Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 06.08.2014, Az.: 2 ME 251/14
Begründung eines eigenen Bildungsgangs durch ein bilinguales Konzept; Vorliegen pädagogischer Gründe bei der Vereinbarung der Gegenseitigkeit des Besuchs öffentlicher Schulen zwischen den Ländern Niedersachsen und Bremen
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 06.08.2014
- Aktenzeichen
- 2 ME 251/14
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2014, 23874
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2014:0806.2ME251.14.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Stade - 20.06.2014 - AZ: 4 B 906/14
Rechtsgrundlagen
- § 2 Abs. 1 Nr. 2 BremSchG
- § 20 Abs. 2 BremSchG
Fundstelle
- NordÖR 2014, 537-541
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Einzelfall, in dem ein bilinguales Konzept, nach dem die Schüler ab der fünften Klasse in einer großen Bandbreite von Fächern bilingual unterrichtet werden und außerdem die Möglichkeit besteht, neben dem Abitur eine internationale Prüfung (International Baccalaureate) abzulegen, einen eigenen Bildungsgang begründet.
- 2.
Zu der Frage, ob und inwiefern bei der Beurteilung, ob pädagogische Gründe im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 2 der Vereinbarung der Gegenseitigkeit des Besuchs öffentlicher Schulen zwischen den Ländern Niedersachsen und Bremen vom 1. März 1996 vorliegen, durch die zuständige niedersächsische Behörde bremisches Recht zu berücksichtigen ist.
Tenor:
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stade - 4. Kammer - vom 20. Juni 2014 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stade, mit dem dieses die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet hat, der Antragstellerin vorläufig, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über ihre Klage 4 A 905/14 (VG Stade), zu bescheinigen, dass der Besuch des B. Gymnasiums, Bremen, ab dem Schuljahr 2014/2015 im Einzelfall aus pädagogischen Gründen geboten ist, hat keinen Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hat angenommen, es bestehe voraussichtlich ein Anspruch auf die begehrte Freistellungserklärung für den angestrebten Schulbesuch in Bremen. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 der Vereinbarung der Gegenseitigkeit des Besuchs öffentlicher Schulen zwischen den Ländern Niedersachsen und Bremen vom 1. März 1996 (im Folgenden: Vereinbarung) bestehe die grundsätzliche Möglichkeit, niedersächsische und bremische Schülerinnen und Schüler in die öffentlichen Schulen des jeweils anderen Landes aufzunehmen. Gemäß § 3 Abs. 1 der Vereinbarung dürften aber Schülerinnen und Schüler nur in die Schulen des jeweils anderen Landes aufgenommen werden, wenn eine schriftliche Erklärung der für die Hauptwohnung der Schülerin/des Schülers zuständigen Schulbehörde - hier: der Antragsgegnerin - vorgelegt werde, dass durch den Besuch einer bestimmten Schule des aufnehmenden Landes für die Schülerin oder den Schüler oder ihre/seine Familie eine unzumutbare Härte abgewendet werde oder der Besuch dieser Schule im Einzelfall aus pädagogischen Gründen geboten sei. Solche pädagogischen Gründe lägen hier entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin vor. Die Anforderungen an die Bejahung dieses Merkmals ergäben sich aus dem Erlass des Niedersächsischen Kultusministers vom 6. Juni 1999 (SVBl. 7/1999 S. 156, im Folgenden: Erlass zur Vereinbarung), geändert durch Runderlasss vom 20. Juni 2001 (SVBl. 8/2001 S. 282). Nach Ziffer 1.2 dieses Erlasses seien pädagogische Gründe im Wesentlichen die gleichen Gründe, die auch bei der Anwendung des § 63 Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 NSchG anzuerkennen seien. Darüber hinaus seien auch pädagogische Gründe anzuerkennen, wenn eine Schule in Bremen besucht werden solle, die einen Bildungsgang (§ 59 Abs. 1 NSchG analog) anbiete, der in Niedersachsen nicht oder nicht in zumutbarer Entfernung zur Verfügung stehe. Letzteres sei hier der Fall, weil das von dem B. Gymnasium in Bremen angebotene "bilinguale Profil" sowohl nach niedersächsischem als auch nach bremischem Recht als Bildungsgang zu klassifizieren sei und ein solcher Bildungsgang für die Antragstellerin in Niedersachsen nicht in zumutbarer Entfernung zur Verfügung stehe. Dabei hat das Verwaltungsgericht hervorgehoben, dass sowohl das Rechtsverständnis der niedersächsischen als auch der bremischen Seite in die Interpretation des Begriffs des Bildungsgangs einfließen müsse, da mit der Auslegung dieses Begriffs gleichzeitig der Inhalt des staatsvertraglichen Begriffs der "pädagogischen Gründe" bestimmt werde; das Verwaltungsgericht hat mit anderen Worten nicht nur geprüft, ob das B. Gymnasium nach niedersächsischem Recht aufgrund des bilingualen Profils einen eigenen Bildungsgang anbietet, sondern dies auch auf der Grundlage bremischen Rechts untersucht.
Die mit der Beschwerde geltend gemachten Gründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, stellen die verwaltungsgerichtliche Entscheidung nicht durchgreifend in Frage. Die Antragsgegnerin macht geltend, das B. Gymnasium biete weder nach niedersächsischem (dazu unter 2.) noch nach bremischem Recht (dazu unter 3.) einen eigenen Bildungsgang an, weshalb es keine pädagogischen Gründe gebe, den Besuch dieser Schule für die Antragstellerin als geboten anzusehen.
1. Der Senat weist vorab darauf hin, dass der Erlass zur Vereinbarung, auf den das Verwaltungsgericht maßgeblich abgestellt hat, inzwischen außer Kraft getreten sein dürfte (vgl. den Hinweis unter VORIS Nr. 22410010035089 auf Abschnitt 6 des Gem. RdErl. d. StK u. d. übr. Min. v. 1.2.2004). Es dürfte aber gleichwohl die Annahme "besonderer pädagogischer Gründe" rechtfertigen, wenn eine bremische Schule einen Bildungsgang anbietet, der in Niedersachsen nicht oder nicht in zumutbarer Entfernung zur Verfügung steht. Bei der Antragsgegnerin entspricht diese Sichtweise offenbar weiterhin gängiger Verwaltungspraxis; davon abgesehen erscheint dieses Verständnis auch sachgerecht.
2. Die Antragsgegnerin vermag mit ihrer Auffassung, das bilinguale Angebot des B. Gymnasiums sei nach niedersächsischem Recht nicht als eigener Bildungsgang anzusehen, nicht durchzudringen. Zur Begründung verweist die Antragsgegnerin im Wesentlichen darauf, dass dieses Angebot nicht mit dem bilingualen Angebot einer Schule zu vergleichen sei, für die der beschließende Senat mit Urteil vom 8. Januar 2014 - 2 LB 364/12 -, [...], das Vorliegen eines eigenen Bildungsgangs bejaht habe. Das trifft zwar zu, weil es sich bei jener Schule um eine Grundschule handelt, die den Schülerinnen und Schülern die englische Sprache auf der Grundlage eines besonderen pädagogischen Ansatzes (Immersion) vermittelt. Der Senat hatte aber darüber hinaus - aufbauend auf den in dem genannten Urteil aufgestellten Grundsätzen - mit Urteil vom 25. März 2014 - 2 LB 147/12 - über ein Bildungsangebot zu entscheiden, das mit dem Angebot des B. Gymnasiums - soweit nach dem Sach- und Streitstand im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ersichtlich - vergleichbar war. In jenem Fall handelte es sich um eine Ersatzschule der Schulform Gymnasium mit einer bilingualen Ausrichtung, in deren Rahmen den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit geboten wurde, neben dem Abitur auch Cambridge International A-level Prüfungen abzulegen. Der Senat hat in seinem Urteil hierzu ausgeführt:
"Schülerinnen und Schüler, die - wie die Tochter der Kläger - ab dem Jahr 2009 eingeschult worden sind, werden nach einem besonderen bilingualen Programm unterrichtet, das für alle Kinder verbindlich ist. Diejenigen, die vor diesem Zeitpunkt eingeschult worden sind, haben die Möglichkeit, ebenfalls A-level-Prüfungen abzulegen; sie werden auf diese Prüfungen durch freiwilligen zusätzlichen Unterricht vorbereitet. Die Schule verfolgt ein besonderes Unterrichtskonzept, um die Schülerinnen und Schüler auf die A-level-Prüfungen vorzubereiten. Dies geschieht durch Verstärkung des Englischunterrichts und bilinguale Unterrichtung verschiedener Fächer ab der sechsten Klasse. In den Fächern, in denen die A-level-Prüfungen abgelegt werden, wird in der Oberstufe zusätzlicher Unterricht erteilt. Ausweislich der Informationen auf der Homepage der Schule besteht außerdem die Möglichkeit, am Ende der Mittelstufe und zu Beginn der Oberstufe international zertifizierte Sprachdiplome abzulegen.
In seiner Stellungnahme vom 6. Mai 2011 (Gerichtsakte, Bl. 17 ff.) hebt der ehemalige Schulleiter hervor, dass zur Vorbereitung der A-level-Prüfungen nicht nur mehr Englischunterricht als an staatlichen Gymnasien unterrichtet werde, sondern auch über die niedersächsischen Curricula hinaus das Lernen für weiterführende Curricula der Cambridge International Examinations erforderlich sei. Für die Lizensierung durch Cambridge International Examinations sei es daher etwa auch notwendig gewesen, eine eigene Organisationsstruktur innerhalb der Schule für die nicht unerheblich herausfordernde inhaltliche und strukturelle Ausrichtung bereitzustellen.
Die vom M.-Gymnasium in Kooperation mit Cambridge International Examinations angebotene International A-level-Examination ist eine international anerkannte Prüfung. (...) A-level-Prüfungen werden durch verschiedene Prüfungsbehörden ("examination boards") angeboten, die ursprünglich bei den großen britischen Universitäten angesiedelt waren. Zwei dieser Prüfungsstellen, so auch Cambridge International Examinations, bieten die sogen. International A-level Examinations an, die einem in Großbritannien erworbenen A-level-Abschluss als gleichwertig angesehen werden, wenngleich die Curricula eine internationale Ausrichtung haben. (...)
(2) In diesem bilingualen Konzept des M.-Gymnasiums liegt eine besondere fachliche und methodische Schwerpunktbildung, die das B.-Gymnasium nicht aufweist und die in einem entsprechenden Schulabschluss mündet.
Allerdings wird man von einer solchen Schwerpunktbildung weder schon bei jedem besonderen Fremdsprachenangebot ausgehen können (vgl. hierzu Nds. OVG, Urt. v. 20.12.1995 - 13 L 2013/93, NdsVBl 1996, 240) noch dürfte jedes bilinguale Unterrichtskonzept diese Annahme rechtfertigen (vgl. hierzu Hess. VGH, Beschl. v. 11.9.2007 - 7 TG 1718/07 -, [...]). Es gibt verschiedene Arten von bilingualem Unterricht. Als gewissermaßen niedrigste Stufe können lediglich einzelne Unterrichtsabschnitte in bestimmten Fächern bilingual unterrichtet werden, indem z.B. bei Themen, die sich dazu eignen, auf englischsprachiges Unterrichtsmaterial zurückgegriffen wird und ggf. diese Module auch in englischer Sprache unterrichtet werden. Daneben gibt es bilinguale Prägungen, bei denen einzelne Sachfächer - teilweise auch wechselnd oder beschränkt auf bestimmte Phasen der Schullaufbahn - bilingual unterrichtet werden. Sogen. bilinguale Bildungszüge (in NRW als Bildungsgang oder -zweig bezeichnet) sehen schließlich ein geschlossenes bilinguales Unterrichtskonzept über mehrere Klassen bzw. Jahrgangsstufen bis zu einem Schulabschluss vor (vgl. zum Ganzen etwa das Merkblatt Bilingualer Unterricht in NRW des Ministeriums für Schule und Weiterbildung des Landes NRW - abrufbar im Internet unter http://www.schulministerium.nrw.de/docs/Schulsystem/Unterricht/Lernbereiche- und-Faecher/Fremdsprachen/Bilingualer-Unterricht/Flyer.pdf, sowie den RdErl. d. Ministeriums für Schule und Weiterbildung NRW v. 15.4.2007, Bilingualer Unterricht in der Sekundarstufe 1 - 522-6.03.02.04-53972 - und das Merkblatt dieses Ministeriums zum Bilingualen Unterricht in der gymnasialen Oberstufe - Anlage 1 zur APO-GOSt (BASS 13-32 Nr. 3.2)).
Im Niedersächsischen Kerncurriculum für das Gymnasium (Schuljahrgänge 5 bis 10) ist dementsprechend vorgesehen, dass spezielle bilinguale Klassen eingerichtet werden, in denen der Sachfachunterricht in englischer Sprache erteilt wird. Ebenso kann die Fremdsprache als Arbeitssprache in zeitlich begrenzten geeigneten Unterrichtseinheiten eingesetzt werden. Dabei orientiert sich die Gestaltung des Unterrichts in den fremdsprachig unterrichteten Sachfächern an den didaktischen und methodischen Prinzipien des jeweiligen Sachfachs sowie den spezifischen Bedingungen des bilingualen Unterrichts. Das Lernen der Fremdsprache ist den fachlichen Aspekten nachgeordnet. In der gymnasialen Oberstufe kann bilingualer Unterricht in ausgewählten Sachfächern auf der Grundlage der Curricula der jeweiligen Unterrichtsfächer erteilt werden (vgl. den Runderlass d. Kultusministeriums v. 16.12.2011 - 33-81011 - (Die Arbeit in den Schuljahrgängen 5 bis 10 des Gymnasiums), SVBl. 2012, 149; ber. S. 223, sowie § 5 Abs. 2 VO-GO).
Das Konzept des M.-Gymnasiums stellt gegenüber diesen in Niedersachsen vorgesehenen bilingualen Prägungen, die ganz vornehmlich die Erweiterung und Verfestigung englischer Sprachkenntnisse zum Ziel haben, eine Besonderheit dar, weil es die Schüler von dem Eintritt in diese Schule in einem erheblichen Maße gezielt Sprachkenntnisse und Fertigkeiten vermittelt, um ihnen neben dem Abitur den Erwerb eines weiteren Abschlusses - der A-level Examinations - zu ermöglichen. Dabei nimmt der bilinguale Unterricht nicht nur einen bedeutsamen Anteil am Gesamtunterricht ein, sondern er wird außerdem nach einem feststehenden Konzept jahrgangsweise in einer großen Bandbreite unterschiedlicher Fächer eingesetzt. Zwar reduzieren sich die Besonderheiten im Lehrplan nach dem Eintritt in die Schule zunächst auf eine Intensivierung des Englischunterrichts und die Förderung der sprachlichen Fähigkeiten der Schüler. Auch hierbei handelt es sich jedoch um eine gezielte Vorbereitung des besonderen Abschlusses, was sich daran zeigt, dass Schüler, die das bilinguale Programm wegen ihrer Einschulung vor dem Jahr 2009 nicht durchlaufen, diesen Nachteil nur durch zusätzlichen nachmittäglichen Unterricht ausgleichen können. Jedenfalls in der Oberstufe findet außerdem in den Fächern, die für die A-level-Prüfungen gewählt worden sind, zusätzlicher Unterricht statt, und die Schüler haben ihre Lernleistungen (auch) nach dem Cambridge International Curriculum auszurichten.
Bei den A-level Examinations handelt es sich um einen international anerkannten Abschluss, der für den weiteren beruflichen Bildungsweg der Schüler bedeutsam ist. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist dieser Abschluss bei der Betrachtung, ob das M.-Gymnasium einen besonderen Bildungsgang anbietet, auch maßgeblich zu berücksichtigen. Dass es sich nicht um einen vom Niedersächsischen Schulgesetz anerkannten Abschluss handelt, ist unschädlich. Denn auch ein international bzw. im europäischen Ausland anerkannter Abschluss kann bildungsgangprägend sein (vgl. hierzu bereits Senatsbeschl. v. 8.1.2014 - 2 LB 364/12 -, [...]). Das Erfordernis eines Abschlusses ist, wie sich bereits aus den obigen Ausführungen ergibt, kein Selbstzweck. Für eine Beschränkung auf im niedersächsischen Schulgesetz vorgesehene Abschlüsse finden sich weder normative Anhaltspunkte noch besteht für sie im Lichte der Rechtsprechung des Senats ein Bedürfnis. Denn die Möglichkeit, dass sich Schüler zu einem bestimmten Zeitpunkt ihrer Schullaufbahn einer international oder im (europäischen) Ausland anerkannten (Abschluss-)Prüfung unterziehen können, trägt dem ursprünglich vom 13. Senat des erkennenden Gerichts (Urteil vom 5.3.2003 - 13 L 4066/00 -, NVwZ-RR 2003, 857) aufgestellten Erfordernis, dass das gewählte schulische Angebot von Belang für die weitere schulische oder berufliche Ausbildung sein müsse und sich die Gewährleistung der Schülerbeförderung nicht als eine Subventionierung beliebiger Besonderheiten schulischer Angebote auf Kosten der Allgemeinheit darstellen dürfe, hinreichend Rechnung.
Gegen die besondere Bedeutung dieses Abschlusses spricht nicht, dass auch Schüler, die "nur" das Abitur ablegen, an einer Universität in Großbritannien oder im weiteren englischsprachigen Raum ein Studium aufnehmen können, weil das Abitur dort ggf. als allgemeine Voraussetzung für den Hochschulzugang anerkannt wird. Damit ist angesichts des Umstandes, dass die Hochschulen über ihre weiteren Studienzugangsvoraussetzungen selbst bestimmen, nämlich noch keine Aussage über die Chance gemacht, tatsächlich einen Studienplatz zu erhalten. Schülern, die über Cambridge International A-level Examinations verfügen, wird die Aufnahme eines Studiums in Großbritannien und an zahlreichen englischsprachigen Universitäten jedenfalls wesentlich erleichtert, weil sie über eine vergleichbare Qualifikation wie inländische Schulabsolventen verfügen, sie - wie jene - die von den Universitäten für die Zulassung in bestimmten Studiengängen geforderten fachlichen Schwerpunkte nach internationalen Standards gesetzt haben und sie darüber hinaus ihre besondere Sprachqualifikation nachgewiesen haben.
Schließlich ist es auch ohne Belang, dass nicht jeder Schüler des M.-Gymnasiums tatsächlich die hinreichende Qualifikation für das Ablegen der Cambridge International Examinations mit sich bringen mag und diesen Schülern der A-level-Abschluss möglicherweise verwehrt bleibt. Für die Erstattung von Schülerbeförderungskosten ist es nur maßgeblich, dass ein besonderer Bildungsgang angeboten und auch verfolgt wird; das ist bei den Schülern, für die die Teilnahme am bilingualen Konzept verbindlich ist - nach den dem Senat vorliegenden Informationen sind das Schüler, die wie die Tochter der Kläger ab dem Schuljahr 2009/2010 eingeschult worden sind - aber der Fall, weil Ziel des bilingualen Konzepts gerade der Erwerb von A-level Examinations ist.
Die Annahme einer von den öffentlichen Schulen im Allgemeinen und dem B.-Gymnasium im Besonderen abweichenden eindeutigen und bildungsgangprägenden Schwerpunktbildung ist angesichts dessen gegeben, obwohl ein wesentlicher Teil dieses Schwerpunktes in der verstärkten Vermittlung einer Fremdsprache liegt (vgl. hierzu Hess. VGH, Beschl. v. 11.9.2007 - 7 TG 1718/07 -, [...], der es trotz einer im Vergleich zu Nds. eindeutigen Regelung nicht ausschließen will, "dass ein bilinguales Unterrichtsangebot - insbesondere ein bilingualer Zug - im konkreten Einzelfall so viele Besonderheiten, die für eine spätere berufliche Ausbildung von Bedeutung sind, aufweisen kann, dass entgegen den Vorgaben des Verordnungsgebers ausnahmsweise ein eigenständiger Bildungsgang gegeben ist")."
Das "bilinguale Profil" des B. Gymnasiums weist eine vergleichbare Prägung auf. Die Homepage des Gymnasiums informiert wie folgt über das bilinguale Unterrichtskonzept:
"In der Sekundarstufe I werden alle Schülerinnen und Schüler unserer Schule bilingual unterrichtet. In den Klassen 5 und 6 werden zunächst der Englischunterricht um zwei Stunden vermehrt und erste kleine englischsprachige Module in den anderen Fächern unterrichtet, um eine solide sprachliche Basis zu schaffen. Ab Klasse 7 wird dann Zug um Zug ein wachsender Teil des Unterrichts, nämlich die Fächer Geografie, dann auch Biologie und das 6-stündige sozialkundliche Kombinationfach European Studies in englischer Sprache erteilt. In der Oberstufe kann das bilinguale Profil mit dem Leistungskurs Englisch (vermehrte Anforderungen als im üblichen Leistungskurs), den Grundfächern Geschichte bili und Biologie bili angewählt werden. Möglich ist es aber auch, die genannten Kurse einzeln zu belegen. Im musisch-künstlerischen Bereich bieten wir den Grundkurs Darstellendes Spiel bili an.
Die Andersartigkeit des bilingualen Unterrichts macht eine vom deutschsprachigen Unterricht abweichende, etwas kleinschrittigere Methodik erforderlich. Der Erarbeitung des Fachwortschatzes - auch des deutschsprachigen - kommt besondere Bedeutung zu.
Für die Aufnahme von Schülerinnen und Schülern in die Klasse 5 gilt das übliche Aufnahmeverfahren. Auch im Verlauf der Mittelstufe kann ein Wechsel in den bilingualen Ausbildungsgang sinnvoll sein, und zwar vor allem für solche Schülerinnen und Schüler, die über gute oder sehr gute Englischkenntnisse verfügen oder die schon im englischsprachigen Ausland gelebt oder ein englisch-muttersprachliches Elternteil haben. Eine Beratung durch den Mittelstufenleiter ist hier erforderlich.
Der Zugang in die bilinguale Oberstufe steht grundsätzlich allen Schülern offen. Wegen der erhöhten Anforderungen sollten jedoch gute bis sehr gute Kenntnisse der englischen Sprache vorhanden sein, die beispielsweise erreicht werden durch den Besuch eines bilingulen Profils in der Sekundarstufe 1, einen Auslandsaufenthalt an einer englischsprachigen Schule, das Erlangen eines Sprachenzertifikats wie das Cambridge First Certificate oder einer gleichwertigen Qualifikation oder Englischnoten im Bereich von sehr gut oder gut. Eine Beratung durch den Oberstufenleiter bzw. den Leiter des bilingualen Ausbildungsgangs ist auch hier erforderlich."
Sie informiert weiter über den möglichen Abschluss des International Baccalaureate:
"Das IB Diploma ist eine seit 35 Jahren etablierte und vor allem in den USA, Kanada und in Asien, aber auch in Europa genutzte Hochschulzugangsberechtigung. Als Abschlussdiplom wird es vornehmlich von privaten international schools, mehr und mehr aber auch zusätzlich zum Abitur durch staatliche Schulen angeboten, die dafür eigens von der International Baccalaureate Organisation autorisiert wurden.
IB-Diplomanden verfügen im Vergleich zu Absolventen eines nationalen Schulabschlusses eine ungleich höhere internationale Mobilität. Die weltweit hohe Akzeptanz des IB lässt sich durch Zahlen verdeutlichen: Heute bieten ca. 1700 Schulen in über 100 Ländern das IB Diploma Programme an, davon allein 700 in den USA und in Kanada. Fast 2000 Universitäten weltweit akzeptieren das IB als Zugangsberechtigung. Gerade angesehene US-amerikanische Hochschulen betrachten es so sehr als Beleg einer ausgeprägten Lern- und Leistungsbereitschaft, dass sie Bewerbern mit IB Diploma häufig freshmen-credits, und damit die Belegung der Einführungskurse erlassen.
Weitere Einzelheiten zur Möglichkeit, am B. Gymnasium diesen internationalen Abschluss zu erwerben, lassen sich der ebenfalls auf der Homepage der Schule abrufbaren Informationsbroschüre zum International Baccalaureate entnehmen. Danach weist das Curriculum für den Abschluss des International Baccalaureate Besonderheiten auf, die die Belegung zusätzlicher Unterrichtsstunden erforderlich macht. Es gibt ein eigenes System von Leistungsnachweisen, die erlangt werden müssen. In dieser Broschüre heißt es:
"Am IB Profil interessierte Schülerinnen und Schüler werden hinsichtlich ihrer Erfolgschancen vom IB-Koordinator beraten. Hierbei werden die Zeugnisse der Mittelstufe und ergänzende Beurteilungen der bisherigen Lehrer mit einbezogen. Aufgrund des fast ausschließlich englischsprachigen Unterrichtes sind gute bis sehr gute Beurteilungen im Fach Englisch, die Belegung bilingualer Sachfächer schon in der Mittelstufe, Aufenthalte mit Schulbesuchen im englischsprachigen Ausland oder der Erwerb eines Fremdsprachenzertifikates (CAE, First Certificate) zwar keine zwingenden Voraussetzungen, können aber als gute Indikatoren einer großen Erfolgsaussicht im IB Profil gewertet werden. Aufgrund der im Vergleich zum Abitur höheren Anteile von eigenständigem und über längere Zeiträume selbst strukturiertem Lernen, vor allem beim "Extended Essay" und im CAS-Bereich, besteht im IB eine sehr hohe Erfolgsquote für solche Schülerinnen und Schüler, die über eine stabile Lernmotivation und hohe Fähigkeit zur Selbstorganisation verfügen. Im Vergleich zu Mitschülern, die nur das Abitur ablegen, erhalten IB-Schüler wöchentlich ca. 3 Stunden mehr Unterricht und haben auch während der Ferien und Nachmittage oft mit Schule zu tun. Während der Abschlussprüfungen im Mai des zweiten Jahres, meistens zeitgleich mit dem Abitur, sind in jedem Fach weltweit standardisierte mehrstündige Arbeiten zu schreiben. Gerade während dieser Zeit sollten IB-Schüler eine gewisse Stressresistenz mitbringen. Die Entscheidung über die Aufnahme in das IB Profil trifft der Schulleiter des B. Gymnasiums in enger Abstimmung mit dem IB-Koordinator."
Nach alldem wird eine besondere fachliche und methodische Schwerpunktbildung, die in einem entsprechenden Schulabschluss mündet, bei dem B. Gymnasium im Hauptsacheverfahren voraussichtlich zu bejahen sein. Der bilinguale Sachfachunterricht steht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem International Baccalaureate, weil er gezielt auf diese Prüfung vorbereitet. Bei diesem Abschluss handelt es sich um einen international anerkannten Abschluss, der für den weiteren beruflichen Bildungsweg der Schüler bedeutsam ist. Wie in dem oben zitierten Urteil des Senats vom 25. März 2014 ausgeführt, ist es unschädlich, dass möglicherweise nicht jede Schülerin/jeder Schüler die Voraussetzungen erfüllen wird, um gerade diesen Abschluss zu erwerben. Vor diesem Hintergrund ist die Auffassung des Verwaltungsgerichts, das B. Gymnasium biete einen eigenen Bildungsgang an, jedenfalls im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht zu beanstanden.
3. Auch das Vorbringen der Antragsgegnerin, wonach es sich nach Maßgabe bremischen Rechts bei dem bilingualen Profil des B. Gymnasiums nicht um einen eigenen Bildungsgang handle, verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg.
Die Antragsgegnerin macht geltend, § 20 Abs. 2 BremSchG habe nur in der bis zum 31. Juli 2009 geltenden Fassung das Angebot "bilingualer Bildungsgänge" ermöglicht. In der seit dem 1. August 2009 geltenden Fassung dagegen, etwa in § 20 Abs. 1 und 4 BremSchG, sei nur noch von bilingualen Profilen die Rede. In der Definition des Begriffs "Bildungsgang" werde auf die Länge und die am Ende verliehene Berechtigung abgestellt (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 BremSchG); eine Definition des Begriffs "Profil" gebe es im bremischen Schulgesetz nicht. Es sei davon auszugehen, dass der bremische Gesetzgeber hier bewusst differenziert habe. Die bremischen Vorschriften enthielten auch keine Regelung zum Erwerb der hier in Rede stehenden Berechtigung des International Baccalaureate.
a) Teilt man die Auffassung, dass die Antragsgegnerin bei der Frage, ob pädagogische Gründe im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 2 der Vereinbarung und in diesem Zusammenhang die Voraussetzungen eines eigenen Bildungsgangs vorliegen, bremisches Recht zu berücksichtigen hat, ist schon zweifelhaft, ob - wie die Antragsgegnerin argumentiert - das Vorliegen eines eigenen Bildungsganges gerade wegen der erst im Jahre 2009 in Kraft getretenen gesetzlichen Neuregelung abzulehnen sein kann. Da sich der Gehalt der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen - für die die Vereinbarung schließenden Länder seinerzeit nicht absehbar - entscheidend geändert hat, dürfte sich der Gehalt des Begriffs des Bildungsgangs im Rahmen der Prüfung, was "pädagogische Gründe" im Sinne der Vereinbarung sind, nicht ohne Heranziehung und Würdigung der zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung geltenden Rechtslage erschließen lassen.
b) Darüber hinaus dürfte sich die Antragsgegnerin - hält man bremisches Recht für maßgeblich - auch nicht darauf beschränken, das Vorliegen "pädagogischer Gründe" für einen Besuch des C. Gymnasiums allein deshalb abzulehnen, weil sie der Auffassung ist, in dem bilingualen Profil dieses Gymnasiums sei nach bremischem Recht kein eigener Bildungsgang zu sehen. Die Antragsgegnerin hätte in einem weiteren Schritt zu untersuchen, ob das hier vorliegende "bilinguale Profil" des Gymnasiums mit der Möglichkeit, das International Baccalaureate zu erwerben, auch nach bremischem Recht solche Besonderheiten aufweist, dass pädagogische Gründe im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 2 der Vereinbarung gleichwohl gegeben sind. Es ist weder von der Antragsgegnerin geltend gemacht noch ersichtlich, dass ein besonderes Bildungsangebot nach bremischem Rechtsverständnis "pädagogische Gründe" im Sinne der Vereinbarung nur begründen kann, wenn es als "Bildungsgang" im Sinne des bremischen Schulgesetzes zu klassifizieren ist. Dass es sich bei dem "bilingualen Profil" nicht lediglich um eine beliebige bzw. austauschbare Ausrichtung einer Schule handelt, sondern diesem Profil auch nach Auffassung des bremischen Gesetzgebers eine eigenständige Bedeutung zukommt, ist schon daran zu erkennen, dass bilinguale Profile in § 20 Abs. 1 und 4 BremSchG besonders hervorgehoben werden.
c) Unabhängig davon geht der Senat jedenfalls auf der Grundlage der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vorliegenden Erkenntnisse davon aus, dass die Antragsgegnerin bei der Frage, ob die Freistellungserklärung abzugeben ist, bremisches Recht nicht zu berücksichtigen hat. Gegenteiliges lässt sich aus der Vereinbarung nicht herleiten. Der Begriff der "pädagogischen Gründe" ist in der Vereinbarung nicht näher erläutert. § 2 der Vereinbarung, wonach sich die vertragschließenden Länder einig sind, dass die Bereitstellung eines ausreichenden schulischen Angebots vorrangig im eigenen Land erfolgen soll, gibt lediglich vor, dass bei der Interpretation des Merkmals der pädagogischen Gründe ein strenger Maßstab anzulegen ist. Es obliegt damit dem jeweiligen Land, den Begriff der pädagogischen Gründe bei der Anwendung der Vereinbarung auszufüllen. Es spricht nichts dafür, dass dies nicht - wie üblich - auf der Grundlage des eigenen Landesrechts zu erfolgen hat. Schon das individuelle schulische Angebot und die unterschiedlichen gesetzlichen und verordnungsrechtlichen Regelungen der beiden Länder deuten darauf hin, dass eine länderübergreifende Interpretation des Begriffs der pädagogischen Gründe problematisch ist. Dass sie auch nicht erforderlich ist, zeigt der Regelungsgehalt der Freistellungserklärung. Die Erklärung enthält nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 der Vereinbarung lediglich die Aussage, dass aus pädagogischen Gründen eine angemessene Beschulung der Schülerin/des Schülers im eigenen Land nicht möglich ist, die Beschulung im anderen Land aber (aus eigener Sicht) den erforderlichen (eigenen) Maßgaben genügen würde. Es erschließt sich nicht, warum im Rahmen dieser Beurteilung (auch) die Rechtslage des andern Vertragslandes zu würdigen sein sollte, zumal für dieses allein aufgrund des Vorliegens der Freistellungserklärung keine Verpflichtung erwächst, die Schülerin/den Schüler aufzunehmen (vgl. § 1 Satz 2 der Vereinbarung).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31.05./1.6.2012 und am 18.7.2013 beschlossenen Änderungen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).