Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 14.03.2003, Az.: 2 ME 97/03

Erste Juristische Staatsprüfung; Glaubhaftmachung; Klausurtermin: Irrtum; krankheitsbedingte Prüfungsunfähigkeit; Prüfungsunfähigkeit

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
14.03.2003
Aktenzeichen
2 ME 97/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 47949
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 29.01.2003 - AZ: 6 B 6005/02

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Ein Irrtum über den Termin einer Aufsichtsarbeit führt nicht zu einer krankheitsbedingten Prüfungsunfähigkeit.

Gründe

1

Die Beschwerde, mit der sich die Antragsteller nur noch gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts in dem Beschluss vom 29. Januar 2003 wendet, in der es das Verwaltungsgericht (auch) abgelehnt hat, den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, sie – die Antragstellerin – auch zur Anfertigung der Aufsichtsarbeit 3 (Strafrecht) in der Ersten Juristischen Staatsprüfung zu laden, bleibt erfolglos. Hierbei kann der Senat wie das Verwaltungsgericht offen lassen, ob der von der Antragstellerin begehrte Erlass einer einstweiligen Anordnung an dem sog. Verbot der endgültigen Vorwegnahme der Hauptsache scheitert, also schon als unzulässig zu betrachten ist; denn die einstweilige Anordnung ist auf jeden Fall deshalb nicht zu erlassen, weil die Antragstellerin auch nach der Einschätzung des Senats nach dem Kenntnisstand dieses Eilverfahrens einen Anordnungsanspruch für die von ihr begehrte einstweilige Anordnung, wie dies aber nach § 123 Abs. 3 VwGO  i. V. m.  § 920 Abs. 2 und § 294 Abs. 1 ZPO notwendig ist, nicht glaubhaft gemacht hat.

2

Der Senat teilt die Einschätzung des Verwaltungsgerichts in dem angefochtenen Beschluss, dass die Antragstellerin im Rahmen ihrer Wiederholungsprüfung ohne genügende Entschuldigung  i. S.  des § 15 Abs. 4 NJAG zu der für den 7. Oktober 2002 angesetzten dritten Aufsichtsarbeit (Strafrechtsklausur) nicht erschienen ist, so dass der Antragsgegner diese Aufsichtsarbeit nach § 15 Abs. 4 NJAG mit „ungenügend“ zu bewerten hatte. Denn auch nach Ansicht des Senats hat die Antragstellerin nicht glaubhaft machen können, sie habe aufgrund einer krankheitsbedingten Prüfungsunfähigkeit am 7. Oktober 2002 an der für diesen Tag angesetzten Strafrechtsklausur nicht teilnehmen können, mithin ihr Nichterscheinen genügend entschuldigt. Der Senat verweist daher nach § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf die hierzu in dem angefochtenen Beschluss vom 29. Januar 2003 angestellten Erwägungen, die auch er als zutreffend ansieht und die er deshalb nicht wiederholt. Lediglich ergänzend und auch mit Rücksicht auf das Vorbringen der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren bemerkt der Senat zusätzlich:

3

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das amtsärztliche Attest vom 8. Oktober 2002, in dem der Antragstellerin eine krankheitsbedingte Prüfungsunfähigkeit auch für den Vortag, also den 7. Oktober 2002, dem Tag der Strafrechtsklausur, bescheinigt wird, nicht zu überzeugen vermag. Denn das Attest enthält nur eine kurze Beschreibung der Diagnose („episodisch paroxysmale Angst“) sowie die nicht näher begründete „Beurteilung“, die Antragstellerin sei vom 7. bis 18. Oktober 2002 prüfungsunfähig erkrankt. Gerade weil eine krankheitsbedingte Prüfungsunfähigkeit auch für den Tag vor der Untersuchung durch die Amtsärztin behauptet worden ist, hätte für überzeugende ärztliche Feststellungen – hier einer bereits in der Vergangenheit, und zwar am 7. Oktober 2002 bestehenden und zu einer Prüfungsunfähigkeit führenden Erkrankung – eine nähere Begründung geliefert werden müssen. Allerdings hat die Amtsärztin auf eine telefonische Nachfrage eines Bediensteten des Antragsgegners (Vermerk v. 9.10.2002) erklärt, dass man bei Angstzuständen nicht genau abgrenzen könne, ab welchem Zeitpunkt diese zu einer Prüfungsunfähigkeit führen könnten, auch scheine es so, dass die Angstzustände im Fall der Antragstellerin bei Stresszuständen auftreten würden. Diese Erläuterungen sind aber ebenfalls derart allgemein, vage und detailarm gehalten, dass sich auch hieraus nicht der für eine erfolgreiche Glaubhaftmachung  i. S.  des § 123 Abs. 3 VwGO  i. V. m.  den §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO vorauszusetzende Schluss ziehen lässt, es sei überwiegend wahrscheinlich (vgl. Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Aufl. 1998, RdNr. 338 m. w. Nachw.), dass bei der Antragstellerin bereits am 7. Oktober 2002 eine Prüfungsunfähigkeit vorgelegen habe.

4

Hiervon abgesehen – dies stellt eine selbständig tragende Erwägung dieses Beschlusses dar – ergibt sich auch aus den eigenen Erklärungen der Antragstellerin, wie dies das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss bereits zutreffend hervorgehoben hat, dass für das Versäumen des Klausurtermins am 7. Oktober 2002 ein selbstverschuldeter Irrtum der Antragstellerin über den Termin der dritten Aufsichtsarbeit (Strafrechtsklausur), nicht aber eine krankheitsbedingte Prüfungsunfähigkeit kausal gewesen ist.

5

Bereits mit der Ladung vom 24. Juli 2002 waren der Antragstellerin die Termine für die von ihr zu erstellenden vier Aufsichtarbeiten und damit auch der 7. Oktober 2002 als Klausurtermin mitgeteilt worden. Für die Antragstellerin konnte daher allenfalls, wie dies auch ihre (schriftliche) Anfrage vom 26. September 2002 an das Prüfungsamt zeigt, fraglich sein, zu welchem Fachgebiet am 7. Oktober 2002 eine Klausur zu schreiben war; denn die in der Ladung vom 24. Juli 2002 genannten Klausurtermine mussten der Antragstellerin auch noch kurz vor diesen Terminen präsent gewesen sein, weil sie sich in ihrer Anfrage vom 26. September 2002 ausdrücklich darauf bezieht, sie habe „heute <also am 26. September 2002> die Ladung vom 24.07.2002 studiert“. Wenn die Antragstellerin in einem Telefongespräch mit einem Bediensteten des Prüfungsamtes am nächsten Tag entgegen der schriftlichen Ladung den - irrigen – Eindruck gewann, die dritte Aufsichtsarbeit solle wie die erste Aufsichtsarbeit erst an einem Dienstag (8. Oktober 2002) geschrieben werden und sich entsprechende Notizen gemacht hat, so muss dies zu Lasten der Antragstellerin gehen, zumal sie es auch nicht für erforderlich angesehen hat, ein ihr nach eigenem Bekunden am 2. Oktober 2002 zugegangenes Schreiben des Prüfungsamtes vom 27. September 2002 zu öffnen, in dem darauf hingewiesen worden war, dass lediglich mit Rücksicht auf den Feiertag des 3. Oktober 2002 die Klausuren in der ersten Oktoberwoche 2002 erst an einem Dienstag begonnen hatten. Hätte sich die Antragstellerin aber an die ihr in der schriftlichen Ladung vom 24. Juli 2002 vorgegebenen Klausurtermine gehalten und hätte sie zumindest, was von einer Kandidatin für die Erste Juristische Staatsprüfung an Sorgfaltspflicht auf jeden Fall verlangt werden kann, den ihr vom Prüfungsamt übersandten Brief geöffnet, so hätte sie sich über den Klausurtermin vom 7. Oktober 2002 nicht irren und diesen Termin wahrnehmen können. Es verhält sich auch nicht etwa so, wie die Beschwerde, gestützt auf die undatierte eidesstattliche Versicherung der Antragstellerin glauben machen will, die Antragstellerin sei infolge der Auseinandersetzungen mit Bediensteten des Prüfungsamtes völlig hilflos und daher aufgrund „einer extremen Ausnahmesituation“ nicht in der Lage gewesen, den hier interessierenden Klausurtermin wahrzunehmen. Die Antragstellerin hat in ihrem noch am 8. Oktober 2002 an das Prüfungsamt gerichteten Schreiben selbst erklärt, den Klausurtermin vom 7. Oktober 2002 nur versäumt zu haben, weil sie sich nicht an die in der Ladung vom 24. Juli 2002 vorgegebenen Termine gehalten, sondern infolge des Telefongesprächs vom 27. September 2002 über die Klausurtermine in der zweiten Oktoberwoche geirrt hat. Dass sie infolge von Angstzuständen und/oder infolge der Auseinandersetzungen mit den Bediensteten des Prüfungsamtes nicht in der Lage gewesen sei, den Klausurtermin vom 7. Oktober 2002 wahrzunehmen, wird auch von ihr nicht behauptet; bezeichnenderweise hat die Klägerin die Klausurtermine vom 1. und 2. Oktober 2002 nicht nur wahrgenommen, sondern an diesen Tagen auch die Klausuren schreiben können, auch ist sie (zunächst) zu dem Klausurtermin vom 8. Oktober 2002 erschienen.

6

Des Weiteren vermag der Senat der Antragstellerin nicht die in der Beschwerdebegründung nunmehr aufgestellte Behauptung abzunehmen, sie habe sich „psychisch nicht in der Lage“ gesehen, den ihr bereits am 2. Oktober 2002 vom Prüfungsamt zugesandten Brief zu öffnen. Dieser Version der Ereignisse steht bereits entgegen, dass eine derartige psychische Blockade von der Antragstellerin in ihrem unmittelbar nach dem Versäumen des Klausurtermins verfassten Schreiben vom 8. Oktober 2002 nicht behauptet worden ist, obwohl dies nahegelegen hätte. Vielmehr spricht die Antragstellerin in dem Schreiben vom 8. Oktober 2002 lediglich von einem katastrophalen Fehler, der sie veranlasst habe, den fraglichen Brief nicht zu öffnen, nicht aber von einer psychischen Blockade. Der Senat hat daher die Einschätzung gewonnen, dass es sich bei der jetzt aufgestellten Behauptung nur um eine Schutzbehauptung handelt, und zwar um eine Reaktion auf die Begründung des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts.

7

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die weitere Nebenentscheidung über den Streitwert auf den §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 14, 20 Abs. 3 GKG. Hierbei ist es bei der Streitwertfestsetzung nach Ansicht des Senats nicht angebracht, die noch in Deutsche Mark lautende Empfehlung des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Tz. 35.1; abgedruckt bei Albers, in Hartmann, Kostengesetze, 27. Aufl. 1997, RdNr. 33 zum Anhang I B zu § 13 GKG), der der Senat für die Streitwertfestsetzung folgt, annähernd exakt in Euro umzurechnen, weil auch der Gesetzgeber beim sog. Auffangstreitwert des § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG im Interesse einer besseren Handhabung und auch zu Gunsten des rechtssuchenden Publikums abgerundet hat; der Streitwert war daher nicht auf 5.1000 €, sondern auf 5.000 € festzusetzen.

8

Der Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO/§ 25 Abs. 3 Satz 2 GKG nicht anfechtbar.