Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 30.08.2010, Az.: 7 ME 59/10

Anhaltspunkte für die Unzuverlässigkeit eines Linienverkehrs-Unternehmers bei Bagatellverstößen

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
30.08.2010
Aktenzeichen
7 ME 59/10
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 45267
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2010:0830.7ME59.10.0A

Amtlicher Leitsatz

Bagatellverstöße oder einmalige Vorfälle, die nicht den Rückschluss auf Organisationsverschulden oder die fehlende Bereitschaft oder Fähigkeit zur ordnungsgemäßen Führung des Unternehmens zulassen, begründen regelmäßig keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Unzuverlässigkeit des Unternehmers. Der Linienverkehrsunternehmer muss Haltestellen zeitgerecht bedienen, was bedeutet, dass der Bus sie zur fahrplanmäßig angegebenen Zeit anfährt und nicht vor Ablauf des fahrplanmäßigen Abfahrtzeitpunktes wieder verlässt.

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stade - 1. Kammer - vom 28. Juni 2010 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 240.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den im Tenor bezeichneten Beschluss des Verwaltungsgerichts, mit dem es den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen den Widerruf der ihr erteilten Linien- und Bedarfsverkehrsgenehmigungen durch Bescheide der Antragsgegnerin vom 27. Mai 2010 und 9. Juni 2010 abgelehnt hat, hat keinen Erfolg.

Die mit der Beschwerde dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen eine Änderung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht.

Gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 PBefG hat die Genehmigungsbehörde die Genehmigung zu widerrufen, wenn nicht mehr alle Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 PBefG vorliegen. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 PBefG darf die Genehmigung nur erteilt werden, wenn keine Tatsachen vorliegen, die die Unzuverlässigkeit des Antragstellers als Unternehmer oder der für die Führung der Geschäfte bestellten Personen dartun. Das Unternehmen und die zur Führung der Geschäfte bestellten Personen gelten als zuverlässig im Sinne dieser Vorschrift, wenn keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass bei der Führung des Unternehmens die für den Straßenpersonenverkehr geltenden Vorschriften missachtet oder die Allgemeinheit bei dem Betrieb des Unternehmens geschädigt oder gefährdet werden (§ 1 Abs. 1 Berufszugangsverordnung für den Straßenpersonenverkehr- PBZugV -). Anhaltspunkte für die Unzuverlässigkeit des Unternehmers sind nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 a und c PBZugV insbesondere schwere Verstöße gegen Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes oder der auf diesem Gesetz beruhenden Rechtsverordnungen sowie gegen Vorschriften, die im Interesse der Verkehrs- und Betriebssicherheit erlassen wurden, wie Vorschriften des Straßenverkehrsgesetzes, der Straßenverkehrs-Ordnung oder der Straßenverkehrs-Zulassung-Ordnung. Aus dem Umstand, dass § 1 Abs. 2 Satz 1 PBZugV schwere Verstöße gegen strafrechtliche Vorschriften (in Nr. 1) einerseits und schwere Verstöße gegen sonstige Vorschriften und Pflichten (in Nr. 2) andererseits als Anhaltspunkte für die Unzuverlässigkeit gleichordnet, ist zu folgern, dass es sich bei den letzteren um schwerwiegende Verstöße mit so negativer Aussagekraft handeln muss, dass bereits aus diesem Verhalten generalisierend auf eine (auch) künftige Missachtung der für den Straßenpersonenverkehr geltenden Vorschriften bei Führung des Unternehmens oder eine Gefährdung der Allgemeinheit bei dem Betrieb des Unternehmens geschlossen werden kann (OVG Hamburg, Beschl. v. 20.06.2008 - 3 Bs 48/08 -, juris). Bagatellverstöße oder einmalige Vorfälle, die nicht den Rückschluss auf Organisationsverschulden oder die fehlende Bereitschaft oder Fähigkeit zur ordnungsgemäßen Führung des Unternehmens zulassen, sind daher insoweit nicht ausreichend. Ein Vorfall wie hier der vom 1. Juni 2010, bei dem von der Antragstellerin in einem Acht-Sitzer-Bus neun Schulkinder befördert wurden, weil der Busfahrer ein 7 oder 8jähriges Kind nach Schulschluss nicht an der Bushaltestelle zurück lassen wollte, nachdem die Aufsichtsperson sich nach seiner Beobachtung zurück gezogen hatte, ist als solche "Bagatelle" einzustufen. Die Antragstellerin hat den ihr von der Schule zur Verfügung gestellten Stundenplan vorgelegt, wonach am Dienstag nach der 6. Stunde 8 "Buskinder" abzuholen waren. Wenn die Antragstellerin sich in ihrer Kapazität darauf einrichtet und einen Acht-Sitzer-Bus einsetzt, kann ihr dies zunächst nicht zum Vorwurf gemacht werden. Es liegt im Verantwortungsbereich der Schule, wenn sie Kapazitätsvorgaben an den Schulbusbetreiber gibt, ihn auch über Veränderungen der Zahl der zu befördernden Schüler zu informieren. Die Mitnahme eines 9. Kindes ist in einem solchen Fall zwar nicht zulässig, generalisierende Rückschlüsse darauf, dass der Unternehmer die für den Straßenpersonenverkehr geltenden Vorschriften missachten würde, lassen sich nach Lage der Dinge hierauf jedoch nicht stützen.

Die Antragstellerin hat aber wiederholt und schwerwiegend gegen personenbeförderungsrechtliche Vorschriften verstoßen, namentlich gegen die Pflichten, den ihr genehmigten Linienbetrieb aufzunehmen und zu unterhalten (§ 21 Abs. 1 PBefG), Haltestellen zu kennzeichnen und Abfahrtzeiten anzugeben (§§ 40 Abs. 4 PBefG, 32 Abs. 2 BOKraft), nach Hauptuntersuchungen das Prüfbuch unverzüglich der Genehmigungsbehörde vorzulegen (§ 41 Abs. 2 BOKraft), und dafür zu sorgen, dass sich die Fahrzeuge in vorschriftsmäßigem Zustand befinden, insbesondere keine verkehrsuntauglichen Fahrzeuge im Linienverkehr eingesetzt werden (§ 3 Abs. 1 Satz 2 BOKraft; § 1 Abs. 2 Nr. 2 c PBZugV i.V.m. § 36 StVZO). Wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, genügt die Feststellung dieser Verstöße für den Widerruf der erteilten Linien- und Bedarfsverkehrsgenehmigungen nach §§ 25 Abs. 1 Satz 1, 13 Abs. 1 Nr. 2 PBefG und die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Widerrufsentscheidung (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO). Es bedarf insbesondere nicht noch zusätzlich einer negativen Prognose oder der Begründung einer Wiederholungsgefahr. Die ungünstige Prognose ergibt sich bereits aus dem gezeigten Verhalten (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.10.1996 - 11 B 53.96 -, juris; BayVGH, Beschl. v. 26.1.2009 - 3 CS 09.46 -, juris). Es ist insbesondere nicht Aufgabe der Aufsichtsbehörde, mit Kontrollen und periodischen Prüfberichten zu gewährleisten, dass ein Unternehmer künftig zuverlässig bleibt (BayVGH, Beschl. v. 26.1.2009, aaO). Zu den von der Antragstellerin gegen diese Bewertung geltend gemachten Einwänden:

Die von der Antragstellerin als Entschuldigung für das Versäumnis der unverzüglichen Übersendung der Prüfbücher (§ 41 Abs. 2 BOKraft) angeführten vielfältigen Gründe vermögen sie nicht zu entlasten. Es ist Sache der Betriebsleitung der Antragstellerin sicher zu stellen, dass den Verpflichtungen gegenüber der Aufsichtsbehörde genügt wird. Wenn dies - wie hier - über längere Zeit und wiederholte Male und auch nach Einstellung des Herrn Stockfisch als Betriebsleiter sowie einer entsprechenden Verfügung der Aufsichtsbehörde nicht gelingt, darf diese im Widerrufsverfahren hieraus auf das Unvermögen des Beförderungsunternehmers, einen ordnungsgemäßen Geschäftsablauf zu organisieren und damit dessen personenbeförderungsrechtliche Unzuverlässigkeit schließen, ohne in jedem Einzelfall das Verschulden erforschen zu müssen. Im Übrigen erscheinen die angeführten Gründe auch wenig stichhaltig. Dass z.B. die Inhaberin der Antragstellerin, ihr Betriebsleiter und die Angestellte Tiedemann durch die Beschaffung der "... von der Antragsgegnerin für die Änderungsanträge betreffend Linien 70, 70a und 71 für erforderlich gehaltenen Unterlagen ... (und der Vorbereitung) ... für den nächsten Gesprächstermin" arbeitsmäßig so überlastet gewesen sein sollen, dass sie eine Übersendung der Unterlagen per Post oder Fax nicht hätten veranlassen können, erscheint kaum nachvollziehbar. Hierbei handelt es sich um Routineangelegenheiten, die eine Bürokraft erledigen kann und die eines geringen Zeitaufwandes bedürfen. Es ist auch nicht ausreichend, wenn - wie die Antragstellerin meint -"... in der weit überwiegenden Zahl der Fälle die Busse ... technisch einwandfrei waren", vielmehr ist erforderlich, dass alle Fahrzeuge den Anforderungen an die Verkehrstauglichkeit genügen. Setzt ein Unternehmer wissentlich verkehrsuntaugliche Fahrzeuge im Personenverkehr ein, ist er regelmäßig als personenbeförderungsrechtlich unzuverlässig einzustufen (ebenso BayVGH, Beschl. v. 26.1.2009, aaO mwN).

Was die Vorgänge um den Vorfall vom 2. März 2010 angeht, bei dem dem Fahrzeug CUX-AA 550 wegen mangelnder Profiltiefe eines Reifens(§ 29 StVZO) von der Polizei die Weiterfahrt untersagt wurde, verkennt die Antragstellerin den Charakter des sich ihr gegenüber daraus ergebenden Vorwurfs, wenn sie diesen als "Missgeschick" und "Einzelfall" abzutun versucht. Nach ihrem Vortrag wurde nach der Beschädigung des Reifens bei einer Fahrt in Widerspruch zu einer bestehenden "... Dienstanweisung für die Werkstatt, bei Aufzug von Ersatzreifen die Profiltiefe zu messen", der nicht verkehrssichere "Ersatzreifen" in ihrer Werkstatt aufgezogen. Diese Einlassung vermag die Antragstellerin nicht zu entlasten. Die Profiltiefe der Reifen der eingesetzten Fahrzeuge ist ständig zu überwachen, jedenfalls aber regelmäßig in periodischen Abständen. Reifen mit mangelnder Profiltiefe dürften sich in der Werkstatt daher im Grunde nicht befinden, es sei denn als ausgesonderte Bestände. Eine Dienstanweisung, Reifen anlassbezogen ("bei Aufzug von Ersatzreifen") zu überprüfen, ist wenig sinnvoll, es sei denn, die gebotene ständige Überwachung der Profiltiefen im Betrieb der Antragstellerin findet gar nicht statt. Dass vom Werkstattleiter für den Reifenaustausch überhaupt auf einen derart abgefahrenen Reifen zurückgegriffen werden musste, nötigt in diesem Zusammenhang jedenfalls zu der Annahme, dass kein besserer, jedenfalls kein anderer verkehrstauglicher Reservereifen, zur Verfügung stand. Wäre in ihrer Werkstatt ein neuer oder jedenfalls geprüfter Ersatzreifen vorhanden gewesen, hätte sich die - nach dem Vortrag der Antragstellerin dann versehentlich unterbliebene - Nachmessung der Profiltiefe von vornherein erübrigt. Eine Situation, in der die betriebseigene Werkstatt auf ungeeignetes Ersatzmaterial zurückgreifen muss, um die Fahrtauglichkeit eines im Linienverkehr eingesetzten Busses wieder herzustellen, stellt aber einen Organisationsmangel dar, der nicht als individuelle "Schusseligkeit" verharmlost werden kann. Die weitere Einlassung der Antragstellerin, die übrigen Reifen des Busses seien neu gewesen und hätten das erforderliche Profil aufgewiesen, trifft sicher zu, vermag sie aber nicht zu entlasten, weil alle Reifen die in § 29 StVZO geforderte Profiltiefe aufweisen müssen, um verkehrstauglich zu sein, zumal bei Eis und Glätte wie Anfang März d.J..

Des Weiteren belegt die versuchte Verschleierung und Fehlinformation der Aufsichtsbehörde über den Vorfall die persönliche Unzuverlässigkeit der Antragstellerin. Auf Nachfrage der Aufsichtsbehörde vom 1. April 2010 gab die Antragstellerin unter dem 16. April 2010 zunächst an, sie wisse nicht genau, was ihr vorgeworfen werde und könne eine Stellungnahme noch nicht abgeben. Nach erneuter Anfrage der Antragsgegnerin am 22. April 2010 teilte ihr damaliger Rechtsvertreter mit Schreiben vom 26. April 2010 mit, "... der die Ordnungswidrigkeitenanzeige fertigende PK Müller (habe) ganz offensichtlich die Tatsachen verdreht und falsch mitgeteilt. Weder ... (sei) mit Reifen gefahren (worden), die kein Profil enthielten, noch mit dem Omnibus CUX-AA 550 mit gravierenden Mängeln. Fakt (sei) ..., dass das gleichzeitig geführte Verfahren betreffend Ordnungswidrigkeit ... aller Voraussicht nach eingestellt (werde)." Diese Behauptungen waren unwahr. Zu diesem Zeitpunkt, mit Schreiben vom 19. April 2010, hatte die Antragstellerin den Vorwurf gegenüber der Bußgeldstelle des Landkreises Cuxhaven bereits eingeräumt, wobei sich aus ihrer Einlassung ergibt, dass die Inhaberin der Antragstellerin persönlich den Reifenschaden am 2. März 2010 verursacht und die Anweisung zum Tausch des Reifens gegeben hatte. Der unter dem 30. April 2010 erlassene Bußgeldbescheid wurde nicht angefochten. Zu Recht sieht die Antragsgegnerin in diesem Verhalten der Antragstellerin eine gravierende Pflichtverletzung.

Soweit die Antragstellerin gegenüber der Entscheidung des Verwaltungsgerichts einwendet, es habe außer Acht gelassen, "... dass zwischen den Parteien eine Vereinbarung getroffen (worden sei) ..., wonach (ihr) zukünftiges Verhalten ... maßgeblich für das Behalten der Konzessionen sein sollte," und dass "... aus Gründen des Vertrauensschutzes Vorfälle, die vor dem 25.02.2010 lagen, nicht mehr heran(gezogen werden dürften) ..., um einen Widerruf ... zu begründen," geht dieser Vorwurf fehl. Weder aus dem Abmahnungsschreiben vom 25. Februar 2010 noch aus dem Protokoll des vorangegangenen Aufsichtsgesprächs vom 21. Januar 2010 ergibt sich eine Zusicherung der Antragsgegnerin, bei einem künftigen Widerruf der Linien- und Bedarfsverkehrsgenehmigungen die - bereits geschehenen - Vorkommnisse außer Betracht zu lassen. Sollte die Antragstellerin tatsächlich eine derartige Erwartung gehegt haben, wäre sie jedenfalls nicht schutzwürdig. Im Übrigen hat die Antragsgegnerin nicht die zurückliegenden Vorfälle isoliert zum Anlass für den Widerruf genommen, sondern ihre aufsichtlichen Verfügungen vom 27. Mai 2010 und 9. Juni 2010 - auch - auf die nach diesem Zeitpunkt eingetretenen bzw. bekannt gewordenen weiteren Verstöße der Antragstellerin gegen die Bestimmungen des Personenbeförderungsrechts gestützt. Im Hinblick auf den Vortrag der Antragstellerin, "... problematische Fahrzeuguntersuchungen (seien) geballt in 2009 (eingetreten), ... ab Ende 2009 (habe sich) aber eine erhebliche Besserung gezeigt", weist die Antragsgegnerin in ihrer Entgegnung zu Recht darauf hin, dass die von ihr aufgelisteten Vorfälle zwar überwiegend vor dem Aufsichtsgespräch vom 21. Januar 2010 lagen, sich jedoch nach der Einsetzung des Betriebsleiters Stockfisch ereignet haben und daher nicht geeignet waren, das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Antragstellerin wieder herzustellen.

Soweit die Antragstellerin geltend macht, aufgrund der Erkrankung von Busfahrern habe eine (unverschuldete) "Betriebsstörung" vorgelegen, die sie an der Bedienung der Linien 70-71 gehindert habe, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Antragstellerin bereits vor den Erkrankungen diese Linien - wie sie im Aufsichtsgespräch vom 21. Januar 2010 eingeräumt hatte - nicht mehr ordnungsgemäß bediente, so dass die - schließlich am 22. Januar 2010 schriftlich angezeigte - "Betriebsstörung" ohnehin den permanenten Normalzustand im Linienbetrieb der Antragstellerin darstellte. Im Übrigen gehen die Rechtfertigungsversuche der Antragstellerin insoweit an der Sache vorbei. Der in diesem Zusammenhang von der Antragsgegnerin im Bescheid vom 9. Juni 2010 erhobene Vorwurf lautet, dass - trotz mehrfacher Aufforderung - keine lückenlosen Nachweise über länger andauernde krankheitsbedingte Ausfälle von Mitarbeitern vorgelegt worden seien, was Zweifel an der Richtigkeit der Behauptungen der Antragstellerin weckt sowie die Bereitschaft und/oder Fähigkeit ihrer Betriebsleitung zur Erfüllung der unternehmerischen Nachweispflichten gegenüber der Aufsichtsbehörde in Frage stellt. Dazu verhält sich die Beschwerdebegründung nicht. Im Übrigen fehlt einem Busunternehmen, das über Monate hinweg wegen Erkrankung von Mitarbeitern Linien nicht bedienen kann, offensichtlich die erforderliche Leistungsfähigkeit, den übernommenen Linienbetrieb zu gewährleisten. Es ist Sache des Verkehrsunternehmers, ggf. durch befristete Einstellung von Ersatzfahrern oder Kooperation mit anderen Unternehmen, Personal- und Kapazitätsengpässe zu überbrücken und damit den ihm übertragenen öffentlichen Verkehrsauftrag zu erfüllen. Das gilt zumal dann, wenn die Dauer der krankheitsbedingten Verhinderung nicht absehbar ist, wie hier etwa bei den beiden - nach Angaben der Antragstellerin - wegen Herzinfarktes ausgefallenen Busfahrern.

Soweit die Antragstellerin die Feststellungen der Mitarbeiter der Antragsgegnerin zur Linienbedienung am 18. Mai 2010 angreift, verkennt sie, was Linienbedienung heißt. Eine Buslinie wird nicht dadurch bedient, dass der Busfahrer nach Aufsuchen eines Waschplatzes mit seinem Fahrzeug die Haltestelle aus mehr oder minder großer Entfernung in Augenschein nimmt und, weil er meint, dort keinen Fahrgast ausmachen zu können, diese dann nicht anfährt. Im Linienverkehr nach § 42 PBefG sind - worauf die Antragsgegnerin zutreffend hinweist - die Fahrten unabhängig davon durchzuführen, ob sich Passagiere im Bus aufhalten. Eine "Sichtprüfung" der Haltestelle ist im Übrigen auch nicht ausreichend. Fahrwillige Personen müssen sich nicht auf der Haltestelle aufhalten, sondern können sich in der Nähe befinden, um bei Herannahen des Busses zu dieser zu gehen oder ihr Eintreffen zeitlich so disponieren, dass sie exakt zum fahrplanmäßigen Abfahrtzeitpunkt eintreffen. Wenn die Antragstellerin in diesem Zusammenhang einräumt, dass ihr Busfahrer "... bei den weiteren Haltestellen bis zur Endhaltestelle die Haltestellen etwas früher an(gefahren habe) ..., als im Fahrplan vorgesehen", beschreibt sie damit einen Missstand, den sie zu Unrecht zu bagatellisieren versucht. Haltestellen sind zeitgerecht zu bedienen, was bedeutet, dass der Bus diese pünktlich zur fahrplanmäßig angegebenen Zeit erreicht und sie nicht vor Ablauf des fahrplanmäßigen Abfahrtzeitpunktes wieder verlässt. Ein vorfristiges Verlassen der Haltestelle stellt eine nicht fahrplangerechte Linienbedienung dar, da sie dazu führt, dass Fahrgäste trotz pünktlichen Aufsuchens der Haltestelle den Bus nicht mehr erreichen, was zudem im Ergebnis oft zu größeren Zeitverlusten führt, als die meist nur kurzfristigen Verspätungen von Linienbussen. Wenn die Antragstellerin diese Form der "Linienbedienung" noch beschönigt und gar zu rechtfertigen versucht, unterstreicht dies ihre mangelnde Geeignetheit für die zuverlässige Durchführung eines Linienverkehrs.

Das Vorbringen der Antragstellerin zur geringen Fahrgastnachfrage als Begründung für die Nichtbedienung der Linien 70 - 71 ist unerheblich. Solange die Antragstellerin Inhaberin der Linienverkehrsgenehmigung für diese Linien war, hatte sie den Verkehr auf diesen Linien durchzuführen, und zwar unabhängig von der Fahrgastzahl sowie von den Gründen für die Nichtbescheidung von Änderungsanträgen, die nach Darstellung der Antragsgegnerin in deren Verantwortungsbereich liegen. Soweit die Antragstellerin "... die Entziehung der Konzessionen" unter dem Gesichtspunkt der "... fortlaufenden Anordnung der Antragsgegnerin ..., die 70er Linien fahrplanmäßig zu bedienen" für "willkürlich" und "unverhältnismäßig" hält, ist dem nicht zu folgen. Eine eigenmächtige Einstellung des Linienverkehrs ohne die Aufsichtbehörde auch nur zu informieren, kann unter keinem Gesichtspunkt gerechtfertigt werden und ist eindeutiger Beleg für die personenverkehrsrechtliche Unzuverlässigkeit der Antragstellerin. Im Übrigen vermag der Senat nicht recht nachzuvollziehen, welches Interesse die Antragstellerin mit ihrem Begehren um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage - auch - für diese Linien verfolgt, wenn die Strecken tatsächlich völlig unrentabel und unwirtschaftlich sein sollten, wie sie behauptet.

Im Hinblick auf das Vorbringen der Antragstellerin hinsichtlich der festgestellten Mängel bei der Beschilderung der Haltestellen, insbesondere beim Fahrplanaushang, ist daran zu erinnern, dass ihr die widerrufenen Genehmigungen mit Bescheid vom 7. Juli 2006 erteilt worden sind. Eine Ausstattung der Haltestellen mit Fahrplänen hätte mithin bereits im Anschluss an die damalige Konzessionserteilung erfolgen müssen. Entsprechende Bemühungen berichtet die Antragstellerin aber erst im Anschluss an eine "Kontrolle am 11.06.2009", bei der die Beschilderung bemängelt worden war. Dass sie überhaupt erst zu diesem Zeitpunkt versuchte, Fahrplankästen zu bestellen (die dann angeblich zunächst nicht in der gewünschten Stückzahl lieferbar waren), belegt die organisatorischen Mängel ihrer Betriebsführung und - unabhängig von den von Antragsgegner und Verwaltungsgericht geäußerten Zweifeln am Wahrheitsgehalt der Darstellung der Antragstellerin im Einzelnen - deren mangelnde Zuverlässigkeit für die Durchführung des Linienverkehrs. Dass Konkurrenzunternehmen, wie sie vorträgt, ebenfalls keine ausreichende Haltestellenbeschilderung vornehmen, vermag die Antragstellerin von den ihr obliegenden Verpflichtungen nicht zu entlasten.

Die von der Antragstellerin erhobene Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs durch die Nichtgewährung von Akteneinsicht im Verwaltungsverfahren und im erstinstanzlichen Verfahren kann der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Der Antragstellerin waren sämtliche Vorwürfe bekannt, die gegen sie erhoben wurden, teilweise besser als der Aufsichtbehörde, da sie für diese verantwortlich war. Das gilt sowohl für den Vorfall vom 2. März 2010 bei dem dem Fahrzeug CUXB. wegen mangelnder Profiltiefe eines Reifens von der Polizei die Weiterfahrt untersagt wurde, wie auch hinsichtlich des weiteren Vorfalls vom 29. April 2010 bei dem sich bei einer Polizeikontrolle eine der Türen des Fahrzeuges CUXC. nicht öffnen ließ. Dass sie sich ohne Akteneinsicht sachlich hierzu nicht ausreichend hätte einlassen können, ist daher nicht ersichtlich. Von der Antragstellerin wird darüber hinaus - auch nach zwischenzeitlich erfolgter Akteneinsicht - nicht dargelegt, in welchem Vortrag sie durch die mangelnde Akteneinsicht gehindert gewesen sein will, was aber für die schlüssige Darlegung der Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs erforderlich wäre (NdsOVG, Beschl. v. 29.1.1998 - 11 L 2222/97-, juris; VGH Kassel, Beschl. v. 26.1.1995 - 10 UZ 91/95 -, MDR 1995, 525). Im Übrigen ist den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin zwischenzeitlich Akteneinsicht gewährt worden, so dass der Mangel jedenfalls auch geheilt ist.

Soweit die Antragstellerin beanstandet, dass sie vor dem Erlass der Verfügung vom 27. Mai 2010 und 9. Juni 2010 nicht gem. § 28 Abs. 1 VwVfG angehört worden ist, führt dies ebenfalls nicht zum Erfolg der Beschwerde. Nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 2 VwVfG bleibt die unterlassene Anhörung folgenlos, wenn sie bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens nachgeholt wird. Die Rechtsprechung lässt zudem für eine Nachholung der Anhörung auch den Austausch von Sachäußerungen in einem gerichtlichen Eilverfahren genügen und billigt prozessualen Erklärungen im Eilverfahren damit eine Doppelbedeutung zu (NdsOVG, Beschl. v. 31.01.2002 - 1 MA 4216/01 -, NVwZ-RR 2002, 822f. [OVG Niedersachsen 31.01.2002 - 1 MA 4216/01]; BayVGH, Beschl. v. 26.01.2009 - 3 CS 09.46 -, juris; a.A. Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 45 Rn. 42). Die von der Antragstellerin insoweit geltend gemachten Bedenken greifen daher nicht durch. Im Hinblick auf die pauschale und nicht weiter belegte Behauptung, die Antragsgegnerin habe im bisherigen Verfahren "... im Wesentlichen neue Gründe für den Widerruf angeführt und sich mit (ihrem) Vorbringen nicht hinreichend auseinander gesetzt", fehlt es bereits an einer ausreichenden Darlegung der Beschwerdegründe iSv § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO, die Voraussetzung für eine Prüfung durch den Senat wäre (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO).

Mit dem Einwand, § 25 Abs. 1 Satz 2 PBefG setze eine schriftliche Abmahnung vor dem Widerruf der Genehmigung voraus, an der es vorliegend fehle, kann die Antragstellerin nicht gehört werden. Dieser Vorwurf wird von ihr erstmals im Beschwerdeverfahren erhoben. Nach der Rechtsprechung des Senats müssen Einwände, die - wie dieser - bereits in der Zeit des erstinstanzlichen Verfahrens vorgelegen haben, vom Antragsteller aber, obwohl hierzu Gelegenheit bestand, dort nicht vorgebracht worden sind, im Rechtsmittelverfahren außer Betracht bleiben (Senat, Beschl. v. 25.4.2007 - 7 ME 75/07 -; v. 13.4.2007 - 7 ME 37/07 -, juris; u.v. 16.4.08 - 63/08 -; ebenso NdsOVG, Beschl. v. 18.06.2007 - 5 ME 117/07 -, juris; NdsOVG, Beschl. v. 10.03.2010 - 12 ME 176/09 -, NordÖR 2010, 255ff.; VGH Mannheim, Beschl. v. 8.11.2004 - 9 S 1536/04 -, NVwZ-RR 2006, 74; Bader u.a., VwGO, 3. Aufl., § 146 RdNr. 36). Im Übrigen ergibt sich aus § 25 Abs. 1 Satz 2 PBefG nicht, dass jede Aufhebung nach § 25 Abs. 1 PBefG eine vorherige schriftliche Mahnung durch die Behörde voraussetzt. Vielmehr schließt diese Vorschrift nicht aus, den Widerruf auch ohne vorherige Mahnung oder Warnung auszusprechen, wenn bereits dem bisherigen gesetzwidrigen und damit unzuverlässigen Verhalten des Unternehmers ein Gewicht zukommt, das das zusätzliche Erfordernis besonderer behördlicher Abmahnungsmaßnahmen bedeutungslos macht (BVerwG, Beschl. v. 25.10.1996 - 11 B 53.96 -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 9.4.1997 - A 4 S 238/96 -, juris; BayVGH, Beschl. v. 26.1.2009 - 3 CS 09.46 -, juris). Davon ist hier im Hinblick auf die nachhaltigen Verstöße der Antragstellerin gegen personenbeförderungs- und straßenverkehrsrechtliche Bestimmungen ohne weiteres auszugehen. Darüber hinaus stellt das Schreiben der Antragsgegnerin vom 25. Februar 2010 auch bereits eine den Anforderungen des § 25 Abs. 1 Satz 2 PBefG genügende schriftliche Mahnung dar.

Angesichts des Gewichts der oben dargestellten Verstöße gegen personen- und straßenverkehrsrechtliche Verpflichtungen, die den Widerruf der Linien- und Bedarfsverkehrsgenehmigungen tragen, bedarf es eines Eingehens auf die weiteren Einwendungen der Antragstellerin nicht. Auf eine fehlerhafte Busbeschilderung wird der Widerruf der Verkehrsgenehmigungen von der Antragsgegnerin ohnehin nicht gestützt. Wirtschaftliche Gründe wie Kreditverpflichtungen oder die Beschäftigung von 27 Arbeitnehmern können nicht im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu Gunsten der Antragstellerin ausschlaggebend berücksichtigt werden. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die für die Unzuverlässigkeitsprognose maßgebenden Tatsachen in eigenem vorangegangenem Fehlverhalten der Antragstellerin wurzeln, für das sie die Verantwortung tragen muss. Gleiches gilt für die geschäftliche Entscheidung, Investitionen zu tätigen und Darlehensverpflichtungen einzugehen. Dass diese sich möglicherweise nicht amortisieren, ist dem Bereich des Unternehmerrisikos zuzurechnen. Es kann nicht dadurch auf die Allgemeinheit abgewälzt werden, dass einem ersichtlich unzuverlässigen Beförderungsunternehmer die Konzession belassen wird, um ihn vor wirtschaftlichen Einbußen zu bewahren. Die Linienverkehrsgenehmigung ist keine "Pfründe", die - einmal vergeben - unabhängig von den Beförderungsleistungen des Unternehmers nicht entzogen werden dürfte.

Der Senat verweist ergänzend auf die Begründung der Widerrufsentscheidung der Antragsgegnerin in den Bescheiden vom 27. Mai 2010 und 9. Juni 2010 sowie auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 28. Juni 2010.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1, 47 Abs. 1 Satz 1 GKG. Die Höhe des festgesetzten Streitwertes orientiert sich an Ziffern 47.6. und 47.7. des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327, 1332). Danach ist bei Streitigkeiten um den Linienverkehr mit Omnibussen ein Streitwert von 20.000 EUR je Linie und für den Gelegenheitsverkehr mit Omnibussen ein Streitwert von 20.000 EUR anzusetzen. Der Widerrufsbescheid der Antragsgegnerin vom 27. Mai 2010 bezieht sich auf 11 Linien sowie einen Bedarfsverkehr, so dass sich ein Streitwert von insgesamt 240.000 EUR errechnet. Nach ständiger Praxis des Senats ist dieser Betrag nicht im Hinblick auf den Charakter als Eilrechtsschutzverfahren zu vermindern, weil § 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG für Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO uneingeschränkt auf § 52 Abs. 1 und 2 GKG verweist und der gegenüber dem Hauptsacheverfahren möglicherweise geringeren Bedeutung der erstrebten vorläufigen Regelung durch die geringeren Gebührensätze des Kostenverzeichnisses der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG Rechnung getragen wird.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).