Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 14.12.2012, Az.: VgK-48/2012

Unsachgerechte Ausübung der Befugnis des Ausschreibenden zur Prüfung der Auskömmlichkeit des Angebotes i.R. der Vergabe von Reinigungsverträgen

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
14.12.2012
Aktenzeichen
VgK-48/2012
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 35201
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

In dem Nachprüfungsverfahren
der xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Antragstellerin -
gegen
den xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Antragsgegner -
beigeladen:
xxxxxx,
- Beigeladene zu 1 -
xxxxxx,
- Beigeladene zu 2 -
wegen
Fenster- und Unterhaltsreinigung in schulischen Einrichtungen des Landkreises xxxxxx, Lose 2 - 5
hat die Vergabekammer durch den Vorsitzenden RD Gaus, den hauptamtlichen Beisitzer Dipl.-Ing. Peter und den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Verwaltungswirt Jörg Abraham, auf die mündliche Verhandlung vom 07.12.2012
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Der Antragsgegner wird verpflichtet, erneut in die Angebotswertung einzutreten, diese im Hinblick auf die Angemessenheit der Preise und die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes erneut durchzuführen und dabei die aus den Gründen ersichtliche Rechtsauffassung der Vergabekammer zu beachten.

  2. 2.

    Die Kosten werden auf xxxxxx € festgesetzt.

  3. 3.

    Die Kosten trägt grundsätzlich der Antragsgegner. Der Antragsgegner ist jedoch von der Entrichtung der Kosten persönlich befreit.

  4. 4.

    Der Antragsgegner hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Kosten zu erstatten.

    Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war für die Antragsstellerin notwendig.

Begründung

1

I.

Der Antragsgegner hat die Fenster- und Unterhaltsreinigung in schulischen Einrichtungen mit EU-Vergabebekanntmachung vom xxxxxx.2012 europaweit im offenen Verfahren als Dienstleistungsauftrag gemäß VOL/A ausgeschrieben. Die streitgegenständlichen Lose 2 bis 5 umfassten die Unterhaltsreinigung von schulischen Einrichtungen an vier Standorten auf einer Gesamtfläche von rd. 31.100 m2. Es konnte auf ein oder mehrere Lose geboten werden. Hinsichtlich der Zuschlagskriterien wurde auf die Verdingungsunterlagen verwiesen.

2

Gemäß dem Abschnitt "Angebots- und Vertragsbedingungen Gebäudereinigung" der Verdingungsunterlagen sollten die Arbeiten vom Auftragnehmer am 2. Januar 2013 aufgenommen werden und der Vertrag auf zunächst unbestimmte Zeit laufen. Mit dem Angebot war eine Kalkulation des Stundenverrechnungssatzes für eine Raumpflegerin der Entgeltgruppe 1 aufgeschlüsselt nach Löhnen, lohngebundenen Kosten, sonstigen Kosten und Risiko und Gewinn vorzulegen. In Bezug auf die Zuschlagskriterien war unter der lfd. Nr. 8 der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes geregelt, dass die Angebotssumme in brutto pro Jahr mit 70 % und die Jahresarbeitsstunden mit 30 % gewichtet werden sollten. Zur Angebotswertung war dort weiterhin Folgendes festgelegt:

"Es wird bei beiden Kriterien eine prozentuale Relation zum Mittelwert aller zugelassenen Angebote ermittelt. Angebote, bei denen einer oder beide Referenzwerte über 15 % von den jeweiligen Mittelwerten abweichen, werden aus der Wertung genommen. Dieses gilt nur für die Unterhaltsreinigung."

3

Bis zum Ende der Angebotsfrist gaben 15 Bieter Angebote ab. Nach der formalen Prüfung der Angebote wurde vom Antragsgegner ein erster Wertungsdurchgang durchgeführt und am Ende entsprechend den Regelungen unter der lfd. Nr. 8 der Aufforderung zur Angebotsabgabe die Angebote ausgeschieden, die mehr als 15 % vom Mittelwert abgewichen waren. Mit den verbleibenden Angeboten wurde dann ein zweiter und finaler Wertungsdurchgang durchgeführt. Nach Abschluss der Wertung belegte die Antragstellerin bei allen vier Losen für die Unterhaltsreinigung den ersten Rang.

4

Mit Schreiben vom 19.10.2012 teilte der Antragsgegner mit, dass er die Kalkulation der Antragstellerin für nicht auskömmlich halte. Bei einem Tariflohn von 9,00 € und einem Verrechnungssatz von 15,32 € ergebe sich ein Aufschlag von lediglich 70,22 % auf den Tariflohn. Auch die Position für Risiko und Gewinn in Höhe von lediglich 0,10 € entsprechend 1,11 % Aufschlag auf den Tariflohn, bedürfe der Erläuterung. Der Antragsgegner bat um Stellungnahme bis zum 24.10.2012.

5

Auf das Aufklärungsersuchen hin teilte die Antragstellerin mit, dass vorliegend im Sinne einer entscheidungsorientierten Deckungsbeitragsrechnung zwischen fixen und variablen Kosten unterschieden werden müsse. Variable Kosten seien die Kosten für das vor Ort tätige Reinigungspersonal einschließlich der zugehörigen Lohnnebenkosten. Diese betrügen vorliegend, wie sie im Stundenverrechnungssatz dargestellt habe, 9,00 € plus 4,63 €, also insgesamt 13,63 €. Ihr Angebotspreis von 15,30 € übersteige die variablen Kosten damit um 1,67 € pro Stunde. Dieser Betrag sei der Deckungsbeitrag zur Deckung der fixen Kosten. Bei jedem Angebot, bei dem der Stundensatz oberhalb der variablen Kosten liege, werde damit ein positiver Deckungsbeitrag erzielt. Somit seien die variablen Kosten als absolute Preisuntergrenze für ein Angebot anzusehen. Der Antragstellerin sei es gelungen, bereits durch die Summe aller übrigen Aufträge bei vorhandener Betriebs- und Infrastruktur die fixen Kosten komplett bis auf Teile des auftragsbezogenen Kostenblocks zu decken. Hier würden erhebliche Größendegressionseffekte des Unternehmens wirken. Jeder weitere Auftrag, der mit Deckungsbeitrag egal welcher Höhe generiert werde, sei somit gleichbedeutend mit der Erhöhung des Gewinns. Dies rechtfertige auch den gewählten Ansatz für Risiko und Gewinn, der kaufmännisch vertretbar sei. Bieter dürften nach der Rechtsprechung grundsätzlich sogar auch ohne Gewinn kalkulieren. Die Antragstellerin sei jederzeit in der Lage, mit den angebotenen Preisen die Leistungen zuverlässig und vertragsgerecht zu erbringen und gewährleiste die Entlohnung der Mitarbeiter auf der Grundlage des Entsendegesetzes und der tariflichen Gegebenheiten.

6

Am 24.10.2012 teilte der Antragsgegner mit, dass es allgemein bekannt sei, dass Kalkulationen mit einem Aufschlag von unter 70 % auf den Tariflohn im Rahmen von Prüfungen nach dem Entsendegesetz verworfen würden, dies bedeute aber auch keinesfalls, dass Kalkulationen ab 70 % Aufschlag auskömmlich seien. Im Übrigen verbiete es sich, auch über eine Deckungsbeitragsrechnung eine Vermischung der einzelnen Kalkulationspositionen vorzunehmen. Die Angebote der Antragstellerin würden weiterhin keine Berücksichtigung finden.

7

Am 25.10.2012 protestierte der Geschäftsführer per Mail gegen das Schreiben vom 24.10.2012. Er werde nach Rücksprache mit den Anwälten Klage vor der Vergabekammer einreichen. Am 30.10.2012 rügte die Antragstellerin das Vergabeverfahren unter Bezugnahme auf ihr Schreiben vom 23.10.2012. Der Antragsgegner wies die Rüge am 31.10.2012 zurück und teilte der Antragstellerin am 02.11.2012 mit Bieterinformation nach § 101a GWB mit, dass sie den Zuschlag auf die einzelnen Lose auf die dort näher bezeichneten Bieter erteilen wolle. Die Angebote der Antragstellerin könnte nicht berücksichtigt werden, da sie nicht auskömmlich seien. Zur Begründung verwies sie auf ihre Aufklärungsschreiben. Auf die Bieterinformation hin beantragte die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 12.11.2012 die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens.

8

Der Antrag sei zulässig. Insbesondere habe sie den beabsichtigten rechtswidrigen Ausschluss ihrer Angebote rechtzeitig gerügt. Der Rechtsverstoß sei für die Antragstellerin frühestens durch die Würdigung des Schreibens des Antragsgegners vom 24.10.2012 durch ihren Rechtsbeistand am 29.10.2012 positiv zur Kenntnis gelangt. Sie habe dann am folgenden Tag schriftlich und damit unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 GWB gerügt.

9

Der Antrag sei auch begründet. Der Antragsgegner habe in seinem Aufklärungsschreiben vom 19.10.2012 den beabsichtigten Ausschluss der Angebote der Antragstellerin wegen Unauskömmlichkeit nur darauf gestützt, dass die Kalkulation lediglich auf einem Aufschlag von 70,22 % auf den Tariflohn basiere und dass sie bei der Position "Risiko und Gewinn" lediglich mit 0,10 € entsprechend 1,11 % Aufschlag auf den Tariflohn kalkuliert habe, was einer Jahressumme von nur 1.332,80 € entspräche. Soweit sich der Antragsgegner auf einen Aufschlag von lediglich 70,22 % auf den Tariflohn stütze, führe er damit nachträglich einen automatisierten Ausschlussgrund ein, der durch keine Vergaberechtsnorm gedeckt sei. Hierbei handele es sich um eine willkürliche und sachfremde Erwägung des Antragsgegners. Es bestehe weder eine vergaberechtliche Norm noch werde es der zu gewährenden Kalkulationsfreiheit der Antragstellerin gerecht, wenn der Antragsgegner undifferenziert und verallgemeinert festlegt, dass Angebote mit 70 % Aufschlag auf den Tariflohn unauskömmlich seien. Beides sei vergaberechtswidrig. Dies habe die Vergabekammer des Bundes bereits in einem ähnlich gelagerten Fall in ihrem Beschluss vom 27.12.2011, VK 1-159/11, entschieden.

10

Darüber hinaus habe es vorliegend auch keinen Anlass für eine Auskömmlichkeitsprüfung gegeben. Der von dem Antragsgegner angewandte, wenn auch nicht mit der Norm benannte Ausschlussgrund nach § 19 EG Abs. 6 VOL/A "Offenbares Missverhältnis zwischen Angebotspreis und Leistung" sei durch die Rechtsprechung der letzten Jahre ausgesprochen gefestigt ausgestaltet und definiert worden. Zunächst sei festzustellen, dass die Regelung des § 19 EG Abs. 6 VOL/A im Gegensatz zu der Vorgängerregelung nur noch das Angebot selbst, also den Endpreis, ins Auge fasse und nicht mehr auf "Einzelposten" Bezug nehme. Der Antragsgegner habe hinsichtlich der Wertungskriterien selbst festgelegt, dass Angebote, soweit sie in einer der beiden genannten Kriterien mehr als 15 % vom Mittelwert abweichen, aus der Wertung genommen würden. Dies können im objektiven Empfängerhorizont eines Bieters nur so verstanden werden, dass eine Abweichung im Preis um mehr als 15 % vom Mittelwert nach unten als unwirtschaftlich im Sinne von unauskömmlich zu verstehen sei. Dieser Wert korrespondiere auch mit der obergerichtlichen Rechtsprechung, nach der bei Standardbeschaffungen wie der Gebäudereinigung eine Aufklärungsschwelle etwa bei 15 % Abweichung vom nächst höheren Angebot zu verorten sei. Ausweislich des überlassenen Auszugs aus der Vergabeakte habe die Antragstellerin bei allen Angeboten weder bei den Einzelkriterien noch bei der Zusammenfassung der Kriterien diesen Wert erreicht oder überschritten. Damit seien die Angebote der Antragstellerin auch nach den Wertungsvorgaben des Antragsgegners als wirtschaftlich anzusehen. Einen Anlass zu einer Auskömmlichkeitsprüfung habe es deshalb nicht gegeben.

11

Schließlich habe sie bereits in ihrer Antwort auf das Aufklärungsersuchen des Antragsgegners hinsichtlich des von diesem monierten, angeblich zu geringen Ansatzes für Risiko und Gewinn über eine Deckungsbeitragsrechnung dargelegt, dass es ihr vorliegend möglich sei, Gewinn zu erzielen. Bei der Antragstellerin handele es sich um ein Großunternehmen mit fast xxxxxx Beschäftigten und einem Jahresumsatz von annähernd xxxxxx €. Es sei ihr deshalb möglich, über Naturalrabatte bei Reinigungschemie oder bei Anschaffungen über Massenansätze vorteilhafte Preise zu erzielen. Dieser Marktvorteil sei legal und dem Wettbewerb immanent. Die Festlegung der Höhe von Gewinn und Risiko bleibe ihr im Rahmen ihrer Kalkulationsfreiheit überlassen. Grundsätzlich sei es sogar zulässig, aus strategisch-unternehmerischen Überlegungen heraus auch gänzlich ohne Gewinn und Risiko zu kalkulieren.

12

Die Antragstellerin beantragt,

  1. 1.

    ein Nachprüfungsverfahren gemäß § 107 Abs. 1 GWB gegen die beabsichtigte Zuschlagserteilung für die Lose 2 bis 5 im o.g. offenen Verfahren (Verstoß gegen Wettbewerbs-, Gleichbehandlungs- und Transparenzgrundsatz) einzuleiten,

  2. 2.

    die Antragsgegnerin zu beauflagen, den Zuschlag unter gegebenen Bedingungen nicht zu erteilen und unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer bei Fortbestehen des Beschaffungswillens die Rechtmäßigkeit des Vergabevorhabens wieder herzustellen,

  3. 3.

    auch für den Fall einer eventuellen zwischenzeitlichen Erledigung festzustellen, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist,

  4. 4.

    die Vergabeakten der Antragsgegnerin hinzuzuziehen und der Antragstellerin Akteneinsicht zu gewähren,

  5. 5.

    den Nachprüfungsantrag der Antragsgegnerin unverzüglich zuzustellen,

  6. 6.

    die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragstellerin für notwendig zu erklären und der Antragsgegnerin die Verfahrenskosten einschließlich der Aufwendungen der Antragstellerin aufzuerlegen.

13

Der Antragsgegner beantragt,

  1. 1.

    den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen;

  2. 2.

    die Kosten des Verfahrens sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners der Antragstellerin aufzuerlegen;

  3. 3.

    die Hinzuziehung der rechtsanwaltlichen Vertretung durch den Antragsgegner für notwendig zu erklären.

14

Der Antrag sei bereits unzulässig. Die Antragstellerin habe mit Schreiben vom 24.10.2012 die Mitteilung erhalten, dass ihre Angebote nicht berücksichtigt werden sollten. Erst mit Schreiben vom 30.10.2012 und damit sechs Tage nach Kenntnis habe sie ihren Ausschluss gerügt. Diese Rüge sei bei einem einfachen Sachverhalt, wie dem hier mitgeteilten, verspätet. Bei einem solch klaren Sachverhalt sei von einer Rügefrist von ein bis drei Tagen auszugehen.

15

Der Nachprüfungsantrag sei auch unbegründet. Dem Auftraggeber stehe bei der Frage, ob eine Aufklärungspflicht bestehe, grundsätzlich ein Beurteilungsspielraum zu. Es sei in der Rechtsprechung allgemein anerkannt, dass sich neben dem bekannten Aufgreifkriterium für eine Auskömmlichkeitsprüfung "prozentualer Abstand zum nächst höheren Angebot" eine Aufklärungsberechtigung auch aus anderen Anhaltspunkten und Bezugsgrößen als dem preislichen Abstand zwischen den Angeboten ergeben könne. Gleichfalls sei anerkannt, dass Gegenstand der Angemessenheitsprüfung nicht nur der Gesamtpreis, sondern auch die Preise für einzelne, in sich geschlossene Teile der Leistung, sein können. Diesen Maßgaben folgend habe die Kalkulation Anhaltspunkte und Auffälligkeiten enthalten, die den Antragsgegner zu einer Angebotsprüfung berechtigte. So habe das Angebot der Antragstellerin einen Aufschlag von lediglich 70,22 % auf den Tariflohn enthalten. Im Weiteren sei hinzu getreten, dass die Antragstellerin für die Position " Risiko und Gewinn" einen Betrag von nur 0,10 € pro Reinigungsstunde kalkuliert habe.

16

Da sich ferner nicht nur der Auftragnehmer einer Geldbuße ausgesetzt sehen könne, wenn er seinen Mitarbeitern nicht den gesetzlichen Mindestlohn zahlt, sondern eine Geldbuße auch gegen den öffentlichen Auftraggeber verhängt werden könne, der ein solch knapp kalkuliertes Angebot bezuschlagt, war der Antragsgegner vorliegend nicht nur berechtigt, sondern im eigenen Interesse sogar verpflichtet gewesen, eine Auskömmlichkeitsprüfung durchzuführen.

17

Bezüglich der Frage, ob ein Angebot wegen eines Missverhältnisses von Preis- und Leistung ausgeschlossen werden müsse, stehe dem Auftraggeber ein Beurteilungsspielraum zu, der nur in Grenzen überprüfbar sei, nämlich im Falle von willkürlichen oder sachfremden Erwägungen. Ergäbe die Angebotsprüfung im Rahmen des Beurteilungsspielraumes, dass die Preise nicht schlüssig und nachvollziehbar in rechtlicher und betriebswirtschaftlicher Hinsicht seien, so dürfe hierauf der Zuschlag nicht erteilt werden. Dem Auftraggeber könne es nämlich nicht zugemutet werden, ein ihm unauskömmlich erscheinendes Angebot zunächst anzunehmen und bei nicht ordnungsgemäßer Leistungserbringung seine Rechte dann auf der Ebene der Vertragsdurchführung durchzusetzen. Der Bieter müsse also den Eindruck eines ungewöhnlich niedrigen Angebotes entkräften bzw. beachtliche Gründe dafür aufzeigen, dass sein Angebot dennoch angenommen werden könne. Die Beweislast gehe folglich auf den Bieter über, der den Anschein der Unauskömmlichkeit durch Plausibilisierung zu widerlegen habe. Zusammengefasst sei es am Bieter, den Auftraggeber von der Seriosität und Auskömmlichkeit seines Angebotes zu überzeugen.

18

Gegenstand und Maßstab der Prüfung seien schließlich allein die zum Zeitpunkt der Beurteilung/Prognoseentscheidung fristgemäß vorliegenden Angaben und Unterlagen. Späterer Vortrag müsse unberücksichtigt bleiben. Diesen Maßgaben folgend sei die Antragstellerin mit Schreiben vom 19.10.2012 aufgefordert worden, den von ihr angebotenen Stundenverrechnungssatz einschließlich der von ihr angegebenen Risiko- und Gewinnmarge pro Reinigungsstunde zu plausibilisieren. Mit Antwortschreiben vom 23.10.2012 musste der Antragsgegner zunächst feststellen, dass eine genauere Kalkulationserläuterung, Kalkulationsaufschlüsselung oder eine vergleichbare nachvollziehbare Vertiefung der Kalkulation gänzlich fehlte. Ansonsten übliche Urkalkulationen und Aufschlüsselungen fehlten. Statt dessen versuchte es die Antragstellerin in dem Schreiben vom 23.10.2012, den Angebotsbetrag auf der Grundlage der von ihr bemühten sog. Deckungsbeitragsrechnung ohne jede Nachweisführung oder Unterlegung ihrer Ausführungen schön zu rechnen. Die fehlende Plausibilität ergab sich weiter daraus, dass die von der Antragstellerin angeführte Deckungsbeitragsmethode schon nicht berücksichtigte, dass zu den variablen Kosten neben den unmittelbaren Personal- und Lohnnebenkosten auch die Kosten für Reinigungs- und Verbrauchsmaterial sowie für Maschinen und Geräte gehören. Die Preisprüfung ergab damit, dass die Antragstellerin weder den ungewöhnlich niedrigen Risiko- und Gewinnaufschlag schlüssig erklären konnte, noch das Angebot insgesamt auf einer einheitlichen nachvollziehbaren und vor allem überprüfbaren Kalkulationsgrundlage basierte. Vor diesem Hintergrund seien die Angebote der Antragstellerin ausgeschlossen worden.

19

Wegen des übrigen Sachverhaltes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 07.12.2012 Bezug genommen.

20

II.

Der Antrag ist zulässig und begründet.

21

1.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Der Antragsgegner ist als Gebietskörperschaft öffentlicher Auftraggeber gemäß § 98 Nr. 1 GWB. Er beabsichtigt mit der Vergabe von Reinigungsverträgen die Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags gemäß § 99 Abs. 1, Abs. 4 GWB. Der hier streitbefangene Auftrag übersteigt den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, welche die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt worden sind. Gemäß § 2 Nr. 2 VgV in der zur Zeit der Bekanntmachung dieses Auftrages (22.08.2012) geltenden Fassung gilt ein Schwellenwert von 200.000 € (vgl. Änderung der Vergabeverordnung vom 14.03.2012, BGBl. I, S. 488). Der Antragsgegner hat den Gesamtauftragswert netto bereits für vier Lose deutlich höher geschätzt (vgl. Nachricht an das Rechnungsprüfungsamt vom 27.07.2012), so dass dieser Schwellenwert durch den hier zu vergebenden Auftragswert überschritten ist.

22

Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt gemäß § 107 Abs. 2 GWB, da sie als Bieterunternehmen, welches nach dem Zwischenergebnis der Wertung das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hatte, ein Interesse an der Vergabe der Lose 2 bis 5 des Auftrages hat und die Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Sie vertritt die Auffassung, ihr Angebot habe nicht wegen Unauskömmlichkeit ausgeschlossen werden dürfen. Voraussetzung für die Antragsbefugnis gemäß § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das Antrag stellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass die Antragstellerin diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt. Die diesbezüglichen Anforderungen an die Darlegungslast dürfen nicht überspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2. Auflage, § 107, GWB, Rdnr. 954). Die Antragstellerin hat durch ihre Rügen schlüssig dargelegt, dass sie sich durch den Ausschluss ihres Angebotes in ihrem Recht auf Zuschlag beeinträchtigt sieht.

23

Die Antragstellerin ist ihrer Pflicht gemäß § 107 Abs. 3 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer den geltend gemachten Verstoß gegen Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber zu rügen. Gemäß § 107 Abs. 3 Ziff. 2 und 3 ist der Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung oder aus den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden. Die Antragstellerin hat bis zur Frist zur Angebotsabgabe keine Rügen erhoben, somit keine Möglichkeit, die vorgegebene Kalkulation des Stundenverrechnungssatzes der Raumpflegerin gemäß Seite 11 der Sonstigen Angaben oder den ohne jegliche Aufklärung vorgesehenen automatisierten Ausschluss aller Angebote, die mehr als 15% vom Mittelwert abweichen, zum Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens zu erheben.

24

Gemäß § 107 Abs. 3 Ziff. 1 GWB ist ein Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit der Antragsteller den gerügten Verstoß gegen Vergabevorschriften im Vergabeverfahren erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht unverzüglich gerügt hat. Als unverzüglich gilt grundsätzlich ein Zeitraum innerhalb von 1 bis 3 Tagen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 18.09.2003, Az. 1 Verg 4/03; Bechtolt, GWB, § 107, Rdnr. 2).

25

Die Frist beginnt erst, wenn der Antragsteller sowohl von den tatsächlichen Umständen, auf die er seinen Vorwurf einer ihn betreffenden Vergaberechtsverletzung stützt, Kenntnis erlangt, als auch aufgrund einer zumindest laienhaften Wertung wusste, dass sich aus ihnen eine Missachtung von Bestimmungen über das Vergabeverfahren ergibt, oder dass die Vergabestelle mit dem betreffenden Verhalten gegen solche ihn als Bieter schützende Vorschriften des Vergaberechts verstößt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.09.2009, VII Verg 12/09; Kadenbach in Willenbruch/ Wieddekind, Vergaberecht Kompaktkommentar, 2. Auflage, 11. Los, § 107 GWB, Rdnr. 58).

26

Hier hat der Antragsgegner der Antragstellerin mit Schreiben vom Mittwoch, den 24.10.2012, welches vorab am Vormittag per Mail übermittelt wurde, mitgeteilt, dass ihre für die Lose 2 bis 5 abgegebenen Angebote wegen der Unauskömmlichkeit der Kalkulation aufgrund der Vorgaben des Entsendegesetzes keine Berücksichtigung finden. Damit trat Kenntnis von den tatsächlichen Umständen am 24.10.2012 mit Erhalt des Schreibens in Textform ein. Aufgrund des durchaus rechtskundigen Vortrags in der Rüge, des Nachprüfungsantrags und in der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer geht die Vergabekammer auch davon aus, dass der Betriebsleiter der Antragstellerin, bereits an diesem Tag oder am Folgetag zumindest laienhaft zu der Einschätzung gelangt sein dürfte, dass hier das Vergaberecht missachtet sein könnte. Das wird durch dessen Vorlage an den Geschäftsführer und dessen Reaktion per Mail vom 25.10.2012 gestützt. Allerdings ist die Einordnung des Schreibens vom 24.10.2012 durchaus nicht einfach, weil hier erkennbar der Ausschluss aufgrund nicht nachgewiesener Auskömmlichkeit erstmals mit dem Ausschluss wegen eines Verstoßes gegen das Entsendegesetz verknüpft wird, die beide auf verschiedenen Wertungsstufen zu prüfen sind.

27

Bei strenger Auslegung der Frist zur unverzüglichen Rüge käme die Vergabekammer zu dem Ergebnis, dass diese Frist nach drei Tagen, also am Samstag bzw. am Sonntag dem 27.10.2012 ablief. Da an diesen Tagen aber der Antragsgegner wegen des Wochenendes ohnehin nicht zu erreichen war, eine am Samstag erhobene Rüge ihn also erst am Montag, den 29.10.2012 erreicht hätte, war auch eine Rüge, die den Antragsgegner am 29.10.2012 früh erreichte, unverzüglich, ohne dass es auf die Darstellungen zur Möglichkeit oder Notwendigkeit der Einholung rechtlichen Rates ankäme.

28

Die Antragstellerin hat die Rüge einen Tag später erhoben, wenn auch gleichfalls am Vormittag. Sie hatte bereits in der Mail vom 25.10.2012 an den Antragsgegner angekündigt, rechtlichen Rat einzuholen und danach "Klage vor der Vergabekammer" einzureichen. Obwohl sich zunächst kein Rechtsanwalt für die Antragstellerin legitimierte, erscheint daher ihre spätere Darstellung plausibel, wonach ihr die Erhebung der Rüge wegen der Einholung rechtlichen Rats nicht früher möglich gewesen sei.

29

Bei Einschaltung eines Anwaltes bzw. Prüfung schwieriger Rechtsfragen wird die obige Frist von ein bis drei Tagen regelmäßig auf maximal eine Woche (vgl. VK Nordbayern, Beschluss vom 08.06.2011 - 21.VK-3194-14/11) ausgedehnt. Darüber hinaus gibt es eine starke Tendenz, als Reaktion auf die Entscheidungen des EUGH (vgl. Urteile vom 28.01.2010 in den Rechtssachen C-406/08 und C-456/08, zustimmend OLG Celle, Beschluss vom 26.04.2010, 13 Verg 4/10), welcher klarere Fristen für die Ausübung und Gewährleistung des Primärrechtsschutzes verlangt, den Begriff der Unverzüglichkeit großzügiger auszulegen (OLG Dresden, Beschluss vom 07.05.2010, WVerg 6/10; OLG München, Beschluss vom 15.03.2012, Verg 2/2). Das führt regelmäßig dazu, dass auch ohne nachgewiesene anwaltliche Beratung eine innerhalb einer Woche erhobene Rüge noch als unverzüglich angesehen wird.

30

Da die Rüge hier trotz der anwaltlichen Beratung noch innerhalb der in der Rechtsprechung zunehmend verbreiteten und akzeptierten Wochenfrist erhoben worden ist, da außerdem aufgrund des Wochenendes die durch die behauptete, wenngleich zu diesem Zeitpunkt noch nicht durch Legitimation des Rechtsanwaltes offengelegte rechtliche Beratung eingetretene effektive Verzögerung von 24 Stunden nur geringfügig ist, sieht die Vergabekammer die Rüge als unverzüglich erhoben an.

31

Die Rüge vom 09.11.2012 gegen die am 02.11.2012 mitgeteilte Bieterinformation gemäß § 101a GWB ist aus den obigen Gründen nicht präkludiert, auch wenn beide Schreiben inhaltlich nur die Korrespondenz vom 24.10.2012 und 30.10.2012 wiederholen.

32

Der Antragsgegner hat die Frist gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB nicht durch einen Passus in Ziff. VI.4.2 der öffentlichen Bekanntmachung in Kraft gesetzt. Daher scheidet eine mögliche Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrages wegen dieser Vorschrift aus.

33

2.

Der Nachprüfungsantrag ist begründet. Der Antragsgegner hat die ihm zustehende Befugnis zur Prüfung der Auskömmlichkeit des Angebotes der Antragstellerin nicht sachgerecht ausgeübt. Er hat die Auskömmlichkeitsprüfung auf die aus den Angebotspreisen erkennbaren Stundenlöhne beschränkt, ohne zu berücksichtigen, dass auch hinsichtlich weiterer in den Vergabeunterlagen benannter Zuschlagskriterien, hier den Jahresarbeitsstunden, ein Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung im Sinne einer fehlenden Auskömmlichkeit zu prüfen ist. Ein Angebot ist immer dann ungewöhnlich niedrig, wenn der kalkulierte Einsatz quantitativ bestimmbarer Mittel nicht ausreicht, die geforderte Leistung zu erbringen.

34

Das umfasst daher nicht nur die Fälle, in denen ein kalkulierter Preis (hier der kalkulierte Stundenlohn) zu niedrig erscheint, sondern auch jene Konstellationen in denen die kalkulierte Zahl der Stunden oder die je Arbeitstunde bemessene Reinigungsfläche möglicherweise nicht ausreichend bemessen ist, um die zu vergebende Leistung vertrags- und gesetzestreu erbringen zu können. Der öffentliche Auftraggeber ist verpflichtet, in der Wertung eine von ihm für erforderlich gehaltene Auskömmlichkeitsprüfung auf alle von ihm gesetzten quantitativ vollständig erfassbaren Zuschlagskriterien zu erstrecken.

35

a)

Der Antragsgegner wäre gemäß § 97 Abs. 4 GWB i. V. m. § 4 Nr. 2, § 3 und § 5 Nr. 1 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes in der Fassung vom 24. Februar 2012 (BGBl. I, S. 212) sowie in Verbindung mit der dritten Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen in der Gebäudereinigung vom 21.12.2011 berechtigt gewesen, die Eignung der Antragstellerin über die erbrachten Eigenerklärungen gemäß Ziffer 5 des Angebotsschreibens hinaus zu prüfen. Er ist auch berechtigt, erneut in die Prüfung der Eignung einzutreten, wenn ihm auf einer späteren Wertungsstufe Zweifel an der Eignung der Antragstellerin kommen, etwa weil die Antragstellerin den gesetzlichen Mindestlohn nicht kalkuliert hat, somit die gesicherte Prognose erstellbar ist, dass sie bei der Auftragsabwicklung nicht gesetzestreu handeln werde.

36

Nach § 97 Abs. 4 Satz 1 GWB werden Aufträge an gesetzestreue Unternehmen vergeben. Die Vorschrift ist im Jahr 2009 als klarere und konkretere Umschreibung des Begriffs der Zuverlässigkeit in das GWB eingefügt worden. Zu den von allen Unternehmen einzuhaltenden Regeln gehören auch für allgemein verbindlich erklärte Tarifverträge. Auch wenn dies keine formellen Gesetze sind, so sind es doch allgemeinverbindliche gesetzesähnliche Rechtsakte, denen sich kein Unternehmen entziehen darf (BT Drucks 16/11428 S. 33).

37

Bei der Gesetzestreue handelt es sich um eine bieterbezogene Eigenschaft und somit um ein Eignungskriterium. Der öffentliche Auftraggeber ist deshalb bereits nach Abschluss der formalen Wertung der Angebote gemäß § 19 Abs. 5 EG VOL/A verpflichtet, in einer zweiten Wertungsstufe zu überprüfen, ob die Bieter die zur Vertragserfüllung erforderliche Eignung besitzen. Zur Eignung gehören gemäß §§ 2 Abs. 1 Satz 1 EG VOL/A, 97Abs. 4 GWB auch die Leistungsfähigkeit und Gesetzestreue (vgl. OLG Düsseldorf Beschluss vom 31.10.2012 Verg 17/12).

38

Das Arbeitnehmerentsendegesetz des Bundes gilt gemäß § 4 Nr. 2 für Tarifverträge der Gebäudereinigung und ist gemäß § 3 AEntG zwingend anzuwenden, wenn der Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt ist oder eine Rechtsverordnung nach § 7 AEntG vorliegt. Eine solche Rechtsverordnung liegt mit der 3. Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen in der Gebäudereinigung vom 21.12.2011 vor. Nach deren § 1 finden die in der Anlage zu dieser Verordnung aufgeführten Rechtsnormen des Tarifvertrages zur Regelung für Mindestlöhne für gewerbliche Arbeitnehmer in der Gebäudereinigung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland auf alle nicht an ihn gebundenen Arbeitgeber sowie Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen Anwendung, die unter seinen am 1. Januar 2012 gültigen Geltungsbereich fallen, wenn der Betrieb oder die selbständige Betriebsabteilung überwiegend Gebäudereinigungsleistungen erbringt. Letzteres ist hier unstreitig, so dass der Mindestlohn einzuhalten ist. Somit ist nur der Bieter gesetzestreu, der die Zahlung eines gesetzlichen Mindestlohnes von 9,00 € je Arbeitsstunde für die Lohngruppe 1 ab dem 01.01.2013 gewährleistet. Dabei handelt es sich um tatsächlich geleistete Arbeitsstunden unabhängig davon, welche Leistung innerhalb dieser Zeit tatsächlich erbracht worden ist. Erfüllt ein Auftragnehmer diese Anforderung nicht, oder ist aufgrund der Angebotskalkulation sicher prognostizierbar, dass er diese Anforderung nicht erfüllen wird, so ist er gemäß § 97 Abs. 4 Satz 1 GWB § 19 EG Abs. 5 VOL/A nicht geeignet.

39

Die systematische Zuordnung der Gesetzestreue zu den bieterbezogenen Eignungskriterien führt aber nicht zu einer Verpflichtung des Auftraggebers, sowohl auf der zweiten Wertungsstufe bei der Prüfung der Bietereignung, als auch auf der dritten Wertungsstufe, bei der Prüfung der Angemessenheit der Preise die Kalkulation der Angebote zu prüfen. Vielmehr ist der öffentliche Auftraggeber berechtigt, sich bei der Prüfung der zweiten Wertungsstufe auf die Eigenerklärung des Bieters zu stützen. Wenn der öffentliche Auftrageber bei der Prüfung der Angemessenheit der Preise einen begangenen Verstoß gegen gesetzliche Verpflichtungen feststellt oder einen bei der Auftragsabwicklung zu erwartenden Verstoß mit hinreichender Sicherheit prognostiziert, kann er aus dem Ergebnis einer Prüfung der Angemessenheit der Preise einzelfallbezogen auch Zweifel an der Eignung des jeweiligen Bieters begründen, die es erforderlich machen, erneut in die Prüfung der zweiten Wertungsstufe einzutreten.

40

b)

Der Antragsgegner war gemäß § 19 EG Abs. 6 VOL/A berechtigt, das Angebot der Antragstellerin im Rahmen der Angemessenheitsprüfung auf der dritten Wertungsstufe auf Auskömmlichkeit hin aufzuklären. Die Aufklärung ist jedoch inhaltlich missglückt und daher nicht geeignet, in der bisher vorgenommenen Form einen Ausschluss der Antragstellerin zu rechtfertigen.

41

Nach § 19 EG Abs. 6 VOL/A verlangen die Auftraggeber vom Bieter Aufklärung, wenn ein Angebot im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig erscheint. Auf Angebote, deren Preise im offenbaren Missverhältnis zur Leistung stehen, darf der Zuschlag nicht erteilt werden. § 19 EG Abs. 6 S. 2 EG VOL/A dient in erste Linie dem Schutz des Auftraggebers, der davor bewahrt werden soll, Verträge mit Auftragnehmern einzugehen, die wegen einer unauskömmlichen Preiskalkulation in die Gefahr geraten, ihren Leistungsverpflichtungen nicht auftragsgemäß nachkommen zu können. (vgl. VK Bund, Beschluss vom 05.10.2012, VK 3-111/12). Ein Schutz von Dritten, beispielsweise Arbeitnehmern vor einer unzulässig niedrigen Entlohnung ist bisher nicht als Schutzzweck der Angemessenheitsprüfung beschrieben worden.

42

Dem öffentlichen Auftraggeber steht bei der Entscheidung, ob er ein Angebot wegen eines ungewöhnlich niedrigen Angebotspreises aufklärt, ein Beurteilungsspielraum zu. Dieser ist von den Vergabenachprüfungsinstanzen nur beschränkt überprüfbar (vgl. VK Bund, Beschluss vom 31. Mai 2011, VK 3-56/11; OLG Brandenburg, Beschluss vom 22.03.2011, Verg W 18/10). Die Kontrolle der Vergabekammern beschränkt sich auf die Prüfung, ob die Vergabestelle bei ihrer Entscheidung das vorgeschriebene Verfahren eingehalten hat, von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, aufgrund sachgemäßer und sachlich nachvollziehbarer Erwägungen entschieden hat und sich der angelegte Beurteilungsmaßstab im Rahmen der Beurteilungsermächtigung hält (vgl. z.B. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Februar 2005, Verg 88/04; VK Bund, Beschluss vom 05.10.2012, VK 3-111/12).

43

Als Indiz für ein ungewöhnlich niedriges Angebot, welches den öffentlichen Auftraggeber zur Aufklärung des Angebots berechtigt, wird im Allgemeinen ein erheblicher Preisabstand zu den nächst niedrigsten Angeboten angesehen. Im Bereich der VOL/A orientieren sich Rechtsprechung und Schrifttum je nach Branche und je nach individueller Bewegung der Preise auf dem Markt mehrheitlich an einer Aufgreifschwelle von etwa 20 %, ab der der öffentliche Auftraggeber sogar verpflichtet ist, eine Prüfung der Auskömmlichkeit im Interesse der Konkurrenten vorzunehmen (vgl. OLG Brandenburg Beschluss vom 22.03.2011, Verg W 18/10; VK Niedersachsen, Beschluss vom 30.06.2010 - VgK-26/2010).

44

Eine solche Abweichung liegt hier nicht mehr vor, nachdem der Antragsgegner gemäß Ziffer 8 der nicht gerügten Aufforderung zur Angebotsabgabe ohne weitere Aufklärung alle Angebote ausgeschlossen hat, bei denen einer der Referenzwerte (der Zuschlagskriterien) über 15 % von den jeweiligen Mittelwerten abwich.

45

Die Feststellung eines ungewöhnlich niedrigen Angebots ist aber nicht ausschließlich aufgrund erheblicher Preisunterschiede möglich, sondern aufgrund aller nachvollziehbarer, im Einzelfall sachlich gerechtfertigter Anhaltspunkte. Der öffentliche Auftraggeber ist auch zur Aufklärung des Angebots berechtigt, wenn ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag besteht, und ein Angebot aus Sicht des öffentlichen Auftraggebers die konkrete Gefahr beinhaltet, dass der danach vorgegebene Mindestlohn unterschritten wird (VK Südbayern, Beschluss vom 31.05.2011, Az: Z3-3-3194-1-11-03/11). Eine Befugnis zur Auskömmlichkeitsprüfung besteht auch bei einer als erheblich angesehenen Abweichung von einer durch den öffentlichen Auftraggeber erstellten Kostenermittlung (OLG Celle, Beschluss vom 30.09.2010, 13 Verg 10/10). Als Indiz, ob das Angebot eine Unterschreitung des allgemeinverbindlichen Tariflohns nahelegt, darf sich der öffentliche Auftraggeber auch auf Musterkalkulationen wie solche der Zollbehörden stützen (VK Südbayern, Beschluss vom 31.05.2011, Az: Z3-3-3194-1-11-03/11; VK Bund Beschluss vom 05.10.2012, AZ: VK 3-111/12). Hier hat der Antragsgegner ausweislich Bl. 7 und Bl. 10 des Wertungs- und Zuschlagsbericht vom 31.10.2012 - wenn auch erst nach Vorliegen der Angebote - eine Dokumentation erstellt, nach welchen Maßstäben er die Auskömmlichkeitsprüfung durchführen wollte.

46

Danach sieht er alle Angebote als "grenzwertig" an, bei denen "der Aufschlagssatz auf den Tariflohn unter 75% liegt". Das Angebot der Beigeladenen zu 2 enthielt einen Aufschlag von genau 75% auf den Tariflohn, wurde daher nicht auf Auskömmlichkeit geprüft, das Angebot der Antragstellerin mit einem Aufschlag von 70,22 % wurde dagegen auf Auskömmlichkeit geprüft.

47

Die Preisangabe der Antragstellerin liegt hier so nah am verbindlichen Mindestlohn, dass es aus Sicht der Vergabekammer unter Berücksichtigung des dem Auftraggeber zustehenden Beurteilungsspielraumes nicht zu beanstanden ist, wenn er das Angebot zur Vermeidung eines Gesetzesverstoßes als aufklärungsbedürftig angesehen hat. Ob das Angebot der Beigeladenen zu 2 gleichfalls hätte auf Auskömmlichkeit geprüft werden müssen, kann angesichts der folgenden Ausführungen zu b) hier offen bleiben. Die zahlreichen Berichte in den Medien über Verstöße gegen die Pflicht zur Zahlung des Mindestlohns lassen es keineswegs rechtsmissbräuchlich, sondern vielmehr verantwortungsbewusst und angemessen erscheinen, wenn ein öffentlicher Auftraggeber bei Auftragsvergabe die Kalkulation allgemeinverbindlicher Löhne in besonderem Maße prüft.

48

Allerdings hat der Antragsgegner gemäß seiner obigen Dokumentation und der Diktion des Schreibens vom 19.10.2012 auch angedeutet, dass das Angebot der Antragstellerin schon wegen seines Aufschlags von 70,22 % auf den Tariflohn unauskömmlich sei. Der Verweis auf die auffällige und wohl zu geringe Kostenposition für Risiko und Gewinn wirkt mehr ergänzend. Die Annahme einer Unauskömmlichkeit schon aufgrund der Höhe des Aufschlags auf den Mindestlohn ist zu weitgehend, daher rechtsfehlerhaft, da nur die Auszahlung des Mindestlohns an die Arbeitnehmer im Verhältnis zwischen Unternehmer und Arbeitnehmer gesetzlich gewährleistet wird, wohingegen in der Kalkulation des Unternehmers gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber z.B. Zuschüsse der Agentur für Arbeit die zu kalkulierenden Lohnkosten senken können (vgl., VK Bund Beschluss vom 27.12.2011, VK 1-159/11; 16.05.2012 VK 1-37/12). Außerdem hängen die Lohnnebenkosten von individuellen betrieblichen Gegebenheiten wie der Anzahl der geringfügig Beschäftigten, der Urlaubstage, der Höhe des Urlaubsgeldes, der Anzahl der Feiertage am Sitz des Anbieters, der aufgrund der betrieblichen Erfahrungen individuell zu kalkulierenden Krankheitstage ab. Es bedarf daher immer einer konkreten Einzelfallprüfung der Auskömmlichkeit. Diese sollte frei von der Besorgnis einer möglichen Voreingenommenheit formuliert sein und dem Anbieter erkennbar ernsthaft die Möglichkeit aufzeigen, den Nachweis der Seriosität seines Angebots zu erbringen (EUGH Beschluss vom 29.03.2012 Rs. C 599/10 Rdn.29).

49

Im Einzelfall kann es darüber hinaus Gründe geben, dass ein Anbieter berechtigterweise ein nicht auskömmliches Angebot abgibt. Dies verpflichtet den öffentlichen Auftraggeber nicht zum Ausschluss des Angebots, solange die Leistungsfähigkeit des Anbieters gewährleistet bleibt. Nicht oder nur knapp auskömmliche Angebote sind zur Belebung des Wettbewerbs erwünscht, solange an der Leistungsfähigkeit des Anbieters keine Zweifel bestehen und keine Marktverdrängungsabsicht besteht (VK Niedersachsen, Beschluss vom 23.09.2011, VgK 36/2011; OLG Brandenburg, Beschluss vom 16.02.2012, Verg W 1/12 Vergaberecht 2012 S. 866 ff, S. 875).

50

Führt der Auftraggeber wie hier in zulässiger Weise eine Aufklärung wegen unangemessen niedrig erscheinender Preise durch und verlangt er die erforderlichen Informationen über die Preisbildung, muss nicht der Auftraggeber dem Bieter nachweisen, dass dessen Angebot unauskömmlich ist, vielmehr geht die Beweislast auf den Bieter über. Will dieser den Ausschluss seines Angebots vermeiden, hat er Gründe darzulegen, die den Anschein der Unauskömmlichkeit seines Angebots widerlegen (OLG Brandenburg Beschluss vom 22.03.2011 Verg W 18/10; Horn in Müller-Wrede, VOL/A, 3. Aufl. 2010, § 19 EG, Rdnr. 180). Da der Antragsgegner schon mit der Angebotsabgabe die Offenlegung der einzelnen von ihm vorgegebenen Kalkulationspositionen des Angebots gefordert hatte, war es folgerichtig, den Anbieter nun zur Erläuterung der einzelnen Positionen aufzufordern. Es hätte auch hilfreich sein können, die Aufmerksamkeit des Anbieters auf bestimmte als besonders kritisch anzusehende Positionen zu fokussieren.

51

aa)

Das Aufklärungsschreiben des Antragsgegners vom 19.10.2012 begründet jedoch schon hinsichtlich der Angebotspreise nur in unzureichender Weise eine solche Erläuterungspflicht der Antragstellerin. Der Antragsgegner hat keine Informationen abgefragt, die für eine Darlegung der Preisbildung hinsichtlich der Lohn- und Lohnnebenkosten relevant sind. Damit hat er für seine Prognoseentscheidung, ob die Antragstellerin künftig in der Lage sein werde, die Leistungen vertragsgemäß zu erbringen, nicht die relevanten Tatsachen abgefragt und folglich auch nicht zugrunde legen können. Das Aufklärungsschreiben hinterfragt nicht die für die Kalkulation des Lohnes maßgeblichen Kosten, z.B. die Urkalkulation der Löhne und lohngebundenen Kosten, sondern bezweifelt lediglich die allgemeine Auskömmlichkeit des Angebotes. Das allein wäre noch zulässig gewesen, da dann der Anbieter für jede seiner Positionen die Auskömmlichkeit darzustellen hat.

52

Darüber hinaus beschränkte der Antragsgegner allerdings konkret die Erläuterung auf die im freien Ermessen des Unternehmers stehende Position "Risiko und Gewinn". Daher ist es ausgehend von dieser Frage bei einer auf rechtliche Gesichtspunkte reduzierten Betrachtung im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass die Antwort der Antragstellerin trotz ihrer niedrigen Lohn- und Lohnnebenkosten unklar und wenig konstruktiv blieb. Im Hinblick auf ihr vergaberechtliches Ziel, den Zuschlag zu erhalten, wäre eine umfassende Auskunft der Antragstellerin entsprechend ihrer Darstellung in der mündlichen Verhandlung hilfreicher gewesen.

53

Die Auffassung der Antragstellerin, dass der Unternehmer legitimerweise im Rahmen der Vertragsfreiheit auf Gewinn und Risiko verzichten darf, ist nicht aussagekräftig und inhaltlich nicht geeignet, die Auskömmlichkeit des gesamten Angebots zu belegen. Zwar ist der Anbieter grundsätzlich in der Kalkulation seines Angebots frei. Er kann daher ohne weiteres einzelne Positionen seines Angebots besonders günstig bepreisen, also kalkulatorisch z.B. den Gewinn oder den Risikozuschlag gering oder mit dem Wert 0,-- € benennen. Es ist nicht zulässig, ihm eine bestimmte Gewinnspanne für die Kalkulation vorzugeben (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.12.2010, Az. VII-Verg 33/10).

54

Entscheidend ist jedoch, dass das Angebot in seiner Gesamtheit kostendeckend ist, oder Gründe für die Fähigkeit ersichtlich sind, hier einmal ausnahmsweise unter den Selbstkosten anzubieten. Ein unter den sogenannten Selbstkosten kalkuliertes Angebot trägt nicht die Vermutung in sich, dass die vertragliche Leistungsfähigkeit des Anbieters über die gesamte Vertragslaufzeit gewährleistet ist (vgl. VK Bund Beschluss vom 10.02.2011 VK 3 162/10). Die Antwort der Antragstellerin zur Gewinnkalkulation war daher nicht geeignet, Zweifel an der Auskömmlichkeit zu beseitigen.

55

Die Behauptung der Antragstellerin, die fixen Kosten würden bis auf Teile des auftragsbezogenen Kostenblockes ausschließlich aus der Summe aller übrigen Aufträge gedeckt werden, hat die Antragstellerin nicht in rechnerisch nachvollziehbarer Weise dargelegt, sondern nur behauptet. Die Annahme ist auch kalkulatorisch bedenklich, da mit einem etwaigen Wegfall anderer Aufträge, die bisher angeblich diese fixen Kosten decken sollen, nachträglich eine Kostenunterdeckung und damit die Gefahr der Leistungsunfähigkeit einträte. Die anderweitige Auftragslage ist aber vom Antragsgegner weder beeinflussbar, noch erkennbar. Es ist daher keineswegs zu beanstanden, wenn der öffentliche Auftraggeber auf einer bewährten und soliden Vollkostenkalkulation besteht, wenn er sie gefordert hat.

56

Allerdings sind in der vom Antragsgegner entworfenen Aufforderung zur Angebotsabgabe, Blatt 11, "Kalkulationsvorgabe für die Stundenverrechnungssätze", die nicht auftragsbezogenen Fixkosten, wie z. B. die Abschreibung oder Miete für ein etwaiges Verwaltungsgebäude der Antragstellerin, nicht enthalten. Der Antragsgegner hat daher hier keine Vollkostenkalkulation verlangt. Die Position unter III. Sonstige Kosten, Maschinen und Geräte, ist wörtlich identisch mit Ziffer IV der Angebots- und Vertragsbedingungen und bezieht sich daher erkennbarerweise nur auf auftragsbezogene Arbeitsgeräte, wie z.B. Reinigungsgeräte oder Transportfahrzeuge für das Personal. Da diese Position nicht in der Kalkulation gefordert worden war, bestand für die Antragstellerin keine Veranlassung, diese in der nachträglich geforderten Aufklärung offenzulegen. Gleichwohl sind ihre Ausführungen im Schreiben vom 23.10.2012 zu diesen Kosten aus dem gleichen Grund auch nicht geeignet, die Auskömmlichkeit der Kalkulation darzulegen.

57

Daher war die grundsätzlich zulässige preisliche Aufklärung des Angebots der Antragstellerin in der vom Antragsgegner vorgenommenen Form nicht geeignet, aufgrund der in der Kalkulation enthaltenen Zahlen die sichere Prognose abzugeben, dass die Antragstellerin gegen das gesetzliche Gebot, den allgemeinverbindlichen Tariflohn zu zahlen, bei der Erfüllung des Auftrags verstoßen würde. Auf die zu Recht als unbefriedigend eingestufte Antwort der Antragstellerin kommt es somit nicht mehr an.

58

Ob die Anbieter ihren Mitarbeitern auferlegen, den Dienst in der regionalen Zentrale zu beginnen, ob etwaige Anfahrten des Personals von der Niederlassung zu den Reinigungsstätten vom jeweiligen Arbeitgeber als Arbeitszeit anerkannt werden und ob sich aus derartigen Regelungen ein diskriminierungsfrei wertbarer Standortnachteil für ein Unternehmen ergibt, welches seine nächste Niederlassung in xxxxxx hat, wäre ein weiteres zulässiges Thema für eine Aufklärung des Angebots. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse können in einem weiteren Schritt nach abschließender Aufklärung des Sachverhalts in die Wertung einfließen.

59

bb)

Das Aufklärungsschreiben vom 19.10.2012 ist ferner ungeeignet, die Auskömmlichkeit des Angebotes zu prüfen, weil der Antragsgegner sein zweites quantitatives Zuschlagskriterium, die Jahresarbeitsstunden, völlig unberücksichtigt gelassen hat. Dadurch kommt es zu dem nicht nachvollziehbaren Ergebnis, dass die Antragstellerin in den Losen 2, 4 und 5 wegen fehlender Auskömmlichkeit ihrer Preise ausgeschlossen wird, während jeweils Angebote den Zuschlag erhalten sollen, die das unauskömmlichen Angebote der Antragstellerin preislich sogar unterbieten, gleichwohl nicht auf Auskömmlichkeit geprüft wurden.

60

Die jeweiligen Beigeladenen haben zwar einen Stundenlohn angegeben, der den Antragsgegner nicht zu einer Prüfung der Auskömmlichkeit veranlasst hat, zugleich aber für die von ihnen eingesetzten Reinigungskräfte eine überdurchschnittlich hohe Reinigungsleistung je Stunde kalkuliert. Die in den Vergabeunterlagen vorgegebene Jahresreinigungsflächen der Lose soll nach den Kalkulationen der Beigeladenen z.B. mit 92,63 % (Los 2) oder 91,4 % (Los 5) des Mittelwertes der in diesem Vergabeverfahren angebotenen Jahresstunden gereinigt werden. Der Antragsgegner hat die Gefahr, dass von Anbietern Tariflöhne unterlaufen werden könnten, ausweislich der Darstellung auf Bl. 10 des Wertungs- und Zuschlagsberichtes gesehen, und wollte solche Angebote erkennbar nicht zulassen. Warum Angebote mit erheblichen Abweichungen hinsichtlich der Jahresarbeitsstunden ungeprüft als auskömmlich gelten sollen, oder warum diese Abweichungen trotz der konkreten und erheblichen Auswirkungen auf die Rangfolge der Bieter nach Darstellung des Antragsgegners in der mündlichen Verhandlung nicht signifikant sein sollen, hat der Antragsgegner allerdings nicht in der Vergabeakte dokumentiert.

61

Der Antragsgegner hat bei der Erstellung der Vergabeunterlagen brauchbare Grundlagen für die Erfassung von Abweichungen bei den Jahresarbeitsstunden gelegt. In der Aufforderung zur Angebotsabgabe auf Blatt 11 hat er mit den "Leistungszahlen der Raumpflege" den Anbietern eine Vorgabe gestellt, anhand derer die Leistungswerte für die Reinigungskräfte differenziert erfasst werden und mit bisherigen Leistungswerten vergleichbar sind. Der Antragsgegner verfügt auch ausweislich der Einlassung von Frau xxxxxx in der mündlichen Verhandlung über aussagekräftige Erfahrungswerte, um zu bewerten, welche Reinigungsleistung je Stunde mit dem bisher eingesetzten Gerät möglich ist. Er hat diese Werte aber nicht in der Vergabeakte dokumentiert und bei der Wertung übergangen.

62

Der Antragsgegner hätte Angebote mit ungewöhnlichen niedrig kalkulierten Jahresarbeitsstunden im Verhältnis zu der zu reinigenden Fläche, also einem möglichen Missverhältnis von Leistung zu Entgelt aufklären können. Er ist aufgrund des Transparenzgebots und des Gleichbehandlungsgrundsatzes bei hinreichendem Anlass auch gehalten, eine solche Aufklärung vorzunehmen. Was für ihn hinreichender Anlass einer Auskömmlichkeitsprüfung ist, kann er aufgrund des ihm zustehenden Beurteilungsspielraumes grundsätzlich selbst einschätzen. Legt er jedoch bei den Angebotspreisen aus guten Gründen einen strengen Maßstab an, so darf er nicht ohne sachlichen Grund bei den Jahresarbeitsstunden von diesem strengen Prüfmaßstab abweichen. Dies ist jedoch gegeben, wenn ein Angebot wegen geringer Jahresarbeitsstunden ungeprüft ein wegen geringer Preise ausgeschlossenes Angebot auch preislich unterbietet.

63

Der Antragsgegner hat im vorliegenden Fall die abgeforderten Leistungszahlen der Raumpflege überhaupt nicht in die Auswertung der Angebote einbezogen, obgleich nach zahlreichen Medienberichten und den Erfahrungen in der Vergabekammer genau hier häufig signifikante Missstände im Reinigungsgewerbe begründet sind. Nach diesen Berichten erhalten Reinigungskräfte, denen pro forma der allgemeinverbindliche Tariflohn gezahlt wird, unrealistische Leistungsvorgaben je Stunde, die entweder unentgeltlich nachzuarbeiten sind, oder eine fachgerechte Reinigung nicht erlauben (STERN, Bericht vom 01.07.2010, Das Leben einer Hotel-Hungerlöhnerin; Hinz & Kunzt Das Hamburger Straßenmagazin, November 2012, Putzen im Hotel: Dumpinglöhne für harte Arbeit).

64

Beide Verstöße führen zwangsläufig zu einer nicht vertragsgerechten und ordnungsgemäßen Leistung, sei es durch den Verstoß gegen allgemeinverbindliche Tarifverträge, oder gegen die vertraglichen Leistungspflichten.

65

Durch den Ausschluss ihres Angebots wegen einer nicht hinreichend aufgeklärten angeblich unauskömmlichen Kalkulation, sowie durch die gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßende Auskömmlichkeitsprüfung nur der Angebotspreise, nicht aber des anderen quantitativen Zuschlagsparameters der Jahresarbeitsstunden ist die Antragstellerin in ihren Rechten aus § 97 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 7 GWB auf ein transparentes Vergabeverfahren verletzt.

66

3.

Gemäß § 114 Abs. 1 GWB hat die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und die Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Diese Vorschrift vermittelt der Vergabekammer einen weiten Entscheidungsspielraum, der nur des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Schranken findet. Die gewählte Maßnahme muss sich eignen, die Rechtsverletzung sicher zu beseitigen. Sie soll aber gleichzeitig aber auch das mildeste der geeigneten Mittel hierfür sein. Der festgestellte Verstoß gegen drittschützendes Vergaberecht liegt in der Wertung der Angebote, insbesondere der Auskömmlichkeitsprüfung. Eine Verpflichtung, erneut in die Angebotswertung einzutreten, diese im Hinblick auf die Prüfung der Auskömmlichkeit aller Angebote unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes erneut durchzuführen ist geeignet, die Verletzung der Rechte der Antragstellerin zu heilen. Diese Möglichkeit der Fehlerkorrektur ist das Mittel mit der geringsten Eingriffstiefe, um gegenüber der Antragstellerin eingetretene Rechtsverletzungen sicher zu beseitigen.

67

III. Kosten

68

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB in der seit dem 24.04.2009 geltenden Fassung (Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechtes vom 20.04.2009, BGBl. I, S. 790).

69

Die in Ziffer 2 des Tenors festgesetzte Gebühr ergibt sich aus einer Interpolation des Auftragswertes innerhalb des Gebührenrahmens gemäß § 128 Abs. 2 GWB. Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt 2.500 €, die Höchstgebühr 50.000 € und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 €.

70

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung vom Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 € eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 € zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 € eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. € (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 - 1998) gegenübergestellt. Dazwischen wird interpoliert.

71

Der zugrunde zu legende Auftragswert für die Lose 2 bis 5 beträgt nach dem geprüften finalen Angebotssumme der Antragstellerin xxxxxx € brutto jährlich, mithin für 4 Jahre gemäß § 3 Abs. 4 Nr. 2 VgV xxxxxx €. Dieser Betrag entspricht dem Interesse der Antragstellerin am Auftrag.

72

Bei einer Ausschreibungssumme von xxxxxx € brutto ergibt sich eine Gebühr in Höhe von xxxxxx €. Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten oder Kosten durch Zeugenvernehmungen in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.

73

Die in Ziffer 3 des Tenors verfügte Kostentragungspflicht folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Nachprüfungsverfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zunächst zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner im Nachprüfungsverfahren unterlegen ist, so dass ihm die Verfahrenskosten aufzuerlegen sind.

74

Der Antragsgegner ist jedoch von der Pflicht zur Entrichtung der Kosten gemäß § 128 Abs. 1 GWB i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 BVwKostG befreit (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2005, Az.: 13 Verg 9/05; OLG Dresden, Beschluss vom 25. 01. 2005, Az.: WVerg 0014/04).

75

Gemäß Ziffer 4 des Tenors hat der Antragsgegner der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Kosten und damit die Anwaltskosten zu erstatten. Da der Antragsgegner im Nachprüfungsverfahren unterlegen ist, hat er gemäß § 128 Abs. 4 Satz 1 GWB die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen erforderlichen Kosten der Antragstellerin zu tragen.

76

Gemäß § 128 Abs. 4 GWB i. V. m. § 80 Abs. 2 VwVfG in entsprechender Anwendung war auszusprechen, dass die Zuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren notwendig war. Obwohl das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, ist wegen der Komplexität des Vergaberechts, des Verfahrensrechts im Nachprüfungsverfahren sowie der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltliche Beratung und Begleitung für die Antragstellerin erforderlich.

77

Eine Entscheidung zu den Kosten der Beigeladenen unterbleibt, da es unbillig wäre, die Aufwendungen der Beigeladenen gemäß § 128 Abs. 4 Satz 2 GWB einem anderen Verfahrensbeteiligten aufzuerlegen. Sie haben keine Anträge gestellt, und nur die Beigeladene zu 1 ist zur mündlichen Verhandlung erschienen.

Gaus
Abraham
Peter