Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 04.03.2003, Az.: 1 KN 104/02

Konkretisierung; Planung; Planungsabsicht; Verlängerung; Veränderungssperre

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
04.03.2003
Aktenzeichen
1 KN 104/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 48469
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zur Verlängerung der Veränderungssperre über das 3. Jahr hinaus
Eine selbständige neue Veränderungssperre liegt nicht vor, wenn die Gemeinde ihre Planungsabsichten nur konkretisiert und das Ziel, ein bestimmtes Vorhaben zu sperren, unverändert bleibt.

Gründe

1

Die Kostenentscheidung beruht auf § 161 Abs. 2 VwGO. Die Beteiligten haben den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Es ist deshalb lediglich noch gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Hier entspricht es billigem Ermessen, der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Der Bürgermeister der Antragsgegnerin hat am 24. Februar 2003 eine Eilentscheidung gemäß § 66 NGO des Inhalts getroffen, dass die Antragsgegnerin von der Rechtsunwirksamkeit des Beschlusses des Rates vom 24. Januar 2002 über den Erlass der angegriffenen Veränderungssperre zum Bebauungsplan Nr. 0317 ausgehe. Der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin hat diese Erklärung mit Schriftsatz vom 25. Februar 2003 dahingehend erläutert, dass die Antragsgegnerin wegen Ablaufs der Dreijahresfrist nicht mehr vom Fortbestand der in diesem Verfahren angegriffenen Satzung über die Veränderungssperre ausgehe. Damit wird dem Begehren des Antragstellers entsprochen, so dass es billig ist, die Antragsgegnerin allein mit den Kosten des Verfahrens zu belasten.

2

Die Antragsgegnerin wäre im Übrigen im Falle einer streitigen Entscheidung voraussichtlich unterlegen gewesen, wenn der Antragsteller seinen Antrag darauf beschränkt hätte, die vom Rat der Antragsgegnerin am 24. Januar 2002 beschlossene Veränderungssperre zur Sicherung der Planung im künftigen Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 0317 mit Beginn des vierten Jahres der Sperre für nichtig zu erklären. Einen solchen Antrag hat der Antragsteller dem Inhalt nach mit Schriftsatz vom 21. Februar 2003 angekündigt. Bei der vom Rat der Antragsgegnerin am 24. Januar 2002 beschlossenen Veränderungssperre handelt es sich um eine erneute Veränderungssperre, die an § 17 Abs. 3 BauGB zu messen ist. Die Gemeinde kann wahlweise von einer Verlängerung der Veränderungssperre nach § 17 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BauGB oder von der Erneuerung einer Veränderungssperre Gebrauch machen. Die Antragsgegnerin hat sich entschieden, durch Ratsbeschluss vom 24. Januar 2002 die Veränderungssperre zur Sicherung der Planung im künftigen Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 0317 erneut in Kraft zu setzen.

3

Diese erneute Veränderungssperre verstößt gegen § 17 Abs. 3 BauGB. Entscheidet sich die Gemeinde für eine Erneuerung der Veränderungssperre, besteht die Gefahr, dass die Gemeinde die gesetzlichen Voraussetzungen, unter denen eine Verlängerung der erlassenen Veränderungssperre zulässig ist, umgeht. Die zweite Verlängerung verlangt neben der Zustimmung durch die nach Landesrecht zuständige Behörde gemäß § 17 Abs. 2 BauGB „besondere Umstände“. Dieser Gefahr muss im Hinblick auf die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG begegnet werden. Deshalb müssen, damit die Veränderungssperre nicht zur unzulässigen Umgehung der Tatbestandsvoraussetzungen für die Verlängerung missbraucht werden kann, die jeweiligen weitergehenden materiell-rechtlichen Anforderungen erfüllt sein, die im Falle der Verlängerung hätten eingehalten werden müssen (BVerwG, Beschl. v. 30.10.1992 - 4 NB 44.92 -, NVwZ 1993, 474). Hieran gemessen begegnet die angegriffene Veränderungssperre rechtlichen Bedenken, weil seit Inkrafttreten der ersten Veränderungssperre am 21. Januar 2000 inzwischen ein Zeitraum von mehr als drei Jahren verstrichen ist.

4

Die angegriffene Veränderungssperre schließt nahtlos an die erste Veränderungssperre vom 11. Januar 2000, deren Aufhebung nicht bekannt gemacht wurde, und an die zweite Veränderungssperre vom 23. August 2001 an, so dass im Hinblick auf die anrechnungsfähigen Zeiten keine „Lücken“ entstanden sind. Eine zweite Verlängerung über das dritte Jahr ist nur zulässig, wenn „besondere Umstände“ es erfordern (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.9.1976 – IV C 39.74 -, BVerwGE 51, 121). Diese Voraussetzung gilt auch für eine erneute Veränderungssperre im vierten Jahr der Laufzeit (BVerwG, Beschl. v. 30.10.1992 – 4 NB 44.92 -, a.a.O.). Die Antragsgegnerin hat keine Gründe vorgetragen, die eine Überschreitung der Dreijahresfrist rechtfertigen könnten. Zudem hat die Antragsgegnerin nicht die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde gemäß § 17 Abs. 3 BauGB eingeholt.

5

Die Voraussetzungen einer selbständigen neuen Sperre, die von der erneuten Veränderungssperre im Sinne des § 17 Abs. 3 BauGB abzugrenzen ist, liegen nicht vor. Denn der Beschluss des Rates der Antragsgegnerin zur Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 0317 stellt sich bei näherer Betrachtung der von der Antragsgegnerin verfolgten Planungsabsichten lediglich als eine Maßnahme der Konkretisierung, Fortschreibung und Weiterentwicklung der ursprünglichen Gestaltungsabsichten, wie sie bereits in dem Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan Nr. 0315 zum Ausdruck gekommen sind, dar. Darüber hinaus hatten sämtliche Veränderungssperren das Ziel, das Vorhaben des Antragstellers zu sperren, so dass mit der hier angegriffenen Veränderungssperre vom 24. Januar 2002 nicht eine neue Frist in Gang gesetzt wurde.

6

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG. Bei einem Normenkontrollverfahren gegen eine Veränderungssperre ist für die Ermittlung des Streitwertes der Wert des gesperrten Vorhabens maßgeblich. Gemäß Ziff. 9 lit. c der Streitwertannahmen der Bausenate des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts nach dem 1. Januar 2002 (NordÖR 2002, 197) ist in einem solchen Fall die Hälfte des Streitwertes des gesperrten Vorhabens anzusetzen. Der Antragsteller begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung eines Legehennenstalles in Freilandhaltung für 12.000 Legehennen (vgl. zu den Einzelheiten bereits die Streitwertfestsetzung in dem Beschluss des Senats vom 25. September 2001 in dem Verfahren 1 K 4289/00). Da hier kein Intensivtierhaltungsvorhaben im üblichen Sinne gesperrt wird, ist ein Mittelwert von 50,-- € je 1 m² Stallfläche interessengerecht. Multipliziert mit der ansetzbaren Stallnutzfläche von 1.446 m² ergibt sich ein Wert von 72.300,-- €, der für das vorliegende Normenkontrollverfahren auf die Hälfte zu reduzieren ist.