Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 05.03.2003, Az.: 13 L 4066/00
Voraussetzungen einer Pflicht zur Schülerbeförderung bei Schulen in freier Trägerschaft; Zum Vorliegen eines eigenständigen Bildungsganges bzw. eines Abschlusses bei Fortführung einer Grundschule mit gleichartigem pädagogischen Konzept in der Sekundarstufe
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 05.03.2003
- Aktenzeichen
- 13 L 4066/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 22559
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2003:0305.13L4066.00.0A
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- NVwZ-RR 2003, 857-858 (Volltext mit amtl. LS)
- NdsVBl 2003, 245-247
- NordÖR 2003, 267-269 (Volltext mit amtl. LS)
- SchuR 2003, 20 (amtl. Leitsatz)
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Die den Trägern der Schülerbeförderung obliegende Pflicht, die Schüler der 1. - 10. Schuljahrgänge der allgemeinbildenden Schulen unter zumutbaren Bedingungen zur nächstgelegenen Schule der gewählten Schulform, die den verfolgten Bildungsgang anbietet, zu befördern, besteht entsprechend auch gegenüber Schulen in freier Trägerschaft.
- 2.
Der Anspruch auf Beförderung oder Erstattung der notwendigen Aufwendungen setzt voraus, dass die infrage stehende Schule einen eigenständigen Bildungsgang anbietet.
- 3.
Als Bildungsgang in schülerbeförderungsrechtlichem Sinne ist die besondere fachliche Schwerpunktbildung in einem schulischen Angebot anzusehen, die sich im allgemeinen zugleich in einer besonderen Gestaltung des Abschlusses auswirkt.
- 4.
Das Festhalten aus Erfordernis des Abschlusses ist erforderlich, um bei der Schülerbeförderung die Subventionierung beliebiger Besonderheiten schulischer Angebote auf Kosten der Allgemeinheit auszuschließen.
- 5.
Bietet eine Schule in freier Trägerschaft lediglich die Grundschule an, so fehlt es an dem Erfordernis des Abschlusses und mithin auch an einem eigenständigen Bildungsgang.
- 6.
Wird die Grundschule jedoch mit gleichartigem pädagogischen Konzept in der Sekundarstufe I fortgeführt, ist dort der erforderliche Abschluss möglich, mit der Folge, dass der Beförderungsanspruch nicht nur für die Sekundarstufe, sondern auch für die Grundschule besteht. Dies gilt ebenso wie bei den Waldorfschulen auch für andere Schulen in freier Trägerschaft.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um einen Anspruch auf Erstattung von Schülerbeförderungskosten.
Die Tochter D. der in E. wohnenden Kläger wurde am 26. Januar 1998 in die "Freie Schule F. ", eine Grundschule in freier Trägerschaft, eingeschult. Die Schule befand sich zunächst in G. in einer Entfernung von 16 km zur Wohnung der Kläger. Seit dem 1. Februar 2001 beträgt die Entfernung 27, 2 km, weil seitdem der Schulbetrieb in H. durchgeführt wird. Die öffentliche Grundschule, die die Tochter der Kläger hätte besuchen können, hätte einen deutlich kürzeren Schulweg erfordert.
D. wurde im Schuljahr 1997/1998 ein knappes halbes Jahr vor Beginn der eigentlichen Schulpflicht eingeschult, so dass sie die Klassen 1 bis 4 der Grundschule vom Schuljahr 1998/1999 bis 2001/2002 durchlaufen hat. Seit dem Schuljahr 2002/2003 besucht sie die Klasse 5 der inzwischen an der "Freien Schule F. " eingerichteten Sekundarstufe I.
Unter dem 16. Februar 1998 beantragten die Kläger die Beförderung ihrer Tochter zu dieser Schule, bzw. die Erstattung der für den Schulweg notwendigen Aufwendungen. Darauf befragte der Beklagte die Bezirksregierung I. zu der Frage, ob die "Freie Schule F. " einen eigenen Bildungsgang anbiete. In ihren Schreiben vom 20. Februar und 29. April 1998 sowie in einem Telefonat vom 21. April 1998 bejahte dies die Bezirksregierung. Dies wurde damit begründet, dass das pädagogische Konzept der "Freien Schule F. " deutlich von dem pädagogischen Konzept vergleichbarer öffentlicher Grundschulen abweiche. Deshalb bestehe nicht nur ein besonderes pädagogisches Interesse gemäß Art. 7 Abs. 5 GG, das zur Genehmigung der Grundschule geführt habe. Aus diesem Grunde sei vielmehr auch von einem eigenen Bildungsgang im Sinne des § 114 Abs. 3 NSchG auszugehen. Der Sachverhalt liege ähnlich wie bei den Waldorfschulen. Diese Auffassung werde auch vom Kultusministerium vertreten.
Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 18. Juni 1998 gleichwohl ab und verneinte einen eigenen Bildungsgang für die "Freie Schule F. ". Dazu führte er im Wesentlichen aus, dass das pädagogische Konzept der Schule sich von den öffentlichen Grundschulen zwar hinsichtlich des organisatorischen Schulbetriebs und der Unterrichtsmethodik unterscheide. Unterschiedliche Unterrichtsinhalte, eine besondere Gestaltung der Stundentafel und eine besondere Schwerpunktbildung, die zu einer besonderen Ausgestaltung des Abschlusses führten und für die spätere berufliche Ausbildung von erheblicher Bedeutung seien, seien hingegen nicht gegeben.
In dem dagegen eingelegten Widerspruch vertraten die Kläger die Auffassung, dass sich die "Freie Schule F. " von einer öffentlichen Grundschule auch durch den "systemischen Ansatz" unterscheide. Einen für den jeweiligen Jahrgang festgelegten Unterrichtsstoff gebe es nicht. Dieser ergebe sich vielmehr aus der "Lebensdynamik" in der Schule, die sich im Unterricht mit Inhalten befasse, die in kaum einer anderen Schule zu finden seien. Z. B. werde neben der Pflege von Haustieren mindestens zweimal wöchentlich Englischunterricht angeboten. Auch werde der Umgang mit dem PC erlernt. Jahrgangsklassen, Versetzungsentscheidung und Zensuren gebe es nicht. Jedes Kind mache täglich seinen persönlichen Plan, der mit anderen abgestimmt werde. Diese besondere Art des Lernens berücksichtige individuelle Möglichkeiten des Kindes und den jeweiligen Lernentwicklungsstand. Im Genehmigungsverfahren sei das besondere pädagogische Interesse anerkannt worden. Daraus folge, dass die "Freie Schule F. " einen eigenständigen Bildungsgang anbiete.
Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 1998 zurück und ergänzte dazu im Wesentlichen, die Lernziele der "Freien Schule F. " entsprächen denjenigen öffentlicher Grundschulen. Sie vermittle wie diese Grundkenntnisse und Grundfertigkeiten und ende nach der 4. Klasse ohne eigenen Abschluss. Im Anschluss daran werde die Orientierungsstufe besucht und später die weiterführenden Schulformen.
Mit der darauf am 13. Januar 1999 rechtzeitig erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Ergänzend haben sie vorgetragen, in der "Freien Schule F. " werde ab der 1. Klasse Englischunterricht erteilt und eine "Begegnung" mit der französischen und der türkischen Sprache "ermöglicht". Der Begriff eines Bildungsganges beziehe sich nicht nur auf den Sekundarbereich, sondern auch auf die Primarstufe. Deshalb stehe dem geltendgemachten Anspruch nicht entgegen, dass die Grundschule nicht mit einer Prüfung abgeschlossen werde. Ein schulformübergreifender Bildungsgang könne nicht nur durch fachliche Schwerpunktbildung, sondern auch durch Elemente der Schulorganisation, insbesondere die Zusammensetzung der Lehrer- und Schülerschaft geprägt werden oder einen solchen erst ermöglichen. Daraus folge, dass der Begriff des eigenen Bildungsganges gleichbedeutend sei mit dem Begriff des besonderen pädagogischen Interesses, welches im Falle der "Freien Schule F. " anerkannt sei. Mit deren Anerkennung als Ersatzschule in freier Trägerschaft sei zugleich entschieden worden, dass sie einen eigenen Bildungsgang anbiete.
Die Kläger haben beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide vom 18. Juni 1998 und 17. Dezember 1998 zu verpflichten, ihre Tochter D. kostenlos zur "Freien Schule F. " zu befördern oder die notwendigen Aufwendungen für den Schulweg zu erstatten.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat erwidert, der Begriff des Bildungsganges sei schulformunabhängig und ggf. schulformübergreifend zu verstehen. Entscheidend sei, dass sich die sachliche Schwerpunktbildung in einem besonderen Abschluss auswirke, der für die spätere berufliche Ausbildung von erheblicher Bedeutung sein könne. Der Primarbereich sei ein unselbständiger Abschnitt innerhalb des gewählten Bildungsganges, der die gesamte schulische Ausbildung von der Einschulung bis zum angestrebten Abschluss erfasse. Eine eigene inhaltliche Prägung einer Ersatzschule begründe nicht schon einen Anspruch auf Schülerbeförderung; denn nicht jede Besonderheit in Lehrstoff und Lehr- bzw. Erziehungsmethoden stelle einen eigenen Bildungsgang dar. Die "Freie Schule F. " müsse allen Schülern den Übergang auf alle weiterführenden Schulformen ermöglichen. Sie unterscheide sich von öffentlichen Schulen zwar hinsichtlich des organisatorischen Schulbetriebs und in der Methode der Vermittlung des Lehrstoffs, nicht aber hinsichtlich des Unterrichtsinhalts. Eine besondere Gestaltung der Stundentafel, eine besondere Schwerpunktbildung oder eine besondere Ausgestaltung des Abschlusses gebe es nicht. Die Unterrichtung der englischen Sprache bereits ab der 1. Klasse führe nicht zu einer Schwerpunktbildung und sei für die spätere Ausbildung nicht von erheblicher Bedeutung; denn in der Orientierungsstufe werde ein einheitlicher Englischunterricht erteilt. Dies gelte zunehmend auch für die öffentlichen Grundschulen. Aus der Genehmigung einer Ersatzschule in freier Trägerschaft ergebe sich nicht, dass diese einen eigenen Bildungsgang anbiete, weil es sich insoweit um unterschiedliche Regelungsbereiche handele.
Mit Urteil vom 30. März 2000 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen, und zwar im Wesentlichen mit folgender Begründung: Nach § 114 Abs. 1, Abs. 3 NSchG habe der Beklagte als Träger der Schülerbeförderung u. a. die Schüler der 1. bis 10. Schuljahrgänge der allgemeinbildenden Schulen unter zumutbaren Bedingungen zur nächstgelegenen Schule der gewählten Schulform, die den verfolgten Bildungsgang anbiete, zu befördern oder die notwendigen Aufwendungen für den Schulweg zu erstatten. Dies gelte auch für Schulen in freier Trägerschaft. Die Kostenerstattung sei allerdings auf den Besuch der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsganges mit der Folge zu begrenzen, dass weitergehende Kosten von den Eltern selbst getragen werden müssten. Ob die "Freie Schule F. " die nächstgelegene Schule sei, die den von der Tochter der Kläger verfolgten Bildungsgang anbiete, ergebe sich weder aus der Genehmigung der Schule als Ersatzschule in freier Trägerschaft - die Genehmigungsvoraussetzungen stellten nicht auf den Bildungsgang im schülerbeförderungsrechtlichen Sinne ab - noch aus dem nach Art. 7 Abs. 5 GG erforderlichen besonderen pädagogischen Interesse an der Errichtung einer privaten Grundschule. Denn dafür reiche es grundsätzlich aus, dass ein pädagogisches Konzept wesentlich neue Akzente setze oder schon erprobte Konzepte mit neuen Ansätzen von einigem Gewicht kombiniere. Unter einem Bildungsgang im Sinne von § 114 Abs. 3 Satz 1 NSchG sei demgegenüber ein abstraktes Bildungsangebot einer Fachrichtung zu verstehen, das nicht nur durch die fachliche Schwerpunktbildung geprägt sei, sondern auch mit dem Erwerb einer bestimmten weiterführenden Qualifikation abgeschlossen werde. Dabei sei zu berücksichtigen, dass nicht jede Besonderheit in den Lehr- und Erziehungsmethoden, dem Lehrstoff oder den Feinlernzielen einen eigenständigen Bildungsgang begründe. Maßgeblich seien insoweit nur Unterschiede, die für eine spätere berufliche Ausbildung von erheblicher Bedeutung sein könnten. Derartige Unterschiede seien hier indessen nicht ersichtlich. Aus dem besonderen "systemischen Ansatz" und der besonderen Art des Lernens folge zwar, dass die "Freie Schule F. " eine Grundschule mit eigener Prägung sei. Eine besondere Schwerpunktbildung sei daraus aber nicht abzuleiten. Dies ergebe sich auch nicht aus den besonderen Unterrichtsinhalten. Die "Freie Schule F. " sei demzufolge zwar eine Ersatzschule mit eigener Prägung, ein eigenständiger Bildungsgang werde dadurch jedoch nicht begründet. Die Schüler wechselten nicht anders als nach dem Besuch einer öffentlichen Grundschule ohne einen Abschluss an die Orientierungsstufe. Der Begriff des Bildungsganges in schülerbeförderungsrechtlichem Sinne setze aber einen Abschluss voraus. Das Bildungsangebot einer Grundschule sei nur als Teil eines Bildungsganges in diesen eingebettet; denn ebenso wie die Orientierungsstufe führe die Grundschule als unselbständige Eingangsstufe auf alle drei schulformübergreifenden Bildungsgänge (Hauptschule, Realschule, Gymnasium) hin. Das Urteil ist den Klägern am 10. April 2000 zugestellt worden.
Am 5. Mai 2000 haben sie die Zulassung der Berufung beantragt. Dem hat der Senat mit Beschluss vom 27. November 2000 - 13 L 1771/00 - wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache entsprochen. Am 8. Dezember 2000 haben die Kläger die Berufung im Wesentlichen wie folgt begründet: Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts biete die "Freie Schule F. " einen eigenständigen Bildungsgang im Sinne des § 114 Abs. 3 NSchG. Dies ergebe sich aus den vielen inhaltlichen und methodischen Besonderheiten, dem pädagogischen Konzept wie den schulorganisationsrechtlichen Elementen und insbesondere der Zusammensetzung von Lehrer- und Schülerschaft. Gerade die Besonderheiten des pädagogischen Konzepts belegten die Relevanz für die spätere berufliche Ausbildung ihrer Tochter. Zu Unrecht habe das Verwaltungsgericht auf das Fehlen der Möglichkeit eines Abschlusses abgestellt. Eine Primarstufe könne von vornherein einen Abschluss im schülerbeförderungsrechtlichen Sinne nicht bieten. Sie, die Kläger, seien auch weiterhin der Auffassung, dass angesichts des Vorliegens des besonderen pädagogischen Interesses für die "Freie Schule F. " von vornherein unterstellt werden könne, dass ein eigener Bildungsgang der Schule im Sinne des § 114 Abs. 3 NSchG vorliege.
Die Kläger beantragen,
das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung seiner Bescheide vom 18. Juni 1998 und 17. Dezember 1998 zu verpflichten, ihnen für die Beförderung ihrer Tochter D. zur "Freien Schule F. " die notwendigen Aufwendungen in Höhe von 0, 80 DM für jede nachgewiesene Fahrt zur Schule bis Ende des Schuljahres 2001/02 zu erstatten.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er erwidert: Das Verwaltungsgericht habe das Vorliegen eines eigenständigen Bildungsganges im schülerbeförderungsrechtlichen Sinne für die "Freie Schule F. " zu Recht verneint. Nach § 6 Abs. 2 NSchG habe die Grundschule die Aufgabe, für alle Schülerinnen und Schüler als allgemeine Grundlegung der Schulausbildung Grundkenntnisse (Grundwissen) und Grundfertigkeiten (Befähigung zur praktischen Anwendung des Grundwissens) zu vermitteln. Dieser Aufgabenstellung unterliege auch die "Freie Schule F. ", da sie als Grundschule genehmigt worden sei. Eine besondere fachliche Schwerpunktbildung mit Auswirkung auf die Schulwahl nach der 4. Klasse und den späteren Abschluss, die nach der Rechtsprechung einen eigenen Bildungsgang begründeten, sei in dem Konzept der "Freien Schule F. " nicht erkennbar. Die Schülerinnen und Schüler der "Freien Schule F. " wechselten nach der 4. Klasse ebenso wie die Schülerinnen und Schüler der öffentlichen Grundschulen auf alle Schulformen im Sekundarbereich I. Bezüglich der Zusammensetzung der Lehrerschaft sei weder dargetan noch ersichtlich, dass besondere Anforderungen an die Ausbildung der Lehrerschaft - wie sie z. B. für den Unterricht an Waldorfschulen verlangt würden - für den Unterricht an der "Freien Schule F. " gestellt würden.
Ferner seien zwar einzelne Merkmale der Waldorfschulen, die einen eigenen Bildungsgang anbieten, im Konzept der "Freien Schule F. " zu finden. Bei den Waldorfschulen wirkten sich die Besonderheiten aber auf den gesamten Bildungsweg von der 1. bis zur 12. Klasse und auch auf den Abschluss aus. Die Persönlichkeit der Schüler, die in der "Freien Schule F. " durch die tägliche Selbstorganisation gefördert werde, sei im Allgemeinen nicht Bestandteil einer bestimmten schulischen Qualifikation, die objektiv für eine spätere Berufsausbildung oder eine berufliche Tätigkeit vorausgesetzt werde. Elemente, die als Besonderheiten für die "Freie Schule F. " herausgestellt würden - z. B. die Pflege von Haustieren, Englischunterricht, Umgang mit dem PC -, würden auch in den öffentlichen Grundschulen berücksichtigt. Schließlich verbiete es sich, das "besondere pädagogische Interesse" als Voraussetzung für die Genehmigung einer Ersatzschule mit dem Begriff des eigenen Bildungsganges im Sinne des § 114 Abs. 3 NSchG gleichzusetzen.
Zum 8. August 2001 genehmigte die Bezirksregierung J. die "Freie Schule F. , Schule mit Gesamtschulcharakter - Sekundarstufe I" -, die als Bildungsgang der IGS der Schulform Gesamtschule vergleichbar sei (Schreiben der Bezirksregierung J. vom 2. 8. 2001).
Der Beklagte meint, diese Genehmigung habe nicht Auswirkungen auf die Frage des Bildungsgangs in der Grundschule. Die Sekundarstufe sei eigenständig und unabhängig genehmigt worden. Ab der 5. Klasse würden Beförderungskosten - u. a. auch an die Tochter der Kläger - zwar erstattet. Dies erfolge jedoch nur deshalb, weil die Schule mit Gesamtschulcharakter eine eigenständige Schulform darstelle, die im Landkreis nur dort angeboten werde und deshalb auch die nächste Schule sei, die den entsprechenden Bildungsgang anbiete.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
Die Kläger begehren nunmehr, da ihre Tochter D. bereits in die 5. Klasse der Sekundarstufe I aufgerückt ist, die Grundschule mithin nicht mehr besucht, die Erstattung der in der Grundschule durch die Beförderung entstandenen notwendigen Aufwendungen für den Schulweg. Rechtsgrundlage des Erstattungsanspruches sind § 114 Abs. 1, Abs. 3 NSchG iVm der Satzung über die Schülerbeförderung im Landkreis Oldenburg vom 7. Juli 1997 (AmtsBl. Reg. -Bez. Weser-Ems Nr. 31 vom 1. 8. 1997 S. 39 ff). Nach § 7 Abs. 1 der Schülerbeförderungssatzung ist der Anspruch auf Ersatz der notwendigen Aufwendungen für den Schulweg bis zum 31. Oktober eines jeden Jahres für das abgelaufene Schuljahr beim Landkreis geltendzumachen. Diese verfahrensrechtliche Voraussetzung erfüllen die Kläger lediglich für den Anspruchszeitraum des Schuljahres 1997/98. Bei der Antragsfrist handelt es sich jedoch, was die Schülerbeförderungssatzung in § 7 Abs. 1 klarstellt, um eine Ausschlussfrist, die die Kläger hinsichtlich der Schuljahre ab 1998/99 versäumt haben. Ohne Erfolg berufen sie sich darauf, dass ihr Antrag vom 16. Februar 1998 nicht auf das laufende Schuljahr beschränkt gewesen sei. Die Entscheidung über die Gewährung der Schülerbeförderung kann vom zuständigen Träger nur schuljahresweise getroffen werden. Dies ergibt sich schon daraus, dass für jedes Schuljahr gesondert zu prüfen ist, ob die Anspruchsvoraussetzungen (weiterhin) gegeben sind. Die streitbefangenen Bescheide sind demzufolge - auch ohne dass dies darin ausdrücklich herausgehoben ist - lediglich für das Schuljahr 1997/98 ergangen. Die Klage, mit der die Kläger gleichwohl die Kostenerstattung für die gesamte Grundschulzeit erstreben, ist mithin außer für das Schuljahr 1997/98 unzulässig, weil sie insoweit weder die Beförderung ihrer Tochter beim Beklagten beantragt haben, noch entsprechende Bescheide ergangen und auch Widerspruchsverfahren nicht durchgeführt worden sind (§§ 68 ff VwGO).
Hinsichtlich des Schuljahres 1997/98 besteht der geltendgemachte Anspruch auf Erstattung notwendiger Beförderungskosten nicht.
Nach § 114 Abs. 1, Abs. 3 NSchG hat der Beklagte als Träger der Schülerbeförderung u. a. die Schüler der 1. bis 10. Schuljahrgänge der allgemeinbildenden Schulen unter zumutbaren Bedingungen zur nächstgelegenen Schule der gewählten Schulform, die den verfolgten Bildungsgang anbietet, zu befördern oder die notwendigen Aufwendungen für den Schulweg zu erstatten. Gemäß § 141 Abs. 3 NSchG gilt dies entsprechend auch für Schulen in freier Trägerschaft, wie die hier in Rede stehende "Freie Schule F. ". Deshalb ist die von den Klägern begehrte Beförderung ihrer Tochter bzw. eine Kostenerstattung aber auf den Besuch der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsganges mit der Folge zu begrenzen, dass weitergehende Kosten von den Eltern selbst getragen werden müssen. Mit den angefochtenen Bescheiden wurde vom Beklagten der geltendgemachte Anspruch mit der Begründung abgelehnt, die von der Tochter der Kläger seit der Einschulung im Januar 1998 besuchte Grundschule in freier Trägerschaft biete gegenüber öffentlichen Grundschulen, insbesondere also auch gegenüber der Grundschule, die wesentlich näher zur Wohnung der Schülerin gelegen ist und von ihr besucht werden konnte, einen eigenständigen Bildungsgang nicht an. Dem ist das Verwaltungsgericht gefolgt. Zwar hat es "fraglos gegebene Besonderheiten in der eigenen Prägung der Ersatzschule" ausdrücklich festgestellt, einen eigenständigen Bildungsgang im Sinne des § 114 NSchG indessen verneint. Diese Auffassung teilt der Senat für den Zeitraum, in dem die "Freie Schule F. " lediglich die Grundschule war.
Der Begriff des Bildungsganges ist weiterhin weder im Niedersächsischen Schulgesetz noch in anderen Vorschriften gesetzlich definiert. Es dürfte allerdings davon auszugehen sein, dass das NSchG nach der inzwischen erfolgten Bereinigung den Begriff des Bildungsganges nicht mehr mit unterschiedlichen Begriffsinhalten verwendet (vgl. Woltering/Bräth, NSchG, 3. Aufl. , § 59 RdNr. 4 und 4. Aufl. , ebenda). Der Senat hat in seiner grundlegenden Entscheidung zum Begriff des Bildungsganges im Sinne des Schülerbeförderungsrechts (Senatsurteil vom 20. 12. 1995 - 13 L 7880/94 - NVwZ-RR 1996, 656) unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Regelungen der Schülerbeförderung und unter Abgrenzung zu den im Niedersächsischen Schulgesetz verwendeten Begriffen der "Schulform" und des "Bildungsweges" erkannt, dass der "Bildungsgang" im hier interessierenden Sinne das abstrakte Bildungsangebot einer Fachrichtung kennzeichnet, während der "Bildungsweg" den individuellen Weg des einzelnen Schülers von seiner Aufnahme in die Schule bis zu dem angestrebten oder erreichten Abschluss meint. Unter Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung hat der Senat ferner daran festgehalten, dass als "Bildungsgang" die besondere fachliche Schwerpunktbildung in einem schulischen Angebot anzusehen ist, die sich im allgemeinen zugleich in einer besonderen Gestaltung des Abschlusses auswirkt (aaO, m. w. N. ). In Anwendung dieser Definition hat der Senat in der genannten Entscheidung das Bestehen eines besonderen Bildungsganges innerhalb der Klassen 5 und 6 eines privaten Gymnasiums gegenüber der Orientierungsstufe verneint, weil beide in gleicher Weise ohne besonderen (Zwischen-)Abschluss die Fertigkeiten und Kenntnisse zum Besuch aller (danach möglicher) weiterführenden Schulformen vermitteln. Der Schulbesuchsempfehlung am Ende der O-Stufe sei dabei Bedeutung nicht beizumessen. In jenem Verfahren wiesen allerdings - im Unterschied zu dem jetzt zu entscheidenden Fall - weder die Bildungsinhalte noch das pädagogische Konzept der Klassen 5 und 6 des privaten Gymnasiums Besonderheiten gegenüber der Orientierungsstufe auf.
Die Annahme, dass der "Bildungsgang" mit dem Erwerb einer bestimmten weiterführenden Qualifikation abschließe, und somit nicht nur durch die fachliche Schwerpunktbildung, sondern auch durch diesen spezifischen Abschluss geprägt sei, hat der Senat unter anderem auf die (damaligen) Regelungen in §§ 8 Abs. 2, 9 Abs. 2, 10 Abs. 2 NSchG a. F. gestützt. Diese Vorschriften, die die Abschlüsse und den Unterricht in den Schulformen der allgemeinbildenden Schulen (§ 5 Abs. 1, Abs. 2, Nr 1 NSchG) regeln, sind in der jetzt geltenden Fassung des NSchG geändert worden; sie beschränken sich auf die Benennung des Begriffes des "Bildungsweges" unter Verzicht auf den des damals ferner genannten "Bildungsganges". Ungeachtet dessen ist für die Annahme eines eigenen Bildungsganges neben der besonderen fachlichen Ausgestaltung in einem schulischen Angebot an dem Erfordernis eines Abschlusses festzuhalten.
Aus den Änderungen in §§ 8 bis 10 NSchG kann nicht geschlossen werden, dass der Landesgesetzgeber damit eine Änderung des Begriffsinhalts des Bildungsganges in schülerbeförderungsrechtlichem Sinne beabsichtigt hätte. Mit der Gesetzesänderung war vielmehr ersichtlich eine bloße redaktionelle Bereinigung des NSchG beabsichtigt, um die unterschiedlichen Begriffsinhalte innerhalb des Gesetzes (vgl. Woltering/Bräth, NSchG, 3. Aufl. , § 59 RdNr. 4) aufzugeben. § 114 NSchG hat der Gesetzgeber in Kenntnis der ständigen Senatsrechtsprechung jedenfalls nicht geändert.
Der Senat hält das Festhalten am Erfordernis des Abschlusses auch für dringend erforderlich, um bei der Schülerbeförderung die Subventionierung beliebiger Besonderheiten schulischer Angebote auf Kosten der Allgemeinheit auszuschließen. Die Gewährleistung der Schülerbeförderung durch deren Träger erscheint nur dann als angemessen, wenn der Schluss gerechtfertigt ist, dass das von den Eltern oder dem Schüler selbst gewählte schulische Angebot von gewissem Belang für die weitere schulische oder berufliche Ausbildung ist. Diese Annahme rechtfertigt in der Regel allein die Anknüpfung an einen bestimmten (besonderen) Bildungsgang, an dessen Ende ein entsprechender Abschluss steht. So hat der Senat im Urteil vom 20. 12. 1995, 13 L 7975/94 (NdsVBl. 1996, 242) hinsichtlich des Besuchs der 5. Klasse eines altsprachlichen Gymnasiums einen eigenständigen Bildungsgang gegenüber der Orientierungsstufe bejaht, weil der Weg von da ab "eigenständig" ist, auch wenn er in gleicher Weise "nur" mit dem Abitur endet. Demgegenüber ist die Feststellung eines besonderen Bildungsganges für die "Freie Schule F. " jedenfalls für das Schuljahr 1997/98 zu verneinen, weil die Schule zu jener Zeit lediglich Grundschule war. Zu Recht weist der Beklagte darauf hin, dass jegliche Grundschule ohne Abschluss endet, lediglich Grundkenntnisse und Grundfertigkeiten vermittelt und damit auf den Besuch sämtlicher weiterführender Schulformen vorbereitet. Insoweit nimmt der Senat auf die Begründung des angefochtenen Urteils Bezug, die er sich zueigen macht (§ 130 b Satz 2 VwGO).
Anders stellt sich die Rechtslage erst mit der der "Freien Schule F. " erteilten Genehmigung des Betriebes der Sekundarstufe I dar. Die Kläger haben im Berufungsverfahren überzeugend belegt, dass das für die Grundschule eingehend vorgestellte besondere pädagogische Konzept der "Freien Schule F. " in der Sekundarstufe I fortgeführt wird, so dass auch dort von einer besonderen fachlichen Ausgestaltung des schulischen Angebotes auszugehen ist. Die diesbezüglichen Einwendungen des Beklagten haben den Senat nicht überzeugt. Insoweit wird auch auf die mehrfach im Verwaltungsverfahren geäußerte Auffassung der Bezirksregierung K. Bezug genommen, wonach sich das pädagogische Konzept der Schule von dem der öffentlichen Schulen gravierend unterscheidet. Durch die nunmehr gegebenen Möglichkeit des Erwerbs von Abschlüssen in der Sekundarstufe I gewinnt das besondere pädagogische Konzept der Schule Bedeutung für den weiteren Ausbildungsweg der Schüler. Dies gilt ungeachtet getrennter Genehmigungen auch für den Besuch der Grundschule. Der Senat hat in seiner ständigen Rechtsprechung die Annahme eines besonderen Bildungsganges immer auch für schulformübergreifende Abschnitte anerkannt (vgl. Senatsurteil vom 20. 12. 1995, aaO, S. 657). Dies stellt sich für die "Freie Schule F. " nicht anders dar als bei den Waldorfschulen, bei denen die Schülerbeförderung bzw. die Erstattung der entstandenen notwendigen Kosten auch im Grundschulbereich erfolgt (Senatsurteil vom 20. 12. 1995, aaO, S. 658). Der Beklagte stellt ohne Erfolg die Dinge heraus, die die Waldorfschulen von der "Freien Schule F. " unterscheiden. Nach dem NSchG sind nicht die Waldorfschulen (allein) schülerbeförderungsrechtlich privilegiert. Auch andere Privatschulen - wie hier die "Freie Schule F. " - können durchaus die gesetzlichen Voraussetzungen des § 114 Abs. 1, Abs. 3 NSchG erfüllen. Ohne maßgebliche Bedeutung ist, dass bei den Waldorfschulen neben dem Abitur nach der 12. Klasse auch der sog. besondere Waldorfabschluss zu erlangen ist, während die Sekundarstufe der "Freien Schule F. " einen entsprechenden Abschluss nicht bietet. Soweit daraus folgt, dass der in der "Freien Schule F. " gebotene Abschluss in der Sekundarstufe I sich nicht von dem in den öffentlichen Schulen unterscheidet, ist darauf zu verweisen, dass in dem mehrfach erwähnten Senatsurteil vom 20. Dezember 1995 ausgeführt ist, dass auf eine Identität von Bildungsgängen nicht schon allein aufgrund der Gleichartigkeit der Abschlüsse geschlossen werden kann (aaO, S. 657). Vielmehr kommt es entscheidend darauf an, ob die besondere Ausgestaltung im Lehrstoff sowie die Lehr- und Erziehungsmethoden die Annahme eines eigenständigen Bildungsganges rechtfertigen. Dies hat der Senat im Fall der "Freien Schule F. " - wie ausgeführt - aber bejaht.
Abschließend weist der Senat darauf hin, dass eine Erstattung von Aufwendungen wohl auch für die Zeit in Betracht gekommen wäre, in denen die Sekundarstufe der "Freien Schule F. " zwar noch nicht genehmigt, dies aber bereits absehbar war, weil die Planungen in ein konkretes Stadium getreten waren; denn schon in diesem Zeitraum war hinreichend sicher, dass die Schüler ihren Bildungsweg in der Sekundarstufe fortsetzen und damit in der "Freien Schule F. " auch einen Abschluss erlangen konnten. "Gespräche der Kläger am Küchentisch" - wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung formuliert hat - sind für die Annahme eines konkreten Planungsstadiums aber sicher nicht ausreichend.