Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 25.03.2003, Az.: 2 NDH V 2/03
Antrag; Beamter; Begründung; Begründungspflicht; Disziplinarmaßnahme; Fernbleiben; Fernbleiben vom Dienst; Rechtsbehelf; unentschuldigtes Fernbleiben; Verlust der Dienstbezüge; Widerspruch
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 25.03.2003
- Aktenzeichen
- 2 NDH V 2/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 48585
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 12.12.2002 - AZ: 9 A 5/01
Rechtsgrundlagen
- § 121 Abs 1 DO ND
- § 121 Abs 2 S 1 DO ND
- § 9 BBesG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Zur Begründungspflicht bei Anträgen auf Entscheidung der Disziplinarkammer gegen einen Bescheid, in dem der Verlust der Dienstbezüge wegen unentschuldigten Fernbleibens vom Dienst festgestellt wird.
Gründe
Die gem. § 121 Abs. 5 NDO zulässige Beschwerde der Beamtin ist nicht begründet.
Zu Recht hat die Disziplinarkammer mit Beschluss vom 12. Dezember 2002 den Antrag der Beamtin auf Entscheidung der Disziplinarkammer gegen den Bescheid der beteiligten Bezirksregierung Weser-Ems vom 28. Dezember 2000, mit dem der Verlust der Dienstbezüge der Beamtin seit dem 19. September 2000 festgestellt worden ist, als unzulässig verworfen.
Auszugehen ist davon, dass gegen den der Beamtin am 29. Dezember 2000 zugestellten Bescheid vom 28. Dezember 2000, mit dem wegen unentschuldigten Fernbleibens vom Dienst nach § 9 BBesG der Verlust der Dienstbezüge der Beamtin seit dem 19. September 2000 festgestellt worden ist, als Rechtsbehelf für die betroffene Beamtin nicht der Widerspruch nach § 69 VwGO, sondern aufgrund einer Sonderzuweisung in § 81 Abs. 3 NBG i. V. m. § 121 Abs. 1 NDO nur der Antrag auf Entscheidung der Disziplinarkammer nach Maßgabe der Vorschriften der Disziplinarordnung (vgl. Bieler/Lukat, NDO, Stand: September 2001, RdNr. 1 zu § 121) eröffnet ist. Denn bei der Feststellung des Verlustes der Dienstbezüge bei schuldhaftem Fernbleiben vom Dienst handelt es sich zwar nicht um eine Disziplinarmaßnahme, sondern um eine besoldungsrechtliche Maßnahme (Kümmel, Beamtenrecht, Stand: November 2002, Erl. 5.1 zu § 81 NBG), da aber der Schwerpunkt bei der gerichtlichen Nachprüfung, ob die Feststellung zu Recht erfolgt ist, in der Beurteilung des Fernbleibens vom Dienst als einer schuldhaften Dienstpflichtverletzung liegt, hat es der Gesetzgeber für sachlich richtig angesehen, die gerichtliche Nachprüfung der Gerichtsbarkeit zuzuweisen, die auch für schuldhafte Dienstpflichtverletzungen allgemein zuständig ist (BVerwG, Urt. v. 27.1.1966 – BVerwG II C 221.62 -, BVerwGE 23, 176(183); Beschl. v. 20.1.1976 – BVerwG I DB 16.75 -, RiA 1976, 40). Die Beamtin hätte daher gegen den Bescheid vom 28. Dezember 2000 innerhalb der Frist des § 121 Abs. 2 Satz 1 NDO, d. h. hier bis zum Ablauf des 12. Januar 2001 entweder bei der beteiligten Bezirksregierung (§ 121 Abs. 2 Satz 1 NDO) oder zumindest bei der Disziplinarkammer (§ 121 Abs. 2 Satz 2 NDO) einen begründeten (s. § 121 Abs. 2 Satz 1, 2. HS NDO) Antrag auf Entscheidung der Disziplinarkammer stellen müssen. Dies ist nicht geschehen.
Hierbei kann der Senat wie die Disziplinarkammer offen lassen, ob das als „Widerspruch“ gegen den Bescheid vom 28. Dezember 2000 bezeichnete Schreiben der Beamtin vom 29. Dezember 2000 – am 2. Januar 2001 bei der beteiligten Bezirksregierung eingegangen – in einen Antrag nach § 121 Abs. 2 NDO umgedeutet werden kann, obwohl das Schreiben vom 29. Dezember 2000 von ihren jetzigen Verteidigern stammt und obwohl der Bescheid vom 28. Dezember 2000 eine eindeutige und zutreffende Rechtsmittelbelehrung (Antrag auf Entscheidung der Disziplinarkammer) enthält. Denn selbst dann, wenn man zu Gunsten der Beamtin den „Widerspruch“ in den nur zulässigen Antrag auf Entscheidung der Disziplinarkammer umdeuten wollte, würde dieser die an einen ordnungsgemäßen Antrag nach § 121 Abs. 1 NDO zu stellenden Formerfordernisse nicht erfüllen. Die Beamtin bzw. deren Verteidiger haben sich in dem Schreiben vom 29. Dezember 2000 nämlich damit begnügt, „Widerspruch“ einzulegen, Anträge auf Akteneinsicht und nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO zu stellen sowie eine „Widerspruchsbegründung“ nur anzukündigen. Da innerhalb der Frist des § 121 Abs. 2 Satz 1 NDO seitens der Beamtin keine weitere Stellungnahme erfolgte – ein Hinweis der beteiligten Bezirksregierung auf die Unzulässigkeit eines (unbegründeten) „Widerspruchs“ war angesichts der eindeutigen Rechtsmittelbelehrung des Bescheides vom 28. Dezember 2000, der Gesetzeslage und der Tatsache der anwaltlichen Vertretung der Beamtin nicht geboten - , fehlt es zumindest, wie dies die Disziplinarkammer in dem angefochtenen Beschluss bereits zutreffend erkannt hat, an der Begründung des Rechtsbehelfs nach § 121 NDO, die auch nicht nachgereicht werden konnte (s. auch Senat, Beschl. v. 5.5.2000 – 2 NDH M 15/99 -).
Wenn die Beamtin demgegenüber meint, die beteiligte Bezirksregierung hätte verfrüht, und zwar vor einer Klärung ihrer Dienstfähigkeit über den Verlust der Dienstbezüge entschieden, stattdessen hätte vorrangig über die Dienstunfähigkeit bzw. den Antrag auf Versetzung in den Ruhestand entschieden werden müssen, so dass es gerechtfertigt gewesen sei, insoweit Widerspruch einzulegen, übersieht die Beamtin bereits, dass über die Frage der Dienstfähigkeit der Beamtin und deren Versetzung in den Ruhestand aus gesundheitlichen Gründen bereits mit bestandkräftigem Widerspruchsbescheid vom 11. Juli 2000 entschieden worden war und dass die beteiligte Bezirksregierung auch mit Bescheid vom 17. November 2000 unter Hinweis auf die Bestandskraft des Bescheides vom 11. Juli 2000 ein Wiederaufgreifen des Verfahrens abgelehnt hatte. Ein Widerspruch nach § 69 VwGO hätte sich daher allenfalls gegen das von der beteiligten Bezirksregierung abgelehnte Wiederaufgreifen des Verfahrens, nicht aber gegen die hier nur interessierende Feststellung des Verlustes der Dienstbezüge richten können. Hiervon abgesehen berücksichtigt die anwaltlich beratende Beamtin offenbar nicht hinreichend, dass es sich bei der Feststellung des Verlustes der Dienstbezüge, einer besoldungsrechtlichen Maßnahme, und dem Begehren um Versetzung in den Ruhestand um zwei voneinander zu trennende Verfahren handelt. Das unentschuldigte Fernbleiben vom Dienst führt nämlich, liegen die entsprechenden Voraussetzungen vor, nach § 9 Satz 1 BBesG kraft Gesetzes zum Verlust der Dienstbezüge. Lediglich aus Gründen der Rechtsklarheit und der Fürsorgepflicht (Kümmel, aaO) ist der Dienstherr gehalten, diesen Verlust dem Beamten gegenüber in einem Bescheid ausdrücklich festzustellen. Ist der Beamte der Meinung, die Voraussetzungen für einen Verlust der Dienstbezüge lägen nicht vor, weil er zu Recht dem Dienst ferngeblieben sei, so hat der Beamte nur die Möglichkeit, im Rahmen des Rechtsbehelfs nach § 121 NDO, also durch Anrufung der Disziplinargerichte feststellen zu lassen, ob der Verlust der Dienstbezüge zu Recht erfolgt ist. Für die beteiligte Bezirksregierung bestand daher nicht die Verpflichtung, „vorrangig“ die Frage der Versetzung der Beamtin in den Ruhestand zu klären, vielmehr war die Behörde nach § 9 BBesG auch angesichts des bestandkräftig gewordenen Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 2000 und der Weigerung der Beamtin, ihren Dienst trotz Aufforderung wieder anzutreten, sogar gehalten, den Verlust der Dienstbezüge in dem Bescheid vom 28. Dezember 2000 festzustellen und der Beamtin eine Überprüfung dieser Feststellung durch die Disziplinargerichte zu ermöglichen.
Die Beamtin kann auch nicht damit gehört werden, die beteiligte Bezirksregierung habe es versäumt, alsbald der Disziplinarkammer den „Widerspruch“ gegen den Bescheid vom 28. Dezember 2000 zur Entscheidung vorzulegen, sondern stattdessen eine Sachprüfung herbeigeführt und dann unzulässigerweise nach Durchführung einer erneuten Sachprüfung, aber ohne erneute Bescheidung die Angelegenheit der Disziplinarkammer unter Verletzung des Gebots, rechtliches Gehör zu gewähren, vorgelegt. Wie schon dargelegt, hätte nach der zwingenden Vorschrift des § 121 Abs. 2 NDO bis zum Ablauf des 12. Januar 2001 gegen den Bescheid vom 28. Dezember 2000 Antrag auf Entscheidung der Disziplinarkammer gestellt werden müssen, wobei dieser Antrag in dieser Frist auch hätte begründet werden müssen. Der von der Beamtin ohne eine Begründung in der Frist des § 121 Abs. 2 Satz 1 NDO eingelegte Rechtsbehelf erwies sich daher auf jeden Fall als unzulässig, so dass es unerheblich ist, dass dieser Rechtsbehelf von der beteiligten Bezirksregierung nicht alsbald der Disziplinarkammer vorgelegt worden ist, dies vielmehr erst im September 2001 geschehen ist. Ebenfalls ist es unerheblich, ob die Beamtin aus dem Verhalten der beteiligten Bezirksregierung den Schluss ziehen durfte, die Bezirksregierung sei in Abänderung ihres ein Wiederaufgreifen des Zurruhesetzungsverfahrens ablehnenden Bescheides vom 17. November 2000 erneut in eine Sachprüfung bezüglich der Feststellung der Dienstfähigkeit der Beamtin eingetreten; denn selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, berührte dies nicht die Feststellung des Verlustes der Dienstbezüge nach § 9 BBesG und entband die beteiligte Bezirksregierung nicht von ihrer sich aus § 121 Abs. 2 Satz 3 NDO ergebenden gesetzlichen Pflicht, einen – ggf. auch unzulässigen – Rechtsbehelf gegen einen Feststellungsbescheid nach § 9 BBesG der Disziplinarkammer zur Entscheidung vorzulegen. Aus diesen Überlegungen folgt auch, dass keine Rede davon sein kann, dass die beteiligte Bezirksregierung im Rahmen des Feststellungsverfahrens nach § 9 BBesG gegen das Gehörsgebot verstoßen haben könnte. Vielmehr ist die Beamtin vor Erlass des Bescheides vom 28. Dezember 2000 mehrfach dazu angehört worden, dass, sollte sie weiter dem Dienst fernbleiben, der Verlust der Dienstbezüge wegen unentschuldigtem Fernbleibens festgestellt werden müsste; dass der von der Beamtin gegen diesen Feststellungsbescheid vom 28. Dezember 2000 eingelegte Rechtsbehelf dann im September 2001 schließlich ohne nochmalige Anhörung der Beamtin der Disziplinarkammer vorgelegt worden ist, ist für die Frage des Gehörsgebots ohne Belang.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 114 Abs. 1 Satz 1, 2. Altn. NDO.
Der Beschluss ist nach den §§ 78 Abs. 3 Satz 2, 90 NDO nicht anfechtbar.