandlung hat die Beklagte ausgeführt, dass eine Widmung der beiden südöstlichen Stichstraßen zwar am 3. August 2010 erfolgt, aber bisher nicht bekanntgemacht worden sei.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

12

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die streitigen Vorausleistungsbescheide sind im angefochtenen Umfang rechtswidrig.

13

Bei der Ermittlung der Höhe der festzusetzenden Vorausleistung auf den Erschließungsbeitrag darf die Gemeinde nur die Kosten berücksichtigen, die auch bei der endgültigen Heranziehung zum Erschließungsbeitrag beitragsfähig sein werden. Der hier streitige Aufwand für die Herstellung der beiden Stichstraßen kann daher nur dann über die Erhebung von Vorausleistungen vorfinanziert werden, wenn die Stichstraßen als Teil der Erschließungsanlage F. straße anzusehen, also weder selbstständig noch Bestandteil einer anderen weiterführenden Erschließungsanlage sind. Ob diese Voraussetzung erfüllt ist und daher auch in der Höhe rechtmäßige Festsetzungen der Vorausleistung vorliegen, beurteilt sich nach der Sach- und Rechtslage zur Zeit der Vorausleistungserhebung. Maßgebend ist also, von welchem Anlagenverständnis (bezogen auf den späteren Zeitpunkt der vollständigen Umsetzung der gemeindlichen Planungen) die Beklagte bei Erlass der Vorausleistungsbescheide ausgehen durfte. Mit anderen Worten musste die Beklagte bei Erlass der Vorausleistungsbescheide bewerten, wie sich die Erschließungsanlage F. straße im Verhältnis zu den sie umgebenden anderen Erschließungsanlagen darstellen wird, wenn das seinerzeitige Bauprogramm der Gemeinde G. realisiert worden ist. Bei einem solchen Verständnis des maßgeblichen Zeitpunkts für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Vorausleistungserhebung kommt es nicht auf die Sach- und Rechtslage, insbesondere den Anlagenbegriff, bei Entstehen der sachlichen Beitragspflicht an. Der - variierende - Vortrag der Beklagten dazu, wann die sachliche Beitragspflicht entstanden ist, bleibt für die rechtliche Beurteilung der angefochtenen Bescheide daher ohne Bedeutung. Der Anlagenbegriff im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht wird lediglich im Rahmen der endgültigen Heranziehung zum Erschließungsbeitrag ausschlaggebend sein.

14

Zum somit maßgeblichen Zeitpunkt der Vorausleistungserhebung durfte die Beklagte (ebenso wie aus heutiger Sicht) nicht annehmen, die beiden von der F. straße abzweigenden Stichstraßen seien erschließungsbeitragsrechtlich als unselbstständige Sackgassen Bestandteile der Erschließungsanlage F. straße und daher gemeinsam mit dieser abzurechnen.

15

Was als Erschließungsanlage im Sinne des Erschließungsbeitragsrechts anzusehen ist, beurteilt sich auf der Grundlage einer natürlichen Betrachtungsweise nach dem tatsächlichen Erscheinungsbild. Gegenstand der Abrechnung als einheitliche Erschließungsanlage ist dasjenige, was der natürliche Betrachter als zusammengehörigen Teil des Straßennetzes einer Gemeinde ansieht. Das Verwaltungsgericht hat - was allein bei natürlicher Betrachtung nicht zu beanstanden ist - angenommen, die beiden ca. 45 m langen Stichstraßen seien auf Grund ihrer Ausdehnung von deutlich unter 100 m als unselbstständige Bestandteile der F. straße anzusehen. Eine abweichende Betrachtungsweise könne - so das Verwaltungsgericht - nicht im Blick darauf gelten, dass der Flächennutzungsplan für den östlich der Stichstraßen gelegenen Bereich Wohnbebauung vorsehe; denn weder bestehe für diesen Bereich ein Bebauungsplan noch sei ein Bebauungsplan dort konkret beabsichtigt. Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden, weil sie das im Dezember 2003 (Zeitpunkt der Vorausleistungserhebung) sowie Januar 2005 (Erlass des Widerspruchsbescheids) vorhandene Bauprogramm der Gemeinde G. für die F. straße einschließlich der sie umgebenden Straßen nicht hinreichend berücksichtigt.

16

Ob dasjenige, was sich im Rahmen der maßgeblichen natürlichen Betrachtungsweise bei einer Momentaufnahme als zusammengehöriger Teil des Straßennetzes einer Gemeinde darstellt, auch die beitragsfähige Erschließungsanlage im Sinne von§ 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB bildet, lässt sich häufig nicht völlig losgelöst vom Bauprogramm der Gemeinde entscheiden. Denn erst das Bauprogramm bestimmt darüber, welche Gestalt das gemeindliche Straßennetz bzw. welche Längenausdehnung eine Straße haben soll oder ob eine zunächst angelegte Stichstraße endgültig so bleiben oder aber in absehbarer Zeit weitergebaut werden soll. Plant eine Gemeine beispielsweise die erstmalige Herstellung einer 800 m langen Straße und lässt sie zunächst nur die ersten 500 m herstellen, so kann nicht auf der Grundlage des tatsächlichen Erscheinungsbildes angenommen werden, bei der 500 m langen Teilstrecke handele es sich um die abrechenbare Erschließungsanlage im Sinne von § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB; vielmehr ist zusätzlich das Bauprogramm der Gemeinde in den Blick zu nehmen, was dann zu der Annahme führt, dass sich die abrechenbare Erschließungsanlage im Sinne von § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB über eine Länge von 800 m erstrecken wird. Ähnlich verhält es sich in den Fällen, in denen an einer Straße Stichwege angelegt sind. Soll es nach den gemeindlichen Planungen endgültig bei diesen Stichwegen bleiben, so beurteilt sich nach dem tatsächlichen Erscheinungsbild, ob sie unselbstständiger Bestandteil der Hauptstraße sind oder eine selbstständige Anlage bilden. Sieht das Bauprogramm hingegen vor, dass das Vorhandensein von Stichwegen lediglich vorübergehend ist, z.B. mit einem zeitweisen Baustopp zusammenhängt, und sollen die Stichwege nach den Planungen der Gemeinde in absehbarer Zeit weitergebaut werden, so ist bei der Beurteilung des Anlagenbegriffs kein Raum für eine Betrachtungsweise, die - nach Art einer Momentaufnahme - nur auf den augenblicklichen Zustand abstellt und das Erscheinungsbild nach Vollendung der gemeindlichen Planungen unberücksichtigt lässt. Denn Erschließungsanlage im Sinne von§ 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB ist dasjenige, was sich nicht nur nach einem vorübergehenden Zustand, sondern bei endgültiger Realisierung der erkennbaren gemeindlichen Planungen als zusammengehöriger Bestandteil des Straßennetzes der Gemeinde darstellt.

17

Bei Anwendung dieser Maßstäbe auf den vorliegenden Fall ergibt sich, dass nach den zum Zeitpunkt der Vorausleistungserhebung erkennbaren Planungen der Gemeinde G. die F. straße eine selbstständige Erschließungsanlage sein sollte, von der zwei ihrerseits ebenfalls selbstständige (durchgehende) Erschließungsanlagen in den östlich gelegenen Bereich, der bauplanungsrechtlich als Wohngebiet ausgewiesen werden sollte, abzweigen sollten. Den westlichen Beginn dieser beiden Anlagen sollten die zwei von der F. straße nach Osten abzweigenden Stichstraßen bilden, die mithin als Teile von weiterführenden Anlagen und nicht als dauerhafte Stichstraßen angelegt worden sind. Diese gemeindlichen Planungen entnimmt der Senat den Begründungen zu den Bebauungsplänen Nr. 2 "F." und Nr. 3 "H.":

18

In der Begründung zum Bebauungsplan Nr. 2 wird zu der nördlicheren Stichstraße ausgeführt, sie brauche "erst bei Inangriffnahme der Fortsetzung angelegt zu werden und könne solange den Nachbarn zur Nutzung überlassen bleiben". Diese Formulierung verdeutlicht, dass die Stichstraße nach den Vorstellungen des Rates der Gemeinde G. nicht zeitgleich mit der F. straße und nicht als deren unselbstständiger Bestandteil angelegt werden sollte. Vielmehr sollte sie gemeinsam mit der in das neue Baugebiet führenden Straße hergestellt werden und deren westlichen Bestandteil bilden. Ferner sahen die gemeindlichen Planungen für die Fläche der Stichstraße eine vorübergehende Nutzung durch die Nachbarn, nicht also in erster Linie einen öffentlichen Verkehr vor. Mit dieser Planung steht in Einklang, dass die Stichstraße nicht zeitgleich mit der F. straße, sondern erst am 3. August 2010 gewidmet worden ist.

19

Ähnliche Planungen gelten für die südlichere der beiden hier in Rede stehenden Stichstraßen. Zu deren Ausweisung im Bebauungsplan Nr. 3 als "9 m breite Planstraße V" führt die Begründung aus, dass sie "zwecks Sicherung einer Freihaltung von Verkehrsanschlüssen für spätere neue Baugebiete" erfolge; ihr Ausbau brauche auch "erst dann" zu erfolgen. Auch diese Formulierungen machen deutlich, dass die Stichstraße nicht als Bestandteil der F. straße, sondern als Beginn einer Erschließungsstraße für östlich gelegene neue Baugebiete angesehen wurde. Auch diese Stichstraße sollte zeitgleich nicht mit der F. straße, sondern mit der in das neue Baugebiet führenden Erschließungsstraße hergestellt werden, als deren westlicher Bestandteil sie angesehen wurde.

20

Der Rat der Gemeinde G. hat das in den Begründungen zu den Bebauungsplänen Nr. 2 und Nr. 3 zum Ausdruck kommende Bauprogramm zu keiner Zeit in einer Weise geändert, die Auswirkungen auf den bei der Vorausleistungserhebung zugrunde zu legenden Anlagenbegriff gehabt hat, so dass das maßgebliche Bauprogramm insoweit, also vom Inhaltlichen her, bis zu diesem Zeitpunkt (und im Übrigen bis zum heutigen Tag) unverändert fortgegolten hat. Eine für den Anlagenbegriff bedeutsame Änderung kann nicht darin gesehen werden, dass der Rat in seiner Sitzung am 11. März 2004 beschlossen hat, die Aufstellung eines Bebauungsplans für die östlich gelegenen Teilflächen "liege noch in weiter Ferne". Diese Aussage betrifft alleine die zeitliche Planung, berührt den Inhalt der Planungen aber nicht. Insbesondere lässt sie sich nicht dahingehend deuten, dass es nun auf unabsehbare Zeit, also quasi endgültig, bei den Stichstraßen bleiben soll. Eine inhaltliche Änderung der Planungen lässt sich ferner nicht aus den von der Beklagten in der Berufungsverhandlung vorgelegten Unterlagen herleiten: Die Ratsbeschlüsse vom 18. Mai 2000 und 13. Februar 2003 betreffen allein die F. straße und nicht auch die Stichstraßen. Der Ratsbeschluss vom 21. Oktober 2003 hat zwar die Stichstraßen zum Gegenstand, weist aber - soweit das bisherige Bauprogramm geändert wird - nur eine zeitliche Komponente auf, indem anstelle des späteren Ausbaus nunmehr eine umgehende Ausführung der Baumaßnahme vorgesehen wird. Vom Inhaltlichen her bestätigt der Beschluss hingegen das in den Bebauungsplänen Nr. 2 und Nr. 3 festgelegte Bauprogramm, weil er die Herstellung der Stichstraßen letztlich als gegenüber der Herstellung der F. straße eigenständige Baumaßnahme bewertet; so wurden die Fragen einer gesonderten Ausschreibung, eines Nachtragsangebots, eines Nachtragshaushalts und der "überplanmäßigen Kostenvergabe" erörtert und gesonderte Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt.

21

Die Annahme, dass die Ratsbeschlüsse zwischen 2000 und 2004 das ursprüngliche, eigenständige Anlagen vorsehende Bauprogramm von 1982 und 1983 inhaltlich nicht geändert haben, wird durch die spätere Entwicklung bestätigt. Denn in dem Bebauungsplan Nr. 11 I., dessen Aufstellung am 29. Mai 2007 beschlossen worden und der am 10. November 2009 in Kraft getreten ist, sind die Verlängerungsstrecken betreffend die beiden Stichstraßen planungsrechtlich ausgewiesen. Damit sind die in den Begründungen zu den Bebauungsplänen Nr. 2 und Nr. 3 zum Ausdruck gekommenen Bauprogramme nunmehr durch eine verbindliche Bauleitplanung festgeschrieben. Die Bauprogramme konnten auch nicht zwischenzeitlich durch die Verwaltung der Beklagten abgeändert werden. Diese war an die in den Bebauungsplänen Nr. 2 und Nr. 3 vom Rat aufgestellten Programme nämlich gebunden und zu deren Änderung nicht befugt. Sie konnte sich also, beispielsweise durch die hier streitigen Vorausleistungserhebungen, nicht über die Planungen des Gemeinderats hinwegsetzen.