Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 04.05.2012, Az.: VgK-14/2012

Bildung eines Zweckverbands "Abfallwirtschaft" als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger für Abfälle aus privaten und gewerblichen Haushaltungen durch Angebot einer Wertstofftonne

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
04.05.2012
Aktenzeichen
VgK-14/2012
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 27755
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

In dem Nachprüfungsverfahren
der xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Antragstellerin -
gegen
die xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Antragsgegnerin -
wegen
Gründung eines Zweckverbandes im Jahre 2003
hat die Vergabekammer im schriftlichen Verfahren gemäß § 112 GWB durch den Vorsitzenden RD Gaus, die hauptamtliche Beisitzerin Dipl.-Ing. Rohn und den ehrenamtlichen Beisitzer BD Weyer
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten werden auf xxxxxx € festgesetzt.

  3. 3.

    Die Kosten trägt die Antragstellerin.

  4. 4.

    Die Antragstellerin hat der Antragsgegnerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war für die Antragsgegnerin notwendig.

Begründung

1

I.

Am 12.11.2002 hat die xxxxxxversammlung die Gründung des Zweckverbandes "Abfallwirtschaft xxxxxx" zum 01.01.2003 mit der zugehörigen Verbandsordnung beschlossen. Die Bezirksregierung xxxxxx hat am 20.12.2002 die Bildung des Zweckverbandes Abfallwirtschaft xxxxxx unter gleichzeitiger Feststellung der vereinbarten Verbandssatzung vom 19.12.2002 beschlossen. Mit Gebietsänderungsvertrag zwischen der xxxxxx und der Stadt xxxxxx über die Abfallwirtschaft vom 29.11.2002 hat die Stadt xxxxxx ihre Aufgaben nach dem Niedersächsischen Abfallgesetz auf die xxxxxx übertragen. Mit Erklärung gemäß § 7 Zweckverbandsgesetz vom 13.02.2003 ist die xxxxxx dem Zweckverband Abfallwirtschaft xxxxxx beigetreten.

2

xxxxxx und Stadt xxxxxx haben ihre jeweiligen bisher der Aufgabenerfüllung dienenden Einrichtungen (z.B. die dazu gehörenden Liegenschaften, Abfallentsorgungsbetriebe, Abfallentsorgungseinrichtungen, bewegliche Sachen, Rechte und Verbindlichkeiten) sowie 94,9 % der Anteile an der Abfallentsorgungsgesellschaft xxxxxx und 94,9 % der Anteile an der Abfallbehandlungszentrum xxxxxx unentgeltlich als Verbandsvermögen in den Zweckverband eingebracht.

3

Die Verbandsordnung, der Feststellungsbeschluss der Bezirksregierung xxxxxx und der Gebietsänderungsvertrag zwischen der xxxxxx und der Stadt xxxxxx über die Abfallwirtschaft wurden im Amtsblatt für den Regierungsbezirk xxxxxx vom 27.12.2002 ( Nr. 27) bekannt gemacht.

4

Die Aufgaben des Zweckverbandes wurden in § 4 der Verbandsordnung vom 19.12.2002 wie folgt geregelt:

(1)

Der Zweckverband tritt an die Stelle der xxxxxx als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger gemäß § 15 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz und § 8 Abs. 8 xxxxxxgesetz und erhebt Gebühren.

(3)

Der Zweckverband entsorgt auch Abfälle zur Verwertung. Er ist in der xxxxxx zuständig für die Wertstoffsammlung gemäß den Verträgen der Stadt xxxxxx und der Abfallentsorgungsgesellschaft xxxxxx mit der Duales System Deutschland AG. Er kann auch für andere duale Systeme tätig werden.

5

Diese Aufgaben wurden in § 4 der am 29.02.2008 in Kraft getretenen Neufassung der Verbandsordnung wie folgt neu gefasst:

(1)

Der Zweckverband tritt an die Stelle der xxxxxx als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger gemäß § 15 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz und § 8 Abs. 8 xxxxxxgesetz und erhebt Gebühren.

(4)

Der Zweckverband entsorgt auch Abfälle zur Verwertung. Er kann Verträge mit Dualen Systemen zur Sammlung von Verkaufsverpackungen eingehen und diese Aufgaben auch der Abfallentsorgungsgesellschaft xxxxxx übertragen.

6

Der Internetseite des Zweckverbandes ist zu entnehmen, dass unter den Bezeichnungen "xxxxxx" und "xxxxxx" besondere Entsorgungsleistungen angeboten werden. Als Pilotprojekt betreibt der Zweckverband außerdem die Einführung einer Wertstofftonne zur Wertstofferfassung in Städten und Gemeinden der xxxxxx und ggf. später auch im Gebiet der Stadt xxxxxx.

7

Durch die Kündigung eines ihrer Kunden wurde die Antragstellerin darauf aufmerksam, dass der Zweckverband offenbar auch gewerblichen Abfallerzeugern und -besitzern Wertstofftonnen und PPK-Tonnen anbietet.

8

Mit Schreiben vom 07.02.2012 wies sie die xxxxxx unter Hinweis auf die nicht unerheblichen Erlöse des Zweckverbandes mit Dritten darauf hin, dass nach ihrer Auffassung die inzwischen umfangreichen gewerblichen Tätigkeiten des Zweckverbandes die Voraussetzungen, unter denen der Zweckverband ausschreibungsfrei gegründet worden sei, nachträglich entfallen ließen. Damit seien die Voraussetzungen einer unzulässigen De-facto-Vergabe erfüllt und der Vertrag zwischen xxxxxx und Stadt xxxxxx, mit welchem dem Zweckverband die Aufgaben eines öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers übertragen worden sind, könne von ihr vor der Vergabekammer angegriffen und von dieser für nichtig erklärt werden. In diesem Fall wäre die xxxxxx als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger verpflichtet, die Entsorgungsdienstleistungen im Rahmen eines europaweiten Vergabeverfahrens auszuschreiben. Sie selbst würde sich als Bieter um den Auftrag der Einsammlung und des Transports von PPK-Abfällen bewerben. Unter Fristsetzung bat sie die xxxxxx hierzu um Stellungnahme.

9

Mit Antwortschreiben vom 24.02.2012 teilte die xxxxxx der Antragstellerin mit, dass sie die vorgetragene Rechtsauffassung nicht teile. Einen vergaberechtlich angreifbaren Vertrag zwischen der xxxxxx und der xxxxxx gebe es nicht. Der Zweckverband sei auf der Grundlage des Zweckverbandsgesetzes gegründet worden. Ihm seien die Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers vollständig und inklusive aller mit der Aufgabenerfüllung verbundenen Rechte und Pflichten übertragen worden. Nach der Rechtsprechung sei die interkommunale Kooperation zwischen xxxxxx und Stadt xxxxxx damit vergaberechtsfrei. Es sei daher auch nicht davon auszugehen, dass eine Vergabekammer die vor 8 Jahren erfolgte Gründung des Zweckverbandes rückwirkend für nichtig erklären würde.

10

Mit anwaltlichem Schreiben vom 03.04.2012, modifiziert mit Schreiben vom 10.04.2012, wandte sich die Antragstellerin mit einem Nachprüfungsantrag an die Vergabekammer.

11

Sie trug vor, die xxxxxx sei öffentlicher Auftraggeber i. S. des § 98 Abs. 1 GWB. Im Jahre 2002/2003 habe sie die Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers auf der Basis der Verwaltungsvereinbarung mit der Stadt xxxxxx vergabefrei auf den gegründeten Zweckverband Abfallwirtschaft xxxxxx übertragen dürfen. Mittlerweile sei der Zweckverband jedoch in erheblichen Umfang gewerblich tätig. Mit der Aufnahme außerhalb seiner öffentlich-rechtlichen Entsorgungsaufgaben liegender gewerblicher Tätigkeiten riskiere der Zweckverband den Verlust der Fähigkeit, als Inhouse-Auftragnehmer des öffentlichen Auftraggebers zu fungieren.

12

Aktuell trete der Zweckverband mit der Einführung einer Gewerbewertstofftonne und einer gewerblichen PPK-Tonne in den Markt um die Entsorgung von gemäß § 13 Abs. 1 KrW-/AbfG nicht der Überlassungspflicht unterliegenden Abfällen zur Verwertung aus anderen Herkunftsbereichen als privaten Haushalten ein. Dieses Angebot liege eindeutig außerhalb seiner öffentlich-rechtlichen Aufgaben und widerspreche der Verbandsordnung, welche festlegt, dass sämtliche gewerblichen Tätigkeiten (mit Ausnahme der Tätigkeiten für Duale Systeme) nicht durch den Zweckverband, sondern durch seine Tochtergesellschaft, die Abfallentsorgungsgesellschaft xxxxxx mbH, wahrgenommen werden sollen. Es sei davon auszugehen, dass der Zweckverband inzwischen weit mehr als 10 % seines Umsatzes mit gewerblichen Tätigkeiten erziele. Damit könne nach der aktuellen Rechtsprechung nicht mehr von einer wesentlichen Ausrichtung des Zweckverbandes auf öffentliche Aufgaben und Interessen ausgegangen werden. Faktisch sei es so, dass mit der angefochtenen öffentlich-rechtlichen Vereinbarung - unter dem Deckmantel einer institutionalisierten gemeinsamen Aufgabenerfüllung und unter Umgehung des Vergaberechts - Entsorgungsdienstleistungen am Markt vorbei an einen maßgeblich gewerblich tätigen Dritten vergeben worden seien.

13

Nach der aktuellen Rechtsprechung des OLG Düsseldorf im Beschluss vom 28.07.2011, AZ. VII-Verg 20/11, sei der spätere Verlust der Inhouse-Fähigkeit als wesentliche Änderung eines Vertrages zu werten.

14

Mit dem Verlust der Inhouse-Fähigkeit würden die grundlegenden Bedingungen der Verwaltungsvereinbarung zwischen der Antragsgegnerin und dem Zweckverband, welche die Vergaberechtsfreiheit bedingen, wesentlich geändert. Eine ausschreibungsfreie Übertragung der Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers auf den Zweckverband sei nach derzeitiger Sachlage nicht mehr möglich.

15

Der EuGH habe entschieden, dass wesentliche Vertragsänderungen innerhalb der Vertragslaufzeit als ausschreibungspflichtige Neuvergaben anzusehen sind.

16

Die Antragstellerin beantragt,

  1. 1.

    die Unwirksamkeit der mit Einführung einer Gewerbewertstoff- und Gewerbealtpapiertonne durch den Zweckverband für Abfallwirtschaft xxxxxx als neu vergeben anzusehenden, ursprünglich durch auf Verwaltungsvereinbarung zwischen der Antragsgegnerin und der Stadt xxxxxx beruhendem Satzungsbeschluss vom 01.01.2003 erfolgten Übertragung der Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers von der Antragsgegnerin auf den Zweckverband für Abfallwirtschaft xxxxxx gemäß § 101b Abs. 1 Nr. 2 GWB festzustellen und die Antragsgegnerin zu verpflichten, die auf ihrem Gebiet entsprechend ihren gesetzlichen Aufgaben anfallenden Entsorgungsdienstleistungen bei fortbestehendem Beschaffungsbedarf im Rahmen eines transparenten Vergabeverfahrens neu zu vergeben;

  2. 2.

    der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragstellerin aufzuerlegen;

  3. 3.

    festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten seitens der Antragstellerin zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war.

17

Die Antragsgegnerin beantragt,

  1. 1.

    den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.

  2. 2.

    der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragsgegnerin aufzuerlegen;

  3. 3.

    festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten seitens der Antragsgegnerin zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war.

18

Sie hält den Nachprüfungsantrag für unzulässig.

19

Die von der Antragstellerin angegriffene Gründung des Zweckverbandes Abfallwirtschaft xxxxxx mit delegierender Aufgabenübertragung sei nach der aktuellen Rechtsprechung eindeutig kein vergaberechtlicher Vorgang. Sie stelle eine Ausformung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts und der Organisationshoheit der Gemeinden dar, zu welcher auch die Kooperationsautonomie gehört. Auf Maßnahmen, welche die interne Verwaltungsorganisation beträfen, sei das Vergaberecht grundsätzlich nicht anzuwenden.

20

Infolge dessen könne auch die Wahrnehmung der übertragenen Aufgaben vergaberechtlich nicht beanstandet werden.

21

Vorliegend handele weder eine Tochtergesellschaft, noch liege eine materielle Privatisierung auf Seiten des Zweckverbandes vor. Es gebe weder einen Auftrag, noch eine Vertragsänderung. Von einer De-facto-Vergabe könne nicht die Rede sein.

22

Wegen des übrigen Sachverhaltes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Vergabeakte Bezug genommen.

23

II.

Der Antrag ist unzulässig. Die Antragsgegnerin ist hinsichtlich des hier zu prüfenden Verfahrensgegenstandes kein öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 98 GWB. Zwar ist sie als Gebietskörperschaft grundsätzlich ein geeigneter Auftraggeber gemäß § 98 Nr. 1 GWB. Sie war auch gemäß § 15 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG) in Verbindung mit § 6 Nds. Abfallgesetz öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger im Sinne des § 15 Abs. 1 KrW-/AbfG. Diese Pflicht ist jedoch wirksam auf einen Zweckverband übergegangen (im Folgenden zu 1.). Die Vergabekammer hat keine Prüfungskompetenz betreffend die Wirksamkeit öffentlich bekannt gemachter Satzungen (im Folgenden zu 2. und 3.). Soweit der Zweckverband Abfallwirtschaft xxxxxx nicht überlassungspflichtige Abfälle entsorgt, konkurriert er mit der Antragstellerin auf einem liberalisierten Markt um Aufträge, ohne dass darin eine Beschaffung der Antragsgegnerin gem. § 99 GWB zu sehen ist (im Folgenden zu 4.).

24

1.

Die Antragsgegnerin hat ihre Pflichten zur Abfallentsorgung im Jahr 2002 vollständig an den seinerzeit gegründeten Zweckverband Abfallwirtschaft xxxxxx im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nds. Abfallgesetz (NAbfG) verloren und ist daher nicht mehr öffentlich rechtlicher Entsorgungsträger gemäß § 15 Abs. 1 KrW-/AbfG.

25

Nach § 15 KrW-/AbfG haben die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger die in ihrem Gebiet anfallenden und überlassenen Abfälle aus privaten Haushaltungen und Abfälle zur Beseitigung aus anderen Herkunftsbereichen zu verwerten oder zu beseitigen. Die Verpflichtung des § 15 KrW-/AbfG bezieht sich also sowohl auf die Abfälle aus privaten Haushaltungen, als auch auf alle Abfälle aus gewerblichen Herkunftsbereichen, sofern es sich dabei materiell um Abfälle zur Beseitigung handelt.

26

Nicht erfasst von dieser gesetzlichen Überlassungspflicht sind dagegen die Abfälle zur Verwertung gewerblicher Herkunft (§ 3 Abs. 1 Satz 2, § 13 Abs 1 Satz 2 KrW-/AbfG). Derartige Abfälle führen gewerbliche Entsorger, zu denen auch die Antragstellerin gehört, aufgrund vertraglicher Vereinbarungen mit den Abfallbesitzern bis heute direkt von den Erzeugern aus der Verwertung zu.

27

Hier hat die Bezirksregierung xxxxxx als örtliche Kommunalaufsichtsbehörde im Jahr 2002 die Bildung eines Zweckverbandes, unter gleichzeitiger Feststellung der vereinbarten Verbandssatzung beschlossen. Gemäß § 6 Abs. 1 des Niedersächsischen Abfallgesetzes treten Zweckverbände an die Stelle der öffentlichen Entsorgungsträger, wenn die Zweckverbandsordnung dies vorsieht und sie von den öffentlich rechtlichen Entsorgungsträgern zum Zweck der Abfallentsorgung gegründet worden sind. Die Verbandssatzung enthält unter § 4 Abs. 1 den Passus, dass der Zweckverband an die Stelle der xxxxxx als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger tritt. Damit ist der Zweckverband Abfallwirtschaft xxxxxx zum Zweck der Abfallentsorgung gegründet worden. Die xxxxxx hatte diese Aufgabe auch für die in § 6 Abs. 1 NAbfG als öffentlich rechtlicher Entsorgungsträger genannte kreisfreie Stadt xxxxxx übernommen.

28

Auch das Gründungsverfahren ist nicht von der Vergabekammer zu beanstanden. Gemäß § 11 Abs. 1 Zweckverbandsgesetz in der von 1963 bis 2004 gültigen Fassung beschließt die nach § 7 Abs. 2 Zweckverbandsgesetz zuständige Behörde über die Bildung des Zweckverbandes. Dabei handelt es sich um einen Aufgabenübergang kraft Satzungsbeschluss. Zuständig war hier die örtlich zuständige Bezirksregierung xxxxxx, da der Zweckverbandes sowohl auf dem Gebiet des Landkreises, als auch der Stadt xxxxxx die öffentlich-rechtliche Entsorgungsträgerschaft umfassen sollte. Gemäß § 11 Abs. 2 und 3 Zweckverbandsgesetz ist der Beschluss bekanntzumachen und tritt danach in Kraft. Dies ist Ende 2002 geschehen. Von der Vergabekammer sind Details der Zuständigkeiten im Jahr 2002 aufgrund des gemäß § 110 Abs. 1 Satz 2 GWB eingeschränkten Untersuchungsgrundsatzes nicht ohne substantiierten Sachvortrag und nur in den Grenzen der eigenen Zuständigkeit zu prüfen.

29

Rechtsgrundlage des Zweckverbandes ist die Verbandsordnung, bei der es sich ausweislich der Präambel um eine Satzung handelt. Diese rechtliche Zuordnung wird durch § 6 Abs. 1 Satz 4 Nds. Abfallgesetz bestätigt, wonach die Aufgaben, die die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zu erfüllen haben, zum eigenen Wirkungskreis gehören. Gemäß § 10 NKomVG (vormals § 6 NGO, § 7 NLO) ist die Satzung die kommunale untergesetzliche Norm im eigenen Wirkungskreis. Die Satzung des Zweckverbandes Abfallwirtschaft xxxxxx ist auch öffentlich bekannt gemacht worden, somit in Kraft getreten.

30

2.

Die Vergabekammer hat keine Prüfungskompetenz für öffentlich bekannt gemachte Satzungen. Sie ersetzt gemäߧ 102 GWB nicht die Aufsichtsbehörde, sondern ergänzt diese in einem engen gesetzlich in den §§ 99 ff GWB zugewiesenen Zuständigkeitsbereich (Tahal in Willenbruch/Wieddekind, Vergaberecht Kompaktkommentar, 2. Auflage, 11. Los, § 102 GWB, Randziffer 5). Eine Prüfung dieser Satzung ist im Vergabenachprüfungsverfahren aus mehreren Gründen nicht möglich.

31

Zum einen ist der Katalog der der Vergabekammer gemäß § 114 Abs. 1, § 101b Abs. 2 GWB aus dem Schutzzweck dieser Normen ableitbaren möglichen Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen, immer auf die Situation einer aktuell getroffenen oder drohenden Vergabeentscheidung beschränkt. Unter einer Rechtsverletzung i. S. des § 114 Abs. 1 GWB ist ausschließlich eine Verletzung des jeweiligen Antragstellers in seinen subjektiven Bieterrechten (Gause in Willenbruch/Wieddekind, Vergaberecht Kompaktkommentar, 2. Auflage, 11. Los, § 114 GWB, Randziffer 2) zu verstehen. Im Nachprüfungsverfahren wird also entweder ein alsbald an einen Dritten zu vergebender Zuschlag, oder ein dem Bieter mit oder sogar ohne vorherigem Vergabeverfahren kürzlich vorenthaltener Zuschlag (vgl. § 101b Abs. 2 GWB, 30 Tage bzw. sechs Monate nach Vertragsschluss) darauf geprüft, ob er den in § 97 GWB beschriebenen Wettbewerbsgrundsätzen genügt. Der Gesetzgeber hat die enge Befristung in § 101b GWB eingefügt, um die aus der unbefristeten Nichtigkeit der Vorgängernorm des§ 13 VgV erwachsenden Unwägbarkeiten zeitlich zu begrenzen (Kriener in Müller-Wrede GWB Vergaberecht, § 101b, Rz. 17; zu § 13 VgV vgl. noch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.06.2006 - Verg 17/06, unbefristete Nichtigkeit einer materiell fehlerhaften Aufgabenübertragung). Außerhalb des Vergabeverfahrens und des Anwendungsbereichs vergaberechtlicher Vorschriften liegende Rechtsverstöße sind im Vergabenachprüfungsverfahren grundsätzlich nicht zu überprüfen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.08.2008 - Verg 42/07, zit. nach ibr-online).

32

Zum anderen besteht gemäß § 47 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 7 Nds. Ausführungsgesetz zur VwGO eine besondere gesetzliche Zuweisung der Normenkontrolle zu der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO entscheidet das Oberverwaltungsgericht im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt. § 7 Nds. Ausführungsgesetz zur VwGO bestimmt, dass das Oberverwaltungsgericht nach Maßgabe des § 47 VwGO auf Antrag über die Gültigkeit einer landesrechtlichen Verordnung oder einer anderen im Range unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschrift entscheidet. Eine Satzung ist eine solche im Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift, so dass aufgrund der Verweisung aus § 7 Nds. AGVwGO i. V. m. § 47 VwGO die ausschließliche Zuständigkeit des Niedersächsischen OVG für Aussagen zur Gültigkeit dieser Satzung folgt (so auch Redeker in Redeker/v.Oertzen, VwGO, 15. Auflage 2010, § 47 VwGO, Rz. 14, unter ausdrücklicher Nennung der Satzungen von Zweckverbänden als von § 47 VwGO erfasster Normen). Die beantragte Feststellung der Unwirksamkeit der Übertragung der Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers auf den Zweckverband durch Satzungsbeschluss ist inhaltlich mit der Feststellung der Unwirksamkeit der Satzung identisch, da die Übertragung gemäß § 4 Abs. 1 der Verbandsordnung wesentlicher Teil dieser Satzung ist.

33

Auf die in § 47 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO enthaltene Ausschlussfrist von einem Jahr nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift für etwaige Anträge zur Gültigkeit der Satzung sowie die noch umfassendere Regelung des bis Anfang 2012 gültigen (vgl. Nds. GVBl. 2011, S. 499) § 11 Abs 4 Zweckverbandsgesetz weist die Vergabekammer am Rande hin. Somit ist die Antragsgegnerin dieses Vergabenachprüfungsverfahrens aufgrund der Bildung des Zweckverbandes Abfallwirtschaft xxxxxx unter gleichzeitiger Feststellung der vereinbarten Verbandssatzung zum Jahre 2003 kein möglicher öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB. Dies könnte allenfalls der Zweckverband Abfallwirtschaft xxxxxx sein. Darauf hat die Vergabekammer die Antragstellerin auch bereits mit verfahrensbegleitendem Schreiben vom 10.04.2012 hingewiesen.

34

Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Satzung des Zweckverbandes Abfallwirtschaft xxxxxx kürzlich erst in hier relevanten Punkten geändert worden ist, und insoweit die Satzungsänderung mit den oben genannten gesetzlich vorgegebenen Rechtsmitteln noch angreifbar wäre (vgl. zu einer Vertragsänderung OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.07.2011 - Verg 20/11 Ziffer 3). Die Antragstellerin hat als derzeit aktuell eine Fassung der Satzung aus dem Jahr 2008 vorgelegt. Diese unterscheidet sich zwar von der Fassung des Jahres 2002, welche die Antragsgegnerin vorgelegt hat, jedoch nicht in vergaberechtlich wesentlichen Punkten, da die Aufgabenübertragung in § 4 Abs. 1 der Satzung unverändert geblieben ist.

35

3.

Die Antragsgegnerin hat dem Zweckverband Abfallwirtschaft xxxxxx bereits seit 2003 in der bekanntgemachten Satzung auch die Entsorgung nicht überlassungspflichtiger Abfälle zur Verwertung gewerblicher Herkunft als wirtschaftliches Ziel gesteckt. Daher ist nach den obigen Ausführungen zu § 114 GWB eine Überprüfung in einem Vergabenachprüfungsverfahren unstatthaft. In § 4 Abs. 3 der Verbandsordnung 2002 ist als Zweck des gegründeten Zweckverbandes Abfallwirtschaft xxxxxx auch angegeben, dass er Abfälle zur Verwertung entsorgt. Diese Regelung findet sich inhaltsgleich in § 4 Abs. 4 der Verbandsordnung von 2008. Nach den obigen Ausführungen handelt es sich bei der Entsorgung der Abfälle gewerblicher Herkunft zur Verwertung nicht um die Übertragung einer öffentlichen Entsorgungspflicht gemäß § 15 KrW-/AbfG, da hinsichtlich dieser Abfälle keine Überlassungspflicht der Abfallbesitzer besteht. Die Antragsgegnerin wird also mindestens seit dem Jahr 2002 nicht in diesem Auftragsfeld tätig und hat eine etwaige Entscheidung, die nach der Logik der Antragstellerin als öffentlicher Auftrag zu werten sein könnte, zuletzt 2002 getroffen. Über die Entscheidung der Antragsgegnerin aus dem Jahr 2002 ist nach den obigen Ausführungen nicht mehr im Vergabenachprüfungsverfahren zu entscheiden.

36

4.

Nach Auffassung der Vergabekammer handelt es sich bei der jüngsten Intensivierung der Aktivitäten in dem Geschäftsfeld der Entsorgung nicht überlassungspflichtiger Abfälle weder um eine vergabefreie Organisationsentscheidung innerhalb der Antragsgegnerin als öffentlich-rechtlicher Körperschaft, noch um eine (vergabepflichtige) Beschaffung der Antragsgegnerin im Sinne des § 99 GWB. Vielmehr handelt es sich um allgemeines wettbewerbliches Handeln, das nicht dem Vergaberecht unterfällt.

37

Für die Organisationsentscheidung innerhalb der öffentlich-rechtlichen Körperschaft fehlt es an der hierzu notwendigen Aufgabenzuweisung an die Antragsgegnerin. Im Unterschied zu den Abfällen aus Privathaushalten sowie zu den Abfällen zur Beseitigung aus gewerblichen Herkunftsbereichen gibt es keine der Antragsgegnerin zugewiesene Entsorgungspflicht, die sie organisatorisch auf den Zweckverband Abfallwirtschaft xxxxxx hätte übertragen können. Vielmehr handelt es sich bei der in § 4 Abs. 4 der aktuellen Verbandsordnung festgelegten Aufgabe, Abfälle zur Verwertung zu entsorgen, vielleicht um die Weisung des Satzungsgebers, hier wettbewerblich tätig zu werden. Die Entsorgung von Abfällen zur Verwertung aus gewerblicher Herkunft ist ausweislich der Regelungen des § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG nicht bestimmten öffentlich-rechtlichen Entsorgungskörperschaften zugewiesen worden, sondern steht jedem Anbieter frei, der die gewerberechtlichen und abfallrechtlichen Voraussetzungen gemäß § 35 Gewerbeordnung und § 16 Abs. 1 KrW-/AbfG zu erfüllen vermag (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 14.12.2010, 1 Verg 5/10 Ziff. IIA 1. zur vergleichbar liberalisierten Stromlieferung). Die Antragstellerin hat in nachvollziehbarer Weise die Frage aufgeworfen, warum die nicht wesentlich für den Auftraggeber erfolgende Tätigkeit eines Zweckverbandes im Wettbewerb anders zu beurteilen sein soll, als die nicht wesentlich für den Auftraggeber erfolgende Tätigkeit einer Tochtergesellschaft im Wettbewerb. Diese Frage kann hier nicht beantwortet werden, weil die Vergabekammer gemäß den Ausführungen zu 2. nicht befugt ist, eine öffentlich bekannt gemachte Satzung aufzuheben, in der die wettbewerbliche Tätigkeit des Zweckverbandes als mögliches Verbandsziel vorgegeben ist.

38

Nach Auffassung der Vergabekammer handelt es sich auch nicht um eine Beschaffung der Antragsgegnerin im Sinne des § 99 Abs. 1 GWB. Eine Beschaffung liegt nur dann vor, wenn die Dienstleistung unmittelbar dem Auftraggeber zugute kommt (vgl. EuGH, Urteil vom25.03.2010, Rs. C-451/08, NZBau 2010, S. 321). Das ist bereits der Fall, wenn der Auftraggeber ein unmittelbares wirtschaftliches Interesse an der Auftragserledigung hat (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.06.2010 - Verg 9/10). Soweit der Zweckverband Abfallwirtschaft xxxxxx in Konkurrenz zu anderen Wettbewerbern eine Dienstleistung für Dritte anbietet, ist eine Beschaffung der Antragsgegnerin im Sinne des § 99 Abs. 1 GWB nicht zu begründen, da die zu erbringende Dienstleistung nicht unmittelbar der Antragsgegnerin als öffentlichem Auftraggeber, sondern den privaten Dienstleistungsauftraggebern zugute kommen soll. Die Antragsgegnerin wird auch nicht von ihr auferlegten öffentlich-rechtlichen Pflichten entlastet. Allenfalls mittelbar wird sie über die wirtschaftlichen Erträge des Zweckverbandes Abfallwirtschaft xxxxxx von dessen Dienstleistungen profitieren können. Das genügt nicht für die Feststellung einer Beschaffungsabsicht im Sinne des§ 99 GWB. Schranken einer wettbewerblichen Tätigkeit der Kommune ergeben sich ausschließlich aus § 136 NKomVG.

39

Soweit die Antragsgegnerin auf § 136 NKomVG verwiesen hat, ist dazu anzumerken, dass diese zum 01.01.2011 in Kraft getretene Vorschrift in Abs. 1 für die bis dato bestehende kommunalwirtschaftliche Betätigung Bestandsschutz gewährt. § 136 Abs. 1 Satz 2 NKomVG stellt nur die Neuerrichtung, Übernahme oder wesentliche Erweiterung weiterer wirtschaftlicher Tätigkeiten unter die bekannte Schrankentrias, die gemäß § 136 Abs. 1 Satz 3 NKomVG nun teilweise Drittschutz entfalten soll. Die Vergabekammer ist jedoch nicht berufen, diesen Drittschutz zu gewähren. Daher hat die Vergabekammer nicht zu entscheiden, ob die gewerbliche Tätigkeit des hier nicht verfahrensbeteiligten Zweckverbandes Abfallwirtschaft xxxxxx etwa der Verbandsordnung widerspräche.

40

5.

Die von der Antragstellerin dargestellte kürzliche Intensivierung der Aktivitäten in dem Geschäftsfeld der Entsorgung nicht überlassungspflichtiger Abfälle wurde nicht von der Antragsgegnerin, sondern vom Zweckverband Abfallwirtschaft xxxxxx vorgenommen. Eine etwaige vergaberechtliche Nachprüfung wäre daher nur mit anderen Verfahrensbeteiligten möglich. Vorsorglich gibt die Vergabekammer Hinweise zu den darin relevanten Rechtsfragen.

41

Nach § 99 GWB sind öffentliche Aufträge entgeltliche Verträge von öffentlichen Auftraggebern mit Unternehmen über die Beschaffung von Leistungen, die Liefer- oder Dienstleistungen zum Gegenstand haben. Da der Abfallzweckverband die gewerbliche Wertstofftonne und die weiteren Dienstleistungen selbst anbietet, also keinen entgeltlichen Vertrag mit formal rechtlich selbständigen Unternehmen schließt, liegt kein öffentlicher Auftrag gemäß § 99 Abs. 1 GWB vor.

42

Nur wenn tatbestandlich ein Auftrag gemäß § 99 Abs. 1 GWB an einen Dritten vorliegt, kann der Auftraggeber unter den besonderen Voraussetzungen der sog. Inhouse-Vergabe berechtigt sein, von den zwingenden Vorgaben des § 101 GWB abzuweichen. Die Inhouse-Vergabe ist daher entgegen der in diesem Verfahren vorgetragenen Auffassung nicht geeignet, das Tatbestandsmerkmal eines öffentlichen Auftrags zu verneinen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.07.2011 - Verg 20/11, 1.a)aa)). Die Berechtigung zur Inhouse-Vergabe liegt vor, wenn Auftraggeber und Auftragnehmer so eng miteinander verwoben sind, dass kein wesentlicher Unterschied zu einer Austauschbeziehung innerhalb einer Rechtsperson besteht (Müller-Wrede/Kaelble in Müller-Wrede GWB Vergaberecht, § 99 Rz. 107). Dies ist der Fall, wenn Privatinteressen nicht, auch nicht über eine Kapitalbeteiligung, involviert sind, wenn die vergebende Stelle über den Auftragnehmer eine Kontrolle wie bei einer eigenen Dienststelle ausübt und wenn der jeweilige Auftragnehmer im Wesentlichen für den Auftraggeber tätig ist. Solange jedoch der öffentlich-rechtlich Verpflichtete die Aufgabe selbst ausführt, fehlt es mangels öffentlichen Auftrags schon an der Möglichkeit einer Inhouse-Vergabe. Der Beschluss des OLG Düsseldorf vom 21.06.2006 - Verg 17/06 ist daher als Beleg für eine Inhouse-Vergabe nicht geeignet. Die dort erörterten Dienstleistungen waren mit Ausnahme der Einsammlung von PPK und Wertstoffen Gegenstand der Übertragung auf den Zeckverband und mussten daher nicht gesondert vergeben werden. Dagegen lag in dem vom OLG Düsseldorf im Jahr 2011 (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.07.2011 - Verg 20/11) entschiedenen Fall eine Vergabe vor, weil der Zweckverband als öffentlicher Entsorgungsträger eine Gesellschaft mit der Wahrnehmung der Pflichten beauftragt hatte. Diese war nicht im Wesentlichen für den Auftraggeber tätig, so dass der Gesellschaft die sogenannte Inhouse-Fähigkeit fehlte. Soweit das OLG Düsseldorf die Änderung der vergabepflichtigen Beauftragung dieser Gesellschaft gleichfalls als vergabepflichtig angesehen hat, sieht die Vergabekammer dies als folgerichtig, aber nicht als grundlegenden Richtungswechsel in der Rechtsprechung an.

43

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB in der seit dem 24.04.2009 geltenden Fassung (Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechtes vom 20.04.2009, BGBl. I, S. 790).

44

Die in Ziffer 2 des Tenors festgesetzte Gebühr ergibt sich aus einer Interpolation des Gebührenrahmens nach § 128 Abs. 2 GWB. Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt 2.500 €, die Höchstgebühr 50.000 € und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 €.

45

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung vom Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 € (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 € zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 € (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. € (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt. Dazwischen wird interpoliert.

46

Da die Antragstellerin und die Antragsgegnerin keinen konkreten Auftragswert genannt haben, ist dieser zu schätzen. Die Antragstellerin hat ein Interesse am Auftrag der Einsammlung von PPK-Abfällen aus Privathaushalten, greift daher materiell die Aufgabenübertragung auf den Zweckverband Abfallwirtschaft xxxxxx an. Der Auftragswert lässt sich anhand der der Vergabekammer vorliegenden jüngsten Nachprüfungsverfahren schätzen. In dem Verfahren VgK 06-2012 ging es um die Einsammlung von PPK-Abfällen aus Privathaushalten eines Landkreises mit ca. 77.000 Einwohnern. Die Angebote lagen im Mittel bei jährlich xxxxxx € netto, folglich xxxxxx € brutto. Die xxxxxx hat 1.132.000 Einwohner, also in etwa das 15fache der Einwohnerzahl des Landkreises in jenem Verfahren. Signifikante Unterschiede im Sammelverhalten der Einwohner Niedersachsens sind nicht zu erwarten. Somit ist der Auftragswert um den Bevölkerungsfaktor zu erhöhen. Daraus ergibt sich ein Jahreswert für diesen Auftrag von xxxxxx € brutto, hier im Rahmen der Schätzung zu Gunsten der Antragstellerin abgerundet auf xxxxxx€.

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Gemäß § 3 Abs. 4 Nr.2 VgV ist die Berechnungsgrundlage bei Aufträgen mit unbestimmter Laufzeit der 48fache Monatswert. Auch wenn es hypothetisch wäre, hier eine verbindliche Aussage über die bei einer angenommenen Vergabe festzusetzende Laufzeit der zu vergebenden Leistung zu treffen, hält die Vergabekammer angesichts der von der Antragstellerin geltend gemachten Rückwirkung von 10 Jahren die Dauer von 48 Monaten oder vier Jahren hier für angemessen. Somit ergibt sich ein geschätzter Auftragswert von xxxxxx € brutto. Dieser Betrag entspricht dem Interesse der Antragstellerin an der rückwirkenden Unwirksamkeitserklärung der Aufgabenübertragung auf den Zweckverband Abfallwirtschaft xxxxxx.

48

Bei einer Ausschreibungssumme von xxxxxx € brutto ergibt sich eine Gebühr in Höhe von xxxxxx €. Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Da hier eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich war, wegen der Unzulässigkeit eine materielle Betrachtung unterbleiben konnte, ermäßigt die Vergabekammer die Gebühr gemäß § 128 Abs 3 Satz 6 GWB auf 3/4 der Gebühr, somit auf xxxxxx € (vgl. VK Niedersachsen Beschluss vom 14.02.2012, VgK-05/2012).

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Die in Ziffer 3 des Tenors verfügte Kostentragungspflicht folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Nachprüfungsverfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Für die Ermittlung des Unterliegens ist nicht auf einen etwaigen Antrag abzustellen. Gemäß § 114 GWB ist die Vergabekammer an Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken. Da die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren unterlegen ist, hat sie die Kosten zu tragen.

50

Gemäß Ziffer 4 des Tenors hat die Antragstellerin der Antragsgegnerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen gemäß § 128 Abs. 4 GWB zu erstatten.

51

Die anwaltliche Vertretung der Auftraggeberin im Nachprüfungsverfahren gehört nicht grundsätzlich zu den notwendigen Aufwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung. Grundsätzlich ist der Auftraggeber gehalten, im Rahmen seiner Möglichkeiten vorhandenes juristisch geschultes Personal auch im Nachprüfungsverfahren einzusetzen. Auftragsbezogene Rechtsfragen aus dem Bereich der VOL/A oder VOB/A wird regelmäßig das mit der Vergabe betraute Personal sachkundig beantworten können, so dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes regelmäßig nicht notwendig sein wird, wenn auftragsbezogene Fragen Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens sind (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.01.2011, Verg 60/10; OLG Celle, Beschluss vom 09.02.2011, 13 Verg 17/10; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.06.2010, 15 Verg 4/10; OLG München, Beschluss vom 11.06.2008, Verg 6/08, und vom 28.02.2011, Verg 23/10). Andererseits ist das Vergaberecht eine komplexe Rechtsmaterie mit Vorschriften aus sowohl nationalem Recht als auch dem Europarecht, die nicht immer im Gleichklang stehen. Soweit der Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens daher hauptsächlich rechtliche Probleme des GWB sind, ist im Einzelfall die anwaltliche Vertretung des Antragsgegners durchaus angemessen.

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Hier handelt es sich ausschließlich um schwierige und innovativ dargestellte Fragen des GWB, unter Berücksichtigung besonderer Probleme des KrW-/AbfG und des kommunalen Wirtschaftsrechts. Die anwaltliche Vertretung der Antragsgegnerin war daher in diesem Fall geboten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war für die Antragsgegnerin als notwendig anzuerkennen.

53

Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den Betrag von xxxxxx € unter Angabe des Kassenzeichens

54

xxxxxx

auf folgendes Konto zu überweisen:

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xxxxxx.

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Gaus
Frau Rohn kann aufgrund krankheitsbedingter Abwesenheit nicht selbst unterschreiben Gaus
Weyer