Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 18.03.2003, Az.: 2 NDH L 2590/01
uneidliche Falschaussage; versuchte Strafvereitelung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 18.03.2003
- Aktenzeichen
- 2 NDH L 2590/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 47944
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 62 S 3 BG ND
- § 85 Abs 1 BG ND
- § 10 DO ND
- § 11 DO ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Zur disziplinarrechtlichen Beurteilung zweier uneidlicher Falschaussagen (davon in einem Fall in Tateinheit mit versuchter Strafvereitelung) einer Polizeibeamtin.
Tatbestand:
I.
Die am ....... 1962 geborene Beamtin erwarb im Juni 1981 die Fachhochschulreife. Am 1. April 1982 trat sie in den Polizeidienst des Landes Niedersachsen ein. Sie wurde unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zur Polizeihauptwachtmeister-Anwärterin ernannt. Mit Wirkung vom 1. Oktober 1984 wurde sie unter Verleihung der Eigenschaft einer Beamtin auf Probe zur Polizeihauptwachtmeisterin z. A. ernannt (Besoldungsgruppe A 6). Nachdem ihr mit Wirkung vom 7. September 1989 die Eigenschaft einer Beamtin auf Lebenszeit verliehen worden war, wurde sie am 3. April 1990 zur Polizeimeisterin (Besoldungsgruppe A 7) und zum 1. Februar 1994 zur Polizeiobermeisterin (Besoldungsgruppe A 8) ernannt.
Die Beamtin ist seit dem 1. Oktober 1994 im Polizeikommissariat H. tätig.
Die dienstlichen Leistungen der Beamtin wurden am 30. März 1983, 30. September 1984 und 20. Februar 1985 mit dem Gesamturteil „befriedigend“ bewertet, am 11. September 1985 mit dem Gesamturteil „gut“, am 24. August 1989 und 16. Februar 1990 mit dem Gesamturteil „befriedigend (10)“, am 18. Februar 1991 und 6. November 1992 mit dem Gesamturteil „ausreichend (7)“, am 14. September 1993 mit dem Gesamturteil „befriedigend (10 Punkte)“, am 27. Dezember 1993 mit dem Gesamturteil „gut (11 Punkte)“, am 30. September 1994 und 1. Februar 1996 mit dem Gesamturteil „gut (12 Punkte)“ und am 20. Juli 1998 (Beurteilungszeitraum 1.2.1996 bis 31.5.1998) mit der Wertungsstufe 4 (Entspricht voll den Anforderungen).
Die Beamtin ist ledig. Sie hat drei in den Jahren 1986, 1988 und 1990 geborene nichteheliche Kinder. Ihr ältestes Kind hat sie nach der Geburt zur Adoption freigegeben. Die beiden anderen Kinder leben in ihrem Haushalt. Das jüngste Kind leidet seit der Geburt an Asthma.
Disziplinarmaßnahmen sind gegen die Beamtin bisher nicht verhängt worden.
II.
Am 3. Mai 1996 wurde der Bezirksregierung I. bekannt, dass die Staatsanwaltschaft J. gegen die Beamtin ein Ermittlungsverfahren wegen falscher uneidlicher Aussage und Strafvereitelung eingeleitet hatte. Die Bezirksregierung I. leitete daraufhin am 9. Mai 1996 gegen die Beamtin disziplinarrechtliche Vorermittlungen ein, setzte das Verfahren jedoch gleichzeitig bis zum Abschluss des Strafverfahrens aus.
Das Schöffengericht J. verurteilte die Beamtin mit Urteil vom 10. März 1999 (30 Ls 3 Js 7943/96 a) wegen uneidlicher Falschaussage in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit versuchter Strafvereitelung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Das Urteil, das seit dem 10. März 1999 rechtskräftig ist, enthält unter anderem die folgenden Feststellungen:
„Bis Mitte 1991 lebte die Angeklagte allein mit ihren beiden nichtehelichen Kindern im Alter von damals neun und sechs Jahren.
Daneben verrichtete sie Vollzeit als Polizeiobermeisterin ihren Dienst im Polizeikommissariat K.. Da das jüngste der beiden Kinder von Geburt an Asthmatiker und als Folge dieser Erkrankung in seinem Immunsystem erheblich geschwächt ist, war die Angeklagte gehalten, möglichst in den Frühschichten ihren Dienst zu verrichten, um im Übrigen die Pflege insbesondere des kranken Sohnes sicherzustellen. Oft fühlte sich die allein erziehende Mutter vor dem Hintergrund der aufgezeigten Doppelbelastung den Anforderungen des täglichen Lebens wie auch besonderer Auseinandersetzungen nicht gewachsen, manchmal auch überfordert.
Fremde Hilfe wurde ihr so gut wie nicht zu teil, da sie insbesondere wegen der Erkrankung ihres Sohnes keine Tagesmutter finden konnte.
In dieser Situation lernte sie etwa Mitte 1991 den gesondert verfolgten L. M., einen gelernten Kfz-Mechaniker kennen, der in der Hafenstraße J. selbständig ein Abschleppunternehmen mit angeschlossener Autoverwertung betrieb.
Besorgt schien sich L. M. um die Belange der Angeklagten und ihrer Kinder zu kümmern. Auch finanziell unterstützte er sie.
Aus diesem Grund zog die Angeklagte auch nur 6 Wochen später mit Herrn M. in häusliche Gemeinschaft zusammen. Seither führen die beiden ein eheähnliches Verhältnis.
Am 22.6.1995 erstattete die Zeugin N. O. bei der Polizeiinspektion J. Strafanzeige gegen den Lebensgefährten der Angeklagten. Sie warf ihm vor, in der Wohnung auf dem Betriebsgelände der Hafenstraße von Herrn M. gegen ihren Willen sexuell belästigt worden zu sein. Insbesondere habe Herr M. ihre Weigerung zum Beischlaf nicht akzeptieren wollen, sie festgehalten, als lesbisch bezeichnet, sie auf das Sofa gedrückt, um ihr an die Brust zu fassen und gefordert, sie möge sich ausziehen. Kurz darauf habe er die Frau vom Eingangsbereich zurückgerissen, die Tür abgeschlossen, die Frau als „dumme Kuh“ und „Miststück“ bezeichnet, sie fest am Arm gegriffen und ihr gedroht, die Kleider herunterzureißen, bis die Zeugin O. mittels eines Tricks sich aus der Situation befreien konnte.
Etwa Anfang August bis Mitte August 1995 wurden L. M. die Anschuldigungen der Zeugin O. bekannt gemacht. Zunächst versuchte er, die Angeklagte aus allem herauszuhalten. Erst Ende 1995/Anfang 1996 eröffnete Herr M. der Angeklagten den Inhalt des gegen ihn eingeleiteten Ermittlungsverfahrens. Zu dieser Zeit war ihm auf Grund einer Vorbesprechung mit seinem Verteidiger bewusst, dass die Strafanzeige höchstwahrscheinlich zu einer Anklage gegen ihn wegen des Verdachtes der versuchten Vergewaltigung führen werde.
Der Angeklagten gegenüber stellte L. M. die Zeugin O. als Lügnerin dar. Alles sei völlig „anders“ gewesen. Die Zeugin O. habe Herrn M. verführen wollen. Als sie habe erkennen müssen, dass Herr M. kein Interesse an ihr gehabt habe, sei es zu einer unschönen Auseinandersetzung gekommen. Die Strafanzeige könne nur Ausdruck eines Racheaktes sein.
Die Angeklagte, die zu dieser Zeit nahezu 4 1/2 Jahre mit Herrn M. zusammengelebt und ihn bislang nicht der Lüge überführt hatte, glaubte ihm. Ohne über etwaige berufliche/disziplinarrechtliche oder gar strafrechtliche Konsequenzen nachzudenken, erbot sie sich, zu Gunsten des Herrn M. bei der Polizei auszusagen, indem sie seine Darstellung der Geschehnisse als eigenes Erleben wiedergeben wollte. Hierbei kam es ihr darauf an, eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des L. M. zu vermeiden und zu verhindern.
Demzufolge wurde sie am 11.3.1996 in dem Ermittlungsverfahren gegen L. M. wegen des Verdachtes der versuchten Vergewaltigung pp. zu dem Aktenzeichen 3 Js 24494/95 Staatsanwaltschaft J. vor der Ermittlungsrichterin bei dem Amtsgericht in J. nach Belehrung als Zeugin vernommen. In dieser Vernehmung behauptete sie bewusst wahrheitswidrig, sich am 21.6.1995 zur Tatzeit in der Wohnung auf dem Betriebsgelände des Herrn L. M. aufgehalten zu haben. Sie habe mitbekommen, wie Frau O. ihren Besuch telefonisch angekündigt habe. Später habe sie durch die Glastür des Büros eine Auseinandersetzung zwischen Herrn M. und Frau O. beobachtet. Frau O. habe sich geweigert, die Wohnung zu verlassen, und versucht, auf Herrn M. einzuschlagen. L. M. sei es schließlich gelungen, die Zeugin aus der Wohnung zu drängen.
Noch während der Vernehmung ließ der anwesende und mit den Ermittlungen gegen L. M. befasste Staatsanwalt keinen Zweifel daran, dass er den Bekundungen der Angeklagten misstraute. Im unmittelbaren Anschluss an die Vernehmung eröffnete er der Angeklagten, er werde ihre Angaben zu dem Vorfall und auch ihren Dienstzeiten überprüfen. Sinngemäß gab er der Angeklagten zu verstehen, dass er im Falle einer wahrheitswidrigen Aussage alles tun werde, „um der Angeklagten den Rock auszuziehen“. (unwiderlegte Angabe der Angeklagten).
Erst jetzt begriff die Angeklagte, dass – selbst wenn sie den Angaben des L. M. vertraut – sie strafrechtlich relevant einen eklatanten Fehler mit möglicherweise beruflich vernichtenden Auswirkungen begangen hatte. Aus Angst, ihr eigenes strafbewehrtes Verhalten (Falschaussage vor der Ermittlungsrichterin zuzüglich versuchter Strafvereitelung) aufzudecken, wiederholte sie am 16.10.1996 in der Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht J. in dem vorgenannten Verfahren trotz Belehrung ihre bereits zuvor gemachten Angaben. Dabei hoffte sie, dass im Ergebnis niemand ihre Angaben in Zweifel ziehen werde, um der eigenen Verantwortung für ihr Verhalten zu entgehen. Dass die Aussage auch dem L. M. zugute kommen könnte, hat sie als notwendige Folge ihres Handelns gesehen, war aber nicht mehr handlungsbestimmend.
L. M. wurde am 16.10.1996 durch das Amtsgericht in J. wegen Beleidigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten auf Bewährung verurteilt. Das Urteil ist seit dem 24.04.1998 rechtskräftig.
Der Sachverhalt ist festgestellt auf Grund der glaubhaft geständigen Angaben der Angeklagten sowie der ausweislich der Sitzungsniederschrift ersichtlichen weiteren Beweismittel.
Die Angeklagte ist auf Grund des festgestellten Sachverhaltes der uneidlichen Falschaussage in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit versuchter Strafvereitelung schuldig, (Vergehen gemäß den §§ 153, 157, 258, 22, 23, 52, 53 StGB.)
Im Rahmen der Strafzumessung hat das Gericht zu Gunsten der Angeklagten ihr freimütiges wenn auch spätes Geständnis gewertet, wodurch sie nicht nur die Beweisaufnahme in dem vorliegenden Verfahren wesentlich verkürzt, sondern auch insbesondere Frau O. eine neuerliche Konfrontation mit dem Erlebten durch eine weitere Befragung als Zeugin erspart hat.
Fernerhin hat das Gericht zu Gunsten der Angeklagten gewertet, dass sie erst durch die emotionale Anbindung an den Lebensgefährten sich zu der Tat hat hinreißen lassen. Offensichtlich fühlte sie sich durch die in der Vergangenheit erfahrene Hilfe verpflichtet, ihm gefällig zu sein. Dabei kann nicht übersehen werden, dass die Angeklagte vor dem Hintergrund des bevorstehenden Interessenkonfliktes möglicherweise befürchtete, L. M. werde sich im Falle mangelnder Erkenntlichkeit von ihr trennen, ihr Leben mithin schwieriger – wie schon zuvor – sein.
Andererseits kann nicht übersehen werden, dass die Angeklagte als Polizeibeamtin im besonderen Maße sich der Bedeutung ihrer falschen Aussage vor der Ermittlungsrichterin und vor dem Gericht bewusst sein musste: Oftmals sind die Gerichte zur Wahrheits- und Urteilsfindung ausschließlich auf die Bekundungen der Zeugen angewiesen. Dies war der Angeklagten gerade als auch Hilfsorgan der Judikative im besonderen Maße bekannt. Sie hat nicht nur das Opfer, die Zeugin O., in Misskredit zu bringen versucht, sondern die Gefahr begründet, ein Straftäter könne einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit entgehen. Auch wenn die Angeklagte nicht in ihrer beruflichen Eigenschaft die Bekundungen abgegeben hat, darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass psychologisch ihrer Aussage in der Bevölkerung besonderes Gewicht beigemessen wird.
Unter Berücksichtigung dieser und aller anderen Strafzumessungsgesichtspunkte des § 46 StGB hielt das Gericht daher für jede Einzeltat eine Freiheitsstrafe von 6 Monaten für tat- und schuldangemessen. Aus diesen Einzelstrafen hat das Gericht unter nochmaliger Abwägung sämtlicher Strafzumessungsgesichtspunkte eine Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Monaten gebildet.
Diese erste Freiheitsstrafe konnte gemäß § 56 Abs. 1 StGB noch einmal zur Bewährung ausgesetzt werden. Die Angeklagte hat sich in der Hauptverhandlung im besonderen Maße beeindruckt und reuevoll gezeigt. Sie lässt für die Zukunft ein straffreies Verhalten erwarten.“
Am 28. Mai 1999 leitete die Bezirksregierung I. gegen die Beamtin das förmliche Disziplinarverfahren ein. Der Beamtin wurde vorgeworfen, dass der vom Schöffengericht J. festgestellte Sachverhalt ein Dienstvergehen beinhalte. Die Schwere des Dienstvergehens lasse nur eine Disziplinarmaßnahme als angezeigt erscheinen, die dem förmlichen Disziplinarverfahren vorbehalten sei.
Die Untersuchungsführerin lud die Beamtin zur Vernehmung, die am 28. Juli 1999 stattfinden sollte. Die Beamtin teilte mit Schreiben vom 27. Juli 1999 mit, sie werde nicht erscheinen, da sie sich im Jahresurlaub befinde. Sie werde einen Rechtsanwalt hinzuziehen.
Mit Schreiben vom 2. August 1999 setzte die Untersuchungsführerin der Beamtin für eine schriftliche Äußerung eine Frist bis zum 31. August 1999. Nachdem die Beamtin diese Frist hatte verstreichen lassen, gab die Untersuchungsführerin ihr mit Schreiben vom 8. Oktober 1999 Gelegenheit, sich bis zum 30. Oktober 1999 abschließend zu äußern. Die Beamtin äußerte sich auch zu diesem Schreiben nicht.
Mit der am 6. Juni 2000 bei der Disziplinarkammer des Verwaltungsgerichts eingegangenen Anschuldigungsschrift vom 31. Mai 2000 hat der Vertreter der Einleitungsbehörde der Beamtin zur Last gelegt, dadurch ein Dienstvergehen begangen zu haben, dass sie
am 11. März 1996 während der Vernehmung durch die Ermittlungsrichterin in dem Ermittlungsverfahren gegen Herrn L. M. wegen des Verdachts der versuchten Vergewaltigung pp. nach Belehrung als Zeugin bewusst wahrheitswidrig falsch ausgesagt habe, um eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Herrn M. zu verhindern; bereits in dieser Vernehmung habe der anwesende Staatsanwalt keinen Zweifel daran gelassen, dass er den Bekundungen der Beamtin misstraue und habe ihr eröffnet, ihre Angaben überprüfen zu wollen;
am 16. Oktober 1996 in der Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht J. in dem vorgenannten Verfahren trotz Belehrung ihre am 11. März 1996 gemachten Angaben wiederholt habe.
Der Vertreter der Einleitungsbehörde hat in der Hauptverhandlung vor der Disziplinarkammer beantragt,
die Beamtin in ein Amt derselben Laufbahn mit geringerem Endgrundgehalt zu versetzen.
Die Beamtin hat beantragt,
sie freizusprechen.
Mit Urteil vom 19. April 2001 hat die Disziplinarkammer die Beamtin eines Dienstvergehens für schuldig befunden und sie aus dem Dienst entfernt. Für die Dauer von sechs Monaten hat die Disziplinarkammer der Beamtin einen Unterhaltsbeitrag in Höhe von 75 Prozent des im Zeitpunkt der Rechtskraft des Urteils erdienten Ruhegehalts bewilligt. Zur Begründung hat die Disziplinarkammer ausgeführt: Die Beamtin habe durch das angeschuldigte Verhalten ein Dienstvergehen begangen, weil sie schuldhaft die ihr gemäß § 62 Satz 3 NBG obliegenden Pflichten verletzt habe. Das Verhalten sei nach den Umständen geeignet, das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit in die pflichtgemäße Amtsführung der Beamtin nachhaltig zu beeinträchtigen (§ 85 Abs. 1 Satz 2 NBG). Von der höchstmöglichen Disziplinarmaßnahme könne auf Grund fehlender durchgreifender Milderungsgründe nicht abgesehen werden. Der Disziplinarkammer sei zwar bewusst, dass sich die Beamtin in einer schwierigen persönlichen Lage befunden habe und besonders bestrebt gewesen sei, die Lebensgemeinschaft mit Herrn M. aufrecht zu erhalten. Dieses Bestreben sei jedoch nicht so gewichtig, dass es geeignet sei, allgemeine staatsbürgerliche Pflichten, denen sich besonders ein Polizeibeamter verpflichtet fühlen müsse, beiseite zu schieben. Die Tat der Beamtin lasse einen Charaktermangel offenbar werden, der die Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht möglich erscheinen lasse. Angemerkt sei, dass dieser Charaktermangel bereits in der Beurteilung vom 24. August 1989, bestätigt durch die Beurteilung vom 6. November 1992, angesprochen werde. Die darin getroffene Einschätzung („Charakterlich noch nicht gefestigt; zeitweilig unaufrichtig und nicht immer wahrheitsliebend;“... „steht wegen ihres Hangs zur Unwahrheit und zeitweiliger Unzuverlässigkeit in der Kritik.“) habe sich in dramatischer Weise verwirklicht. Unerheblich sei schließlich, ob das Vertrauensverhältnis mit ihrem derzeitigen Vorgesetzen nachhaltig gestört sei, weil es nicht auf dessen persönliche Ansicht ankomme, sondern auf eine objektivierte Betrachtungsweise.
Gegen das ihr am 28. April 2001 zugestellte Urteil hat die Beamtin am 25. Mai 2001 Berufung eingelegt.
Mit Verfügung vom 16. Juli 2001, gegen die die Beamtin kein Rechtsmittel eingelegt hat, hat die Bezirksregierung I. die Beamtin mit sofortiger Wirkung vorläufig des Dienstes enthoben und die Einbehaltung von 10 % ihrer Dienstbezüge angeordnet.
Die Beamtin trägt zur Begründung ihrer Berufung gegen das Urteil der Disziplinarkammer vor, ihr Verhalten sei mit der strafrechtlichen Verurteilung hinreichend geahndet worden. Ein Dienstvergehen könne ihr nicht vorgeworfen werden, da die Voraussetzungen des § 85 Abs. 1 Satz 2 NBG nicht erfüllt seien. Es fehle an dem von dieser Vorschrift vorausgesetzten nachhaltigen Vertrauensverlust. Die Vorfälle hätten sich im März und Oktober 1996 ereignet. Nach ihrer letzten Beurteilung vom 20. Juli 1998, die den Zeitraum vor und nach den Vorfällen umfasse, habe sie durchweg gute Leistungen erbracht. Es könne nicht akzeptiert werden, dass die Disziplinarkammer die Beurteilungen vom 24. August 1989, 18. Februar 1991 und 6. November 1992 höher bewerte als die Beurteilung vom 20. Juli 1998 und die weiteren ab dem Jahr 1993 erstellten Beurteilungen. Sie könne auf Grund des Zeitablaufs nicht mehr nachvollziehen, warum die Beurteilungen vom 24. August 1989 und 18. Februar 1991, die im Wesentlichen durch den jetzigen Vertreter der Einleitungsbehörde, Polizeioberrat P., erstellt worden seien, in charakterlicher Hinsicht negative Feststellungen enthielten. Sie wisse, dass sie sich mit Polizeioberrat P. nicht gut verstanden habe. Er habe des öfteren unberechtigte Vorwürfe gegen sie erhoben. Es sei hinzugekommen, dass sich ihr Gesundheitszustand seinerzeit nach der Geburt ihrer Kinder auf Grund der damit verbundenen Doppelbelastung zunehmend verschlechtert habe. Wegen der krankheitsbedingten Ausfallzeiten habe ihr Polizeioberrat P. ständig vorgeworfen, sie sei nicht in der Lage, Familie und Beruf „unter einen Hut zu bringen“. Dadurch habe sich ihr Gesundheitszustand weiter verschlechtert. Erst nachdem sie zur SPI J. /Einsatz- und Ausbildungsstaffel versetzt worden sei, habe sich ihr Gesundheitszustand erheblich verbessert und der Dienst wieder Spaß gemacht. Seit Auflösung dieser Einsatzstaffel sei sie im Polizeikommissariat K. tätig. Auch dort habe sie durchweg gute Leistungen erbracht und keine Probleme mit ihren Vorgesetzten gehabt. Die zurückliegenden Beurteilungen durch Polizeioberrat P. dürften daher nicht überbewertet werden.
Für die Bewertung der Vorfälle aus dem Jahre 1996 seien in erster Linie ihre Leistungen in jenem Jahr und danach ausschlaggebend. Sie habe weiterhin pflichtgemäß bzw. gut ihren Dienst versehen und sei zunächst auch nicht suspendiert worden. Die Vorgesetzten und Kollegen, die sie über die Vorfälle informiert habe, hätten bis zu ihrer Suspendierung vertrauensvoll mit ihr zusammengearbeitet. Sie habe trotz der Suspendierung auch heute noch Kontakt zu ihren Kollegen. Nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens und auch nach der strafgerichtlichen Verurteilung habe sie weiterhin als Polizeibeamtin Gerichtstermine wahrgenommen, in denen es auf ihre Aussage angekommen sei. Auch nach ihrer Suspendierung sei sie als Polizeibeamtin als Zeugin vernommen worden. Insoweit sei niemals ein Zweifel am Wahrheitsgehalt ihrer Aussagen erhoben worden. Sofern ihr Verhalten geeignet wäre, das Vertrauen des Dienstherrn in ihre pflichtgemäße Amtsführung nachhaltig zu beeinträchtigen, hätte sie sofort nach dem Bekanntwerden der Vorfälle vom Dienst suspendiert werden müssen. Da das nicht geschehen sei, könne auch nicht von nachhaltigen Beeinträchtigungen ausgegangen werden. Es könne auch nicht darauf abgestellt werden, dass die theoretische Möglichkeit derartiger Beeinträchtigungen ausreiche. Denn es sei bis zu ihrer Suspendierung zu keinen Beeinträchtigungen gekommen.
Es komme hinzu, dass sie auch in der Öffentlichkeit keinen Ansehensschaden erlitten habe. Sie sei im Ortsrat ihrer Gemeinde tätig und habe nach dem Tod des Ortsbürgermeisters im November 1999 eine Zeit lang dessen Aufgaben übernommen. Auch dabei habe es keine Probleme gegeben.
Es sei abgesehen davon, dass sie kein Dienstvergehen begangen habe, jedenfalls aber nicht gerechtfertigt, die höchstmögliche Disziplinarmaßnahme zu verhängen. Eine Entfernung aus dem Dienst sei bei einer außerdienstlich gemachten Falschaussage nur gerechtfertigt, wenn ein besonders schwerer Fall vorliege. In ihrem Fall seien jedoch Milderungsgründe gegeben. Als sie die Tat begangen habe, habe sie sich in einer besonders schweren persönlichen Situation befunden. Sie habe Angst gehabt, die Unterstützung ihres Lebensgefährten zu verlieren. Sie sei davon ausgegangen, dass die gegen ihn erhobenen Vorwürfe nicht zuträfen, habe aber befürchtet, dass dies vor Gericht nicht bewiesen werden könne. Ihr Verhalten sei selbstverständlich falsch gewesen und werde von ihr auch als großer Fehler angesehen. Es müsse aber auch berücksichtigt werden, dass sie nach ihrer strafrechtlichen Verurteilung sofort ihren Vorgesetzten über die Tat informiert habe und dass sie wegen ihrer guten Arbeit und ihres Engagements in der Ortspolitik sowohl das Vertrauen ihrer Vorgesetzten als auch der Bevölkerung weiterhin genieße.
Es sei auch als Milderungsgrund zu berücksichtigen, dass sie bisher disziplinarrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten sei. Da eine Disziplinarmaßnahme insbesondere auch nicht in dem Zeitraum verhängt worden sei, auf den sich die Beurteilungen aus den Jahren 1989 und 1992 bezögen, sei nicht auszuschließen, dass ihr damaliger Beurteiler eine Antipathie gegen sie gehabt habe und die von ihm vermeintlich vernommenen Lügen nicht habe beweisen können. Selbst wenn es wirklich in dem genannten Zeitraum zu vereinzelten Lügen gekommen sei, sei zu berücksichtigen, dass dies mehr als ein Jahrzehnt her sei und dass sie charakterlich gefestigt sei, was sich unter anderem in ihren jetzigen guten Beurteilungen, ihrem Ansehen und ihrem Engagement zeige.
Die Beamtin beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und sie freizusprechen,
hilfsweise, auf eine mildere Disziplinarmaßnahme zu erkennen.
Der Vertreter der Einleitungsbehörde beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er erwidert: Die Disziplinarkammer habe zutreffend festgestellt, dass die Beamtin ein Dienstvergehen begangen habe. Der sich in ihrem Fehlverhalten zeigende Charaktermangel sei bereits 1989 und 1992 in Beurteilungen angesprochen worden. Der Charaktermangel könne „damit gleichsam als durchgängig, zumindest aber wiederholt auftretend und damit als nicht abgestellt bezeichnet werden“. Soweit die Beamtin demgegenüber auf ihre Beurteilung vom 20. Juli 1998 verweise, sei darauf hinzuweisen, dass die Beurteilungen der Jahre 1989 und 1992 und die des Jahres 1998 nicht vergleichbar seien. Während in den Beurteilungen aus den Jahren 1989 und 1992 freitextliche Formulierungen das Eingehen auf Charaktermängel zugelassen hätten, sei dies in den Beurteilungen, die nach Einführung der Beurteilungsrichtlinie vom 4. Januar 1996 erstellt worden seien, nicht mehr der Fall. Da es sich bei der Beurteilung vom 20. Juli 1998 „um ein gebundenes Verfahren unter Ankreuzen feststehender Parameter zur Leistungsbeurteilung“ handele, lasse sich an ihr nicht bemessen, ob sich seit 1996 Charaktermängel gezeigt hätten oder nicht. Er – Polizeioberrat P. – und andere Vorgesetzte hätten auch nicht behauptet, dass die Beamtin immer lüge. Ihre Lügen seien regelmäßig im Zusammenhang mit persönlichen Konfliktsituationen sowie dann aufgetreten, wenn sie Vorteile für sich habe erlangen wollen. Soweit es sich um Aussagen über dienstliche Tätigkeiten außerhalb des persönlichen Bereichs der Beamtin gehandelt habe, habe es keinen Anlass gegeben, Zweifel am Wahrheitsgehalt ihrer Aussagen zu erheben. Völlig offen hingegen sei, ob sie in zukünftigen persönlichen Konfliktsituationen wieder zu Lügen greifen werde.
Mit ihrer Entscheidung, die Beamtin zunächst nicht zu suspendieren, habe die Einleitungsbehörde unter größtmöglicher Auslegung des ihr zustehenden Ermessensspielraums die persönliche Situation der Beamtin ganz besonders berücksichtigt. Die Polizeiinspektion J. als Beschäftigungsdienststelle sei anderer Auffassung gewesen. Die Kollegen der Beamtin in ihrer Dienststelle hätten sie integriert, weil dies notwendig sei, um kollegial zusammenarbeiten zu können. Auf eine tatsächliche Zusammenarbeit mit Vorgesetzten und Kollegen komme es bei der rechtlichen Beurteilung des Fehlverhaltens der Beamtin jedoch ebenso wenig an, wie auf eine tatsächliche soziale, gesellschaftliche oder gemeindepolitische Stellung und Arbeit. Die am 16. Juli 2001 verfügte Suspendierung der Beamtin sei eine konsequente Folge des Urteils der Disziplinarkammer vom 19. April 2001.
Das Vorbringen der Verteidigerin der Beamtin, die höchstmögliche Disziplinarmaßnahme könne nicht verhängt werden, weil es das erste gegen die Beamtin anhängige Disziplinarverfahren sei, treffe nicht zu. Nach seiner Erinnerung sei in der Vergangenheit gegen die Beamtin bereits einmal ein Disziplinarverfahren im nicht förmlichen Bereich im Zusammenhang mit einer Verletzung der Wahrheitspflicht eingeleitet worden. Dies sei der Beamtin heute zwar nicht mehr besonders vorzuwerfen. Gleichwohl solle verdeutlicht werden, dass einerseits die Verteidigerin der Beamtin einem Irrtum oder einer Fehlinformation unterliege, wenn sie gerade herausstelle, dass es sich um das erste gegen die Beamtin anhängige Disziplinarverfahren handele. Andererseits werde auch hier deutlich, dass die Beamtin in einer persönlichen Konfliktsituation gelogen habe.
Er habe als Vertreter der Einleitungsbehörde in der Hauptverhandlung vor der Disziplinarkammer weisungsgemäß nicht die Entfernung der Beamtin aus dem Dienst beantragt. Diese Entscheidung der Einleitungsbehörde sei „konsequente Folge bislang weitestgehender Ausschöpfung des Ermessensspielraums zur Fürsorge“ gewesen. Es liege jedoch ein schwerer Fall einer Falschaussage mit einem engen Bezug zum konkret wahrgenommenen Amt vor (§ 85 Abs. 1 Satz 1 NBG). Selbst wenn man die engeren Voraussetzungen des § 85 Abs. 1 Satz 2 NBG zu Grunde lege, sei das Verhalten in ganz besonderer Weise geeignet, Achtung und Vertrauen nachhaltig zu beeinträchtigen. Er sehe als in der Polizeiinspektion J. tätiger Polizeibeamter nach wie vor das Grundvertrauen, das zwischen dem Dienstherrn und der Beamtin zwingend herrschen müsse, um eine ordnungsgemäße Verrichtung des Dienstes zu gewährleisten, als zerstört an, so dass eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht möglich sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten, die Personalakten der Beamtin, die Disziplinarvorgänge und die Strafakten der Staatsanwaltschaft J. (3 Js 24494/95 und 3 Js 7943/96) verwiesen.
Entscheidungsgründe
III.
Die Berufung der Beamtin ist zulässig, jedoch nur zum Teil begründet.
Die Beamtin hat entgegen der von ihr vertretenen Auffassung ein Dienstvergehen begangen. Das Dienstvergehen rechtfertigt jedoch nicht die Entfernung der Beamtin aus dem Dienst, auf die die Disziplinarkammer erkannt hat, sondern die Versetzung der Beamtin in das Amt einer Polizeimeisterin (Besoldungsgruppe A 7).
Die Berufung ist unbeschränkt eingelegt worden. Denn mit ihr hat die Beamtin nicht nur die Feststellungen der Disziplinarkammer zur Bemessung der Disziplinarmaßnahme angegriffen, sondern auch die Feststellungen der Disziplinarkammer zu der ihr vorgeworfenen Pflichtverletzung. Der Senat hat deshalb den Sachverhalt selbst festzustellen und disziplinarrechtlich zu würdigen.
Auch wenn die Berufung unbeschränkt eingelegt worden ist, kann der Senat der berufungsgerichtlichen Prüfung den angeschuldigten und von der Disziplinarkammer festgestellten Sachverhalt, den die Beamtin mit der Berufung nicht angreift, zu Grunde legen (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.12.1991 - 1 D 26.91 -, NVwZ-RR 1992, 571; NDH, Urt. v. 23.11.1999 - 2 NDH L 7/97 -). Außerdem ergibt sich hinsichtlich des zu den beiden Anschuldigungspunkten durch die Disziplinarkammer festgestellten Sachverhalts aus § 18 Abs. 1 NDO eine Bindung an die vom Schöffengericht J. in seinem rechtskräftigen Urteil vom 10. März 1999 (a.a.O.) getroffenen Feststellungen. Die Beamtin hat danach in zwei Fällen eine uneidliche Falschaussage, davon in einem Fall in Tateinheit mit versuchter Strafvereitelung, begangen.
Der Senat folgt der disziplinarrechtlichen Würdigung der Disziplinarkammer, dass die Beamtin mit dem angeschuldigten Verhalten ein Dienstvergehen (§ 85 Abs. 1 NBG) begangen hat. Sie hat schuldhaft gegen § 62 Satz 3 NBG verstoßen, wonach das Verhalten des Beamten innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden muss, die sein Beruf erfordert.
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass Aussagedelikte wie Meineid und falsche uneidliche Aussage gegen die sich aus § 62 Satz 3 NBG ergebende Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten verstoßen (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.12.1978 - 1 D 78.77 -, DokBer B 1979, 79; Urt. v. 18.04.1985 - 1 D 61.84 -, BVerwGE 76, 366; Urt. v. 10.12.1991 - 1 D 91.90 -, DokBer B 1993, 245). Auch das Vergehen der versuchten Strafvereitelung verstößt gegen die sich aus § 62 Satz 3 NBG ergebenden Pflichten.
Das Fehlverhalten der Beamtin ist entgegen der Auffassung des Vertreters der Einleitungsbehörde nicht als innerdienstliches Dienstvergehen (§ 85 Abs. 1 Satz 1 NBG) zu werten. Für die Abgrenzung zwischen innerdienstlichem und außerdienstlichem Verhalten ist die materielle Dienstbezogenheit des Verhaltens maßgeblich (vgl. NDH, Urt. v. 24.01.2002 - 1 NDH L 1562/01 -; Urt. v. 01.12.1999 - 2 NDH L 12/97 -). Es bestehen keine deutlichen sachlichen Zusammenhänge zum Dienst der Beamtin, da es sich bei den Verfehlungen um Verhaltensweisen handelt, die auch ohne Bezug zu der Tätigkeit der Beamtin als Polizeibeamtin geschehen können und sich von ihren Dienstaufgaben im engeren Sinne trennen lassen.
Das außerhalb des Dienstes gezeigte Verhalten der Beamtin weist entgegen der von ihr vertretenen Auffassung allerdings die über das Normalmaß hinausgehende Intensität auf, die § 85 Abs. 1 Satz 2 NBG bei außerdienstlichen Verfehlungen erfordert. Denn das Verhalten der Beamtin ist geeignet, das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit in ihre pflichtgemäße Amtsführung nachhaltig zu beeinträchtigen. Ein Beamter, der sich der uneidlichen Falschaussage schuldig macht, schädigt sein Ansehen empfindlich, und zwar nicht nur innerhalb seiner Verwaltung und in der Beamtenschaft, sondern auch in der Öffentlichkeit ganz allgemein. Daneben erschüttert er durch eine solche Tat tiefgreifend das von seiner Verwaltung in ihn gesetzte Vertrauen, weil die Verfehlung zeigt, dass man sich auf ihn nicht zu jeder Zeit fest verlassen kann, was aber bei einem Beamten, der nicht immer beaufsichtigt und überwacht werden kann, vorbehaltlos der Fall sein muss (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.12.1991, 18.04.1985 und 11.12.1978, a.a.O.).
Gründe, die das Fehlverhalten der Beamtin rechtfertigen könnten, sind nicht gegeben. Die Beamtin hat auch schuldhaft im Sinne des § 85 Abs. 1 NBG gehandelt. Hinsichtlich der ihr zur Last gelegten Straftatbestände ergibt sich ein vorsätzliches Handeln aus den auch insoweit bindenden Feststellungen des Urteils des Schöffengerichts J. vom 10. März 1999 (a.a.O.). Dass dieses Verhalten im Widerspruch zu den ihr als Beamtin obliegenden und vorstehend näher bezeichneten Pflichten steht, war der Beamtin bekannt. Sie hat es zumindest billigend in Kauf genommen, durch ihr Verhalten den beamtenrechtlichen Pflichten zuwider zu handeln.
Das von der Beamtin begangene Dienstvergehen rechtfertigt indes noch nicht die von der Disziplinarkammer ausgesprochene Entfernung aus dem Dienst (§ 11 NDO); angemessen aber auch erforderlich ist die Versetzung der Beamtin in das Amt einer Polizeimeisterin - Besoldungsgruppe A 7 -, ein Amt derselben Laufbahngruppe mit geringerem Endgrundgehalt (§ 10 NDO). Dabei handelt es sich entgegen § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a
PolNLVO um das Eingangsamt der Schutzpolizei im mittleren Dienst (vgl. Fußnote 4 zur Besoldungsgruppe A 7 der Anlage I (Bundesbesoldungsordnungen A und B); geändert mit Wirkung vom 1.1.1993 durch Art. 6 Nr. 10 Buchst. f) und g) des Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetzes 1992 vom 23.3.1993, BGBl. I S. 342).
Für die von der Beamtin begangenen Verfehlungen, die im Rahmen einer Gesamtbewertung einheitlich zu würdigen sind und ein Dienstvergehen darstellen, gibt es hinsichtlich der zu verhängenden Disziplinarmaßnahme keine Regelrechtsprechung. Welche Disziplinarmaßnahme das Fehlverhalten der Beamtin zur Folge haben muss, richtet sich nach den besonderen Umständen des Einzelfalls (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.12.1991 und 18.04.1985, a.a.O.).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 24.10.1991 - 2 WD 9.91 -, BVerwGE 93, 171; Urt. v. 07.02.1980 - 2 WD 67.79 -, BVerwGE 63, 331) kann die – bei Meineid regelmäßig gebotene – Entfernung aus dem Dienst bei vorsätzlich falscher uneidlicher Aussage allenfalls bei ganz erheblichen Erschwerungsgründen in Betracht kommen.
Im Falle der Beamtin ist, wie das Schöffengericht J. in seinem Urteil vom 10. März 1999 (a.a.O.) zutreffend ausgeführt hat, erschwerend zu werten, dass sie sich als Polizeibeamtin in besonderem Maße der Bedeutung ihrer beiden falschen Aussagen vor der Ermittlungsrichterin und vor dem Gericht hätte bewusst sein müssen. Es kommt hinzu, dass sie nicht nur versucht hat, das Opfer ihres Lebensgefährten in Misskredit zu bringen, sondern darüber hinaus versucht hat, die Bestrafung ihres Lebensgefährten zu vereiteln.
Der Senat ist trotz dieser schwer ins Gewicht fallenden Umstände jedoch zu der Überzeugung gelangt, dass von der Verhängung der schwersten Disziplinarmaßnahme abgesehen werden kann, weil einige nicht unerhebliche Milderungsgründe gegeben sind, die es erlauben, das Dienstverhältnis nicht zu beenden.
So ist mildernd zu berücksichtigen, dass sich die Beamtin – wie das Schöffengericht J. im Urteil vom 10. März 1999 (a.a.O.) festgestellt hat – durch die emotionale Bindung an ihren Lebensgefährten zu der Tat hat hinreißen lassen. Sie hat möglicherweise befürchtet, dass sich ihr Lebensgefährte, der sie und ihre beiden in ihrem Haushalt lebenden Kinder insbesondere auch finanziell unterstützt hatte, von ihr trennen werde, wenn sie nicht zu seinen Gunsten in dem gegen ihn anhängig gewesenen Strafverfahren aussagen werde.
Als Milderungsgrund kommt hinzu, dass die Beamtin ihr Fehlverhalten bereits im Strafverfahren gestanden und sowohl im Strafverfahren als auch im disziplinargerichtlichen Verfahren, insbesondere auch in der Hauptverhandlung vor dem Senat, glaubhaft erklärt hat, dass sie ihr Verhalten sehr bedauere (vgl. zu diesen Gesichtspunkten BVerwG, Urt. v. 24.10.1991 und 11.12.1978, a.a.O.). Die Beamtin hat sich im Untersuchungsverfahren zwar nicht zu Ihrem Fehlverhalten geäußert. Sie hat andererseits die Tätigkeit der Untersuchungsführerin jedoch auch nicht erschwert.
Mildernd ist ferner zu berücksichtigen, dass die Beamtin, von der den Gegenstand dieses Verfahrens bildenden Verurteilung abgesehen, strafrechtlich nicht belangt worden ist und dass bislang auch noch keine Disziplinarmaßnahmen gegen sie verhängt worden sind (vgl. zu diesen Gesichtspunkten BVerwG, Urt. v. 26.01.2000 - 2 WD 33.99 -, NVwZ-RR 2000, 618; Urt. v. 18.04.1985, a.a.O.). Soweit der Vertreter der Einleitungsbehörde demgegenüber in seiner Berufungserwiderung vom 5. September 2001 „mit der gebotenen Zurückhaltung aus internen Gesprächen heraus“ festgestellt hat, „dass gegen die Beamtin in der Vergangenheit sehr wohl ein Disziplinarverfahren im nicht förmlichen Bereich eingeleitet worden“ sei, muss er sich entgegenhalten lassen, dass die dem Gericht vorgelegten Personal- und Disziplinarakten dieses Vorbringen nicht bestätigen. Im Übrigen hat auch der Vertreter der Einleitungsbehörde nicht vorgetragen, dass gegen die Beamtin bereits einmal eine Disziplinarmaßnahme verhängt worden sei.
Als weiterer Milderungsgrund ist zu berücksichtigen, dass sich die Beamtin seit der am 16. Oktober 1996 begangenen Straftat beanstandungsfrei geführt hat (vgl. zu diesem Gesichtspunkt etwa BVerwG, Urt. v. 18.04.1985 und 07.02.1980, a.a.O.). Dies verdeutlicht auch ihre Beurteilung vom 20. Juli 1998, die sich auf die Zeit vom 1. Februar 1996 bis zum 31. Mai 1998 erstreckt und mit der Wertungsstufe 4 (Entspricht voll den Anforderungen) endet. In dieser Beurteilung sowie in den zwischen dem 14. September 1993 und dem 1. Februar 1996 erstellten Beurteilungen sind – anders als noch in den Beurteilungen vom 24. August 1989 und 18. Februar 1991 – in charakterlicher Hinsicht keine negativen Feststellungen getroffen worden. In der Beurteilung vom 14. September 1993 (Gesamturteil „befriedigend (10 Punkte)“) heißt es vielmehr, die Beamtin sei charakterlich gereift, aufrichtig sowie offen und habe, nachdem zum 15. April 1992 ein Dienststellenwechsel vorgenommen worden sei, fast wieder den Leistungsstand der guten Beurteilung von 1985 erreicht. In den folgenden Beurteilungen vom 27. Dezember 1993, 30. September 1994 und 1. Februar 1996, die mit den Gesamturteilen „gut (11 Punkte)“ bzw. „gut (12 Punkte)“ enden, sind zum Charakter der Beamtin entsprechende Feststellungen getroffen worden. Diese von verschiedenen Beurteilern getroffenen Feststellungen widerlegen die Annahme des Vertreters der Einleitungsbehörde, der bereits in der Beurteilung vom 24. August 1989 und auch in der strafrechtlichen Verurteilung zum Ausdruck kommende Charaktermangel sei bei der Beamtin durchgehend aufgetreten.
Der Einwand des Vertreters der Einleitungsbehörde, an der Beurteilung vom 20. Juli 1998 lasse sich nicht bemessen, ob sich seit 1996 bei der Beamtin Charaktermängel gezeigt hätten, weil diese Beurteilung – anders als die vorherigen Beurteilungen – keine freitextlichen Formulierungen und keine Aussagen zum Charakter der Beamtin zulasse, führt zu keiner anderen rechtlichen Bewertung. Der Vertreter der Einleitungsbehörde muss sich entgegenhalten lassen, dass die Beurteilung vom 20. Juli 1998 mit der überdurchschnittlichen Gesamtbewertung 4 (Entspricht voll den Anforderungen) endet. Die einzelnen Leistungsmerkmale sind ganz überwiegend mit den Stufen 4 und 5 bewertet worden. Die Zusammenarbeit mit Vorgesetzten ist mit der Stufe 4, die Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen sowie das bürgerorientierte Verhalten sogar jeweils mit der Stufe 5 bewertet worden. Bei den vorgenannten drei Leistungsmerkmalen, die sich auf Charaktereigenschaften beziehen, ist es entgegen der Auffassung des Vertreters der Einleitungsbehörde möglich, durch die Vergabe entsprechender Bewertungen auch Aussagen zum Charakter des jeweiligen Beamten zu treffen. Der Senat ist davon überzeugt, dass die genannten drei Leistungsmerkmale nicht mit den Stufen 4 bzw. 5 bewertet worden wären, wenn in dem maßgeblichen Beurteilungszeitraum (01.02.1996 bis 31.05.1998) bei der Beamtin durchgehend der in der strafgerichtlichen Verurteilung zum Ausdruck kommende Charaktermangel aufgetreten wäre.
Die vorgenannten Umstände, insbesondere die seit der Verfehlung vom 16. Oktober 1996 bis zur am 16. Juli 2001 verfügten vorläufigen Dienstenthebung gezeigten dienstlichen Leistungen der Beamtin, der auch im außerdienstlichen Bereich wegen ihres Einsatzes für die Gemeinschaft Aufmerksamkeit entgegengebracht und Anerkennung gezollt wird, rechtfertigen die Erwartung, dass sie zukünftig die sich aus dem Beamtenverhältnis ergebenden Pflichten erfüllen wird. Dann aber ist die Annahme gerechtfertigt, dass das Vertrauen in die Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit der Beamtin als unabdingbare Voraussetzung für das ordnungsgemäße Funktionieren des öffentlichen Dienstes nicht völlig zerstört, sondern unter dem Druck einer schwerwiegenden Disziplinarmaßnahme allmählich wieder hergestellt werden kann. Unter diesen Umständen lässt es sich rechtfertigen, die Beamtin als noch tragbar für den öffentlichen Dienst anzusehen und von der Möglichkeit, sie aus dem Dienst zu entfernen, keinen Gebrauch zu machen.
Andererseits ist zu berücksichtigen, dass durch das von der Beamtin begangene schwerwiegende Dienstvergehen das zwischen ihr und dem Dienstherrn bestehende Vertrauensverhältnis erheblich beeinträchtigt ist. Die Beeinträchtigung beruht nicht zuletzt darauf, dass die Begehung des Dienstvergehens auch unabhängig von der mit ihr verbundenen Presseberichterstattung zu einem erheblichen Ansehensverlust geführt hat. Die Beamtin hat ihr eigenes und das Ansehen der Beamtenschaft so erheblich beeinträchtigt, dass nur eine auf lange Dauer wirkende, auch nach außen erkennbare Disziplinarmaßnahme geeignet ist, diesen Ansehensverlust auszugleichen und so die gestörte dienstliche Ordnung wieder herzustellen. Dies ist erreichbar nur durch eine Versetzung der Beamtin in das Eingangsamt ihrer Laufbahn (Polizeimeisterin - Besoldungsgruppe A 7-). Da sich die Beamtin an den Rand ihrer Tragbarkeit für den öffentlichen Dienst gebracht hat, bedarf es einer schwerwiegenden dauerhaften Disziplinarmaßnahme, durch die die Beamtin veranlasst und es ihr möglich gemacht wird, das durch das Dienstvergehen erheblich beeinträchtigte Vertrauen in ihre Amtsführung durch Bewährung und vorbildliche Erfüllung ihrer Dienstpflichten allmählich wieder herzustellen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 113 Abs. 1, 114 Abs. 2, 115 Abs. 4 NDO.
Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (§ 90 NDO).