Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 19.03.2003, Az.: 4 LB 2/03
Anspruch auf Ausbildungsförderung; Studiengang Sozialpädagogik der Hogeschool in Enschede/NL; Fördervoraussetzung des § 2 Abs. 5 Satz 1 Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG); Besuch ausländischer Ausbildungsstätte; Inländischer Wohnort ; Möglichkeit des täglichen Besuchs; Volle Inanspruchnahme durch Ausbildung ; Arbeitskraft des Auszubildenden ; Ausgestaltung der Ausbildung ; Persönliche Verhältnisse; An der Hochschule abgehaltene Lehrveranstaltung; Berufspraktische Tätigkeit
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 19.03.2003
- Aktenzeichen
- 4 LB 2/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 15000
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2003:0319.4LB2.03.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BVerwG - 22.12.2003 - AZ: BVerwG 5 B 51.03
Rechtsgrundlagen
- § 2 Abs. 5 BAföG
- § 5 Abs. 1 BAföG
- § 5 Abs. 4 BAföG
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 BAföG sind nach dem Zweck der Vorschrift und den Gesetzesmaterialien auch dann erfüllt, wenn der Student die ausländische Ausbildungsstätte von seinem inländischen Wohnort aus zwar nicht täglich besucht, sie aber täglich besuchen kann.
- 2.
Für die Prüfung gemäß § 2 Abs. 5 Satz 1 BAföG, ob die Ausbildung die Arbeitskraft des Auszubildenden im Allgemeinen voll in Anspruch nimmt, kommt es maßgeblich auf die Ausgestaltung der Ausbildung und nicht darauf an, ob der Auszubildende nach seinen persönlichen Verhältnissen noch in der Lage ist, neben der Ausbildung seine Arbeitskraft für eine andere Tätigkeit einzusetzen (wie BVerwG, Urt. v. 30. 10. 1975 - BVerwG V C 15. 74 - FamRZ 1975, 242; BVerwG, Urt. v. 03. 06. 1988 - BVerwG 5 C 59. 85 -, NVwZ-RR 1989, 81 ff. ; BVerwG, Urt. v. 14. 12. 1994 - 11 C 28. 93 -, Buchholz 436. 36 § 7 BAföG Nr. 112).
- 3.
Der Begriff der Ausbildung i. S. des § 2 Abs. 5 BAföG umfasst nicht nur an der Hochschule abgehaltene Lehrveranstaltungen wie Vorlesungen und Seminare, sondern auch berufspraktische Tätigkeiten. Ist eine nach einem praxisbezogenen Ausbildungskonzept von der Ausbildungsordnung verlangte fachspezifische berufliche Tätigkeit integraler, d. h. untrennbarer Teil der Ausbildung, dann ist die Fördervoraussetzung des § 2 Abs. 5 Satz 1 BAföG auch denn erfüllt, wenn die berufspraktische Tätigkeit nach der Ausbildungsordnung die Hälfte der Arbeitskraft des Auszubildenden in Anspruch nimmt (hier entschieden für den Studiengang Sozialpädagogik der Hogeschool in Enschede (NL)).
Tatbestand
Die im Jahr 1972 geborene Klägerin absolvierte nach dem Abitur eine Ausbildung zur Bankkauffrau, die sie im Januar 1994 abschloss. Anschließend war sie bis August 1997 in diesem Beruf tätig. Im September 1997 schrieb sie sich an der Hogeschool Enschede (Niederlande) im Studiengang Sozialpädagogik ein. Es handelt sich dabei um einen Ausbildungsgang auf Fachhochschul-Niveau. Das mit Abschluss der Ausbildung erworbene Zertifikat ist in Deutschland als mit dem hiesigen Studiengang, der zum Diplomsozialpädagogen führt, gleichwertig anerkannt, schließt also das Anerkennungsjahr in Deutschland mit ein (vgl. Schreiben des Sekretariats der Ständigen Konferenz des Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland an den Beklagten vom 21. 8. 1995, Beiakte A zu 6 B 64/98, Bl. 13).
Die Ausgestaltung des Studiums ergibt sich aus einem Informationsblatt der Hogeschool (Beiakte B Bl. 11) wie folgt:
"Das niederländische Ausbildungssystem auf Fachhochschulniveau geht für alle Studiengänge von einer Studienlast von 40 Stunden pro Woche aus. Für jede Studieneinheit von 40 Stunden, die mit Erfolg abgeschlossen wird, wird ein Studienpunkt vergeben. Pro Jahr müssen 42 Studienpunkte erreicht werden. Die Studienbelastung beträgt pro Jahr also 40 x 42 = 1. 680 Stunden.
Diese Studienbelastung für die berufsbegleitende Ausbildung ist pro Jahr wie folgt aufgeteilt:
- Pflichtunterricht 40 Semesterwochen von je 8 Stunden 320 Stunden
- sechs Blocktage von je 8 Stunden 48 Stunden
- Praxis in Form eines anerkannten Arbeitsplatzes oder einer Praktikumstelle mindestens 840 Stunden
- Selbststudium 472 Stunden
- insgesamt 40 (richtig: 42) Studienwochen von je 40 Stunden 1. 680 Stunden"
Zu der wechselseitigen Bedeutung von theoretischer Ausbildung und berufspraktischer Tätigkeit heißt es u. a. in dem Studienführer 1999/2000 der Hogeschool (dort Seite 22):
"Alle Module (Anmerkung: Mit Modulen sind Studieneinheiten gemeint) haben eine praxisorientierte Ergänzung. Das bedeutet, dass die Theorie an der Praxis orientiert ist und in explizit gemachten Situationen bei Ausführung des Berufs anwendbar ist. Ein wichtiger Ausgangspunkt für das Institut ist, dass die Prämissen der Studiengänge in ihrer Gesamtheit niemals erfüllt werden können, wenn Lernen ausschließlich innerhalb des Instituts stattfindet. Außerschulisches Lernen in der Berufspraxis ist notwendig. Nur in der Berufspraxis erhält der Student ein gutes Bild dessen, was ihn/sie als Berufsausübenden erwartet. Zudem bietet die Praxis dem Studenten die Gelegenheit, das auf der Hochschule Gelernte langfristig und intensiv zu üben und mit Kollegen zu erarbeiten. Auf diese Art und Weise übt sich der Student in seinem eigenen Arbeitsstil, gemäß den vom Institut noch zu formulierenden Prämissen und den Anforderungen, die die Berufspraxis an ihn stellt. "
Während des Studiums arbeitete die Klägerin entsprechend den Studienbedingungen in einem heilpädagogischen Kindergarten der Lebenshilfe N. . Bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 28, 8 Stunden erhielt sie eine Vergütung von 200, -- DM im Monat.
Mit Bescheid vom 30. November 1998 nahm der Beklagte den Förderbescheid vom 31. August 1998, mit dem der Klägerin Ausbildungsförderung für den Förderzeitraum September 1998 bis August 1999 bewilligt worden war, zurück und stellte die Förderung ein, mit der Begründung, das Studium an der Hogeschool nehme die Arbeitskraft der Klägerin nicht voll in Anspruch und sei deshalb dem Grunde nach nicht förderungsfähig, so dass der ursprüngliche Förderbescheid rechtswidrig gewesen sei. Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin wies die Bezirksregierung . . . mit Bescheid vom 22. Januar 1999 zurück. Dagegen hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. Ein von ihr eingeleitetes Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (6 B 64/98) erledigte sich dadurch, dass der Beklagte mit Rücksicht auf den durch den Widerspruch bzw. die Klage ausgelöste aufschiebende Wirkung die Förderung wieder aufnahm und bis zum Ablauf des ursprünglichen Bewilligungszeitraums fortsetzte.
Mit einem weiteren Bescheid vom 13. September 1999 stellte der Beklagte die Zahlung von Ausbildungsförderung mit Wirkung vom 1. September 1999 ein. Den dagegen gerichteten Widerspruch der Klägerin wies die Bezirksregierung . . . mit Widerspruchsbescheid vom 8. November 1999 zurück. Auch diese Bescheide wurden von der Klägerin im gerichtlichen Verfahren angegriffen (6 A 170/99 ) 4 LB 3/03). Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 1. Oktober 2000 (6 B 45/99) wurde der Beklagte im Wege einer einstweiligen Anordnung zur Zahlung von Ausbildungsförderung über den 31. August 1999 hinaus verpflichtet.
Im vorliegenden Verfahren hat die Klägerin zur Begründung ihrer Klage im Wesentlichen vorgetragen: Die praktische Arbeit sei ein zwingend vorgeschriebener Bestandteil der Ausbildung. Entgegen der Meinung des Beklagten nehme das Studium ihre Arbeitskraft voll in Anspruch und sei deshalb förderungsfähig.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 30. November 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung . . . vom 22. Januar 1999 aufzuheben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 20. Juli 2001 antragsgemäß stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Anfechtungsklage sei begründet. Die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig. Der Beklagte habe den Förderbescheid vom 31. August 1998 nicht aufheben dürfen, weil dieser Bescheid rechtmäßig gewesen sei. Die Klägerin habe während des Förderzeitraums September 1998 bis August 1999 Ausbildungsförderung beanspruchen können. Die streitige Ausbildung sei nämlich dem Grunde nach förderungsfähig.
Der Anspruch auf Ausbildungsförderung ergebe sich aus §§ 1, 5 Abs. 1 und 4, 7 Abs. 1, 11 Abs. 3 Nr. 4 BAföG. Die Ausbildung der Klägerin zur Sozialpädagogin sei als Erstausbildung im Sinne des § 7 Abs. 1 BAföG förderfähig und darüber hinaus seien die Voraussetzungen einer elternunabhängigen Förderung nach § 11 Abs. 3 Nr. 4 BAföG erfüllt.
Entgegen der Ansicht des Beklagen seien auch die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 BAföG erfüllt. Danach werde u. a. einem Studenten mit deutscher Staatsangehörigkeit Ausbildungsförderung geleistet, wenn er täglich von seinem ständigen Wohnsitz im Inland eine im Ausland gelegene Ausbildungsstätte besuche. Dabei komme es, wie sich aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift ergebe, nicht darauf an, dass der Student tatsächlich die Ausbildungsstätte täglich aufsuche, sondern dass er sie täglich aufsuchen könne. Diese Möglichkeit habe die Klägerin.
Die Hogeschool in Enschede erfülle auch die Voraussetzungen des § 5 Abs. 4 BAföG. Voraussetzung sei danach zum einen, dass die Ausbildung dem Besuch einer der in § 2 Abs. 1 und 2 bezeichneten oder nach § 2 Abs. 3 BAföG bestimmten, im Inland gelegenen Ausbildungsstätten gleichwertig sei und dass die Ausbildung die Arbeitskraft des Auszubildenden im Allgemeinen voll in Anspruch nehme. Die Gleichwertigkeit der Ausbildung ergebe sich aus dem Schreiben des Sekretariats der KMK an den Beklagten. Auch nehme die Ausbildung an der Hogeschool die Arbeitskraft der Studenten voll in Anspruch. Es könne nämlich nicht getrennt werden zwischen den Ausbildungsveranstaltungen in der Schule einerseits und der praktischen Tätigkeit andererseits. Die Ausbildungsordnung gebe vor, dass der Student eine fachbezogene Tätigkeit ausüben müsse. Das Ausbildungskonzept der Hogeschool beruhe auf einer so engen Verbindung zwischen theoretischem Unterricht in der Schule und praktischer Tätigkeit, dass es sich dabei nur um verschiedene und nicht voneinander trennbare Elemente einer einheitlichen Ausbildung handele.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit der von dem Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 30. Januar 2002 (10 LA 3034/01) gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassenen Berufung. Er trägt vor: Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei der berufsbegleitende Studiengang Sozialpädagogik an der Hogeschool in Enschede nicht förderungsfähig, weil er - entgegen § 2 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 BAföG - nicht die volle Arbeitskraft des Auszubildenden in Anspruch nehme. In der Broschüre der Hogeschool Enschede werde zum berufsbegleitenden Studium ausführt:
"Das Studium dauert vier Jahre und beinhaltet einen Tag pro Woche. . . . Parallel dazu geht der Student seiner Berufstätigkeit im Bereich der Sozialarbeit/Sozialpädagogik nach. . . .
In den Niederlanden geht man davon aus, dass die Praxisarbeit, die man leistet, auch eine Punktzahl wert ist. Indem man arbeitet, sammelt man viele Kenntnisse und Erfahrungen. Dafür erhält der Student 84 Punkte, also die Hälfte der Gesamtpunktwertung. Der Student muss in einem für die Sozialpädagogik relevanten Arbeitsbereich (Beruf) tätig sei. Dazu muss man mindestens 40 Semesterwochen 21 Stunden pro Woche arbeiten, also mindestens 840 Stunden pro Jahr in der Praxis tätig sein. Die andere Hälfte erhält man, indem man jede Woche ungefähr 8 Unterrichtsstunden an der Fachhochschule absolviert. Im Unterricht werden Theorie und Praxis miteinander verknüpft. Theoretisches Wissen wird vermittelt, aber der Schwerpunkt ist die Entwicklung berufsrelevanter Fähigkeiten und Fertigkeiten. Die professionelle Berufsattitüde hat in unserem Programm einen hohen Stellenwert. Außer einem Tag in der Schule muss man selbstverständlich noch Hausarbeiten erledigen, im zweiten Studienjahr supervidiert werden, eine schriftliche Abschlussarbeit anfertigen und zweimal im Jahr mehrere Tage zusammenkommen zur Behandlung von Sonderthemen. All das bringt am Jahresende die benötigte Punktzahl ein.
Es wird klar, dass dies eine große Investition des Teilzeitstudenten erfordert, aber jährlich absolvieren etwa 500 Studenten eine berufsbegleitende Ausbildung an unserer Hochschule. Diese Möglichkeit wird von der Fachhochschule schon mehr als 20 Jahre geboten. Sie haben also eine große Erfahrung und können daher auch sagen: 'Es ist nicht einfach, besonders nicht, wenn man eine volle Stelle hat, aber es ist zu bewältigen. '"
Nach der Ausbildungsordnung würden also wöchentlich 8 Unterrichtsstunden an der Hogeschool absolviert. Die fachnahe Berufstätigkeit könne daneben nicht als integraler Teil der Ausbildung bewertet werden. Das BAföG unterscheide grundsätzlich zwischen Berufstätigkeit und Ausbildung (vgl. § 11 Abs. 3 BAföG). Auch die Informationsschrift der Hogeschool differenziere begrifflich zwischen der Ausbildung und dem Beruf, da das Studium berufsbegleitend betrieben werde. Es sei deshalb davon auszugehen, dass die berufliche Tätigkeit nur als praktische Erfahrung eine Anrechung im Rahmen der Ausbildung erfahre. Bei der fachnahen Berufstätigkeit handele es sich also nicht um ein die Ausbildung ergänzendes Praktikum, sondern es werde eine Berufstätigkeit erwartet. Die Berufstätigkeit ersetze in diesem Umfang das Studium der Sozialpädagogik aufgrund der Praxiserfahrung, jedoch sei sie diesem gegenüber eigenständig. Sie sei nicht Ausbildung oder Praktikum und damit nicht förderlich. Eine derart gestaltete Ausbildung schließe eine Förderung nach dem BAföG aus, weil das Schwergewicht der Gesamtausbildung auf dem Besuch der Ausbildungsstätte und nicht auf dem Erwerb berufspraktischer Erfahrungen liegen müsse. Dass es sich hier gerade anders verhalte, ergebe sich auch aus dem Merkblatt der Hogeschool, in dem es heiße: "Für Studenten mit einer Vollzeitbeschäftigung bedeutet das eine hohe Arbeitsbelastung zu Lasten von Freizeit, von Ferien. Wir raten den Studenten bei den Einführungsgesprächen deshalb dazu, ihre Anstellung auf maximal 32 Stunden zu begrenzen. "
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück vom 20. Juli 2001 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
Die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens, des Parallelverfahrens 4 LB 3/03, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie der beigezogenen Gerichtsakten 6 B 64/98 und 6 B 45/99 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Beklagen ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die angegriffenen Bescheide zu Recht aufgehoben.
Die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Förderbescheides vom 31. August 1998 lagen nicht vor. Nach § 20 Abs. 1 BAföG darf eine Förderbescheid aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Leistung der Ausbildungsförderung an keinem Tag des Kalendermonats vorgelegen haben. Im vorliegenden Fall kommt eine Aufhebung deshalb nur in Betracht, wenn der Klägerin im streitigen Bewilligungszeitraum ein Anspruch auf Ausbildungsförderung nicht zugestanden hat. Die Klägerin hatte jedoch Anspruch auf die Gewährung von Ausbildungsförderung, denn das von ihr betriebene Studium an der Hogeschool in Enschede ist förderungsfähig.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die von der Klägerin durchgeführte Ausbildung zur Sozialpädagogin als Erstausbildung im Sinne des § 7 Abs. 1 BAföG förderfähig war und darüber hinaus auch die Voraussetzungen einer elternunabhängigen Förderung nach § 11 Abs. 3 Nr. 4 BAföG erfüllt waren.
Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass auch die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 BAföG erfüllt sind. Danach wird u. a. Auszubildenden mit deutscher Staatsangehörigkeit Ausbildungsförderung geleistet, wenn sie täglich von ihrem ständigen Wohnsitz im Inland eine im Ausland gelegene Ausbildungsstätte besuchen. Die Klägerin besucht als Deutsche mit Wohnsitz in . . . eine Ausbildungsstätte im Ausland. Sie ist an der Hogeschool in Enschede immatrikuliert und besucht dort unstreitig die vorgeschriebenen Lehrveranstaltungen. Ein Auszubildender besucht eine Ausbildungsstätte, solange er ihr organisationsrechtlich angehört und die vorgeschriebene Ausbildung dort auch tatsächlich betreibt (BVerwG, Urt. v. 26. 10. 1978 - BVerwG 5 C 41. 77 -, FamRZ 1979, 85). Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass dem Förderanspruch nicht entgegensteht, dass die Klägerin die etwa 45 km entfernt gelegene Ausbildungsstätte in Enschede nicht täglich besucht und dies auch nicht erforderlich ist, weil an der Ausbildungsstätte in Enschede nicht täglich Lehrveranstaltungen für die von der Klägerin eingeschlagene Fachrichtung abgehalten werden. Es kommt nämlich nicht darauf an, dass die Klägerin die Ausbildungsstätte tatsächlich täglich besucht, sondern dass sie sie praktisch täglich besuchen könnte, wenn es erforderlich wäre. Mit der Einfügung des Wortes "täglich" in die Vorschrift durch das Zweite BAföG-Änderungsgesetz sollte nämlich klargestellt werden, dass es sich bei den in dieser Vorschrift genannten Personen um sog. Grenzgänger handelt, die ihre Ausbildungsstätte an jedem Ausbildungstag über die Grenze hinweg aufsuchen. In der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. VI/2352, Bericht des federführenden Bundestagsausschusses, besonderer Teil zu § 5, S. 5) heißt es dazu: "Nach Abs. 1 können nur solche Auszubildenden Ausbildungsförderung für eine Ausbildung im Ausland erhalten, die von ihrem grenznahen ständigen Wohnsitz im Geltungsbereich des Gesetzes die Bundesgrenze täglich überschreiten, um eine außerhalb des Geltungsbereichs gelegene Ausbildungsstätte zu besuchen. Daher ist nach dieser Vorschrift eine Förderung der Auszubildenden, die grenznahe Schulen besuchen, nicht möglich, wenn wegen der Entfernung ihres ständigen Wohnsitzes im Geltungsbereich des Gesetzes von der Ausbildungsstätte eine tägliche Fahrt nicht möglich ist. " Der letztgenannte Satz wäre überflüssig, wenn es dem Gesetzgeber tatsächlich auf eine tägliche Anfahrt angekommen wäre. Wäre einen täglicher Grenzübertritt zum Besuch der Hochschule tatsächlich gefordert, würde das auch dazu führen, dass eine Ausbildungsförderung in den nicht selten vorkommenden Fällen zwingend versagt werden müsste, in denen bei einem Pensum von 20 Vorlesungs-/Seminarstunden pro Woche - dies stellt unstreitig eine Studienbelastung dar, welche die Arbeitskraft des Studenten voll in Anspruch nimmt - die Veranstaltungen an drei Vorlesungstagen in der Woche abgehalten werden. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass dann an die Förderung eines Studiums im Grenzgebiet höhere Anforderungen gestellt würden als an die Förderung eines Hochschulstudiums im Inland. Das würde aber dem Anliegen des Gesetzgebers nicht gerecht, den Bewohnern in den Grenzregionen der Bundesrepublik die Ausbildungsstätten jenseits der Grenze förderungsrechtlich zu erschließen.
Der Studiengang Sozialpädagogik der Hogeschool in Enschede erfüllt auch die Voraussetzungen des § 5 Abs. 4 BAföG. Danach ist Ausbildungsförderung nur für den Besuch solcher Ausbildungsstätten vorgesehen, der dem Besuch einer der in § 2 Abs. 1 und 2 bezeichneten oder nach § 2 Abs. 3 BAföG bestimmten, im Inland gelegenen Ausbildungsstätten gleichwertig ist. In die Beurteilung der Gleichwertigkeit setzt einen an der Aufzählung der Ausbildungsstätten in § 2 BAföG orientierten wertenden Vergleich des Ausbildungsganges und der durch diesen vermittelten Berufsqualifikation voraus, wie sie von der ausländischen Ausbildungsstätte einerseits und einer unter jene Vorschrift fallenden inländischen Ausbildungsstätte andererseits angeboten und vermittelt werden (BVerwG, Urt. v. 04. 12. 1997 - BVerwG 5 C 3. 96 -, BVerwGE 106, 1 ff. [BVerwG 04.12.1997 - 5 C 3/96] = NVwZ-RR 11998, 501). Der Studiengang Sozialpädagogik in Enschede mit einem modularen Ausbildungskonzept entspricht nach der Stellungnahme der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen beim Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland vom 21. August 1995 einem deutschen Fachhochschulstudiengang in der Fachrichtung Sozialpädagogik. Angesichts dieser fachkundigen Stellungnahme geht der Senat davon aus, dass die Gleichwertigkeit der Studiengänge im vorbezeichneten Sinn vorliegt. Auch der Beklagte macht insoweit Bedenken nicht mehr geltend.
Einer Förderung des von der Klägerin gewählten "berufsbegleitenden Studiums Sozialpädagogik" an der Hogeschool in Enschede steht - entgegen der Meinung des Beklagten - auch nicht § 2 Abs. 5 Satz 1 BAföG entgegen.
Nach § 2 Abs. 5 Satz 1 BAföG wird Ausbildungsförderung u. a. nur geleistet, wenn die Ausbildung die Arbeitskraft des Auszubildenden im Allgemeinen voll in Anspruch nimmt. Das bedeutet, dass die Auszubildenden im Normalfall ihre gesamte Arbeitskraft für die Ausbildung einzusetzen haben, während Ausbildungen, die aufgrund der Ausgestaltung der Ausbildungsrichtlinien den Auszubildenden die Möglichkeit belassen oder die sogar vorschreiben, neben der Ausbildung einer Berufstätigkeit nachzugehen, nicht förderfähig sind. Maßgeblich ist die Ausgestaltung der Ausbildung und nicht, ob der Auszubildende nach seinen persönlichen Verhältnissen noch in der Lage ist, neben der Ausbildung seine Arbeitskraft für eine andere Tätigkeit einzusetzen (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 30. 10. 1975 - BVerwG V C 15. 74 - FamRZ 1975, 242; BVerwG, Urt. v. 03. 06. 1988 - BVerwG 5 C 59. 85 -, NVwZ-RR 1989, 81 ff. ; BVerwG, Urt. v. 14. 12. 1994 - 11 C 28. 93 -, Buchholz 436. 36 § 7 BAföG Nr. 112 = DVBl. 1995, 687 = NVwZ-RR 1995, 285; OVG NRW, Beschl. v. 19. 09. 1996 - 16 E 752/96 und 16 B 1689/96 -).
Eine Ausbildung nimmt die Arbeitskraft des Auszubildenden im Allgemeinen voll in Anspruch, wenn sie nach den Ausbildungsbestimmungen oder der allgemeinen Erfahrung insgesamt 40 Wochenstunden erfordert. Dies ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn die Unterrichtszeit an der Ausbildungsstätte 20 Wochenstunden beträgt, weil erfahrungsgemäß die Vor- und Nachbereitungszeit der Unterrichtsveranstaltungen mindestens noch einmal dieselbe Zeit beanspruchen.
Nach den Ausbildungsbedingungen der Hogeschool Enschede nimmt das "berufsbegleitende Studium Sozialpädagogik" insgesamt 40 Stunden wöchentlich in Anspruch. Dabei fallen auf die Unterrichtszeit in der Hogeschool selbst rd. neun Stunden wöchentlich. Weitere etwa elf Stunden entfallen auf das Selbststudium. Weitere 20 Stunden entfallen auf die berufliche Praxis. Das bedeutet im speziellen Fall der Hogeschool aber nicht, dass Zeiten der beruflichen Praxis nicht als Ausbildungszeiten berücksichtigt werden können. Der Begriff der Ausbildung im Sinne des § 2 Abs. 5 BAföG umfasst nicht nur an der Hochschule abgehaltene Lehrveranstaltungen wie Vorlesungen und Seminare. Aus § 2 Abs. 4 BAföG ergibt sich, dass auch berufliche Tätigkeiten in der Form eines Praktikums jedenfalls dann Teil der Ausbildung (Ergänzung des Lehrbetriebs) sein können, wenn solche Tätigkeiten nach den Ausbildungsvorschriften verlangt und nach dem Ausbildungskonzept durch die berufliche Tätigkeit ausbildungsrelevante Inhalte und Fertigkeiten vermittelt werden. Das wird besonders deutlich in den Fällen, in denen die Ausbildung durch die Hochschule abgeschlossen ist, für die die gesamte Ausbildung abschließende Qualifikation aber noch eine bestimmte Berufspraxis gefordert wird (vgl. zu einem die Ausbildung abschließenden einjährigen, vergüteten Berufspraktikum für die staatliche Anerkennung als Sozialpädagoge: OVG NRW, Urt. v. 29. 06. 1988 - 14 A 1207/86 -, ZMR 1989, 116; HambOVG, Urt. v. 06. 12. 1996 - Bf IV 28/95 -, Juris).
So verhält es sich auch hier mit der von den Studenten nach der Ausbildungsordnung der Hogeschool geforderten fachspezifischen beruflichen Tätigkeit. Schon die Anforderung einer fachspezifischen Tätigkeit unterscheidet diese Arbeit von einer bei anderen Ausbildungen nur verlangten irgendwie gearteten beruflichen Tätigkeit neben der Ausbildung (letztgenannte Fallgestaltungen lagen den o. g. Urteilen des BVerwG v. 30. 10. 1975, 14. 12. 1994 und 03. 06. 1998 - a. a. O. - zugrunde). Dabei muss die hier geforderte einschlägige Berufstätigkeit nicht nur inhaltlich, sondern auch organisatorisch auf die Ausbildung an der Hogeschool eingerichtet werden. Denn der Studierende muss die von der Hogeschool vorgesehenen Lehrveranstaltungen wahrnehmen (können), um die notwendigen Studienpunkte zu bekommen. Der Student muss im übrigen die Art der von ihm gewählten Tätigkeit und die Arbeitsstelle der Hogeschool mitteilen, damit deren Eignung mit Blick auf die Ausbildung von der Hogeschool geprüft werden kann.
Unerheblich ist der Hinweis des Beklagten darauf, dass die Hogeschool sich in ihren Hinweisen auch an Studenten mit einer Vollbeschäftigung wende. Denn die Hinweise enthalten insoweit gerade die Empfehlung, den Umfang der Beschäftigung auf maximal 32 Stunden wöchentlich einzuschränken. Entscheidend ist aber insoweit, dass die Ausbildungsordnung eine wesentlich geringere praktische Tätigkeit (20 Stunden wöchentlich) vorsieht und es, wie oben ausgeführt, nicht darauf ankommt, ob der Auszubildende nach seinen persönlichen Verhältnissen noch in der Lage ist, seine Arbeitskraft für eine von der Ausbildungsordnung nicht verlangte Tätigkeit einzusetzen.
Inhaltlich ist die berufspraktische Arbeit wesentlicher Teil der Ausbildung. Nach den Ausbildungsbedingungen müssen die Studierenden innerhalb der vierjährigen Ausbildungszeit 168 Studienpunkte sammeln, um anschließend ein - mit einem deutschen Fachhochschulabschluss gleichgestelltes - Diplom erwerben zu können. Dabei bekommen die Studenten für den Nachweis von 3360 Stunden praktischer Arbeit 84 Studienpunkte, weil gemäß den Ausbildungsbedingungen davon ausgegangen wird, "dass die Praxisarbeit, die man leistet, auch eine Punktzahl wert ist. Indem man arbeitet, sammelt man viele Kenntnisse und Erfahrungen". Die anderen 84 Studienpunkte erhalten die Studierenden für einen wöchentlich 8-stündigen Unterrichtsbesuch in der Hogeschool, wobei die Studierenden zusätzlich Hausaufgaben erledigen müssen. Im zweiten Schuljahr werden die Studierenden überprüft ("supervidiert"), müssen eine schriftliche Abschlussarbeit anfertigen und darüber hinaus mehrmals mehrere Tage im Jahr zur Behandlung von Sonderthemen zusammenkommen. Auch verlangt die Hogeschool nach den Ausbildungsbedingungen, dass neben dem theoretischen Lernen die praktische Arbeit reflektiert wird. Der Studierende muss zeigen, dass er das theoretisch Erlernte auch in die Praxis umsetzen kann. Diese Gewichtung und Verknüpfung der in den einzelnen Lehr- und Lernbereichen erlangten Kenntnisse und Fähigkeiten beruht offensichtlich auf dem "fähigkeitsorientierten" Ansatz des Studiums, wonach bei der Ausbildung der Erwerb berufsrelevanter Fähigkeiten im Vordergrund steht (vgl. Studienführer 1999/2000 S. 21). Die gesamte Ausbildung ist ersichtlich geprägt von dem Gedanken einer Gleichwertigkeit der drei Studienelemente: Vermittlung des theoretischen Lehrstoffes in der Hogeschool (1), Lernen durch Selbststudium (2) und schließlich Lernen durch eine zwingend fachbezogene parallele Berufstätigkeit mit gleichzeitiger Rückkoppelung zur theoretischen Wissensvermittlung durch eigene Reflektion des Erlernten, Betreuung und Überprüfung durch die Schule (3). Die ständige Betreuung der praktischen Arbeit durch die Dozenten der Hochschule stellt deren prägenden didaktischen Einfluss sicher. Bei dieser Ausgestaltung der Ausbildung ist die berufspraktische Tätigkeit untrennbarer oder - wie es das Verwaltungsgericht formuliert hat: integraler - Bestandteil des Ausbildungsgangs (ebenso VG Münster, Beschl. v. 2. 10. 1998 - 1 L 1435/98 -, V. n. b. ). Die Teilnahme an den Ausbildungsveranstaltungen der Hogeschool und die berufspraktische Tätigkeit zusammen nehmen aber die Arbeitskraft des einzelnen Studenten in einer den Anforderungen des § 2 Abs. 5 Satz 1 BAföG entsprechenden Umfang in Anspruch.
Dieses Ergebnis wird bestätigt durch die Überlegung, dass einerseits - wie erwähnt - der Ausbildungsgang Sozialpädagogik an der Hogeschool in der hier in Rede stehenden Form als mit einer inländischen Ausbildung im Fach Sozialpädagogik gleichwertig anzusehen ist, und dass andererseits die angesprochene Regelung des § 5 Abs. 1 BAföG u. a. den in Grenzgebieten lebenden Deutschen die Ausbildungsmöglichkeiten im Nachbarland erschließen soll. Diesen Anliegen würde es widersprechen, hier die Ausbildung der Klägerin in der Hogeschool wegen ihrer besonderen Struktur der Wissensvermittlung als nicht förderungsfähig einzustufen. Vielmehr ist es auch unter diesen Gesichtspunkten geboten, die dem niederländischen Bildungssystem eigene Besonderheit einer - über ein bloßes Praktikum hinausgehenden - permanenten fachbezogenen beruflichen Tätigkeit als integrativen Bestandteil der Ausbildung anzuerkennen (ebenso OVG NRW, Beschl. v. 27. 11. 1998 - 16 B 2290/98 -, V. n. b. , durch den es den Antrag auf Zulassung der Beschwerde gegen den zitierten Beschluss des VG Münster vom 02. 10. 1998 abgelehnt hat).
Zusammenfassend ist deshalb festzustellen, dass - entgegen der Meinung des Beklagten - das Verwaltungsgericht zutreffend die Ausbildung der Klägerin als förderungsfähig angesehen und die auf einer gegenteiligen Rechtsauffassung beruhenden angefochtenen Bescheide des Beklagten und der Bezirksregierung . . . aufgehoben hat.