Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 10.03.2003, Az.: 1 LA 38/03
Baudenkmal; Berechnung; Bodenwert; Denkmal; Grundstücksbodenendwert; Sanierungsausgleichsbetrag; Sanierungsgebiet
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 10.03.2003
- Aktenzeichen
- 1 LA 38/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 48555
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 13.12.2002 - AZ: 2 A 9/01
Rechtsgrundlagen
- § 154 Abs 2 BauGB
- § 28 Abs 3 S 1 WertV
- § 28 Abs 3 S 2 WertV
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Der Umstand, dass auf einem Grundstück ein Baudenkmal steht, rechtfertigt nicht stets und ohne Rücksicht auf die Besonderheiten des Einzelfalls anzunehmen, dass der für die Berechnung des Sanierungsausgleichsbetrages maßgebliche Grundstücks(boden)-Endwert geringer ausfallen muss. Ausschlaggebend ist vielmehr, ob die Denkmaleigenschaft den Grundstückseigentümer daran hindert, die sanierungsbedingte Erhöhung der Ausnutzbarkeit seines Grundstücks zu verwirklichen.
Gründe
Die Klägerinnen wenden sich (u.a.) gegen ihre Heranziehung zur Zahlung eines Sanierungsausgleichsbetrages für das im Innenstadtbereich der Beklagten gelegene Grundstück E. straße 24. Dieses ist mit einem im Jahre 1838 errichteten Gebäude bestanden, welches die Bezirksregierung F. 1987 als Einzelbaudenkmal in das Verzeichnis der Kulturdenkmale aufnahm. Nach Aufhebung der 1972 in Kraft getretenen Satzung über die förmliche Festlegung des Sanierungsgebietes Nr. 2 - Altstadt - setzte die Beklagte durch Bescheid vom 20. Februar 1997 unter Anrechnung eines in der Vergangenheit gezahlten Beitrages für den Kanalanschluss den Sanierungsausgleichsbetrag für das Grundstück E. straße 24 auf 113.240,-- DM fest. Den hiergegen vom Rechtsvorgänger der Klägerinnen erhobenen Widerspruch beschränkten diese nach Übernahme des Widerspruchsverfahrens auf einen Teilbetrag von 35.000,-- DM. Den Widerspruch wies die Beklagte durch Bescheid vom 5. Dezember 2002 als unbegründet zurück.
Die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht durch die hier angegriffene Entscheidung, auf deren Einzelheiten Bezug genommen wird, abgewiesen. Darin hat das Verwaltungsgericht u.a. ausgeführt, die Heranziehung zur Zahlung eines Sanierungsausgleichsbetrages sei weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden. Die Beklagte habe in nicht zu beanstandender Weise Bodenrichtwerte zugrundegelegt und dabei die erzielbare Erdgeschossmiete zum Maßstab genommen. Das sei nach der Rechtsprechung des Senats zulässig. Ein Abschlag von den festgesetzten Sanierungsausgleichsbeträgen rechtfertige sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Denkmalschutzes. Denn das Grundstück sei entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. 109 bebaubar und tatsächlich auch so bebaut. Die Denkmaleigenschaft habe sich in der Vergangenheit nur auf die Gestaltung der Fassade ausgewirkt.
Hiergegen richtet sich der rechtzeitig gestellte und begründete Zulassungsantrag. Dieser wird allein auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützt. Zu seiner Begründung machen die Klägerinnen geltend, es sei immer ein Abschlag vom Bodenwert vorzunehmen, wenn das auf dem Grundstück aufstehende Gebäude unter Denkmalschutz stehe.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit einer Entscheidung liegen nach ständiger Senatsrechtsprechung (vgl. z.B. Beschl. v. 31.7.1998 - 1 L 2696/98 -, NVwZ 1999, 431) erst dann vor, wenn für das vom Zulassungsantragsteller favorisierte Entscheidungsergebnis - auf dieses kommt es an und nicht auf einzelne Begründungselemente - "die besseren Gründe" sprechen, d.h. wenn ein Obsiegen in dem Berufungsverfahren wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen. Hier hat sich die Prüfung auf den einzigen während der Zulassungsantragsbegründungsfrist hervorgebrachten Gesichtspunkt zu beschränken, ob die Denkmaleigenschaft des Hauses E. straße 24 eine Änderung der Betragshöhe rechtfertigt. Das ist hier nicht der Fall. Dementsprechend sprechen auch nicht die besseren Gründe für einen Erfolg im Berufungsverfahren.
Der Sanierungsausgleichsbetrag besteht nach § 154 Abs. 2 BauGB in dem Unterschied zwischen zwei Bodenwerten. Vom Bodenwert, der sich für das Grundstück durch die rechtliche und tatsächliche Neuordnung des förmlich festgelegten Sanierungsgebietes ergibt (Endwert), ist der sog. Anfangswert abzuziehen. Das ist der Bodenwert, der sich für das Grundstück ergeben würde, wenn eine Sanierung weder beabsichtigt noch durchgeführt worden wäre. Schon der Wortlaut zeigt damit, dass es für die Rechnung des Sanierungsausgleichsbetrages nur auf die sanierungsbedingten Bodenwerterhöhungen ankommt und die Bebauung eines Grundstücks dementsprechend grundsätzlich außer Betracht zu bleiben hat. Das wird auch durch § 28 Abs. 3 Satz 1 WertV unterstrichen. Danach ist bei der Ermittlung des Anfangs- und Endwertes der Wert des Bodens ohne Bebauung durch Vergleich mit dem Wert vergleichbarer unbebauter Grundstücke zu ermitteln. Eine Ausnahme lässt allein Satz 2 dieser Vorschrift zu. Danach sind Beeinträchtigungen der zulässigen Nutzbarkeit, die sich aus einer bestehen bleibenden Bebauung auf dem Grundstück ergeben, zu berücksichtigen, wenn es bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise oder aus sonstigen Gründen geboten erscheint, das Grundstück in der bisherigen Weise zu nutzen. Mit dieser Vorschrift soll auf Sachverhalte reagiert werden, in denen im Zuge der Sanierung die Bebaubarkeit des Grundstücks erhöht wird, eine Ausnutzung der (nunmehr höheren) Ausnutzungsziffern jedoch eine Beseitigung der vorhandenen Bausubstanz erfordert und dementsprechend erst in weiterer Zukunft zu erwarten ist. Auf die dadurch hervorgerufenen Beschwernisse, welche u.a. in den Beseitigungskosten, aber auch in unter Umständen zu zahlenden Ausfallentschädigungen an Mieter bestehen können, reagiert der Markt mit der Folge, dass sich der Endwert (nicht aber der Anfangswert) entsprechend der wirtschaftlichen Betrachtungsweise oder aus sonstigen Gründen reduziert (vgl. zum Vorstehenden Bielenberg/Koopmann/Krautzberger, Städtebauförderungsrecht, Kommentar und Handbuch, Band 1, WertV § 28 Rdnr. 91). Da § 28 Abs. 3 Satz 2 WertV auch die Berücksichtigung "sonstiger Gründe" gestattet, mag es grundsätzlich in Betracht kommen, Einschränkungen der Nutzbarkeit bei der Ermittlung des Bodenendwertes zu berücksichtigen, die sich aus dem Denkmalcharakter der aufstehenden Bebauung ergeben (können). Ein Automatismus besteht entgegen der - wenig substantiierten Darlegung - der Klägerinnenseite indes nicht. Es kommt vielmehr darauf an, ob die Denkmaleigenschaft die Grundstückseigentümer konkret daran hindert, die Verheißungen eines sanierungsbedingt erhöhten Nutzungsmaßes vollständig auszunutzen und der Grundstücksmarkt aus diesem Grunde den Boden(end)wert deshalb geringer bewertet als er es bei einem unbebauten Grundstück getan haben würde. Insoweit dürfte eine Ähnlichkeit mit dem Bereich des Erschließungsbeitragsrechtes bestehen. Danach sind öffentlich-rechtliche Baubeschränkungen, welche ihre Wurzeln im Denkmalschutzrecht haben, beitragsrechtlich nur dann relevant, soweit sie die für die Verteilung des Erschließungsaufwandes maßgebliche Ausnutzbarkeit des Grundstücks behindern (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.12.1983 - 8 C 112.82 -, BVerwGE 68, 249 = NVwZ 1984, 437, 441 und Urt. v. 3.2.1989 - 8 C 66.87 - BVerwGE 81, 251 = DVBl 1989, 1072).
Ein dem vergleichbarer Sachverhalt ist nach den sehr eingehenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts auf S. 10/11 der angegriffenen Entscheidung hier nicht gegeben; diesen Ausführungen treten die Klägerinnen nicht mit der durch § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO gebotenen Substanz entgegen. In diesen Ausführungen hat das Verwaltungsgericht ins Einzelne gehend dargelegt, dass das Grundstück E. straße 24 zwar denkmalschutzrechtlichen Bindungen unterliegt. Diese haben in der Vergangenheit indes die Ausnutzung der Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 109 - "G." - welcher im Jahre 1978 bereits rechtsverbindlich geworden ist, nicht behindert. Aus denkmalschutzrechtlicher Sicht haben die Klägerinnen nach der substantiiert nicht bestrittenen Verwaltungspraxis nur noch hinsichtlich der Fassadengestaltung Rücksicht zu nehmen. Nennenswerte Beschränkungen hinsichtlich etwaiger künftiger Baumaßnahmen sind danach nicht zu erwarten. Nach Inkrafttreten des Bebauungsplanes Nr. 109 im Jahre 1978 wurden 1981, 1983 und 1987 den Darlegungen auf S. 11 des angegriffenen Urteils zufolge mehrere Maßnahmen durchgeführt, an deren Durchführung die Klägerinnen/ihr Rechtsvorgänger nicht durch Denkmalschutz gehindert wurde(n). Dementsprechend sprechen die besseren Gründe für die Annahme, jedenfalls hier wirke sich der Denkmalschutz nicht so aus, dass die Verheißungen einer sanierungsbedingt erhöhten Ausnutzbarkeit des Grundstückes wegen der Vorschriften des Denkmalschutzes ganz oder zum Teil nicht ausgenutzt werden können. Dementsprechend sind keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Annahme erkennbar, der Grundstücksmarkt werde aus diesem Grunde einen geringeren sanierungsbedingten Bodenendwert annehmen als er es bei einem unbebauten Grundstück getan haben würde.
Soweit der Grundstücksmarkt "überhaupt" auf denkmalschutzrechtliche Einschränkungen reagiert, werden diese Nachteile bereits mit den steuerlichen Vergünstigungen abgegolten, welche Eigentümer denkmalgeschützter Gebäude genießen. Es besteht kein ausreichender Anlass, darüber hinausgehend die Eigentümer denkmalgeschützter Gebäude auch noch bei der Berechnung des sanierungsbedingten Bodenendwertes zu begünstigen, sofern keine konkreten Beeinträchtigungen nachgewiesen werden können.