Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 13.08.2010, Az.: 7 ME 60/10

Untersagung des Ankaufs und des Angebots von Edelmetallen im Reisegewerbe

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
13.08.2010
Aktenzeichen
7 ME 60/10
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 22737
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2010:0813.7ME60.10.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 01.07.2010 - AZ: 11 B 5107/09

Fundstellen

  • DVBl 2010, 1253
  • DÖV 2010, 945
  • GewArch 2010, 408-409
  • NVwZ-RR 2010, 971-972

Amtlicher Leitsatz

Das Verbot, im Reisegewerbe Waren iSv § 56 Abs. 2 GewO (Edelmetalle, Edelsteine, Münzen, Schmuck u.Ä.) anzubieten und anzukaufen, dient dem öffentlichen Interesse an der Kriminalitätsbekämpfung. Es kann daher nicht allein mit der Erwägung einschränkend ausgelegt werden, der Verbraucher bedürfe eines "Schutzes vor Überrumpelung" nicht.

Gründe

1

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den im Tenor bezeichneten Beschluss des Verwaltungsgerichts, mit dem es den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Anfechtungsklage gegen die Untersagung des Ankaufs von Edelmetallen im Reisegewerbe gem.§§ 56 Abs. 1 Nr. 2, 60d GewO durch Verfügung der Antragsgegnerin vom 13. Oktober 2009 abgelehnt hat, hat keinen Erfolg. Die mit der Beschwerde vorgetragenen Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen eine Änderung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht.

2

Die Antragstellerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in D., die nach eigenen Angaben in der Bundesrepublik Deutschland ein Netz von über 700 "Agenturen" eingerichtet hat, wo Edelmetalle in Gestalt von Münzen, Ringen, Schmuck, Zahngold, Bruchgold u.Ä. angekauft werden und in denen sie von Zeit zu Zeit Werbeaktionen für den "Barankauf" von Altedelmetallen durchführt ( "Der Goldschmied ist da ! Nur vom .... bis ..." ).

3

Die Antragstellerin wechselt ihren Vortrag, wenn sie einerseits ausführt, dass sie "... selbst nicht handelt, sondern eben der entsprechende Agenturpartner", bzw. "... der Ankauf durch die autorisierte Goldverwertungs-Agentur E. erfolgt" und es keineswegs so sei, "... dass es zu einem Vertragsschluss zwischen Verkäufern und (ihr) ... kommen kann", sie andererseits zur Vertragsgestaltung aber mitteilt, "... dass Herr E. als Agenturpartner in fremdem Namen und auf fremde Rechnung einkauft", was mit der Behauptung, der Agenturpartner sei Ankäufer und werde Vertragspartner der Kunden unvereinbar ist. Widersprüchlich sind auch die von der Antragstellerin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen, in denen der Agenturinhaber sich verpflichtet, "... für A. kommissionsweise Altedelmetalle ... anzukaufen", während es im "Schulungsprotokoll" heißt, die Gewerbeanmeldung sei um den "Ankauf von Edelmetallen auf fremden Namen und fremde Rechnung" zu erweitern. Bei Auswertung der Werbeauftritte und der Internetpräsenz der Antragstellerin spricht vieles dafür, dass die Darstellung, der Agenturpartner werde im Rechtsinne Vertragspartner der Kunden, eine Schutzbehauptung für den Fall ist, dass die Gewerbeaufsichtsbehörden gegen sie einschreiten, um dann ihrem Geschäftsgebaren den Schein einer zulässigen Gestaltung zu geben (vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.3.2010 - 1 S 239.09 -, Vnb, "Strohmann ..., um die reisegewerblichen Bestimmungen zu umgehen"). In einer Anzeige für den angekündigten "Goldschmied" im Nibelungenkurier vom 3. Juli 2010 heißt es: "Handelt im Namen und auf Rechnung der A.F. -Gesellschaf" ; im SonntagsReport - Die Wochenzeitung für das nördliche Emsland - vom 4. Juli 2010 findet sich ein identischer Text. Auch in der Internetpräsenz der Antragstellerin tritt sie gegenüber Interessenten selbst als Vertragspartnerin auf. Dort wird etwa unter der Rubrik "Was man der A. verkaufen kann", angegeben, "Zahngold: Die A. kauft Zahngold ....", unter "häufige Fragen - Wie bezahlt die A. ?" heißt es , "Sofort in bar - in jeder A. Ankaufsstelle". Nach den von den Mitarbeitern des Antragsgegners bei einem Ortstermin am .... September 20.. in den Räumen des G. -Shops getroffenen Feststellungen wurde der Goldankauf an den Tagen, an denen der "Goldschmied" im Geschäft anwesend war, ausschließlich von der Antragstellerin abgewickelt.

4

Diese Gestaltung ist gewerberechtlich unzulässig, wie der Senat bereits mit Beschluss vom 31. Juli 2009 (7 ME 73/09) entschieden hat (ebenso OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.3.2010, a.a.O.; VG Berlin, Beschl. v. 6.11.2009 - 4 L 360.09 -, [...]; VG Minden, Urt. v. 25.3.2009 - 3 K 224/09 -, [...]; VG Oldenburg, Beschl. v. 23.6.2009 - 12 B 1586/09 -, Vnb; VG Meiningen, Urt. v. 14.7.2009 - 5 K 196/09 -, [...]; VG Hannover, Beschl. v. 1.7.2010 - 11 B 5107/09 -, Rechtsprechungsdatenbank der Nds. Verwaltungsgerichtsbarkeit; LG Düsseldorf, Urt. v. 19.6.2009 - 38 O 28/09, [...]). Nach § 56 Abs. 1 Nr. 2a und b GewO ist im Reisegewerbe das Feilbieten und der Ankauf von Edelmetallen (Gold, Silber, Platin und Platinbeimetallen) und edelmetallhaltigen Legierungen in jeder Form sowie von Waren mit Edelmetallauflagen und von Edelsteinen, Schmucksteinen und synthetischen Steinen sowie von Perlen verboten. Das Verbot bezweckt die Verhinderung von Straftaten, vor allem von Betrug und Hehlerei mit gestohlenem Schmuck, Münzen, Bestecken u.Ä. und dient damit zunächst dem öffentlichen Interesse an der Kriminalitätsbekämpfung (vgl. Landmann/Rohmer, GewO, Loseblatt, § 56 Rn. 55; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.3.2010, a.a.O.). Zugleich schützt es Verbraucher davor, dass ihnen Schmuck und andere edelmetallhaltige Gegenstände illegaler Herkunft "angedreht" werden, an denen sie kein Eigentum erwerben können. Der An- und Verkauf der in § 56 Abs. 1 Nr. 2a und b GewO bezeichneten Gegenstände ist nur im stehenden Gewerbe zulässig, bedarf der Anzeige und unterliegt den besonderen Kontrollen der §§ 29 und 38 GewO. Von dem Verbot ausgenommen sind nur Handelsvertreter und Handlungsreisende, die andere Personen im Rahmen ihres Geschäftsbetriebes aufsuchen (vgl. Landmann/Rohmer, a.a.O., § 56 Rn. 59). Das Verbot des§ 56 Abs. 1 Nr. 2a und b GewO kann vor diesem Hintergrund nicht in Parallelität zu § 312 Abs. 3 Nr. 1 BGB und der Judikatur zum früheren Haustürwiderrufsgesetz allein als - für Verbraucher konkret nicht notwendiger - "Schutz vor Überrumplung" in einer Form einschränkend ausgelegt werden, dass der An- und Verkauf von Edelmetallen, Edelsteinen und Schmuck in einer Art "Wandergewerbe" zulässig wird (so aber i. Erg. VG Köln, Beschl. v. 25.2.2010 - 1 L 7/10 -, Vnb; LG Kassel, Urt. v. 6.3.2009 - 12 O 4197/08 -, [...]; in der Tendenz auch OVG Münster, Beschl. v. 17.5.2010 - 4 B 1693/09 -, Vnb). Bei einer solchen Interpretation würden die in§§ 29 und 38 GewO vorgesehenen Kontrollmöglichkeiten (z.B. Einsicht in Bücher und Kaufbelege, Inaugenscheinnahme der Kaufobjekte) schon wegen des permanenten Zuständigkeitswechsels bei den Gewerbeaufsichtsbehörden praktisch leerlaufen und der Handel mit Diebesgut begünstigt. Das schließt es aus, eine Tätigkeit umherreisender "Goldschmiede" als zulässig anzusehen, die sich im Zuge sporadischer Aktionen an einem Ort kurzzeitig aufhalten, um anschließend wieder zu verschwinden und dabei - von Personen, die sie nach Werbeaktionen aufsuchen - Gold, Silber, Schmuck u.a. ankaufen bzw. auf solche Weise erworbene Waren an andere Kunden verkaufen. Eine derartige Form der Gewerbebetätigung liegt erkennbar auch außerhalb der Vorstellung des Gesetzgebers, der reisende Gewerbetreibende lediglich im Rahmen von §§ 56 Abs. 3 Satz 1, 55 b Abs. 1 GewO von dem Verbot des § 56 Abs. 1 Nr. 2a und b GewO freigestellt hat. Das gilt auch dann, wenn die Tätigkeit in Hotels (vgl. auch OVG Hamburg, Beschl. v. 17.10.2006 - 1 Bs 306/06 -, GewArch 2007, 84f.) oder Geschäftsräumen anderer Gewerbetreibender ausgeübt wird. Ein Reisegewerbe betreibt nach § 55 Abs. 1 GewO (auch), wer außerhalb "seiner" gewerblichen Niederlassung (§ 42 Abs. 2 GewO) tätig wird. Dass der Gewerbetreibende - wie die Antragstellerin - an einem anderen Ort eine gewerbliche Niederlassung unterhält, steht der Annahme einer Reisegewerbetätigkeit mithin nicht entgegen (vgl. Tettinger/Wank, GewO, 7. Aufl. 2004, § 55 Rn. 20). Die gewerberechtliche Einordnung unterscheidet sich insoweit nicht von der eines sonstigen Händlers, der seine temporäre An- oder Verkaufsstelle außerhalb seiner gewerblichen Niederlassung öffentlich und allgemein bekannt macht. Insbesondere wird nicht zeitweise eine gewerbliche Niederlassung gegründet (ebenso OVG Hamburg, Beschl. v. 17.10.2006, a.a.O.). Ein Reisegewerbe wird nicht dadurch, dass es einige Tage im Jahr in den Räumen eines stehenden Gewerbes eines anderen Gewerbetreibenden ausgeübt wird, selbst zum stehenden Gewerbe und zwar auch dann nicht, wenn der andere Gewerbetreibende die gleiche Tätigkeit in diesen Räumen ganzjährig ausübt (vgl. auch VG Minden, a.a.O.; VG Meiningen, a.a.O.; unzutreffend daher VG Stade, Beschl. v. 25.3.2010 - 6 B 285/10 -, Vnb). Im Fall der Antragstellerin fehlt im Übrigen für eine derartige Annahme schon die Gewerbeanzeige gegenüber der zuständigen Gewerbeaufsichtsbehörde, die nicht deshalb entbehrlich ist, weil ein anderer Gewerbetreibender in denselben Räumen das gleiche Gewerbe angemeldet hat.

5

Die Erwägungen des Nordrhein-Westfälischen Oberverwaltungsgerichts (a.a.O.), die Antragstellerin sei zuverlässig, unterliege den besonderen Kontrollmöglichkeiten nach §§ 29, 38 GewO und sei für Kunden und Behörden in D. erreichbar, vermögen eine abweichende Beurteilung nicht zu tragen. Vorliegend steht eine Frage der Gesetzesauslegung in Rede. Sie kann nicht von der Einschätzung der persönlichen Zuverlässigkeit gerade des jeweiligen konkreten Antragstellers abhängig gemacht werden, sondern muss abstrakt-generell unter Berücksichtigung der sich aus ihr ergebenden Gefährdungen - auch in anderen Fällen - beurteilt werden. Die Auffassung des Nordrhein-Westfälischen Oberverwaltungsgerichts (a.a.O.), die Risiken seien nicht höher einzuschätzen als bei Gewerbetreibenden, die Kunden auf deren Bitte hin zwecks Goldankaufs zu Hause aufsuchten, teilt der Senat im Übrigen nicht. Es macht einen Unterschied, ob ein Dieb oder Hehler gegenüber dem Goldhändler Name und Anschrift mitteilen, anschließend - regelmäßig - einige Zeit auf seinen Besuch warten und aufgrund seiner Angaben mit Entdeckung rechnen muss, oder ob er den Händler ohne vorherige Preisgabe dieser Daten zu einem von ihm bestimmten Zeitpunkt aufsuchen und die Geschäftsstätte sofort mit Bargeld verlassen kann. Dass bei Zulassung einer derartigen Gestaltung der Ankaufsmöglichkeiten von Edelmetallen, Schmuck, Münzen, Bestecken, Edelsteinen, Perlen u.a. die Verwertungskriminalität von Diebes- und Raubgut stärker begünstigt wird, dürfte ernsthaft kaum in Abrede gestellt werden können.

6

Die Auffassung der Antragstellerin, "... die §§ 55 ff. GewO (seien) bereits europarechtswidrig, teilt der Senat nicht. Das Verbot des § 56 Abs. 1 Nr. 2a und b GewO verfolgt mit dem Ziel, den Ankauf von Diebesware und die Hehlerei zu erschweren und die Verbraucher zu schützen, legitime öffentliche Belange. Die angeführte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 13. Oktober 2000 (Rs. C 254/98) ist nicht einschlägig. Eine Behinderung des Zugangs von Waren aus anderen Mitgliedstaaten zum deutschen Markt ist bei den Geschäftsaktivitäten der Antragstellerin nicht erkennbar (ebenso OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.3.2010, a.a.O.).

7

Die Antragstellerin besitzt keine Ausnahmebewilligung gemäß § 56 Abs. 2 Satz 3 GewO und auch die hierfür erforderliche Reisegewerbekarte nach § 55 Abs. 2 und 3 GewO nicht. Sie ist daher nicht berechtigt, außerhalb ihrer gewerblichen Niederlassung den Ankauf von Edelmetallen im Reisegewerbe vorzunehmen. Nach den von den Mitarbeitern des Antragsgegners bei ihrer örtlichen Überprüfung getroffenen Feststellungen und aufgrund der wechselnden Einlassungen der Antragstellerin besteht der begründete Verdacht, dass sie dem gesetzlichen Verbot zuwider handelt. Daher ist der - präventive - Erlass einer Verfügung, die ihr den Ankauf von Edelmetallen (Gold, Silber, Platin und Platinbeimetallen) und edelmetallhaltigen Legierungen in jeder Form sowie von Waren mit Edelmetallauflagen im Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin untersagt, bereits aufgrund der Besorgnis weiterer Gesetzesverstöße gerechtfertigt ("Besorgnisverfügung"). Des konkreten Nachweises eines bereits erfolgten Verstoßes gegen das gesetzliche Verbot bedarf es bei dieser Sachlage nicht.