Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 19.07.2011, Az.: 6 A 5521/10

Bildungsgang; Grundschule; Bilingual; Unterricht; Curriculum; Schülerbeförderung

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
19.07.2011
Aktenzeichen
6 A 5521/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 45262
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Das Angebot eines bilingualen Unterrichts, der im Rahmen der curricularen Vorgaben des Landes Niedersachsen für die Schulform Grundschule erteilt wird, stellt keinen besonderen Bildungsgang dar.

Tatbestand:

Der Kläger, der seinen Wohnsitz in Hannover im Stadtteil G. im Schulbezirk der Grundschule V.-Straße hat, fordert von der Beklagten die Erstattung der ihm im Schuljahr 2010/2011 entstandenen Aufwendungen für seinen Schulweg zu der im Stadtteil H. der Landeshauptstadt Hannover gelegenen "J. O. Bilingual School" - JOBS -. Die JOBS ist eine als Ganztagsschule organisierte Grundschule in der Trägerschaft der P. B. Schule g.GmbH, die im Jahr 2007 als Ersatzschule mit besonderer pädagogischer Bedeutung genehmigt und der die Eigenschaft einer anerkannten Ersatzschule verliehen worden ist. Der Schulweg des Klägers zu dieser Schule hat eine Länge von ca. 3,5 km.

Nachdem der Kläger mit Beginn des Schuljahres 2009/2010 als Schulanfänger in die Ersatzschule eingeschult worden war, bezog ihn die Beklagte in jenem Schuljahr in die Schülerbeförderung durch Aushändigung einer SchulCard für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) ein. Mit Wirkung zum Beginn des Schuljahres 2010/2011 hat die Schulbehörde die Genehmigung, die Grundschule V.-Straße als Ganztagsschule zu führen, erteilt. Daraufhin lehnte es die Beklagte Anfang Oktober 2010 mehrfach mündlich ab, dem Kläger auch für das folgende Schuljahr 2010/2011 eine SchulCard für seinen Schulweg zur JOBS auszuhändigen.

Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 11.10.2010 bei der Beklagten, ihm die Kosten für den Schulweg zur JOBS im Schuljahr 2010/2011 zu erstatten. Er erklärte dazu, die JOBS biete einen besonderen Bildungsgang an, indem sie als Ganztagsschule täglich 6 1/2 Stunden offen stehe und bereits von der 1. Klasse einen zweisprachigen Unterricht anbiete. Dieses Bildungsangebot werde von der Grundschule V.-Straße bei Weitem nicht erreicht.

Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 27.10.2010 - abgesandt am 27.10.2010 - ab. Dazu heißt es im Wesentlichen, die nächstgelegene Schule der vom Kläger besuchten Schulform Grundschule mit dem von ihm besuchten Bildungsgang sei die Grundschule V.-Straße. Die JOBS biete zwar bereits ab der ersten Klasse einen bilingualen Unterricht an, vermittele aber ebenso wie die Grundschule V.-Straße nur die Grundlagenkenntnisse, die für den weiteren Bildungsweg erforderlich seien und auf den Besuch einer weiterführenden Schule vorbereiteten. Da die Grundschule V.-Straße jetzt ebenfalls über ein Ganztagsangebot verfüge, bestehe insoweit auch kein Unterschied mehr zur JOBS. Für den Weg zur Grundschule V.-Straße habe der Kläger keinen Anspruch auf Schülerbeförderung, weil der Schulweg zwischen seiner Wohnung und der Schule V.-Straße nur etwa 1 km lang sei und deshalb die in der Schülerbeförderungssatzung der Beklagten festgelegte Mindestentfernung von mehr als 2 km deutlich unterschreite.

Der Kläger erhob mit Schreiben vom 01.11.2010 Einwände gegen diesen Bescheid und vertrat unter Hinweis auf das Urteil des Nds. Oberverwaltungsgerichts vom 05.03.2003 - 13 L 4066/00 - (NdsVBI. 2003 S. 245 = NVwZ-RR 2003 S. 857) die Auffassung, der Beförderungsanspruch erfasse auch die Grundschule, wenn sie mit einem gleichartigen pädagogischen Konzept in der Sekundarstufe I fortgeführt werde und dort ein besonderer Abschluss möglich sei. Dies treffe auf die JOBS zu.

Die Beklagte holte daraufhin eine Auskunft der Niedersächsischen Landesschulbehörde vom 03.11.2010 ein. Diese ergab unter anderem, dass die P. B. g.GmbH in dem Schulgebäude M.-Straße in Hannover - H. neben ihrer Grundschule JOBS auch ein zum 01.08.2010 als Ersatzschule genehmigtes gleichnamiges Gymnasium betreibt. Die Beklagte teilte daraufhin dem Kläger mit Schreiben vom 04.11.2010 mit, dass sie auch nach den durchgeführten Ermittlungen an ihrem Bescheid vom 27.10.2010 festhalte.

Der Kläger hat am 29.11.2010 Klage erhoben.

Der Kläger vertritt die Auffassung, dass die Beklagte verpflichtet sei, die im Schuljahr 2010/2011 angefallenen Beförderungskosten für den Weg zur JOBS zu erstatten, weil diese Grundschule einen besonderen Bildungsgang anbiete. Der Besuch dieser Schule ende zwar wie bei jeder anderen Grundschule ohne einen Abschluss. Nach dem Urteil des Nds. Oberverwaltungsgerichts vom 05.03.2003 liege aber ein besonderer Bildungsgang vor, wenn die gewählte Ersatzschule das für die Grundschule vorgestellte Konzept in der Sekundarstufe I fortführe und dort der erforderliche Abschluss möglich sei. Dies habe zur Folge, dass der Beförderungsanspruch in einem solchen Falle nicht nur für die Sekundarstufe, sondern auch für die Grundschule bestehe. Davon sei auch bei der JOBS auszugehen, die ein durchgängiges Schulkonzept von der Grundschule bis zur Sekundarstufe II habe. Basis des Unterrichts seien die niedersächsischen Curricula und das Niedersächsische Schulgesetz sowie das Cambridge J. Curriculum. Davon ausgehend und unter Berücksichtigung erprobter Immersionskonzepte aus Kanada, wonach die Sprache in die Handlung eingebunden werde, habe die JOBS ein eigenes Curriculum entwickelt. Die gymnasiale Schullaufbahn könne bei der JOBS nicht nur mit dem Abitur, sondern daneben auch wahlweise mit dem International Baccalaureate (IB) abgeschlossen werden, welches den Zugang zu allen Universitäten weltweit eröffne.

Der Kläger, der die für das im Schuljahr 2010/2011 streitigen Beförderungsaufwendungen zunächst mit einem Gesamtbetrag von 273,60 Euro beziffert hat, legt zum Nachweis der ihm entstandenen Aufwendungen im Gesamtwert von 160,70 Euro gelöste Fahrausweise des ÖPNV in Hannover vor.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 27.10.2010 zu verpflichten, ihm auf seinen Antrag vom 11.10.2010 für das Schuljahr 2010/2011 Aufwendungen in Höhe von insgesamt 160,70 Euro für seinen Schulweg zur J. O. Bilingual School in Hannover - H. zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf die Begründung ihres Ablehnungsbescheids vom 27.10.2010.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts nimmt das Verwaltungsgericht ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorganges der Beklagten (Beiakte A), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug.

Entscheidungsgründe

Die Kammer entscheidet im vollen Umfang über das auf Erstattung der Beförderungsaufwendungen des Klägers gerichtete Klagebegehren.

Der Kläger hat die Klage nicht teilweise zurückgenommen. Er hat zwar in der Klageschrift einen Betrag von 273, 60 Euro als Streitwert angegeben, diesen Betrag aber nicht in den in der Klageschrift gestellten Antrag aufgenommen. Vielmehr hat der Kläger auf gerichtliche Aufforderung die Belege über im Schuljahr 2010/2011 angefallene Fahrtkosten mit öffentlichen Verkehrsmitteln in Höhe von 160,70 Euro vorgelegt, so dass die Kammer die Angabe des genauen Erstattungsbetrage als bloße Klarstellung des Klagebegehrens und nicht als teilweise Klagerücknahme wertet.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung von Schulwegkosten in Höhe von 160,70 Euro für das Schuljahr 2010/2011. Die Beklagte hat dieses Begehren mit dem angefochtenen Bescheid vom 27.10.2010 ohne erkennbare Rechtsfehler abgelehnt.

Nach § 114 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 NSchG haben die Landkreise und kreisfreien Städte als Träger der Schülerbeförderung die in ihrem Gebiet wohnenden Schülerinnen und Schüler der 1. bis 10. Schuljahrgänge der allgemein bildenden Schulen unter zumutbaren Bedingungen zur Schule zu befördern oder ihnen oder ihren Erziehungsberechtigten die notwendigen Aufwendungen für den Schulweg zu erstatten. Diese Beförderungs- oder Erstattungspflicht besteht nach § 114 Abs. 3 Satz 1 NSchG nur für den Weg zur nächsten Schule der von der Schülerin oder dem Schüler gewählten Schulform, jedoch innerhalb der gewählten Schulform zur nächsten Schule, die den von der Schülerin oder dem Schüler verfolgten Bildungsgang anbietet. § 114 NSchG ist gemäß § 141 Abs. 3 NSchG auf Ersatzschulen entsprechend anzuwenden.

Die Beklagte ist danach nicht verpflichtet, dem Kläger die im Schuljahr 2010/2011 für den Weg zur JOBS in Hannover - H. entstandenen Aufwendungen zu erstatten. Die JOBS ist nicht die nächstgelegene Schule der von dem Kläger gewählten Schulform, die den von ihm verfolgten Bildungsgang anbietet. Dies ist im Gegensatz zu seiner Auffassung die Grundschule V.-Straße in Hannover - G.. Beide Schulen gehören derselben Schulform an, es handelt sich um Grundschulen (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 a NSchG). Die JOBS bietet als eine genehmigte Ersatzschule der Schulform Grundschule auch keinen von der Grundschule V.-Straße abweichenden Bildungsgang an.

Das Nds. Oberverwaltungsgericht hat im Urteil vom 24.05.2007 - 2 LC 9/07 - (Nds.VBl. 2007 S. 336, 337/338) zum Begriff des Bildungsganges ausgeführt:

"Der Begriff des Bildungsgangs ist weder im Niedersächsischen Schulgesetz noch in anderen Vorschriften gesetzlich definiert. Im Hinblick auf die Auslegung dieses Begriffs tritt der Senat der Rechtsprechung des bisher für das Schulrecht zuständigen 13. Senats bei. Hiernach (Urteil des 13. Senats vom 20. Dezember 1995, - 13 L 7880/94 -, NVwZ-RR 1996, 656 [OVG Niedersachsen 20.12.1995 - 13 L 7880/94]; Urteil vom 5. März 2003, - 13 L 4066/00 -, NordÖR 2003, 267 [OVG Niedersachsen 05.03.2003 - 13 L 4066/00]; jeweils mit weiteren Nachweisen) ist der Begriff des Bildungsgangs im Sinne des Schülerbeförderungsrechts unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Regelungen der Schülerbeförderung und unter Abgrenzung zu den im Niedersächsischen Schulgesetz verwendeten Begriffen der „Schulform“ und des „Bildungsweges“ dahingehend zu bestimmen, dass den „Bildungsgang“ in dem hier interessierenden Sinne das abstrakte Bildungsangebot einer Fachrichtung kennzeichnet, während der „Bildungsweg“ den individuellen Weg des einzelnen Schülers von seiner Aufnahme in die Schule bis zu dem angestrebten oder erreichten Abschluss meint. Als „Bildungsgang“ ist ferner die besondere fachliche, methodische, didaktische oder pädagogische Schwerpunktbildung in einem schulischen Angebot anzusehen, die sich im Allgemeinen - aber nicht immer - zugleich in einer besonderen Gestaltung des Abschlusses auswirkt. Das regelmäßige Erfordernis einer besonderen Gestaltung des Abschlusses hat der 13. Senat insbesondere deshalb als gerechtfertigt angesehen, um bei der Schülerbeförderung die Subventionierung beliebiger Besonderheiten schulischer Angebote auf Kosten der Allgemeinheit auszuschließen. Die Gewährleistung der Schülerbeförderung durch deren Träger erscheint nur dann als angemessen, wenn der Schluss gerechtfertigt ist, dass das von den Eltern oder dem Schüler selbst gewählte schulische Angebot von gewissem Belang für die weitere schulische oder berufliche Ausbildung ist. Diese Annahme rechtfertigt in der Regel allein die Anknüpfung an einen bestimmten (besonderen) Bildungsgang, an dessen Ende ein entsprechender Abschluss steht."

Dieses Begriffsverständnis liegt bisher auch der gefestigten Rechtsprechung der Kammer (Beschl. vom 10.09.2010, 6 B 3468/10; GB vom 26.03.2010, 6 A 4169/09; Urt. vom 16.03.2010, 6 A 2735/09 u.a.; Urt. v. 27.02.2008, 6 A 2063/06) zugrunde, und zwar mit der Maßgabe, dass entscheidend auf die besondere fachliche Schwerpunktbildung abgestellt wird. Danach kennzeichnet der Begriff des Bildungsgangs nach dem Willen des Schulgesetzgebers die Unterform einer Schulform (§ 5 NSchG), was zur Folge hat, dass es denselben Bildungsgang an mehreren Schulformen nicht geben kann, auch wenn diese auf einander aufbauen oder durchlässig sind (Nds. Landtag, LT-Drucksache 13/1938 S. 4 zu § 63 Abs. 2 und 3 NSchG; LT-Drucksache 13/3060 S. 11 zu § 6 NSchG). Ein Bildungsgang liegt vor, wenn innerhalb einer Schulform besondere, durch organisatorische Regelungen abgesicherte Bildungsinhalte angeboten werden, wie es insbesondere bei den Fachstufen und Fachrichtungen der Schulformen der berufsbildenden Schulen (§ 5 Abs. 2 Nr. 2 NSchG) der Fall ist (Brockmann/Littmann/ Schippmann, NSchG/12/2010 Erl. 2.1 zu § 59). Die organisatorische Absicherung der Bildungsinhalte findet sich allgemein in der Beschreibung der in den §§ 6 und 9 bis 20 NSchG für die jeweilige Schulform gesetzlich festgelegten Bildungsziele und im Besonderen in den betreffenden Schulformerlassen sowie den schulformbezogenen (verordnungs-) ergänzenden Bestimmungen und curricularen Vorgaben. Davon geht im Ansatz auch das Nds. Oberverwaltungsgericht aus, wenn es annimmt, der Bildungsgang kennzeichne das abstrakte Bildungsangebot einer Fachrichtung, das sich grundsätzlich auch in einer besonderen Gestaltung des Abschlusses auswirken müsse. Das gewählte schulische Angebot ist in aller Regel nur unter dieser Voraussetzung von hinreichendem, die Übernahme von Schülerbeförderungskosten rechtfertigendem Belang für die weitere schulische oder berufliche Ausbildung.

Die Kammer hat bereits wiederholt (Urt. v. 16.03.2010, 6 A 2735/09; Beschl. v. 17.09. 2008, 6 B 4170/08; Urt. v. 27.02.2008, 6 A 2063/06) unter Hinweis auf obergerichtliche Rechtsprechung (Bay.VGH, Beschl. v. 30.01.2007, NVwZ - RR 2007, 778; Hess.VGH, Beschl. v. 11.09.2007, ESVGH 58, 123) und Kommentarliteratur (Brockmann/Littmann/ Schippmann, NSchG/12/2010 Erl. 2.1 zu § 59) entschieden, dass das Angebot bzw. fehlende Angebot bestimmter weiterer Fremdsprachen ebenso wenig einen besonderen Bildungsgang begründet wie die Vermittlung spezieller Lerntechniken oder Anwendung spezieller Lehr- und/ oder Erziehungsmethoden. Entsprechendes gilt, wenn die Schulen von den ihnen in den Schulformerlassen eingeräumten Möglichkeiten der eigenverantwortlichen Auswahl bestimmter Fremdsprachenangebote Gebrauch machen. Es handelt sich dabei in aller Regel lediglich um Schwerpunktbildungen innerhalb des einheitlichen Bildungsganges und nicht um die Vermittlung besonderer Bildungsinhalte.

Auch die JOBS bietet in diesem Sinne keinen besonderen, von dem Bildungsangebot der Grundschule V.-Straße abweichenden Bildungsgang an. Basis des Unterrichts an der bilingualen Grundschule der JOBS sind nach den eigenen Veröffentlichungen auch die niedersächsischen Curricula und das Niedersächsische Schulgesetz. Danach sind auch für den Unterricht der JOBS die in § 6 Abs. 1 NSchG angeführten schulformbezogenen Bildungsinhalte maßgebend. Nach dieser Vorschrift werden in der Grundschule Grundlagen für die Lernentwicklung und das Lernverhalten aller Schülerinnen und Schüler geschaffen. Es werden verschiedene Fähigkeiten entwickelt, insbesondere sprachliche Grundsicherheit in Wort und Schrift, Lesefähigkeit, mathematische Grundfertigkeiten und erste fremdsprachliche Fähigkeiten. Schülerinnen und Schüler werden in den Umgang mit Informations- und Kommunikationstechniken eingeführt.

Der Vortrag des Klägers, der sich im Wesentlichen auf Veröffentlichungen der JOBS zu ihrer Grundschule und zu dem dort angebotenen Fächerkanon bezieht, und auch die sonstigen Unterlagen lassen nicht erkennen, dass in der Grundschule JOBS von § 6 Abs. 1 NSchG abweichende oder in erheblichem Umfang weitergehende Bildungsinhalte vermittelt werden. Dies behauptet auch der Kläger nicht. Der von ihm vorgelegte Fächerkanon weist aus, dass die im Curriculum (s. Erl. des Nds. Kultusministeriums "Die Arbeit in der Grundschule" vom 03.02.2004, SVBl. S. 85) definierten Kernfächer unterrichtet werden, wobei Mathematik, Deutsch und Englisch besondere Erwähnung finden. Die vorliegenden Unterlagen lassen als Besonderheiten lediglich erkennen, dass bereits ab der 1. Klasse in ganz erheblichem Umfang (nach Angaben JOBS zu ca. 70 %) in englischer Sprache unterrichtet, ein Immersionsansatz (Sprache wird in die Handlung eingebunden) und sog. "interaktive Whiteboards" (interaktive Tafeln zum Schreiben, Abspielen, Speichern oder Drucken mit Zugang zum Internet oder Lernsoftware) verwandt werden. Die beiden letztgenannten Besonderheiten stellen sich lediglich als bestimmte Lerntechniken oder Lernmethoden bei der Vermittlung der für die Grundschule vorgesehenen Lerninhalte dar. Die wesentliche Besonderheit des Grundschulunterrichts an der JOBS ist mithin der sehr hohe Anteil an Englisch als Unterrichtssprache. Dies ist nicht mit der Vermittlung besonderer Bildungsinhalte verbunden und stellt deshalb lediglich eine Schwerpunktbildung der Schulform Grundschule dar.

Für den in Niedersachsen eingerichteten gemeinsamen Grundschulbildungsgang ist demgegenüber nicht entscheidend, dass die Grundschule keinen eigenen Abschluss vermittelt (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 05.03.2003, NVwZ - RR 2003 S. 858). So hat das Oberverwaltungsgericht Bautzen (Beschl. v. 21.04.2010, 2 B 471/09, juris) für das sächsische Schulrecht zum gemeinsamen Grundschulbildungsgang ebenfalls ausgeführt, dass eine Grundschule mit einem durchaus mit der JOBS vergleichbarem Unterrichtskonzept keinen eigenen Bildungsgang anbietet.

Der Kläger macht demgegenüber auch nicht geltend, es sei hinsichtlich des Abschlusses auf die Grundschule abzustellen. Vielmehr bezieht er sich auf die Abschlüsse, die am Gymnasium JOBS erlangt werden können, denn nach den entsprechenden Veröffentlichungen im Internet schließt die gymnasiale Oberstufe des Gymnasiums JOBS mit dem Abitur ab. Zusätzlich kann dort das IB abgelegt werden. Diese Besonderheit möchte der Kläger wegen des durchgängigen Schulkonzepts bereits mit dem Grundschulunterricht verknüpfen und daraus einen bereits an der Grundschule JOBS angebotenen besonderen Bildungsgang herleiten. Diese unzutreffende Annahme lässt sich aber auf die Gründe des vom Kläger zitierten Urteils des Nds. Oberverwaltungsgericht vom 05.03.2003 nicht stützen.

Der ehemals zuständige 13. Senat des Nds. Oberverwaltungsgerichts hat in dem obiter dictum der Entscheidungsgründe des Urteils vom 05.03.2003 einen besonderen Bildungsgang bei einer Grundschule nur dann angenommen, wenn das Bildungsangebot der Grundschule besonders fachlich ausgestaltet ist, dieses Bildungsangebot in der Sekundarstufe I fortgeführt wird und es dort zu einem besonderen Abschluss führt. Dass kein besonderer Bildungsgang anzunehmen ist, wenn lediglich eine Grundschule mit besonderem pädagogischem Konzept und möglicherweise auch mit besonderen Bildungsinhalten betrieben wird, hat das Nds. Oberverwaltungsgericht in diesem Urteil ausdrücklich hervorgehoben. Dazu heißt es in diesem Urteil:

"Der Senat hält das Festhalten am Erfordernis des Abschlusses auch für dringend erforderlich, um bei der Schülerbeförderung die Subventionierung beliebiger Besonderheiten schulischer Angebote auf Kosten der Allgemeinheit auszuschließen. Die Gewährleistung der Schülerbeförderung durch deren Träger erscheint nur dann als angemessen, wenn der Schluss gerechtfertigt ist, dass das von den Eltern oder dem Schüler selbst gewählte schulische Angebot von gewissem Belang für die weitere schulische oder berufliche Ausbildung ist. Diese Annahme rechtfertigt in der Regel allein die Anknüpfung an einen bestimmten (besonderen) Bildungsgang, an dessen Ende ein entsprechender Abschluss steht. So hat der Senat im Urteil vom 20.12.1995, 13 L 7975/94 (NdsVBl. 1996, 242) hinsichtlich des Besuchs der 5. Klasse eines altsprachlichen Gymnasiums einen eigenständigen Bildungsgang gegenüber der Orientierungsstufe bejaht, weil der Weg von da ab „eigenständig“ ist, auch wenn er in gleicher Weise „nur“ mit dem Abitur endet. Demgegenüber ist die Feststellung eines besonderen Bildungsganges für die „Freie Schule F.“ jedenfalls für das Schuljahr 1997/98 zu verneinen, weil die Schule zu jener Zeit lediglich Grundschule war. Zu Recht weist der Beklagte darauf hin, dass jegliche Grundschule ohne Abschluss endet, lediglich Grundkenntnisse und Grundfertigkeiten vermittelt und damit auf den Besuch sämtlicher weiterführender Schulformen vorbereitet. Insoweit nimmt der Senat auf die Begründung des angefochtenen Urteils Bezug, die er sich zueigen macht (§ 130 b Satz 2 VwGO).

Anders stellt sich die Rechtslage erst mit der der „Freien Schule F.“ erteilten Genehmigung des Betriebes der Sekundarstufe I dar. Die Kläger haben im Berufungsverfahren überzeugend belegt, dass das für die Grundschule eingehend vorgestellte besondere pädagogische Konzept der „Freien Schule F.“ in der Sekundarstufe I fortgeführt wird, so dass auch dort von einer besonderen fachlichen Ausgestaltung des schulischen Angebotes auszugehen ist. Die diesbezüglichen Einwendungen des Beklagten haben den Senat nicht überzeugt. Insoweit wird auch auf die mehrfach im Verwaltungsverfahren geäußerte Auffassung der Bezirksregierung K. Bezug genommen, wonach sich das pädagogische Konzept der Schule von dem der öffentlichen Schulen gravierend unterscheidet. Durch die nunmehr gegebene Möglichkeit des Erwerbs von Abschlüssen in der Sekundarstufe I gewinnt das besondere pädagogische Konzept der Schule Bedeutung für den weiteren Ausbildungsweg der Schüler. Dies gilt ungeachtet getrennter Genehmigungen auch für den Besuch der Grundschule. Der Senat hat in seiner ständigen Rechtsprechung die Annahme eines besonderen Bildungsganges immer auch für schulformübergreifende Abschnitte anerkannt (vgl. Senatsurteil vom 20.12.1995, aaO, S. 657). Dies stellt sich für die „Freie Schule F.“ nicht anders dar als bei den Waldorfschulen, bei denen die Schülerbeförderung bzw. die Erstattung der entstandenen notwendigen Kosten auch im Grundschulbereich erfolgt (Senatsurteil vom 20.12.1995, aaO, S. 658). Der Beklagte stellt ohne Erfolg die Dinge heraus, die die Waldorfschulen von der „Freien Schule F.“ unterscheiden. Nach dem NSchG sind nicht die Waldorfschulen (allein) schülerbeförderungsrechtlich privilegiert. Auch andere Privatschulen - wie hier die „Freie Schule F.“ - können durchaus die gesetzlichen Voraussetzungen des § 114 Abs. 1, Abs. 3 NSchG erfüllen. Ohne maßgebliche Bedeutung ist, dass bei den Waldorfschulen neben dem Abitur nach der 12. Klasse auch der sog. besondere Waldorfabschluss zu erlangen ist, während die Sekundarstufe der „Freien Schule F.“ einen entsprechenden Abschluss nicht bietet. Soweit daraus folgt, dass der in der „Freien Schule F.“ gebotene Abschluss in der Sekundarstufe I sich nicht von dem in den öffentlichen Schulen unterscheidet, ist darauf zu verweisen, dass in dem mehrfach erwähnten Senatsurteil vom 20. Dezember 1995 ausgeführt ist, dass auf eine Identität von Bildungsgängen nicht schon allein aufgrund der Gleichartigkeit der Abschlüsse geschlossen werden kann (aaO, S. 657). Vielmehr kommt es entscheidend darauf an, ob die besondere Ausgestaltung im Lehrstoff sowie die Lehr- und Erziehungsmethoden die Annahme eines eigenständigen Bildungsganges rechtfertigen. Dies hat der Senat im Fall der „Freien Schule F.“ - wie ausgeführt - aber bejaht."

Dementsprechend war für dieses obiter dictum des 13. Senats des Nds. Oberverwaltungsgerichts nicht der besondere Abschluss an einer weiterführenden Schule, sondern das besondere, im Sekundarbereich I fortgesetzte Bildungsangebot der Grundschule von entscheidender Bedeutung (s. dazu auch das dieselbe Schule betreffende Urteil der Kammer vom 08.03.2006 - 6 A 1460/04 -, juris Langtext).

Daran fehlt es aber im Fall der Grundschule JOBS. Der Kläger macht insbesondere nicht geltend, er werde bereits auf dieser Grundschule auf das im Privatgymnasium zu erwerbende IB vorbereitet. Gegen die Annahme eines besonderen Bildungsangebots der Grundschule spricht auch, dass nach der Selbstdarstellung des JOBS - Gymnasiums (http://www.oks.de; Ausdruck vom 11.07.2011) dort auch Schüler aufgenommen werden können, die nicht die JOBS - Grundschule besucht haben und die bislang über keine Englischkenntnisse verfügen. Diese erhalten in einem "Quereinsteigerprogramm" besondere Angebote zum Erlernen der englischen Sprache. Auch daraus folgt, dass die an der Grundschule gelehrten Unterrichtsinhalte nicht derartige Besonderheiten aufweisen, welche die Annahme eines besonderen Bildungsganges rechtfertigen könnten.

Ein besonderer Bildungsgang kann schließlich auch nicht daraus hergeleitet werden, dass es sich bei der JOBS um eine Grundschule mit besonderer pädagogischer Bedeutung handelt. Dies ist nach § 144 Abs. 1 Satz 2 NSchG und Art. 7 Abs. 5 GG eine Voraussetzung für die Genehmigung einer Grundschule in privater Trägerschaft und besagt nichts darüber aus, ob ein besonderer Bildungsgang im Sinne von § 114 Abs. 3 Satz 1 NSchG angeboten wird (ebenso VG Göttingen, Urt. v. 07.10.2010 - 4 A 144/08 - juris).

Die Grundschule JOBS kann auch nicht im Zusammenhang mit dem grundsätzlich gegebenen Recht der Erziehungsberechtigten zur Wahl einer Ganztagsschule aus § 63 Abs. 4 Nr. 2 NSchG als nächstgelegene Schule gelten (§ 114 Abs. 3 Satz 3 NSchG). Der Gesetzgeber ermöglicht den Ganztagsschulinteressierten in § 63 Abs. 4 Nr. 2 NSchG nur, dem zwingenden Besuch einer Halbtagsschule auszuweichen. Auf die Art und den Umfang des Ganztagsangebots einer Schule kommt es dagegen bei Anwendung der Regelungen über den Besuch der zuständigen Schule nach § 63 NSchG nicht an, wobei der Gesetzgeber auch die Auswirkungen dieser Einschränkung des Wahlrechts auf die Schülerbeförderung gesehen hat (Nds. Landtag, LT-Drucksache 15/3415 S. 13 zu § 63 Abs. 4 NSchG). Der Umstand, dass die JOBS eine Grundschule mit verpflichtendem und umfassenden Ganztagsunterricht (Kernunterrichtszeit 09.00 - 15.30 Uhr) ist, die Grundschule V.-Straße aber nur eine Grundschule mit offenem Ganztagsangebot ist, kann daher einen Erstattungsanspruch des Klägers nicht begründen.