Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 06.02.2012, Az.: VgK-02/2012
Unzureichende Wertung der Bruttogrundfläche bei einem Referenzprojekt im Vergabeverfahren; Wertung bzw. Bewertung der Teilnahmeanträge aufgrund einer Bewertungsmatrix als Verstoß gegen das Transparenzgebot
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 06.02.2012
- Aktenzeichen
- VgK-02/2012
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 19441
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 97 Abs. 1 GWB
- § 98 Nr. 2 GWB
- § 100 Abs. 1 GWB
- § 11 Abs. 4 VOF
- § 18 Abs. 1 VOF
- § 2 VGV
in dem Nachprüfungsverfahren
...
wegen
Vergabeverfahren "Tragwerksplanung für den Neubau der xxxxxx"
hat die Vergabekammer durch den Vorsitzenden RD Gaus, den hauptamtlichen Beisitzer Dipl. Ing. Peter und den ehrenamtlichen Beisitzer, Herrn Dipl.-Ing. Ruff, auf die mündliche Verhandlung vom 06.02.2012
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Das Vergabeverfahren wird zurückversetzt in den Stand vor der Versendung der Teilnahmeanträge. Das Vergabeverfahren ist bei fortbestehender Vergabeabsicht unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer ab diesem Zeitpunkt zu wiederholen.
- 2.
Die Kosten werden auf xxxxxx EUR festgesetzt.
- 3.
Die Kosten trägt die Antragsgegnerin. Die Antragsgegnerin ist jedoch von der Entrichtung der Kosten befreit.
- 4.
Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war für die Antragstellerin notwendig.
Begründung
I.
Die Antragsgegnerin hat mit EU-Vergabebekanntmachung vom xxxxxx.2011 die Tragwerksplanungen nach § 49 HOAI (Leistungsphasen 1 bis 4, optional 5 und 6) für die Integrierte Gesamtschule (IGS) xxxxxx europaweit als Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb gemäß § 3 VOF ausgeschrieben. Gemäß Vergabebekanntmachung sollten mindestens drei und höchstens fünf Bewerber zur Angebotsabgabe aufgefordert werden. Im Abschnitt III.2.2) und III.2.3) der Vergabebekanntmachung hatte die Antragsgegnerin die erforderlichen Unterlagen und Erklärungen zum Nachweis der wirtschaftlichen und technischen Leistungsfähigkeit benannt. Im Abschnitt IV.1.2) der Bekanntmachung hatte sie die Kriterien zur Reduzierung der Bewerber, die zur Angebotsabgabe aufgefordert werden sollten, bekannt gegeben. Danach sollten die Leistungsfähigkeit und die Fachkunde im Verhältnis von 40% zu 60% gewertet werden. Als Unterkriterien für die Leistungsfähigkeit sollte der Jahresumsatz als Tragwerksplaner mit 10%, der Jahresumsatz im Bereich von Bildungs- und Schulbauten mit 5%, die Angaben über die technische Leitung/ das Projektteam mit 15%, das jährliche Mittel der Beschäftigten mit 5% und die zeitliche und räumliche Verfügbarkeit mit 5% gewertet werden. Die Fachkunde sollte anhand der geforderten Referenzen bewertet werden. Als Unterkriterien für die Fachkunde sollten Projekte für öffentliche Auftraggeber, allgemeine Projekte als Tragwerksplaner und Neubauprojekte von Schul- oder Bildungsbauten mit jeweils 20% bewertet werden. Pro Projektgruppe sollten jeweils fünf Referenzen bewertet werden.
Im weiteren Verlauf des Vergabeverfahrens wurde den interessierten Bewerbern ein Bewerbungsbogen übersandt, der von diesen auszufüllen war. Die in der Vergabebekanntmachung enthaltenen Angaben zur Feststellung der Leistungsfähigkeit und Fachkunde waren in Bezug auf die Unterkriterien hierin teilweise präzisiert und ergänzt. So war von den Bewerbern in Bezug auf das Unterkriterium "zeitliche und räumliche Verfügbarkeit" anzugeben, innerhalb welcher Zeit dieser eine Verfügbarkeit auf der Baustelle oder im Büro des Auftraggebers sicherstellen könne. Als Wahlmöglichkeit waren dort 1 Stunde, 3 Stunden und über 3 Stunden angegeben. Hinsichtlich der Bewertung des Unterkriteriums "Referenzen" waren von den Bewerbern u.a. Angaben zu den jeweils erbrachten Leistungsphasen der HOAI, zu der Größe der Bruttogrundfläche (BGF) und zu den Baukosten in Bezug auf die Kosten der Kostengruppe 300 der DIN 276 zu machen.
Bis zum Schlusstermin für die Vorlage der Teilnahmeanträge am xxxxxx.2011 beteiligten sich 22 Ingenieurbüros am Wettbewerb. Die Bewerbungen wurden von der Antragsgegnerin anhand einer Bewertungsmatrix bewertet. Hiernach wurden in Abhängigkeit der Angaben der Bewerber bestimmte Punkte erteilt. So sollte im Bereich des Unterkriteriums "zeitliche Verfügbarkeit" ein Bewerber mit einer Zeitangabe von über 3 Stunden 0 Punkte erhalten, ein Bewerber mit einer Zeitangabe von unter 3 Stunden 2 Punkte und ein Bewerber mit einer Angabe von unter 1 Stunde 5 Punkte. Im Bereich des Unterkriteriums "Referenzen" wurden pro Projektgruppe insgesamt weitere 10 Unterkriterien bewertet. Maximal waren pro Referenz 20 Punkte erzielbar, d.h. 2 Punkte pro Unterkriterium. In diesem Bereich wurde der Nachweis der Erbringung der Leistungsphasen 1 bis 3, der Leistungsphase 4 sowie der Leistungsphasen 5 bis 6 der HOAI als jeweils eigenständiges Unterkriterium bewertet, so dass nur der Bewerber die vollen 6 Punkte erhalten konnte, der die Leistungsphasen 1 bis 6 voll-ständig nachgewiesen hatte. Die Anwendung der Bewertungsmatrix bzw. die Kriterien zur Punktevergabe waren den Bewerbern nicht bekannt gegeben worden.
Nach Auswertung der Bewerbungen teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin am 13.12.2011 mit, dass diese für das weitere Verfahren nicht mehr berücksichtigt werden solle, da deren Bewerbung für das Kriterium Technische Leistungsfähigkeit bzw. Referenzen nicht die erforderliche Punktzahl erreicht habe. Das Schreiben ging am 15.12.2011 bei der Antragstellerin ein.
Auf die Benachrichtigung der Antragsgegnerin hin, rügte die Antragstellerin mit anwaltlichem Schriftsatz vom 20.12.2011 in Bezug auf ihren beabsichtigten Ausschluss vom weiteren Verfahren. Die Antragsgegnerin habe die Kriterien für die Auswahl einer begrenzten Anzahl von Bewerbern in der Vergabebekanntmachung veröffentlicht. Hieran bleibe sie gebunden. Danach sollten die Leistungsfähigkeit und Fachkunde unter Einbeziehung weiterer Unterkriterien im Verhältnis von 40% zu 60% gewertet werden. Aus der Mitteilung der Antragsgegnerin lasse sich nicht erkennen, dass diese die Leistungsfähigkeit und Fachkunde anhand der bekannt gemachten Kriterien gewertet habe. Sie selbst habe aussagekräftige Referenzen vorgelegt, aus denen sich entnehmen lasse, dass sie in hervorragender Weise für die gestellte Aufgabe qualifiziert sei. Die Antragstellerin forderte die Antragsgegnerin unter Fristsetzung bis zum 22.12.2011 auf, der Rüge abzuhelfen.
Auf die Rüge hin teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin am 22.12.2011 mit, dass sie eine Gesamtpunktzahl von 426 Punkten erreicht habe, für eine erfolgreiche Präqualifikation jedoch 446 Punkte notwendig gewesen wären. Dem Schreiben war als Anlage die in Bezug auf die Bewerbung der Antragstellerin ausgefüllte Bewertungsmatrix beigefügt.
Mit Schriftsatz vom 06.01.2012 beantragte die Antragstellerin die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Der Antrag sei zulässig und auch begründet. Vergleiche man den Bekanntmachungstext mit der Bewertungsmatrix, so sei festzustellen, dass die Antragsgegnerin Unterkriterien verwendet habe, die nicht mitgeteilt worden seien und von den bekannt gemachten Kriterien abweichen würden. In Bezug auf die Feststellung der Fachkunde sei von der Antragsgegnerin das Unterkriterium "Vergleichbarkeit Bruttogrundfläche (BGF)/Kostengruppe 300" gewertet worden. Was dieses Kriterium über die Quantität und Qualität der eingereichten Referenzen aussagen solle, sei unerfindlich. Dieses Unterkriterium sei zudem nicht bekannt gemacht worden. Gewertet worden seien darüber hinaus die Angaben zu den erbrachten Leistungsphasen. Auch dieses Kriterium sage nichts über die Quantität und Qualität der Referenzen aus und sei ebenfalls nicht bekannt gemacht worden. Gleiches gelte auch für die Wertung der Aussagen in den Referenzen zur Arbeitsweise und zur guten Zusammenarbeit. Auch dieses Wertungskriterium sei vorab nicht bekannt gegeben worden. Der gleiche Vergaberechtsverstoß sei bei der Bewertung der Leistungsfähigkeit festzustellen. Hervorzuheben sei dabei das Kriterium "zeitliche Verfügbarkeit". Der Matrix sei zu entnehmen, dass eine Angabe von mehr als 3 Stunden zu 0 Punkten geführt habe, die Höchstpunktzahl aber nur bei einer Verfügbarkeit innerhalb 1 Stunde erreicht werden konnte. Bekannt gemacht worden sei diese Punktewertung des Unterkriteriums aber nicht.
In rechtlicher Hinsicht sei hervorzuheben, dass es der Auftraggeberseite stets verwehrt sei, Gewichtungsregeln oder Unterkriterien anzuwenden, die vorher nicht bekannt gemacht worden seien. Dies gelte auch im Rahmen der Eignungsprüfung. Gerade in den Vergabeverfahren mit einem vorgeschalteten Teilnahmewettbewerb müsse sichergestellt werden, dass je-der Bewerber die gleichen Chancen erhalte, für eine möglichst optimale Darstellung seiner Eignung sorgen zu können.
Die Antragstellerin beantragt,
- 1.
die Antragsgegnerin zu verpflichten, über die Zulassung der Antragstellerin zur Angebotsabgabe in dem Vergabeverfahren "Tragwerksplanung für den Neubau der IGS xxxxxx" unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer neu zu entscheiden,
hilfsweise,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Vergabeverfahren "Tragwerksplanung für den Neubau der IGS xxxxxx" aufzuheben,
- 2.
der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen,
- 3.
die Hinzuziehung der Bevollmächtigten durch die Antragstellerin für notwendig zu erklären.
Die Antragsgegnerin beantragt,
- 1.
den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen,
- 2.
die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für die Antragsgegnerin für notwendig zu erklären
- 3.
der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Der Nachprüfungsantrag sei bereits unzulässig. Insbesondere lege die Antragstellerin nicht dar, wie die von ihr behauptete Verwendung "nicht bekannt gemachter Kriterien" für die Auswertung der Teilnahmeanträge ihre Chance auf die Weiterbeteiligung am Vergabeverfahren verschlechtert haben solle. Eine vergleichende Auswertung des Teilnahmeantrags der Antragstellerin sowie der fünf zur Angebotsabgabe aufgeforderten Bewerber habe ergeben, dass die Antragstellerin selbst bei Nichtberücksichtigung der von ihr beanstandeten Kriterien "Vergleichbarkeit Bruttogrundfläche/Kostengruppe 300" sowie "Aussagekräftiges Referenzschreiben", "Hinweise zur Arbeitsweise" und "Hinweis auf gute Zusammenarbeit" keine Chance auf Beteiligung am weiteren Verfahren gehabt hätte. Der Teilnahmeantrag der Antragstellerin liege auch bei dieser Auswertung allenfalls auf dem 6. Platz der Bewerberreihenfolge.
Darüber hinaus habe die Antragstellerin die angeblichen Verstöße gegen vergaberechtliche Vorschriften auch nicht im Sinne des § 107 Abs. 3 GWB rechtzeitig gerügt. Die Antragstellerin habe mit Erhalt des Absageschreibens vom 13.12.2011 spätestens am 15.12. Kenntnis vom angeblichen Verstoß gegen vergaberechtliche Vorschriften gehabt. Die Rüge der Antragstellerin sei jedoch erst am 20.12.2011 um 16:28 Uhr und damit 5 Kalendertage nach Kenntnis vom angeblichen Vergabeverstoß erfolgt. Unter Berücksichtigung des Zugangszeitpunkts um 16:28 Uhr, der bereits nach Geschäftsschluss der Antragsgegnerin liege, sei die Rüge erst am Beginn des darauffolgenden Geschäftstages zugegangen und damit erst am 6. Kalendertag nach Kenntnisnahme erfolgt.
Darüber hinaus sei die Antragstellerin auch verpflichtet gewesen, nach Erhalt der Bewertungsmatrix die sich nach ihrer Auffassung daraus ergebenden Vergaberechtsverstöße erneut unverzüglich zu rügen. Dies habe sie aber vollständig unterlassen. Damit seien die Beanstandungen, auf die sich der Nachprüfungsantrag stütze, zuvor nicht gegenüber der Antragsgegnerin gerügt worden.
Der Nachprüfungsantrag sei darüber hinaus jedoch auch unbegründet. Die Antragsgegnerin habe mit ihrer Teilnahmeantragswertung nicht gegen vergaberechtliche Vorschriften verstoßen. Insbesondere habe die Antragsgegnerin keine Unterkriterien in die Bewertung einbezogen, die sie nicht vorher in der Vergabebekanntmachung oder im Bewerbungsbogen bekannt gegeben hätte. Insbesondere in Bezug auf die Referenzen seien im Bewerbungsbogen exakt die Parameter der einzelnen Projekte abgefragt worden, die auch Eingang in die Auswertung der Teilnahmeanträge gefunden hätten, um die Quantität und Qualität der benannten Projekte zu beurteilen. Die Antragstellerin könne sich von daher nicht darauf berufen, dass die zur Auswertung der Teilnahmeanträge herangezogenen Kriterien hier vor Einreichung des Teilnahmeantrags nicht bekannt gewesen seien. Zudem habe es in der Phase der Antragstellung Bieteranfragen gegeben, die sich u.a. auch auf die Beurteilung der Referenzen bezogen hätten. Die entsprechenden Fragen und Antworten seien auch der Antragstellerin zur Kenntnis gebracht worden.
Bereits aus Ziffer III.2.3 Nr. 1 der Vergabebekanntmachung habe sich ergeben, dass die Antragsgegnerin die fachliche Eignung der Bewerber anhand zu benennender Referenzen für die angegebenen Schwerpunktbereiche beurteilen wollte. Aus dem Bewerbungsbogen habe sich sodann ergeben, welche Angaben zu den einzelnen Referenzen der Antragsgegnerin wichtig gewesen seien, so dass sie für die Beurteilung der Referenzen eine Rolle spielen sollten. Durch die Antworten auf die Fragen während der Stellung der Teilnahmeanträge seien diese Anforderungen nochmals deutlich gemacht worden. Bei weiteren Unklarheiten hätte demnach mindestens eine Rügepflicht der Antragstellerin bestanden.
Soweit die Antragstellerin die Beurteilung des Kriteriums "zeitliche Verfügbarkeit" beanstande, sei festzustellen, dass im Bewerbungsbogen eine Abstufung von drei Bereichen vorgesehen war, nämlich weniger als eine Stunde, weniger als drei Stunden und mehr als drei Stunden. Die Antragstellerin hatte dort weniger als drei Stunden angegeben. Dem entsprechend sei diese Angabe auch mit der in der Vergabekanntmachung vorgesehenen Gewichtung von 5% in Bezug auf die 40% der Leistungsfähigkeit berücksichtigt worden. Ebenso verhalte es sich mit der von der Antragstellerin beanstandeten Wertung der Leistungsphasen. Bereits aus der Vergabebekanntmachung sei ersichtlich gewesen, dass für die Tragwerksplanung die Leistungsphasen 1 bis 6 erbracht werden sollten. Die Antragstellerin habe jedoch mehrere Referenzen vorgelegt, die gerade keinen Fachkundenachweis über alle ausgeschriebenen Leistungsphasen enthalten hätten. Sie hätte daher auch bei wiederholter Bewertung der Teilnahmeanträge keine Chance, in den Kreis der Bieter zu gelangen, die zur Angebotsabgabe aufgefordert werden sollen.
Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
II.
1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei der Antragsgegnerin handelt es sich mit der xxxxxx um einen öffentlichen Auftraggeber gemäß § 98 Nr. 2 GWB.
Nach § 98 Nr. 2 GWB sind auch andere juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen, öffentliche Auftraggeber, wenn Stellen, die unter Nr. 1 fallen, sie einzeln oder gemeinsam durch Beteiligung oder auf sonstige Weise überwiegend finanzieren oder über ihre Leitung die Aufsicht ausüben oder mehr als die Hälfte der Mitglieder eines ihre zur Geschäftsführung oder zur Aufsicht berufenen Organe bestimmen. Die xxxxxx ist eine juristische Person des privaten Rechts. Sie steht zu 90% im Eigentum der xxxxxx (Beteiligungsbericht 2011 der xxxxxx, xxxxxx). Zweck der Gesellschaft ist vorrangig die Versorgung der Bevölkerung der xxxxxx mit Wohnraum im Rahmen der kommunalen Daseinsvorsorge. Dem Gesellschaftsvertrag entsprechend kann die Gesellschaft Bauten in allen Rechts- und Nutzungsformen errichten, erwerben, betreuen, bewirtschaften und verwalten. Dazu zählen auch Schulbauten.
Die kommunale Daseinsvorsorge stellt einen nichtgewerblichen Zweck dar. Gem. § 1 II.WohnBauG haben Bund, Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände den Wohnungsbau unter besonderer Bevorzugung des Baues von Wohnungen, die nach Größe, Ausstattung und Miete oder Belastung für die breiten Schichten des Volkes bestimmt und geeignet sind (sozialer Wohnungsbau), als vordringliche Aufgabe zu fördern. Gem. § 163 Abs. 3 NKomVG ist die xxxxxx für die kommunale Förderung des sozialen Wohnungsbaus und neben der xxxxxx auch für die Finanzierung dieser Förderung zuständig. Die Schulträgereigenschaft der xxxxxx ergibt sich aus §§ 101 Abs.1, 102 Abs. 2 des Nieder-sächsischen Schulgesetzes (NSchG). Der Schulträger ist gem. § 106 Abs.1 NSchG für den Neu-, Um- und Erweiterungsbau von Schulen zuständig.
Die Antragsgegnerin ist zu dem besonderen Zweck gegründet worden, diese im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen. Zudem stellt die xxxxxx zwölf Mitglieder des fünfzehnköpfigen Aufsichtsrates der Gesellschaft.
Es handelt sich um einen öffentlichen Auftrag gemäß § 99 GWB, da die Auftraggeberin und Antragsgegnerin in ihrer Eigenschaft als öffentlicher Auftraggeber einen entgeltlichen Vertrag über Dienstleistungen zu schließen beabsichtigt. Bei den ausgeschriebenen Leistungen der Gesamtmaßnahme handelt es sich um Leistungen, für die gemäß § 1 Abs. 1 - 2 VOL/A-EG i.V.m. § 1 VOF die Regeln der VOF anzuwenden sind, weil die ausgeschriebenen Architektenleistungen im Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit erbracht werden. Bei den ausgeschriebenen Leistungen, Tragwerksplanungen nach § 49 HOAI, handelt es sich um Ingenieursleistungen gem. § 18 Abs. 1 VOF.
Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 100 Abs.1 GWB.
Danach gilt der 4.Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung gemäß § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um Ingenieursleistungen gemäß §§ 18 Abs. 1, Satz 1 VOF. Gemäß § 2 Nr. 2 VgV in der zur Zeit der Bekanntmachung dieses Auftrages geltenden Fassung gilt ein Schwellenwert von 193.000 Euro netto. Gemäß 2.3 des Vergabevermerks ging die Antragsgegnerin von einer Summe für die Tragwerksplanungen von xxxxxx Euro brutto aus.
Die Antragstellerin ist gemäß § 107 Abs. 1 GWB antragsbefugt, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung eigener Rechte durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Sie trägt vor, dass ihr durch die vergaberechtswidrige Nichtberücksichtigung ihres Teilnahmeantrages ein erheblicher Schaden drohe.
Voraussetzung für die Antragsbefugnis ist gemäß § 107 Abs. 2 GWB, dass das den Nachprüfungsantrag stellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass die Antragstellerin diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, 1.Auflage, § 107 Rz.52). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt. Ihrer Ansicht nach liegt ein Vergaberechtsverstoß vor. Es ist nicht erforderlich, dass die Antragstellerin auch schlüssig darlegt, dass sie bei vergabekonformem Verhalten der Antragsgegnerin den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.04.1999, Az.: 1/99, S.24).
Ob sich die dargestellte Rechtsverletzung bestätigt, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit des Antrags (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.07.2006, VII Verg 23/06, Ziff. 1a, zitiert nach VERIS).
Erst wenn die Zuschlagerteilung auf das Angebot der jeweiligen Antragstellerin von vornherein und offensichtlich ausgeschlossen ist, weil z.B. etwaige Gründe zum Ausschluss der Antragstellerin evident vorliegen, führt dies zum Wegfall der Antragsbefugnis gemäß § 107 Abs.2 GWB (Kadenbach in Willenbruch/Wieddekind Vergaberecht Kompaktkommentar 2. Auflage 11. Los § 107 Rz. 39; Ruhland in Müller-Wrede § 107 Rz.11; Reidt in Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 3. Auflage, § 107 Rz.36 m.w.N.). Die Vergabekammer vermag eine solche Evidenz nicht zu erkennen. Die Antragstellerin hat zwar am 07.02.2012 eine Alternativwertung vorgelegt, mit der sie den Nachweis zu führen versucht, dass die Antragstellerin auch bei einer Neubewertung keine Chance auf den Zuschlag haben werde. Da aber nach den folgenden Ausführungen zu 2. a) alle Teilnehmer die Möglichkeit erhalten müssen, ihre in den Teilnamebeiträgen enthaltenen Referenzprojekte anhand der zuvor bekannt gegebenen Bewertungskriterien zu optimieren, konnte diese Alternativwertung nicht das Ergebnis der Neubewertung vollständig vorwegnehmen. Zudem ist die Alternativwertung nicht frei von Fehlern (im Folgenden zu 2.d). Außerdem wird die Antragsgegnerin zur Vermeidung weiterer Rügen den Hinweis unter Ziffer 2.c des Beschlusses der Vergabekammer berücksichtigen. Das Ergebnis der unter Zulassung anderer Referenzprojekte neu vorzunehmenden Wertung läst sich nicht mit der für die Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags notwendigen Sicherheit präjudizieren.
Die Antragstellerin hat die von ihr im Nachprüfungsantrag geltend gemachten Vergaberechtsverstöße auch rechtzeitig im Sinne im Sinne des § 107 Abs. 3 Nr.1 GWB gerügt. Gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB ist ein Antrag unzulässig, soweit der Antragsteller den gerügten Verstoß gegen Vergabevorschriften im Vergabeverfahren erkannt und gegenüber dem Auftraggeber dennoch nicht unverzüglich gerügt hat. Als unverzüglich gilt grundsätzlich ein Zeitraum innerhalb von 1 bis 3 Tagen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 18.09.2003, Az. 1 Verg 4/03; Bechtolt, GWB, § 107, Rz. 2). Bei Einschaltung eines Anwaltes wird die Frist regelmäßig auf eine Woche ausgedehnt (VK Nordbayern, Beschluss vom 08.06.2011 - 21.VK-3194-14/11; OLG Dresden, Beschluss vom 07.05.2011, WVerg 6/10). Die Antragstellerin hat mit Erhalt des Absageschreibens vom 13.12.2011 spätestens am 15.12.2011 Kenntnis von einem möglichen Vergaberechtsverstoß gehabt. Die anwaltliche Rüge der Antragstellerin ging der Antragsgegnerin am 20.12.2011, nach Geschäftsschluss der Antragsgegnerin, zu. Die Frage, ob dadurch die Zustellung am 5. oder 6. Kalendertag nach Kenntnisnahme erfolgte, kann dahinstehen, da auch bei Zugang am 6. Kalendertag eine rechtzeitige Rüge vorliegt. Die 1. VK Bund sieht eine Rüge innerhalb von 6 Arbeitstagen bei Einholung externen Rechtsrats noch als unverzüglich an (1. VK Bund, Beschluss vom 17.01.2008, VK 1 - 152/07). Dabei muss insbesondere die hohe wirtschaftliche Bedeutung des Auftrags, die Einholung von Rechtsrat und eine angemessene Entscheidungsfrist berücksichtigt werden.
Bei der Rüge der Antragstellerin vom 20.12.2011 handelt es sich auch nicht um eine un-zulässige Verdachtsrüge. Der entsprechende Einwand der Antragsgegnerin ist unzutreffend.
Um den Zugang zum Nachprüfungsverfahren zu eröffnen, bedarf es der Darlegung zumindest einer konkreten - nicht völlig vagen und pauschal behaupteten - Vergaberechtsverletzung (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.07.2006 - Az.: 27/06). Ist ein Antragsteller diesem gerecht geworden, ist er auch nicht gehindert, andere Vergaberechtsverletzungen zum Gegenstand desselben Vergabenachprüfungsverfahrens zu machen, mögen diese auch bis dahin nur andeutungsweise oder gar nicht im Streit gewesen und erst im Verlaufe des Nachprüfungsverfahrens zutage getreten sein (vgl. OLG Düsseldorf a.a.O.). Lediglich eine willkürliche, aufs Geradewohl oder ins Blaue hinein aufgestellte Behauptung ist unzulässig und damit unbeachtlich (vgl. BGH, NJW 1995, 2111). Denn wenn der Bieter Vergabeverstöße lediglich pauschal ins Blaue hinein behauptet, geht es ihm in Wirklichkeit nicht um die Beseitigung konkreter Mängel, sondern darum, dass sich im Zuge der Bearbeitung der Rüge erst konkrete Anhaltspunkte für einen Vergabeverstoß erweisen. Dies ist nicht Sinn der Rüge. Andererseits dürfen an die Substantiierung einer Rüge keine zu hohen Anforderungen gestellt werden, weil ein Bieter naturgemäß nur begrenzten Einblick in den Ablauf des Vergabeverfahrens haben wird. Deshalb darf er im Vergabenachprüfungsverfahren behaupten, was er auf der Grundlage seines - oft nur beschränkten - Informationsstands redlicherweise für wahrscheinlich oder möglich halten darf, etwa wenn es - wie hier - um Vergabeverstöße geht, die sich ausschließlich in der Sphäre der Vergabestelle abspielen oder das Angebot eines Mitbewerbers betreffen (jurisPK-VergR/Summa, 2. Aufl., § 107 GWB, Rz. 58).
Auf der Grundlage dieser Überlegungen ist im Streitfall ein Rügeversäumnis nicht erkennbar. Die Antragstellerin hatte ausreichende Anhaltspunkte, dass kein ordnungsgemäßes Vergabeverfahren durchgeführt worden ist. Der aus Sicht der Antragstellerin maßgebliche Vergaberechtsverstoß, die Anwendung nicht mitgeteilter Eignungskriterien, wurde in dem Schreiben der Antragstellerin vom 20.12.2011 unverzüglich gerügt. Die Antragstellerin hat bereits ausreichend, jedenfalls soweit sie dazu in der Lage war, einen Vergaberechtsverstoß der Antragsgegnerin gerügt. Darin liegt aber entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin gerade keine unzulässige Verdachtsrüge und damit eine Rüge ins "Blaue hinein". Eine solche Verdachtsrüge setzt voraus, dass Behauptungen ohne jede tatsächliche Grundlage und ohne die erforderliche, zumindest laienhafte rechtliche Wertung aufgestellt werden. Dies ist aber gerade nicht der Fall. In ihrem Rügeschreiben vom 20.12.2011 hat die Antragstellerin bereits die maßgeblichen Gesichtspunkte dargestellt. Ob diese tatsächlich ausschreibungskonform waren und der darauf gestützte Wertungsvorgang letztlich ordnungsgemäß erfolgt ist, ist eine Frage der Begründetheit.
Die Antragstellerin ist auch nicht verpflichtet gewesen, nach der Antwort der Antragsgegnerin vom 22.12.2011 erneut unverzüglich gemäß § 107 Abs. 3 Nr.1 GWB zu rügen. Die Antragstellerin ist somit mit ihren im Nachprüfungsantrag vorgetragenen Verstößen nicht präkludiert. Eine erneute Rüge war jedenfalls entbehrlich. Sinn und Zweck der Rügeobliegenheit ist es, der Vergabestelle während des laufenden Vergabeverfahrens eine Korrektur vergaberechtswidrigen Verhaltens zu ermöglichen, um der Einleitung unnötiger Nachprüfungsverfahren entgegenzuwirken. Die Unternehmen werden durch die Rügeobliegenheit zu einem kooperativen Verhalten gegenüber der Vergabestelle angehalten (Hattig in Hattig/Maibaum, § 107 Rz. 49). Dieses Ziel war jedoch vorliegend mit einer weiteren Rüge der Antragstellerin erkennbar nicht zu erreichen gewesen, da die Antragsgegnerin innerhalb der gesetzten Abhilfefrist nichts an der beabsichtigten Zuschlagserteilung geändert hatte (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 04.06.2010 ,11 Verg 4/10, zitiert nach ibr-online). Auch aus Gründen eines effektiven Rechtsschutzes war eine erneute Rüge nicht erforderlich. Zwar soll grundsätzlich durch die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 GWB unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben der Einleitung unnötiger Nachprüfungsverfahren durch Spekulation mit Vergabefehlern entgegengewirkt werden. Sobald ein Bieter einen Verfahrensverstoß erkennt, soll er ihn gegenüber dem Auftraggeber unverzüglich (vgl. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) rügen, damit jener den Fehler korrigieren und damit ein Nachprüfungsverfahren vermieden werden kann (vgl. nur OLG Celle, Beschluss vom 11.02.2010,13 Verg 16/09, zitiert nach ibr-online). Allerdings besteht keine erneute Rügepflicht, wenn der von dem Antragsteller beanstandete Sachverhalt derselbe ist wie vor dem Erhalt zusätzlicher Informationen durch die Vergabestelle.
Dies ist hier der Fall, da die Antragstellerin in ihrem Antrag auf Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens vom 06.01.2012 dem Grunde nach dieselben Punkte wie in ihrer Rüge vom 20.12.2011 vorbringt, lediglich konkretisiert in Bezug auf die durch den Einblick in die Bewertungsmatrix gewonnenen Erkenntnisse. Eine Konkretisierung ist jedoch zulässig, eine Pflicht zur erneuten Rüge besteht dann nicht (vgl. 1.VK des Bundes, Beschluss vom 02.06.2003, VK 1 - 39/03).
Der von der Antragstellerin geltend gemachte Vergaberechtsverstoß - die Wertung nicht bekannt gemachter Eignungskriterien - ist mit dem der Rüge identisch. Zudem ist nicht erkennbar, dass die Antragsgegnerin in ihrem Schreiben vom 22.12.2011 der Rüge der Antragsgegnerin abhelfen wollte. Die Antragsgegnerin erhielt das gleiche Schreiben, dass auch anderen Bietern zugestellt wurde, die keine Rüge erhoben hatten. Auf die Einwände der Antragsgegnerin wurde nicht eingegangen, es wurde lediglich ein weiterer Teil der Entscheidungsgrundlage der Antragsgegnerin bekanntgegeben. Die beigefügte Bewertungsmatrix ist somit als Vertiefung des schon bekannten Sachverhalts, und nicht als neuer Sachvortrag zu werten. Eine erneute Rüge auf dieses Schreiben hin würde den effektiven Rechtsschutz der Antragstellerin unverhältnismäßig verkürzen. Denn ansonsten hätte es die Vergabestelle in der Hand, durch dosierte und nachträgliche Bekanntgabe ihrer Entscheidungsgrundlagen eine Mehrzahl von Rügen erforderlich zu machen, die letztlich auf dieselbe Entscheidung zielen, nämlich das Angebot des Antragstellers nicht zu berücksichtigen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 04.06.2010 ,11 Verg 4/10, zitiert nach VERIS). Die Antragsgegnerin hat die ihr in der Rüge eingeräumte Gelegenheit zur Abhilfe binnen der nicht unzumutbar kurz bemessenen Frist nicht genutzt.
2. Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet. Die Antragsgegnerin hat den in § 97 Abs. 1 GWB sowie § 11 Abs. 4 VOF enthaltenen Transparenzgrundsatz verletzt, indem sie die eingehenden Teilnahmeanträge aufgrund einer Bewertungsmatrix wertete, deren Unterkriterien nicht aus dem den Wettbewerbsteilnehmern übermittelten Bewerbungsbogen vollständig erkennbar waren. Es war daher den Teilnehmern nicht möglich, die Referenzen bestmöglich unter Berücksichtigung der vorgegebenen Bewertungskriterien auszuwählen (im Folgenden zu a). Die Antragsgegnerin hat außerdem die Vergabe nicht hinreichend dokumentiert (im Folgenden zu b), und Eignungs- und Zuschlagskriterien vermengt (im Folgenden zu c).
a) Die Bewertungsmatrix entsprach in wesentlichen Unterpunkten nicht den im Bewerbungsbogen vorgegebenen Bewertungskriterien. Gemäß § 11 Abs. 4 VOF hat der Auftraggeber in der Aufgabenbeschreibung oder der Vergabebekanntmachung oder der Aufforderung zur Angebotsabgabe alle Zuschlagskriterien anzugeben, deren Anwendung vorgesehen ist. Der jeweilige Auftraggeber hat auch anzugeben, wie die einzelnen Kriterien gewichtet werden. Die Gewichtung kann mittels einer Spanne angegeben werden. Gibt der Auftraggeber die Vergabekriterien in der Bekanntmachung an, darf er von den selbst gesetzten Vorgaben nicht mehr nachträglich abweichen (Müller-Wrede in Müller-Wrede Kommentar zur VOF, 4. Auflage § 11 Rz. 35). Allerdings ist er berechtigt, die festgesetzten Vergabekriterien aus der europaweiten Bekanntmachung in den Vergabeunterlagen unter drei Einschränkungen zu konkretisieren. Der öffentliche Auftraggeber darf bei der Konkretisierung keine Unterkriterien aufstellen, welche die bekannt gegebenen Hauptkriterien abändern. Die nachträglich festgelegten Kriterien dürfen keine Gesichtspunkte enthalten, die die Vorbereitung der Angebote hätten beeinflussen können, wenn sie im Zeitpunkt der Vorbereitung bekannt gewesen wären. Schließlich darf der Auftraggeber keine Unterkriterien festlegen, welche geeignet sind, Bieter zu diskriminieren (OLG Frankfurt, Beschluss vom 05.10.2010 11 Verg 7/10; ähnlich auch OLG Hamburg, Beschluss vom 24.09.2010 Verg 2/10 jeweils zit. nach VERIS).
Hier hat die Antragsgegnerin bereits in der öffentlichen Bekanntmachung unter Ziffer IV 1.2) "Beschränkung der Zahl der Wirtschaftsteilnehmer, die zur Angebotsabgabe bzw. Teilnahme aufgefordert werden" mitgeteilt, dass sie die Teilnahmeanträge anhand der dort genannten Kriterien Leistungsfähigkeit und Fachkunde im Verhältnis zu 40% und 60% werten werde. Die Leistungsfähigkeit werde anhand der Nachweise unter II.2.2) bewertet. Darüber hinaus hat die Antragsgegnerin weitere Kriterien und Unterkriterien in der öffentlichen Bekanntmachung genannt. Diese recht genaue und in vorbildlicher Weise umfassende Darstellung der Wertungskriterien in der öffentlichen Bekanntmachung begegnet keinen Bedenken. Ebenso wenig ist zu beanstanden, dass die Antragstellerin den potentiellen Teilnehmern zur Abgabe des Teilnahmeantrags einen Bewerbungsbogen übersandt hat, in dem die Teilnehmer u.a. Angaben zu Eignungskriterien wie dem Nachweis der Berufszulassung, sowie zu Zuschlagskriterien wie der Anzahl der Beschäftigen, zur zeitlichen Verfügbarkeit, zur Qualifikation der technischen Leitung bzw. des Projektteams sowie über die geforderten Referenzprojekte einzutragen hatten. Die Angaben in dem Bewerbungsbogen lassen sich vollständig auf die in der öffentlichen Bekanntmachung genannten Teilnahmekriterien zurückführen und bilden diese umfassend ab.
Dagegen enthält die zur Bewertung der Teilnahmeanträge verwendete Bewertungsmatrix Unterkriterien mit Gewichtungen, die den Teilnehmern am Vergabeverfahren nicht erkennbar waren und sie bei der Vorbereitung der Teilnahmeanträge beeinflusst hätten, wenn sie bekannt gewesen wären. Die Gewichtung solcher Unterkriterien ist jedoch so rechtzeitig bekannt zu geben, dass die Teilnehmer ihre Angebote darauf einrichten können (Müller-Wrede in Müller-Wrede Kommentar zur VOF, 4. Auflage § 11 Rz. 39; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03.03.2010, VII - Verg 48 / 09; OLG Brandenburg, Beschluss vom 19.12.2011 - Verg W 17/11; VK Sachsen Beschluss vom 24.03.2011 -1/SVK/005-11, zit. jeweils nach ibr-online.de; OLG Frankfurt, Beschluss vom 05.10.2010 11 Verg 7/10 zit. nach VERIS). Ist der Auftraggeber erst kurz vor oder nach Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe in der Lage, die Unterkriterien und/oder ihre Gewichtung festzulegen, so muss er den Bietern die Unterkriterien und deren Gewichtung nachträglich bekannt geben, sofern ihre Kenntnis die Angebotsgestaltung der Bieter beeinflussen kann. Darüber hinaus hat er den Bietern Gelegenheit zu einer Änderung und Anpassung der Angebote zu geben. (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.11.2007 Az.: VII - Verg 23/07
Die Antragsgegnerin hat in der Bewertungsmatrix für die Wertung der im Bewerbungsbogen geforderten Referenzprojekte jeweils 10 Unterpunkte vorgesehen, die sie alle gleich mit jeweils 2% im Gesamtergebnis wertete. Jeweils drei Unterpunkte, nämlich die Unterpunkte 8 bis 10 beziehen sich auf den Inhalt der Referenzschreiben. Nur ein weiterer Unterpunkt wertet die sog. Vergleichbarkeit der Bruttogrundfläche (BGF)/Kosten KGA 300. Diese Wertung entspricht nicht den aus dem Bewertungsbogen erkennbaren Kriterien und deren Wertung. Aus dem Bewerbungsbogen war zwar erkennbar, dass die Antragsgegnerin die Vorlage von Referenzschreiben erwartete und diese auch bewerten wollte. Der jeweilige Teilnehmer hatte anzugeben, ob ein Referenzschreiben beiliegt oder nicht beiliegt. Es war den Teilnehmern aber nicht erkennbar, dass die Bewertung des Referenzschreibens 30% des jeweiligen Referenzprojektes umfasste, weil im Bewerbungsbogen mehr Angaben zu den technischen Inhalten der Referenzprojekte gefordert waren, als zu den Referenzschreiben.
Von den Teilnehmern wurden im Bewerbungsbogen drei Angaben zu den Kosten und Flächen für jedes Referenzprojekt gefordert. Zunächst sollten die Bruttogrundflächen angegeben werden, dann die Nutzflächen und im Weiteren die Baukosten für die Kostengruppe 300. Die Antragsgegnerin hatte am 23.09.2011 als bekanntgegebene Antwort auf die Bieteranfrage Nr. 4 festgehalten, dass als Maßstab für die Vergleichbarkeit bei der Wertung als Referenzobjekt für die Kostengruppe 300 Kosten in Höhe von xxxxxx EUR netto angesetzt wurden. Daraus ergab sich für die Teilnehmer, dass die Antragsgegnerin die Erwartung hatte, dass die Baukosten der Referenzprojekte aus der Kostengruppe 300 (zumindest) xxxxxx EUR netto betragen sollten. Es war den Teilnehmern nicht erkennbar, dass die geforderten Angaben zu den Nutzflächen überhaupt nicht in die Wertung einfließen würden und es war auch nicht erkennbar, dass die Baukosten mit den Bruttogrundflächen zu einem Wertungsunterpunkt verschmolzen werden würden. Die Zahl der geforderten Angaben zu den Referenzprojekten ließ daher für die Teilnehmer bei Verständiger Würdigung des Bewerbungsbogens eine deutlich andere Gewichtung erwarten, als sie schließlich vorgenommen wurde.
Bei Verwendung der vorhandenen Matrix hätte aus dem Bewerbungsbogen entnehmbar sein müssen, dass die drei geforderten Angaben zu den Kosten und Flächen nur in einem zusammengefassten Wertungspunkt oder zumindest in untergeordneter Bedeutung in die Gesamtwertung einfließen würden, während die Angaben in den jeweiligen Referenzschreiben zu den Referenzobjekten pro Referenzobjekt deutlich stärker in der Wertung berücksichtigt werden würde. Diese Abweichung der Bewertungsmatrix von dem Inhalt des Bewerbungsbogens ist intransparent. Nach zutreffender Auffassung des OLG Brandenburg (Beschluss vom 19.12.2011, Verg W 17/11) lässt sich die Frage, in welcher Differenziertheit und Tiefe ein öffentlicher Auftraggeber ein Bewertungssystem im Vorhinein aufzustellen hat, nur einzelfallbezogen beantworten. Maßgebend ist, dass die Bieter erkennen können, auf welche Gesichtspunkte es dem Auftraggeber mit welcher Gewichtung ankommt, so dass sie ihr Angebot nach den Bedürfnissen des Auftraggebers optimal gestalten können. Diesen Anforderungen wird die Bewertungsmatrix der Antragsgegnerin mit der verhältnismäßig hohen Wertung der Referenzschreiben gegenüber der verhältnismäßig geringen Wertung der Kosten und Flächen der Referenzobjekte nicht gerecht. Vielmehr hat die Antragsgegnerin den Teilnehmern mit dem Bewerbungsbogen und den allgemein mitgeteilten Bieteranfragen nahegelegt, Referenzobjekte mit einem hohen Bauvolumen und großen Flächen auszuwählen, während es sich dabei tatsächlich um einen gering gewerteten Wertungsfaktor handelte. Erst aus der Bewertungsmatrix ergibt sich, dass den Referenzschreiben deutlich mehr Gewicht zugemessen wurde als den Bauwerksdaten. Um dieses Missverständnis einfach zu vermeiden, hätte es nahe gelegen, dem Bewerbungsbogen ein Blankett der Matrix beizufügen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03.03.2010, VII - Verg 48/09). Das hätte aber vorausgesetzt, dass die Matrix nicht nur gemäß den Mindestanforderungen zum Ablauf der Frist zur Abgabe der Teilnahmeanträge fertig gestellt worden wäre, sondern bereits bei Versand der Teilnahmeanträge.
Die Wertung ist auch intransparent, weil die Antragsgegnerin trotz vorheriger schriftsätzlicher Erörterung auch in der mündlichen Verhandlung nicht erläutern konnte, wie sich der in den Unterkriterien jeweils unter Ziffer 3.) als Quotient dargestellte Wert aus der Vergleichbarkeit von Bruttogrundfläche und Kostengruppe 300 ermitteln lässt und ab welchem operativen Wert die Antragsgegnerin die jeweils zwei vorgesehenen Bewertungspunkte vergeben hat.
b) Die Antragsgegnerin hat das Vergabeverfahren nicht in dem gemäß § 12 VOF erforderlichem Umfang dokumentiert. Sie hat auch mit den in der mündlichen Verhandlung nachgereichten Vergabeunterlagen nicht belegen können, dass sie dass Vergabeverfahren vollständig dokumentiert hat.
aa) die Antragsgegnerin hat auch unter Verwendung der nachgereichten Unterlage nicht dokumentieren können, dass sie die Unterkriterien der Bewertungsmatrix bereits vor Ablauf der Frist zur Abgabe der Teilnahmeanträge vollständig erarbeitet hatte.
Gemäß § 12 VOF ist das Vergabeverfahren von Anbeginn an fortlaufend zu dokumentieren, so dass einzelne Stufen des Verfahrens, die einzelnen Maßnahmen sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen festgehalten werden.
Die Dokumentation dient sowohl der Außenkontrolle durch Rechnungsprüfungsämter und Vergaberechtlichen Nachprüfungsinstanzen, als auch der Eigenkontrolle des Auftraggebers (Portz in Müller-Wrede Kommentar zur VOF 4. Auflage § 12 Rz. 6, 7).
Diesen Anforderungen an die fortlaufende, verfahrensbegleitende Dokumentation genügt ein zusammenfassender Vergabevermerk im Allgemeinen nicht (Portz in Müller-Wrede Kommentar zur VOF, 4. Auflage § 12 Rz. 1, 6). Auch der Vergabevermerk der Antragsgegnerin vom 23.11.2011 leidet darunter, dass er, obwohl er sich ausdrücklich mit der Festlegung der Wertungskriterien befasst, nur eine nicht vollständige Zusammenfassung derjenigen Entscheidungen enthält, die die Antragsgegnerin rückblickend als wesentlich angesehen hat. Dadurch sind Lücken in der Dokumentation entstanden, wegen derer wesentliche Zwischenentscheidungen nicht mehr erklärt werden können. Es bleibt unklar welchem Zweck die Abforderung der Nutzflächen der Referenzprojekte im Bewerbungsformular diente, wenn sie überhaupt nicht in die Wertung einfloss. Auch die Antragsgegnerin kann die Wertungsentscheidung zur Vergleichbarkeit von BGF und KGR 300 nicht mehr erklären.
Der öffentliche Auftraggeber darf die Wertungsmatrix grundsätzlich nicht erst nach der Submission bzw. nach Ablauf des Schlusstermins für die Teilnahmeanträge festlegen. Dann besteht die abstrakte Gefahr, dass er sie in Kenntnis der Angebotsinhalte zum Vorteil oder Nachteil eines einzelnen Bieters ausgestaltet (VK Sachsen, Beschluss vom 30.04.2008, 1 SVK20-08). Hier hat die Antragsgegnerin nur die teilweise, nicht aber die vollständige Erstellung der Unterkriterien zur Bewertung dokumentiert. Soweit die Antragsgegnerin über weitere Unterlagen verfügen sollte, die sie der Vergabekammer noch nicht zur Verfügung gestellt hat, hat sie ihre aus § 110 Abs. 2 Satz 3, Satz 4 GWB folgende Verpflichtung gegenüber der Vergabekammer nicht erfüllt.
Die Antragsgegnerin hat nicht dokumentieren können, dass sie die Bewertungskriterien der Matrix bereits vor Ablauf der Frist zur Abgabe der Teilnahmeanträge erstellt hat. Die Vergabeakte enthält erst unter dem Datum 11.11. die erste Fassung der Bewertungsmatrix. Sie hat zwar in der mündlichen Verhandlung zur Ergänzung der bisher vorgelegten Dokumentation einen "Entwurf zur Abstimmung über die Bewertungskriterien" vorgelegt. Dieser Entwurf stammt vom 07.10.2011, also vor Ablauf der Frist zur Einreichung der Teilnahmeanträge. Er enthält Bewertungskriterien, wie sie später im Vergabevermerk festgehalten worden sind.
Unter den Kriterien A. Nachweis der Fachkunde sind jedoch nur die Unterkriterien A.1) Projekte für öffentliche Auftraggeber, A.2) Allgemeine Projekte als Tragwerksplaner und A.3) Neubauprojekte Schul- oder Bildungsbauten sowie die jeweils geforderte Anzahl von 5 Punkten und die Prozentgewichtung von je 20% Wertung erwähnt. Der Entwurf enthält weder die jeweils zur Bewertung der Referenzprojekte in der Matrix enthaltenen Unterkriterien 1.) bis 10.), noch die nicht näher begründeten Bewertungsrahmen dieser Unterkriterien von Blatt 10 des Vergabevermerks vom 23.11.2011.
Der Entwurf enthält zu Ziffer B. "Nachweis der Leistungsfähigkeit" nur ein Unterkriterium 3.) "Angabe über die technische Leitung/Projektteam" ohne die schließlich in der Bewertungsmatrix entwickelten Unterkriterien "Angabe des Projektleiters und Nachweis Diplomingenieur", "Nachweis gleichwertiger Referenzen Projektleiter, Nachweis Projektleitungserfahrung", "Angabe des Projektteams sowie Nachweis gleichwertiger Referenzen Projektteam". Da der Schlusstermin für den Eingang der Teilnahmeanträge gemäß Ziffer IV 3.4) der öffentlichen Bekanntmachung für den xxxxxx.2011, 13.00 Uhr, festgelegt worden war, ist auch der nachgereichten Dokumentation der Antragsgegnerin nicht sicher entnehmbar, dass sie die Unterkriterien vor Ablauf der Frist zur Abgabe der Teilnahmeanträge bereits festgelegt hatte. Die Prüfung der von der Rechtsprechung entwickelten unter einschränkenden Voraussetzungen zulässigen Nachholung der Dokumentation (vgl. BGH, Beschluss vom 08.02.2011, X ZB 4/10, Rz. 71 - 73; OLG Düsseldorf Beschluss vom 23.03.2011, Verg. 63/10; Beschluss vom 08.09.2011, Verg. 48/11; OLG Celle Beschluss vom 13.01.2011 13 Verg. 15/10) kann daher hier entfallen. Der in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Entwurf belegt lediglich, dass der Findungsprozess für die Unterkriterien eine Woche vor Ablauf der Frist zur Abgabe der Teilnahmeanträge im Gange war, aber noch andauerte.
bb) Es lässt sich weder aus der Vergabedokumentation belegen, noch hat die Antragsgegnerin auf schriftsätzliche Anregung, bzw. auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung darlegen können, worauf die unter Ziffer 2.a. bereits als intransparent dargestellte Wertungsentscheidung zur Vergleichbarkeit von BGF und KGR 300 beruhte.
cc) Die Antragsgegnerin hat auch die Gründe für die differenzierte Bewertung der Leistungsphasen 1 bis 3, der Leistungsphase 4 sowie der Leistungsphasen 5 bis 6 als Unterkriterium zu den Referenzen nicht ausreichend dokumentiert.
Die Bedeutung der in den Referenzprojekten erbrachten Leistungen war schon aus der öffentlichen Bekanntmachung Ziffer IV 1.2 und dem Bewerbungsbogen erkennbar. Dort sollte der jeweilige Teilnehmer auf jedem Referenzdatenblatt unter den Projektdaten angeben, welche Leistungen er selbst erbracht hat. Sowohl die Antragstellerin als auch alle anderen Bieter haben dies so verstanden, dass die Angabe der erbrachten Leistungsphasen gefordert war. Die Vergabekammer sieht keine Verletzung des der Antragsgegnerin zustehenden Ermessensspielraums bei der Festlegung von Bewertungskriterien, wenn die Antragsgegnerin den zentralen Nachweis über die Quantität der erbrachten Leistung innerhalb jedes Referenzprojektes mit insgesamt 30% bewertete. Auch die Aufteilung in drei Gruppen mit jeweils unterschiedlich zusammengefassten Leistungsphasen erscheint trotz einzelner Ungleichgewichtigkeiten nicht sinnwidrig angelegt. Allerdings sind die Gründe für die Aufteilung nicht dokumentiert, konnten auch von der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung nicht benannt werden, so dass gerade bei einer erst nachträglich erstellten Bewertungsmatrix die abstrakte Gefahr der Manipulation nicht ausgeschlossen scheint.
Gemäß § 49 HOAI berechnen sich die Prozentsätze der Honorare des § 50 HOAI wie folgt: Für die Leistungsphase 1 bis 3: 25%, für die Leistungsphase 4: 30% und für die Leistungsphase 5 und 6: 45%. Die Antragsgegnerin hat also vielleicht versucht, die Bewertung zumindest in etwa an dem objektiven Maßstab der Honorarverteilung zu orientieren. Dabei hätte sie dann Ungleichgewichtungen von bis zu 20% hingenommen. Es ist aber nicht erkennbar, ob diese Erwägungen der Vergabekammer zutreffen, bzw. warum die Antragsgegnerin die Prozentsätze der HOAI nicht mathematisch genau übernommen hat, oder welche andern wertenden Entscheidungen damit verbunden waren. Damit hat die Antragsgegnerin unabhängig von der Frage, ob sie mit der Bewertung der erbrachten Leistungsphasen wirklich den ihr zustehenden Spielraum bei der Festlegung von Bewertungskriterien überschritten hat, die notwendige Dokumentation ihrer Entscheidung unter-lassen.
c) Die Antragstellerin hat die Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien weder gerügt, noch zum Gegenstand des eigenen Vortrags im Nachprüfungsverfahren gemacht. Die Vergabekammer weist daher nur vorsorglich für das weitere Verfahren darauf hin, dass die Antragsgegnerin den im Bewerbungsbogen an zwei Stellen geforderten Nachweis, dass der Projektleiter ein Diplomingenieur ist, bereits als Eignungskriterium gemäß Ziffer III 3.1) der Vergabebekanntmachung unter Verweis auf § 19 Abs. 2 VOF gefordert hat. Gemäß § 11 Abs. 5 Satz 2 VOF sind aber Zuschlagskriterien klar und nachvollziehbar von den Eignungskriterien zu trennen. Es begegnet keinen Bedenken, dass die Antragsgegnerin auf Blatt 2 des Bewerbungsbogens den Nachweis der Berufszulassung in Form der Kopie des Hochschulabschlusses und der Zulassungsurkunde der Ingenieurkammer als Eignungskriterium verlangt. Allerdings ist es nicht zulässig, in der Bewertungsmatrix unter B. Büroorganisation 1.) Angaben über die technische Leitung Projektteam den Nachweis, dass der Projektleiter Diplomingenieur ist, wiederum als Zuschlagskriterium positiv zu bewerten. Dies würde zu einer Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien führen (vgl. OLG München, Beschluss vom 10.02.2011, Verg 24/10, Ziffer 6). Die gemäß Ziffer IV.1.2 der Vergabebekanntmachung vorgesehene Bewertung der Angaben über die technische Leitung/Projektteam muss in der Matrix durch Angaben konkretisiert werden, die über das Eignungskriterium inhaltlich hinausgehen
d) Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin lässt sich eine Verletzung der Rechte der Antragstellerin gemäß § 97 Abs. 1, Abs. 7 GWB nicht aufgrund der von der Antragsgegnerin vorgelegten Alternativwertung der Teilnahmeanträge ausschließen. Die Antragsgegnerin vertritt die Auffassung, dass die behaupteten Vergaberechtsverstöße nicht für eine Rechtsverletzung der Antragstellerin kausal seien. Auch bei positiver Wertung der gerügten Verstöße hätte sich die Antragstellerin nicht ausreichend qualifiziert, um sie zur Abgabe eines Angebots aufzufordern.
Die vorgelegte Alternativbewertung der Teilnahmeanträge der Antragstellerin und der fünf zur Angebotsabgabe qualifizierten Teilnehmer ist nicht geeignet, einen Schaden der Antragstellerin auszuschließen. Die Neubewertung heilt nicht die obigen Vergaberechtsverstöße, sondern ersetzt die bestehenden Mängel durch einen neuen Wertungsfehler, wenn auch von geringeren Auswirkungen. Wurden bisher die Referenzschreiben höher gewichtet, als aus dem Bewerbungsbogen erkennbar war, entfällt mit der Vergabe der vollen Punktzahl für alle Referenzschreiben und deren Inhalte die differenzierte Wertung dieses Kriteriums völlig. Die Folgen der neuen Wertung in der Reihenfolge der qualifizierten Bieter sind nicht unerheblich. So fällt Bieter 22 von Platz 1 auf Platz 4, während Bieter 4 von Platz 5 auf Platz 1 steigt. Diese Veränderungen lassen es gerade bei einem verbleibenden Abstand der Antragstellerin zum qualifizierten Rang 5 von nur sechs Punkten nicht unwahrscheinlich erscheinen, dass sich die Antragstellerin bei einer korrekten Wertung aller gerügten Kriterien für die Angebotsabgabe qualifizieren könnte. Das gilt erst recht, wenn die Antragsgegnerin in der neuen Wertung auch die nicht gerügte Vermengung von Eignungs- und Zuschlagskriterien korrigiert und damit eine weitere Veränderung von bis zu fünfzehn Punkten auslöst.
e) Dagegen sieht die Vergabekammer keine Verletzung der Rechte der Antragstellerin bei der Bewertung der zeitlichen Verfügbarkeit. Dieses Kriterium ist in der öffentlichen Bekanntmachung unter Ziffer IV1.2 einschließlich einer Bewertungsmarge genannt worden und auf Blatt 5 des Bewerbungsbogens genauso abgefragt worden, wie es in der Bewertungsmatrix bewertet worden ist. Bereits aus der grafischen Darstellung auf dem Bewerbungsbogen war deutlich erkennbar, dass bei einer Verfügbarkeit innerhalb von einer Stunde viele Punkte, bei einer Verfügbarkeit innerhalb einer Zeit von mehr als drei Stunden wenige Punkte zu erzielen waren. Auch die Aufteilung in drei Kategorien war deutlich erkennbar, so dass die Antragstellerin nicht erwarten konnte, für die Benennung der mittleren Kategorie die Höchstpunktzahl zu erhalten.
Gemäß § 114 Abs. 1 GWB hat die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und die Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Eine Zurückversetzung in den Stand vor Versendung der Teilnahmeanträge (Vergabeunterlagen) ist geeignet, die Verletzung der Rechte der Antragstellerin durch die unvollständige Bekanntgabe der Zuschlagskriterien und die unzureichende Dokumentation über deren Festsetzung vor Ablauf der Frist zur Abgabe der Teilnahmeanträge zu heilen. Diese Möglichkeit der Fehlerkorrektur ist das Mittel mit der geringsten Eingriffstiefe, um gegenüber der Antragstellerin eingetretene Rechtsverletzungen sicher zu beseitigen, da gegen die in der öffentlichen Bekanntmachung offengelegten Bewertungskriterien keinen Bedenken bestehen und eine neue ermessensfehlerfreie Festlegung der die öffentliche Bekanntmachung konkretisierenden Unterkriterien keine erneute europaweite Bekanntgabe erfordert.
III. Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB in der seit dem 24.04.2009 geltenden Fassung (Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechtes vom 20.04.2009, BGBl. I, S. 790). Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt 2.500 EUR, die Höchstgebühr 50.000 EUR und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 EUR.
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung vom Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 EUR (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 - 1998) gegenübergestellt. Dazwischen wird interpoliert.
Bei einer Ausschreibungssumme von xxxxxx EUR brutto gemäß Zffer 2.3 des Vergabevermerks ergibt sich eine gemäß Ziffer 2 des Tenors festgesetzte Gebühr in Höhe von xxxxxx EUR Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten oder Kosten durch Zeugenvernehmungen in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.
Die in Ziffer 3 des Tenors verfügte Kostentragungspflicht folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Nachprüfungsverfahren unterliegt, die Kosten zu tragen.
Angesichts der Tatsache, dass die Antragsgegnerin im Nachprüfungsverfahren unterlegen ist, sind die Kosten der Antragsgegnerin aufzuerlegen. Die Antragsgegnerin ist jedoch von der Pflicht zur Entrichtung der Kosten gemäß § 128 Abs. 1 GWB i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 BVwKostG befreit (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2005, Az.: 13 Verg 9/05; OLG Dresden, Beschluss vom 25. 01. 2005, Az.: WVerg 0014/04).
Gemäß Ziffer 4 des Tenors hat die Antragsgegnerin der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Kosten und damit die Anwaltskosten zu erstatten. Gemäß § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG in entsprechender Anwendung war auszusprechen, dass die Zuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren notwendig war. Obwohl das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, ist wegen der Komplexität des Vergaberechts, des Verfahrensrechts im Nachprüfungsverfahren sowie der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltliche Beratung und Begleitung jedenfalls für den Antragsteller erforderlich.
Da die Antragsgegnerin im Nachprüfungsverfahren unterlegen ist, hat sie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen erforderlichen Kosten der Antragstellerin zu tragen.
IV. Rechtsbehelf
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