Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 04.10.2012, Az.: VgK-38/2012
Rechtmäßigkeit des Ausschlusses eines Bieters/Bewerbers von einem Vergabeverfahren wegen eines beantragten oder eröffneten Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Bewerbers/Bieters
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 04.10.2012
- Aktenzeichen
- VgK-38/2012
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 27525
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 6 EG Abs. 6 VOL/A
- § 16 Abs. 3 Buchst. e VOL/A
In dem Nachprüfungsverfahren
des Rechtsanwalts xxxxxx, als Insolvenzverwalter über das Vermögen der xxxxxx,Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Antragsteller -
gegen
den Landkreis xxxxxx,
- Antragsgegner -beigeladen:
xxxxxx, Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Beigeladene -
wegen
Vergabeverfahren, Aufbau, Ausbau und Technik für einen Einsatzleitwagen ELW 2
hat die Vergabekammer durch den Vorsitzenden MR Gause, die hauptamtliche Beisitzerin Dipl. Ing. Rohn und den ehrenamtlichen Beisitzer, Herrn RA Hintz, auf die mündliche Verhandlung vom 21.09.2012
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
- 2.
Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
- 3.
Die Kosten werden auf xxxxxx EUR festgesetzt.
- 4.
Der Antragsteller hat der Beigeladenen die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war für die Beigeladene notwendig.
Begründung
I.
Mit Bekanntmachung vom xxxxxx.2012 hat der Landkreis xxxxxx als Auftraggeber den Lieferauftrag " Aufbau, Ausbau, Technik für einen Einsatzleitwagen ELW 2" im offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben. Der Auftrag umfasst den Aufbau eines ELW 2, bestehend aus Kommunikation und Notleitstelle, einschließlich Ausstattung und technischer Ausrüstung auf ein vorhandenes Trägerfahrzeug. Als Zuschlagskriterien sollen der Preis mit 70%, die Qualität der Ausstattung mit 20% und Kundendienst und Service mit 10% in die Wertung eingehen. Als Nachweise der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit werden in den Teilnahmebedingungen bekanntgegeben:
Erklärung zum Umsatz der letzten 3 Geschäftsjahre und
Erklärung, dass sich der Bewerber nicht im Insolvenzverfahren oder Liquidation befindet, er nicht rechtskräftig aus Gründen verurteilt wurde, die seine Zuverlässigkeit in Frage stellen, und dass er seiner Verpflichtung zur Zahlung von Steuern sowie von Beiträgen zur Sozialversicherung (Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung) nachkommt.
Angebote waren - nach Verlängerung - bis zum 08.06.2012 einzureichen.
Mit der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes erhielten die Bieter die Vergabeunterlagen. Zu den Eignungsnachweisen wurde in der Aufforderung zur Angebotsabgabe auf Seite 1 unten folgender Hinweis gegeben:
"Zum Nachweis Ihrer Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit (Eignung) werden Unterlagen und Angaben gefordert, die durch den Gegenstand des Auftrags gerechtfertigt sind.
Grundsätzlich sind Eigenerklärungen vorzulegen (§ 7 EG VOL/A). Mit Begründung im Vergabevermerk können zusätzliche Nachweise verlangt werden.
Folgende Nachweise sind mit dem Angebot vorzulegen:
- Umsatz des Unternehmens in den letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahren;
- die Ausführung von Leistungen in den letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahren, die mit der zu vergebenden Leistung vergleichbar sind;
- die Eintragung in das Berufsregister Ihres Sitzes oder Wohnsitzes;
- andere Nachweise: Abgabe einer Erklärung, dass sich der Bewerber nicht im Insolvenzverfahren oder Liquidation befindet, er nicht rechtskräftig aus Gründen verurteilt wurde, die seine Zuverlässigkeit in Frage stellen, er seiner Verpflichtung zur Zahlung von Steuern sowie Beiträgen zur Sozialversicherung nachkommt;
- Gewerbezentralregisterauszug;
- Nachweis der Eignung durch Vorlage eines Präqualifizierungszertifikates."
In den Bewerbungsbedingungen wird unter Ziffer 3.3 darauf hingewiesen, dass Unterlagen, die von der Vergabestelle nach Angebotsabgabe verlangt werden, zu dem von der Vergabestelle bestimmten Zeitpunkt einzureichen sind. Werden die Unterlagen nicht vollständig fristgerecht vorgelegt, wird das Angebot ausgeschlossen.
Der Vordruck für das Angebotsschreiben enthält u.a. folgende vorbereitete Erklärungen:
"1. Ich erkläre/wir erklären, dass ich/wir meinen/unseren Verpflichtungen zur Zahlung von Steuern und Abgaben sowie der Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung nachgekommen bin/sind. ..." Das Angebotsschreiben schließt mit der Erklärung: "Ich bin mir/wir sind uns bewusst, dass eine wissentlich falsche Erklärung im Angebotsschreiben den Ausschluss von dieser Ausschreibung und von weiteren Ausschreibungen zur Folge haben kann. An mein/unser Angebot halte ich mich/halten wir uns bis zum Ende der Zuschlagsfrist gebunden."
Mit Beschluss vom 24.05.2012 bestellte das Amtsgericht xxxxxx im Verfahren auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Fa. xxxxxx Herrn RA xxxxxx zum vorläufigen Sachwalter mit den vorläufigen Pflichten zur Prüfung der wirtschaftlichen Lage der Fa. xxxxxx und zur Überwachung ihrer Geschäftsführung und Ausgaben. Es gab ihm den Auftrag, innerhalb von 4 Wochen ein Gutachten über die finanzielle Leistungsfähigkeit der Fa. xxxxxx und die Aussichten für eine Fortführung ihres Unternehmens zu erstellen.
Innerhalb der Angebotsfrist gingen drei Angebote bei der Vergabestelle ein. Nach den Eintragungen auf Seite 2 der Niederschrift über die Verdingungsverhandlung vom 12.06.2012 ist das Angebot der Fa. xxxxxx vom 23.05.2012 das preislich niedrigste Angebot.
Die Fa. xxxxxx hat das Angebotsschreiben unterzeichnet, ohne Änderungen an den im Angebotsschreiben vorgegebenen Erklärungen vorzunehmen. Dem Angebot beigefügt waren
eine Bescheinigung in Steuersachen des Finanzamtes xxxxxx vom 28.04.2011,
eine Unbedenklichkeitsbescheinigung der xxxxxx vom 5. März 2012,
eine Bescheinigung über die Kammerzugehörigkeit der IHK xxxxxx vom 12.06.2007,
eine Bescheinigung der Berufsgenossenschaft Holz und Metall vom 17.01.2012 über die Entrichtung von Beiträgen,
verschiedene Zertifikate,
eine Auskunft aus dem Gewerbezentralregister vom 07.05.2012 und
ein Ausdruck des Handelsregisters vom 2. Februar 2012 des Amtsgerichts xxxxxx.
In der Vergabeakte sind dem Angebot zwei Emails des Kreisbrandmeisters nachgeheftet, mit denen dieser zwei Emails der Fa. xxxxxx vom 30.05.2012 und 07.06.2012 an die Vergabestelle weitergeleitet hat. In diesen Emails informiert die Fa. xxxxxx den Kreisbrandmeister über das Insolvenzverfahren. Die Informationen sind direkt an den Kreisbrandmeister gerichtet und enthalten keine Bezugnahme auf das Vergabeverfahren.
Mit Schreiben vom 25.06.2012 bat der Antragsgegner die Fa. xxxxxx unter Bezugnahme auf das gegen sie eröffnete Insolvenzverfahren "um kurzfristige Übersendung des vom vorläufigen Sachwalters erstellten Gutachtens über die möglichen Aussichten für eine Fortführung des Unternehmens". Eine konkrete Frist zur Vorlage wurde nicht gesetzt.
Mit Email vom 29.06.2012 meldete sich die Fa. xxxxxx bei der Vergabestelle und teilte mit, dass sie "den Sachverhalt erst Anfang nächster Woche (KW 27) im Rahmen des beantragten Insolvenzverfahrens" beantworten könne.
Mit Schreiben vom 27.06.2012 informierte Herr RA xxxxxx als vorläufiger Sachwalter den Antragsgegner über die voraussichtliche Eröffnung des Insolvenzverfahrens zum 01.08.2012 und über inzwischen durchgeführte strategische Maßnahmen.
Am 07.07.2012 ging ein Schreiben der Fa. xxxxxx vom 03.07.2012 mit weiteren Informationen über das Insolvenzverfahren beim Antragsgegner ein. Dem Schreiben war der Beschluss gemäß § 21 Abs. 2 InsO des Amtsgerichtes xxxxxx vom 02.07.2012 beigefügt. Mit diesem Beschluss wurde die vorläufige Verwaltung des Vermögens der Fa. xxxxxx angeordnet und ein allgemeines Verfügungsverbot erlassen. Herr RA xxxxxx wurde zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt.
Mit Schreiben vom 26.07.2012 bestätigte der vorläufige Insolvenzverwalter unter Bezugnahme auf das Schreiben des Antragsgegners vom 25.06.2012 und dessen Telefonate mit Mitarbeitern der Fa. xxxxxx, "dass der Geschäftsbetrieb der xxxxxx auch über die Eröffnung des Verfahrens fortgeführt wird und bei Auftragserteilung durch Ihr Haus die Abarbeitung des in Rede stehenden Auftrages gesichert ist". Mit Beschluss gemäß § 27 InsO vom 30.07.2012 eröffnete das Amtsgerichts xxxxxx das Insolvenzverfahren und bestellte Herrn RA xxxxxx zum Insolvenzverwalter.
Die Prüfung und Wertung der Angebote wurde im Vergabevermerk des Antragsgegners dokumentiert. Unter VIII. Angebotswertung ist vermerkt, dass das Angebot der Fa. xxxxxx ausscheidet, "weil im Leistungsverzeichnis geforderte Angaben und/oder Erklärungen fehlen, nämlich - Unbedenklichkeitsbescheinigung der Finanzverwaltung sowie Eigenerklärung über beantragtes Insolvenzverfahren und - bei Anwendung der VOL/A - sofern von der optionalen Möglichkeit der Nachforderung gemäß § 16 Abs. 2 VOL/A Gebrauch gemacht wurde, nicht innerhalb der bestimmten Nachfrist vorgelegt wurden". Für den Zuschlag wurde das Angebot der Beigeladenen ausgewählt. In die Niederschrift über die Verdingungsverhandlung wurde am 06.08.2012 folgender Zusatz eingetragen: "Firma xxxxxx wurde nach Prüfung von der Ausschreibung ausgeschlossen. Siehe gesonderten Vorgang, inkl. Stellungnahme des Rechtsamtes." Die erwähnte Stellungnahme des Rechtsamtes lag den als Vergabeakte vorgelegten Unterlagen nicht bei.
Per Email erhielt die Fa. xxxxxx am 09.08.2012 das Informationsschreiben des Antragsgegners vom 09.08.2012. Hierin wurde sie darüber informiert, dass der Zuschlag frühestens am 30.08.2012 auf das Angebot der Beigeladenen erteilt werden soll. Ihr eigenes Angebot werde ausgeschlossen wegen Unvollständigkeit und weil ein Ausschlussgrund gemäß § 6 EG Abs. 6 VOL/A vorliegt.
Mit Schreiben vom 14.08.2012 rügte die Fa. xxxxxx die mit Informationsschreiben vom 09.08.2012 mitgeteilte Entscheidung über den Ausschluss ihres Angebotes. Für den Angebotsausschluss seien ihr keine nachvollziehbaren Gründe mitgeteilt worden. Auch fehlten Aussagen zur Wirtschaftlichkeit ihres Angebotes.
Mit Rügeantwort vom 16.08.2012 teilte der Antragsgegner mit, das Angebot sei unvollständig und nicht formgerecht vorgelegt worden. Es fehle eine aktuelle Bescheinigung über die Zahlung von Steuern und eine Erklärung zu Insolvenzverfahren. Letztere habe sie im Nachlauf mit offenem Schreiben vom 30.05.2012 und vom 07.06.2012 außerhalb des Vergabeverfahrens an den Kreisbrandmeister übermittelt. Mit diesem Formverstoß sei die Vertraulichkeit ihres Angebotes nicht mehr gewährleistet. Bereits dies führe zum zwingenden Ausschluss ihres Angebotes.
Nach dem Inhalt ihres Schreibens vom 30.05.2012 werde das Insolvenzverfahren insbesondere wegen einer außerordentlichen Steuerbelastung durchgeführt. Dies lasse auf Steuerschulden schließen, die gemäß § 6 EG Abs. 6 VOL/A ebenfalls einen Angebotsausschluss rechtfertigen. Ein weiterer Grund für einen Angebotsausschluss gemäß § 6 EG Abs. 6 VOL/A sei das laufende Insolvenzverfahren. Bei der hierbei gebotenen Ermessensentscheidung sei ausschlaggebend gewesen, dass sie mit Angebotsabgabe am 23.05.2012 zumindest grob fahrlässig ihre Steuerschulden und den am 24.05.2012 anstehenden Insolvenzantrag nicht angegeben habe. Hierdurch sei das Vertrauen in ihre Zuverlässigkeit erschüttert worden.
Mit Fax vom 17.08.2012 kündigte die Fa. xxxxxx beim Antragsgegner eine Erwiderung ihrer Rechtsabteilung an und bat, diese in seine Gesamtüberlegungen einzuziehen. Am 28.08.2012 informierte die Fa. xxxxxx den Antragsgegner über den vom Insolvenzverwalter gestellten Nachprüfungsantrag vom 28.08.2012, der am 29.08.2012 per Post bei der Vergabekammer einging.
Der Nachprüfungsantrag richtet sich gegen den Angebotsausschluss. Hierzu wird vorgetragen, einen Ausschlussgrund gemäß § 19 EG Abs. 3 lit e VOL/A gebe es nicht, denn die Insolvenzschuldnerin habe ihr Angebot vom 23.05.2012 form- und fristgerecht, nämlich in einem fest verschlossenen Umschlag innerhalb der Angebotsfrist dem Antragsgegner vorgelegt. Da das Angebot von keinem Dritten geöffnet worden sei, habe es keine Manipulationsmöglichkeiten gegeben. Mit der Übersendung von Informationen über das Insolvenzverfahren an den Kreisbrandmeister seien keine Inhalte des Angebotes preisgegeben worden. Diese Informationen seien öffentlich zugänglich und hätten auch keinen Einfluss auf den Wettbewerb. Die vertrauliche Behandlung der Angebote sei hierdurch nicht berührt. Die Mitteilung über das Insolvenzverfahren vom 30.05.2012 wurde über den Kreisbrandmeister vorgelegt, weil dieser Tage zuvor telefonisch entsprechende Fragen gestellt habe.
Ohnehin hätte der Antragsgegner gemäß § 19 EG Abs. 2 VOL/A fehlende Erklärungen nachfordern können, denn die Vergabeunterlagen enthielten keinen Hinweis darauf, dass die Nichtvorlage von geforderten Erklärungen zwingend zum Angebotsausschluss führt. Ein Grund zum Ausschluss des Angebotes wegen Unvollständigkeit sei zudem gar nicht gegeben. Die Insolvenzschuldnerin habe einen Ausdruck des Handelsregisters vom 2. Februar 2012 des Amtsgerichts xxxxxx vorgelegt. Der Antragsgegner habe keine Erklärung bezüglich der Beantragung eines Insolvenzverfahrens gefordert. Zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe am 23.05.2012 sei noch kein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin eröffnet gewesen. Dem für die Angebotsabgabe zuständigen Angestellten, Herrn xxxxxx, sei der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom 22.05.2012 zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe auch nicht bekannt gewesen.
Der Forderung zur Vorlage einer Erklärung zur Zahlung von Steuern sei sie mit der Vorlage der Bescheinigung des Finanzamtes xxxxxx vom 28.04.2011 nachgekommen. Da die Verbindlichkeiten gegenüber dem Finanzamt aufgrund der Unwirksamkeit einer vertraglich vereinbarten steuerlichen Organschaft entstanden seinen, hätte eine aktuelle Erklärung hierzu gar keine Aussage getroffen.
Ein Ausschluss gemäß § 6 EG Abs. 6 VOL/A setze die Prüfung der finanziellen Leistungsfähigkeit der Insolvenzschuldnerin und eine umfassende Abwägung und Gewichtung aller Argumente voraus. Eine sachgerechte Ermessensausübung sei im vorliegenden Fall nicht erkennbar. Der Antragsgegner habe Tatsachen, die trotz Insolvenz für eine Leistungsfähigkeit der Insolvenzschuldnerin sprechen, nicht in seine Abwägung eingestellt.
Den zum Insolvenzverfahren gegebenen Informationen der Insolvenzschuldnerin habe der Antragsgegner entnehmen können, dass der Geschäftsbetrieb auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortgeführt werde und dass die vollständige und gewissenhafte Abarbeitung der bestehenden und auch der neu zu erteilenden Aufträge ohne Abstriche in gewohnt hoher Qualität gesichert sei. Es sei überwiegend wahrscheinlich, dass in dem eröffneten Insolvenzverfahren im Rahmen einer übertragenen Sanierung eine dauerhafte Fortführung des schuldnerischen Geschäftsbetriebes möglich ist. Dies werde durch den dem Nachprüfungsantrag beigefügten Auszug aus dem Insolvenzgutachten vom 27.07.2012 - auf dessen Herausgabe der Antragsgegner grundsätzlich keinen Anspruch habe - und die prognostizierte Gewinn- und Verlustrechnung für August bis Dezember 2012 belegt.
Der Antragsteller beantragt,
- 1.
dem Antragsgegner aufzugeben, den Ausschluss des Angebotes der Insolvenzschuldnerin zurückzunehmen und die Angebotswertung unter Einbeziehung des Angebotes der Insolvenzschuldnerin zu wiederholen und den Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen;
- 2.
die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers für notwendig zu erklären;
- 3.
dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Aufwendungen des Antragstellers aufzuerlegen.
Der Antragsgegner beantragt,
- den Nachprüfungsantrag auf Kosten der Insolvenzschuldnerin zurückzuweisen.
Er hält den Nachprüfungsantrag für unbegründet. Das Angebot der Insolvenzschuldnerin sei bereits gemäß § 19 EG Abs. 3 lit a) und e) VOL/A zwingend auszuschließen, da es unvollständig gewesen sei und aus von der Insolvenzschuldnerin zu vertretenden Gründen nicht formgerecht vorgelegt worden sei.
Nach den Vorgaben der Aufforderung zur Angebotsabgabe waren die geforderten Eigenerklärungen mit dem Angebot in einem geschlossenen Umschlag vorzulegen. Dem Angebot der Insolvenzschuldnerin vom 23.05.2012 hätten bei Angebotseröffnung am 12.06.2012 jedoch weder eine aktuelle Bescheinigung in Steuersachen noch die geforderte Erklärung zu Insolvenzverfahren, Liquidation und Verurteilungen beigelegen.
Dadurch dass die Insolvenzschuldnerin die geforderten Erklärungen nicht mit vorgelegt, sondern stattdessen entsprechende Informationen vor Submission - außerhalb des Vergabeverfahrens und ohne Bezugnahme auf dieses - über den ihr aus anderen Aufträgen persönlich bekannten Kreisbrandmeister zur Kenntnis gebracht habe, sei die Vollständigkeit und Manipulationsfreiheit des eingereichten Angebotes nicht mehr gewährleistet. Die Kontaktaufnahme der Insolvenzschuldnerin zum Kreisbrandmeister müsse als wettbewerbsbeschränkender Versuch der Einflussnahme verstanden werden. Da die entsprechenden Erkenntnisse bereits außerhalb des Verfahrens bekannt geworden seien, kam eine Nachforderung der fehlenden Erklärungen gemäß § 19 EG Abs. 2 VOL/A nicht mehr in Betracht und konnte die Unvollständigkeit des Angebotes nicht mehr geheilt werden. Die in der Rügeantwort vom 16.08.2012 erläuterte Entscheidung zum Ausschluss des Angebotes der Insolvenzschuldnerin gemäß § 6 EG Abs. 6 lit a) VOL/A wegen des laufenden Insolvenzverfahrens sei ermessensfehlerfrei und nicht zu beanstanden. Mit hohem Gewicht zu berücksichtigen sei hierbei das berechtigte Interesse des Auftraggebers an einer gesicherten und ordnungsgemäßen Vertragsdurchführung und Gewährleistung. Es wäre nicht zulässig gewesen, hierzu nachträglich Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften zu fordern.
Da das bei der Insolvenzschuldnerin angeforderte Gutachten über die Prognose der Finanzierungsfähigkeit nicht von ihr vorgelegt worden sei, habe es keine verlässliche Entscheidungsgrundlage gegeben. Die Insolvenzschuldnerin habe offensichtlich nicht mit offenen Karten gespielt.
Mit der Vorlage eines Auszuges aus dem angeforderten Gutachtens erst im Nachprüfungsverfahren könne der Antragsteller die Verletzung der Auskunftspflicht seiner Insolvenzschuldnerin gegenüber dem Auftraggeber nicht heilen. Überdies sei das Gutachten nicht geeignet, eine Entscheidung zugunsten des Angebotes der Insolvenzschuldnerin zu rechtfertigen.
Die Beigeladene beantragt,
- 1.
den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen;
- 2.
dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Aufwendungen der Beigeladenen aufzuerlegen;
- 3.
die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten durch die Beigeladene für notwendig zu erklären.
Sie hält den Antrag bereits für unzulässig, weil die - ohnehin unsubstantiierten - Rügen nicht unverzüglich und nicht vom antragstellenden Insolvenzverwalter, sondern von der hierzu nicht mehr berechtigten Insolvenzschuldnerin erhoben worden seien. Die mit Schreiben vom 16.08.2012 mitgeteilten konkreten Ausschlussgründe seien gar nicht gerügt worden. Darüber hinaus sei der Antrag unbegründet. Bezüglich der Gründe zum Angebotsausschluss teilt sie die Rechtsauffassung des Antragsgegners. Bei genauer Betrachtung aller Umstände habe die Insolvenzschuldnerin die in Bekanntmachung und Aufforderung zur Angebotsabgabe eindeutig geforderte Eigenerklärung, dass sich der Bieter nicht im Insolvenzverfahren befindet, überhaupt nicht vorgelegt. Mit seinem Vortrag verkenne der Antragsteller die Aufklärungspflichten der Bieter gegenüber dem Auftraggeber. Dieser müsse anhand der vorgelegten Eignungsnachweise in der Lage sein, die Eignung der Bieter sicher beurteilen zu können. Zu diesen Pflichten gehöre auch, den Auftraggeber unaufgefordert über etwaige Veränderungen zu informieren. Dies habe die Insolvenzschuldnerin nicht getan. Mit den an Stelle des angeforderten Insolvenzgutachtens abgegebenen, möglicherweise sogar unzutreffenden Erklärungen habe sie den Antragsgegner nicht in die Lage versetzt, eine sichere Auftragsdurchführung und Gewährleistung durch den insolventen Bieter zu prognostizieren. Mit ihrer inhaltlich falschen Erklärung im Angebotsschreiben und der Vorlage eines nicht aktuellen Nachweises habe die Insolvenzschuldnerin zudem auch ihre Steuerschulden gegenüber dem Antragsgegner verheimlicht. Nach alledem habe der Antragsgegner das Angebot ermessensfehlerfrei ausgeschlossen.
Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 21.09.2012 Bezug genommen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, aber unbegründet. Der Antragsteller ist durch die Entscheidung des Antragsgegners, das Angebot der von ihm als Insolvenzverwalter betreuten Fa. xxxxxx (im Folgenden: Fa. xxxxxx), von der Angebotswertung auszuschließen, nicht in seinen Rechten gemäß §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB verletzt. Der Antragsgegner hat sich im Rahmen seines ihm durch § 19 EG Abs. 4 i.V.m. § 6 EG Abs. 6 VOL/A eingeräumten Ermessens gehalten, als er das Angebot der Fa. xxxxxx ausgeschlossen hat. Die Voraussetzungen für einen fakultativen Ausschluss gemäß § 6 EG Abs. 6 lit. a, d und e VOL/A liegen vor. Es ist daher vorliegend nicht entscheidungserheblich, ob darüber hinaus auch die Voraussetzungen für einen zwingenden Ausschluss gemäß § 19 EG Abs. 3 lit. a und e VOL/A wegen eines unvollständigen und nicht formgerechten Angebotes vorliegen.
1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei dem Antragsgegner handelt es sich um einen Landkreis und damit um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um die Vergabe eines Auftrags für den Aufbau, den Ausbau und die Technik für einen Einsatzleitwagen ELW 2, bestehend aus Kommunikation und Notleitstelle, einschließlich Ausstattung und technischer Ausrüstung auf ein vorhandenes Trägerfahrzeug und damit um einen Liefer- und Dienstleistungsauftrag, für den gemäß § 2 Nr. 2 der Vergabeverordnung (VgV) in der zum Zeitpunkt der EU-weiten Bekanntmachung vom xxxxxx.2012 geltenden Fassung ein Schwellenwert von 193.000 EUR galt. Der vom Auftraggeber gemäß § 1 Abs. 1 VgV geschätzte Wert des Auftrags beträgt ausweislich der im Vergabevermerk dokumentierten Kostenanschlagssumme ca. xxxxxx EUR brutto.
Auch unter Abzug der Umsatzsteuer in Höhe von 19% wird der maßgebliche Schwellenwert damit deutlich überschritten.
Der Antragsteller ist auch antragsbefugt im Sinne des § 107 Abs. 2 GWB, da er durch Beschluss des Amtsgerichts xxxxxx vom 30.07.2012 gemäß § 27 InsO zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der xxxxxx ernannt wurde. Die Fa. xxxxxx hat vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Angebot im streitbefangenen Vergabeverfahren abgegeben. Der Antragsteller hat somit für die Fa. xxxxxx ein Interesse am Auftrag und die Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend gemacht, indem er die Auffassung vertritt, der Antragsgegner habe das Angebot der Schuldnerin zu.U.nrecht von der Wertung ausgeschlossen. Die Voraussetzungen für die vom Antragsgegner vorrangig herangezogenen zwingenden Ausschlusstatbestände des § 19 EG Abs. 3 lit. a und e VOL/A lägen nicht vor, weil der Antragsgegner es versäumt habe, sein Ermessen über die Möglichkeit einer Nachforderung der im Angebot fehlenden Erklärung, dass sich das Unternehmen nicht im Insolvenzverfahren oder der Liquidation befindet, auszuüben. Im Übrigen habe sich das Unternehmen im Zeitpunkt der Erstellung des Angebotes vom 23.05.2012 noch nicht im Insolvenzverfahren befunden. Aber auch soweit der Antragsgegner die Ausschlussentscheidung auf die fakultativen Ausschlusstatbestände des § 19 EG Abs. 4 VOL/A i.V.m. § 6 EG Abs. 6 VOL/A stütze, habe der Antragsgegner sein ihm als Auftraggeber eingeräumtes Ermessen nicht hinreichend ausgeübt. Er habe es insbesondere versäumt, auch die für eine Belassung des Angebotes sprechenden Tatsachen und Umstände zu berücksichtigen. Voraussetzung der Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das Antrag stellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 107, Rdnr. 52). Nach herrschender Meinung und Rechtsprechung sind an diese Voraussetzung keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrages, wenn der Bieter schlüssig einen durch die Verletzung drohenden oder eingetretenen Schaden behauptet, also darlegt, dass durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß seine Chancen auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein können (vgl. BVerfG, Urteil vom 29.07.2004 - 2 BvR 2248/04; Möllen-kamp in: Kulartz/Kus/Portz, GWB-Vergaberecht, § 107, Rdnr. 35 ff.). Ob tatsächlich der vom Bieter behauptete Schaden droht oder ob die Voraussetzungen für einen Aus-schluss vorliegen, ist eine Frage der Begründetheit (vgl. BGH, Beschluss vom 26.09.2006 - X ZB 14/06; OLG Celle, Beschluss v. 02.10.2008 - 13 Verg 4/09 = NZBau 2009, S. 58 ff., 59). Der Antragsteller hat die Möglichkeit eines entsprechenden Schadens dargelegt, zumal das von ihm verwaltete Bieterunternehmen das preislich niedrigste Angebot abgegeben hat und damit eine Chance auf den Zuschlag hat, sofern das Angebot in der Angebotswertung verbleibt.
Der Nachprüfungsantrag ist entgegen der Auffassung der Beigeladenen auch nicht aufgrund einer Präklusion gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB unzulässig. Der Antragsteller kann sich als Insolvenzverwalter zu Recht auf die von der von ihm verwalteten Schuldnerin mit Schreiben vom 14.08.2012 abgesetzte Rüge berufen. Gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB ist ein Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit der Antragsteller den gerügten Verstoß gegen Vergabevorschriften im Vergabeverfahren erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht unverzüglich gerügt hat. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Bieters von den Tatsachen. Die Fa. xxxxxx wurde mit Informationsschreiben des Antragsgegners vom 09.08.2012 gemäß § 101a GWB darüber informiert, dass der Zuschlag frühestens am 30.08.2012 auf das Angebot der Beigeladenen erteilt werden soll. Ihr eigenes Angebot werde ausgeschlossen wegen Unvollständigkeit und weil ein Ausschlussgrund gemäß § 6 EG Abs. 6 VOL/A vorliege. Die Fa. xxxxxx rügte daraufhin die Entscheidung des Antragsgegners mit Schreiben vom 14.08.2012 unter ihrem Briefkopf. Zu diesem Zeitpunkt war das Insolvenzverfahren mit Beschluss des Amtsgerichts xxxxxx vom 02.07.2012 bereits eröffnet. Der Fa. xxxxxx als Schuldnerin wurde durch den Beschluss gemäß § 80 InsO insbesondere verboten, ihr Vermögen zu verwalten und über ihr Vermögen zu verfügen. Die Beigeladene vertritt die Auffassung, dass diese Rüge vom 14.08.2012 deshalb von einer unberechtigten Person erhoben worden und somit gemäß § 81 Abs. 1 InsO unbeachtlich sei. Die Fa. xxxxxx als Insolvenzschuldnerin sei nicht mehr berechtigt gewesen, rechtsgeschäftliche oder rechtsgeschäftsähnliche Erklärungen wie eine Rüge abzugeben. Der Antragsteller hat demgegenüber die Auffassung vertreten, dass diese Rüge nicht die Insolvenzmasse selbst berühre, so dass die Schuldnerin berechtigt gewesen sei, diese Rüge selbst abzusetzen. Gegen diese Auffassung spricht allerdings, dass die Rüge zumindest als rechtsgeschäftsähnliche Erklärung einzustufen ist und spätestens mit der durch die Rüge erst ermöglichten Stellung eines Antrags auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens auch Verfahrenskosten und Prozessvertretungskosten auf die Insolvenzschuldnerin zukommen können, die dann zulasten der Insolvenzmasse gehen. Der Antragsteller kann sich vorliegend nach Auffassung der Vergabekammer vielmehr deshalb mit Erfolg auf die von der Schuldnerin abgesetzte Rüge berufen, weil er durch seinen Verfahrensbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vom 21.09.2012 erklärt hat, dass er als Insolvenzverwalter die Schuldnerin ermächtigt hat, eine derartige Rüge abzusetzen.
Die Rüge ist auch unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB und damit rechtzeitig gegenüber dem Antragsgegner erfolgt. Die Frage, ob eine Rüge noch unverzüglich nach positiver Kenntniserlangung erfolgt, hängt vom Einzelfall ab. Nach der Rechtsprechung muss die Rüge angesichts der kurzen Fristen, die im Vergaberecht allgemein gelten, grundsätzlich innerhalb von ein bis drei Tagen erfolgen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 18.09.2003, Az.: 1 Verg 4/04; Bechtold, GWB, § 107, Rdnr. 2; VK Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 19.09.2011, Az.: 1 VK 5/11). Demgegenüber geht das OLG München in seiner neueren Rechtsprechung davon aus, dass unter Berücksichtigung der Entscheidungen des EuGH vom 28.01.2010 in den RS C-406/08 und C-456/08 eine großzügigere Handhabung bei der Auslegung des Begriffs der "unverzüglichen Rüge" angezeigt ist (vgl. Beschlüsse vom 03.11.2011, Az.: Verg 14/11, und vom 15.03.2012, Az: Verg 2/12 - zitiert nach ibr-online). Nach dieser Rechtsprechung kann eine Rüge auch noch als unverzüglich gelten, die erst nach sieben bzw. acht Kalendertagen nach positiver Kenntnisnahme des vermeintlichen Vergaberechtsverstoßes erhoben wurde.
Nach Auffassung der erkennenden Vergabekammer kommt es für die Frage, ob eine Rüge noch als unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB eingestuft werden kann, nach wie vor auf die Umstände des Einzelfalls an. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob dem gerügten Vergaberechtsverstoß ein einfacher oder komplexer Sachverhalt zugrunde liegt und ob der Inhalt der Rüge selbst auf eine umfassende Abwägung und umfangreichere Recherchen des Bieters schließen lässt. Auch ist zu berücksichtigen, ob der Bieter die Rüge selbst abgefasst hat oder ob er die Absetzung der Rüge einem Rechtsanwalt überlassen hat, was notwendigerweise ebenfalls zu einer Zeitverzögerung von einigen Tagen führen kann, da auch der Rechtsanwalt sich erst in den Vorgang einarbeiten muss.
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs erfolgte die Rüge der Fa. xxxxxx noch unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB. Zwar erfolgte die Rüge mit Schreiben vom 14.08.2012 erst fünf Tage nach Erhalt des Informationsschreibens des Antragsgegners vom 09.08.2012, das dieser mit E-Mail vom gleichen Tage versandt hatte. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass zwischen Eingang der Information bei der Fa. xxxxxx und der Absetzung der Rüge ein Wochenende lag und die Rüge somit innerhalb von drei Werktagen erfolgte. Auch musste die Rüge in Abstimmung zwischen dem Antragsteller als Insolvenzverwalter und der insolventen Schuldnerin erfolgen. Die Vergabekammer bewertet die Rüge daher noch als unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB.
2. Der Nachprüfungsantrag ist jedoch unbegründet. Der Antragsgegner hat sich im Rahmen seines ihm durch § 19 EG Abs. 4 i. V. m § 6 EG Abs. 6 VOL/A eingeräumten Ermessens gehalten, als er sich entschied, das Angebot der Fa. xxxxxx auszuschließen (im Folgenden a). Es ist daher vorliegend nicht entscheidungserheblich, ob darüber hinaus - wovon der Antragsgegner ausgeht - auch die Voraussetzungen für einen zwingenden Aus-schluss gemäß § 19 EG Abs. 3 lit. a und e VOL/A vorliegen (im Folgenden b).
a) Der Antragsgegner hat das Angebot der vom Antragsteller verwalteten Fa. xxxxxx in vergaberechtlich nicht zu beanstandender Weise vom verfahrensgegenständlichen Vergabeverfahren ausgeschlossen. Gemäß § 19 EG Abs. 4 VOL/A können Angebote von Bietern ausgeschlossen werden, die auch als Bewerber von der Teilnahme am Wettbewerb hätten ausgeschlossen werden können (§ 6 EG Abs. 6 VOL/A). Das Bieterunternehmen Fa. xxxxxx hat vorliegend gleich mehrere Tatbestände des § 6 EG Abs. 6 VOL/A erfüllt, die ein Ausschlussermessen des öffentlichen Auftraggebers eröffnen:
Gemäß § 6 EG Abs. 6 lit. a VOL/A können von der Teilnahme am Wettbewerb Bewerber ausgeschlossen werden, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren oder ein vergleichbares gesetzliches Verfahren eröffnet oder die Eröffnung beantragt oder dieser Antrag mangels Masse abgelehnt worden ist. § 6 EG Abs. 6 VOL/A enthält eine Auflistung von Tatbeständen, deren Vorliegen regelmäßig die mangelnde Eignung von Bewerbern indiziert. Dem öffentlichen Auftraggeber wird durch § 6 EG Abs. 6 VOL/A ein fakultativer Ausschlussgrund zur Verfügung gestellt (vgl. Hausmann/von Hoff in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, 2. Auflage, § 6 EG, Rdnr. 93). Der Auftraggeber muss in jedem einzelnen Fall nach pflichtgemäßem Ermessen selbst entscheiden, ob er von der Möglichkeit des Ausschlusses auch tatsächlich Gebrauch machen will (vgl. VK Bund, Beschluss vom 17.08.2005 - VK2-81/05). Bei den die Eignung ausmachenden Gesichtspunkten der Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit und damit auch beim Begriff der Eignung selbst, handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe (vgl. BayObLG, Beschluss vom 03.07.2002, Az.: Verg 13/02; VK Lüneburg, Beschluss vom 18.10.2005, Az.: VgK-47/05). Da die Prüfung der Eignung eines Unternehmens ein wertender Vorgang ist, in den zahlreiche Einzelumstände einfließen, ist dem Auftraggeber insoweit ein Beurteilungsspielraum einzuräumen, der nur einer eingeschränkten Kontrolle durch die Vergabekammer zugänglich ist (vgl. OLG München, Beschluss vom 21.04.2006, Az.: Verg 8/06; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.01.2005, Az.: VII-Verg 55/05, Weyand, Vergaberecht, 2. Auflage 2007, Rdnr. 396, m.w.N.). Die Vergabekammer überprüft die Beurteilung des Auftraggebers hinsichtlich der Eignung des Antragstellers nur daraufhin, ob die rechtlichen Grenzen des Beurteilungsspielsraums überschritten sind. Dies ist dann anzunehmen, wenn das vorgeschriebene Verfahren nicht eingehalten wird, wenn nicht von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen wird, wenn sachwidrige Erwägungen in die Wertung einbezogen werden oder wenn der sich im Rahmen der Beurteilungsermächtigung haltende Beurteilungsmaßstab nicht zutreffend angewendet wird (vgl. Weyand, a.a.O.). Hintergrund des fakultativen Ausschlusstatbestandes eines beantragten oder eröffneten Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Bewerbers ist, dass die Leistungsfähigkeit des Unternehmens aufgrund der wirtschaftlichen Situation des Betriebs unsicher erscheint und die Durchführung des Auftrags damit gefährdet ist. Der Tatbestand des § 6 Abs. 6 lit. a VOL/A EG knüpft somit an den Wegfall der finanziellen Leistungsfähigkeit des Teilnehmers an (vgl. VK Nordbayern, Beschluss vom 18.09.2003 - 320.VK-3194-31/03; Hausmann/von Hoff, a.a.O., Rdnr. 98).
Der Ausschlusstatbestand ist vorliegend erfüllt, da das Amtsgericht xxxxxx mit Beschluss vom 30.07.2012 - Geschäftsnummer xxxxxx - das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Fa. xxxxxx gemäß § 60 InsO wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit eröffnet und den Antragsteller gemäß § 27 InsO zum Insolvenzverwalter ernannt hat.
Darüber hinaus ist das Ausschlussermessen des Antragsgegners vorliegend durch § 6 EG Abs. 6 lit. d VOL/A eröffnet. Danach können von der Teilnahme am Wettbewerb Bewerber ausgeschlossen werden, die ihre Verpflichtung zur Zahlung von Steuern und Abgaben sowie der Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung nicht ordnungsgemäß erfüllt haben. Zweck dieser Regelung ist, ungesunde Begleiterscheinungen zu bekämpfen, d.h., dass der Auftraggeber nur mit gesetzestreuen und (daher) verlässlichen Unternehmen zusammenarbeiten soll und ferner unlautere Wettbewerbsvorteile durch Nicht-Zahlung von Steuern und Abgaben unterbunden werden sollen. Zudem wird der Auftraggeber vor etwaigen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der Steuer- bzw. Abgabengläubiger geschützt (vgl. Hausmann/von Hoff, a.a.O., § 6 EG, Rdnr. 118; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24.06.2002 - Verg 26/02, zitiert nach ibr-online; Prieß/Hausmann in: Motzke/Pietzcker/Prieß, VOB/A, § 8, Rdnr. 112, m.w.N.). Auch dieser Ausschlusstatbestand ist vorliegend erfüllt. Zwar hat die Fa. xxxxxx mit ihrem Angebot vom 23.05.2012 erklärt, dass sie ihrer Verpflichtung zur Zahlung von Steuern und Abgaben nachgekommen ist. Denn der Vordruck für das Angebotsschreiben enthält u.a. folgende vorbereitete Erklärung:
"1. Ich erkläre/wir erklären, dass ich/wir meinen/unseren Verpflichtungen zur Zahlung von Steuern und Abgaben sowie der Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung nachgekommen bin/sind."
Die Fa. xxxxxx hat das Angebotsschreiben unterzeichnet, ohne Änderungen an dem im Angebotsschreiben vorgegebenen Erklärungen vorzunehmen und damit die entsprechende Erklärung abgegeben. Diese Erklärung entsprach aber bereits bei Erstellung und Unterzeichnung des Angebotes am 23.05.2012 nicht mehr den Tatsachen. Denn die Geschäftsführung der Fa. xxxxxx hatte bereits einen Tag zuvor, am 22.05.2012, unstreitig den Insolvenzantrag gemäß § 139 InsO wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit beim Insolvenzgericht gestellt. Die Fa. xxxxxx hat die Gründe für diesen Insolvenzantrag zwar nicht gegenüber der Vergabestelle selbst, aber gegenüber dem Kreisbrandmeister des Antragsgegners mit Schreiben vom 30.05.2012 erläutert. Dort heißt es:
"Insbesondere aufgrund einer außerordentlichen Steuerbelastung, die durch die Beendigung eines Ergebnisabführungsvertrages von der Finanzverwaltung gegenüber der xxxxxx eingefordert wird, wäre die Gesellschaft zahlungsunfähig geworden. Die Geschäftsführung hat sich deshalb entschlossen, vergangenen Donnerstag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit ein Eigenverwaltungsverfahren nach § 270a der InsO zu beantragen."
Damit ist die (drohende) Zahlungsunfähigkeit der Fa. xxxxxx auf im Zeitpunkt der Angebotsabgabe bereits bestehende Steuerrückstände zurückzuführen.
Schließlich liegen auch die Voraussetzungen für den fakultativen Ausschlusstatbestand des § 6 EG Abs. 6 lit. e VOL/A vor. Danach können von der Teilnahme am Wettbewerb Bewerber ausgeschlossen werden, die im Vergabeverfahren vorsätzlich unzutreffende Erklärungen in Bezug auf ihre Eignung abgegeben haben. Durch diese Vorschrift sollen solche Bewerber ausgeschlossen werden können, die aufgrund ihres Verhaltens gegenüber dem Auftraggeber nicht vertrauenswürdig erscheinen (vgl. VK Nordbayern, Beschluss vom 21.05.2003 - 320.VK-3194-14/03 und 15/03; Hausmann/von Hoff, a.a.O., § 6 EG, Rdnr. 126). Neben der aktiven Abgabe unzutreffender Erklärungen wird das Vertrauen öffentlicher Auftraggeber in gleicher Weise erschüttert, wenn der Bewerber die Abgabe von Erklärungen gezielt unterlässt (vgl. VK Hessen, Beschluss vom 28.06.2005 - 69dVK-07/2005). Der Ausschlusstatbestand ist auch erfüllt, wenn ein Bewerber falsche bzw. unvollständige Angaben aufrecht erhält bzw. nicht korrigiert hat (vgl. VK Darmstadt, Beschluss vom 28.06.2005 - 69dVK-07/2005). Denn auch dann verhindert der Bewerber, dass sich der Auftraggeber ein zutreffendes und vollständiges Bild von der Eignung machen kann.
Es ist vorliegend nicht entscheidungserheblich, ob die Fa. xxxxxx ihrem Angebot vom 23.05.2012 die vom Antragsgegner geforderte Erklärung, dass sich der Bewerber nicht im Insolvenzverfahren befindet, angesichts des einen Tag zuvor beim Amtsgericht xxxxxx gestellten Insolvenzantrags bewusst nicht beigefügt hat. Zumindest hätte sie angesichts der in der Firma bekannten Steuerrückstände, die zum Insolvenzantrag geführt haben, nicht mit ihrer Unterschrift die im Vordruck für das Angebotsschreiben enthaltene Erklärung abgeben dürfen, dass sie ihren Verpflichtungen zur Zahlung von Steuern und Abgaben nachgekommen ist. Die Fa. xxxxxx hat diese Aussage auch noch dadurch bekräftigt, dass sie ihrem Angebot eine positive, aber den im Zeitpunkt der Angebotsabgabe eben nicht mehr aktuellen Sachstand wiedergebende Bescheinigung des Finanzamtes xxxxxx vom 28.04.2011 beigefügt hat. Dadurch hat sie beim Auftraggeber den Eindruck erweckt, dass eben keine Steuerrückstände bestehen. Die Fa. xxxxxx hat die inhaltlich falschen Angaben auch vorsätzlich gemacht. Soweit der Antragsteller diesbezüglich im Nachprüfungsverfahren vorgetragen hat, dass der konkrete Unterzeichner des Angebotes über die aufgelaufenen Steuerrückstände und den am Tag zuvor erfolgten Insolvenzantrag nicht informiert gewesen sei, überzeugt dies nicht. Der Antragsteller selbst hat der Vergabekammer mit Schriftsatz vom 18.09.2012 als Anlage AST 15 einen Zeitungsartikel der xxxxxx von Freitag, den 25.05.2012, vorgelegt. Das dortige Foto des Gebäudes der xxxxxx ist dort mit folgendem Text unterschrieben:
"In eine ungewisse Zukunft gehen die noch 140 Beschäftigten bei xxxxxx in xxxxxx. Am Dienstag (Anmerkung der Vergabekammer: also am 22.05.2012) wurden sie von der Geschäftsleitung darüber informiert, dass Insolvenzantrag gestellt worden ist und Entlassungen drohen. Mitarbeiter sollten Aufhebungsverträge unterschreiben." (Hervorhebung durch die Vergabekammer)
Der Vortrag des Antragstellers selbst spricht daher im Ergebnis dafür, dass die Belegschaft der Fa. xxxxxx bereits am 22.05.2012 über den Insolvenzantrag und die dafür ursächlichen Steuerrückstände, die offenbar daraus resultieren, dass Gewinne in xxxxxx an das Stammhaus von xxxxxx in xxxxxx abgeführt werden mussten, informiert waren. Darüber hinaus liegen vorsätzlich unzutreffende Erklärungen in Bezug auf die Bietereignung im Sinne des § 6 EG Abs. 6 lit. e VOL/A nicht erst dann vor, wenn der Mitarbeiter, der das Angebot konkret unterzeichnet hat, vorsätzlich gehandelt hat. Es genügt, wenn irgend ein mit dem Angebot befasster Mitarbeiter oder der Geschäftsführer diesen Vorsatz hatte (vgl. VK Arnsberg, Beschluss vom 22.10.2001, VK2-13/2001). Die Fa. xxxxxx als Bieterunternehmen hat es jedenfalls mit Angebotsabgabe versäumt, den Antragsgegner über die aufgelaufenen Steuerschulden zu informieren und somit vorsätzlich unzutreffende Erklärungen in Bezug auf ihre Eignung abgegeben.
Da mehrere fakultative Ausschlusstatbestände des § 6 EG Abs. 6 VOL/A vorliegen, hatte die Vergabekammer daher zu prüfen, ob sich der Antragsgegner bei der Entscheidung zum Ausschluss des Angebotes im Rahmen seines ihm durch § 6 EG Abs. 6 VOL/A und § 19 EG Abs. 4 VOL/A eingeräumten Ermessens gehalten hat und dieses Ermessen in einer den Anforderungen des § 24 EG Abs. 1 und 2 lit. b VOL/A genügenden Weise in der Vergabeakte dokumentiert hat. Der in der Vergabeakte enthaltene, formularmäßige Vergabevermerk des Antragsgegners, Amt: 32 vom 09.08.2012, abgezeichnet vom Rechnungsprüfungsamt mit Vermerk vom 13.08.2012, enthält keine Dokumentation über eine derartige Ermessensausübung. Es wird lediglich unter VIII auf Seite 4 des Vermerks darauf hingewiesen, dass beim Angebot der Fa. xxxxxx im Leistungsverzeichnis geforderte Angaben und/oder Erklärungen fehlen, nämlich die Unbedenklichkeitsbeschreibung der Finanzverwaltung sowie eine Eigenerklärung über beantragtes Insolvenzverfahren. Dem ebenfalls beigefügten formularmäßigen Vordruck über die Verdingungsverhandlung vom 12.06.2012 (EFB-Verd1) ist folgender handschriftlicher Vermerk vom 06.08.2012 beigefügt:
"Fa. xxxxxx wurde nach Prüfung von der Ausschreibung ausgeschlossen. Siehe gesonderten Vorgang inkl. Stellungnahme des Rechtsamtes."
Die dort erwähnte Stellungnahme des Rechtsamtes mit Datum vom 20.06.2012 hat der Antragsgegner mit seiner Antragserwiderung vom 04.09.2012 vorgelegt. Das Rechtsamt hat sich in dieser Stellungnahme ausführlich mit den Mängeln des Angebotes der Fa. xxxxxx auseinandergesetzt und insbesondere die Voraussetzungen zwingender Ausschlusstatbestände, wie § 16 Abs. 3 lit. a VOL/A 2009 und § 16 Abs. 3 lit. e VOL/A 2009 erörtert und die dortigen Voraussetzungen im Ergebnis bejaht. Daneben hat das Rechtsamt auch die Möglichkeit eines fakultativen Ausschlusses gemäß § 16 Abs. 4 i.V.m. § 6 Abs. 5 lit. a und d VOL/A erörtert (Seite 4 und 5 des Vermerks). Eine Ermessensausübung des Antragsgegners wird dadurch jedoch nicht dokumentiert, da das Rechtsamt ausdrücklich die Auffassung vertreten hat, dass ein Ausschluss nach Ermessen vorliegend unentschieden bleiben kann, weil sie zwingende Ausschlusstatbestände als gegeben ansieht. Wörtlich heißt es dazu auf Seite 4 des Vermerks:
"Ob ein Ausschluss nach Ermessen des Auftraggebers nach § 16 Abs. 4 i.V.m. § 6 Abs. 5 Buchstabe a und d VOL/A 2009 darüber hinaus in Betracht kommt, kann deshalb unentschieden bleiben."
Weiter heißt es auf Seite 5 des Vermerks:
"Auf all das kommt es - wie gesagt - aber nicht an, da der Landkreis xxxxxx als Auftraggeber nicht abschließend darüber nachzudenken hat, ob er das Angebot der Fa. xxxxxx als ermessensfehlerfrei von der Wertung ausschließt, weil es bereits zwingend wegen nicht formgerechter Vorlage auszuschließen ist. Gleichwohl kann "zur Abrundung des Bildes" die Vorlage des vom Insolvenzgericht geforderten Gutachtens des vorläufigen Sachwalters (Termin: 24.06.2012) abgewartet bzw. dieses Gutachten kurzfristig unmittelbar von der Fa. xxxxxx bereits jetzt angefordert werden, wobei es auf dessen Ergebnis aber gar nicht mehr ankommt."
Zum Zeitpunkt des Vermerkes des Rechtsamtes vom 20.06.2012 hatte der Antragsgegner von dem ihm durch § 19 EG Abs. 4 i.V.m. § 6 EG Abs. 6 VOL/A eröffneten Ausschlussermessen gerade ausdrücklich keinen Gebrauch gemacht.
Ausgeübt und dokumentiert hat der Antragsgegner dieses Ausschlussermessen jedoch mit dem in der Vergabeakte enthaltenen Schreiben vom 16.08.2012, mit der der Antragsgegner das Rügeschreiben der Fa. xxxxxx vom 14.08.2012 beantwortet hat. Dort setzt sich der Antragsgegner auf Seite 2 unter 2. ausdrücklich mit dem fakultativen Ausschluss wegen des Insolvenzverfahrens und der aufgelaufenen Steuerschulden auseinander und erläutert gegenüber der Fa. xxxxxx die Gründe, die zur Ausschlussentscheidung geführt haben. Wörtlich heißt es dort:
"Mit Beschluss vom 30.07.2012 hat das Amtsgericht xxxxxx wegen Überschul-dung und Zahlungsunfähigkeit das Insolvenzverfahren gegen Sie eröffnet. In Ihrem Schreiben vom 30.05.2012 ist der Grund für das Insolvenzverfahren insbesondere in einer außerordentlichen Steuerbelastung (also Steuerschulden) zu sehen. Danach kann Ihr Angebot ausgeschlossen werden.
In die zu treffende Ermessensentscheidung ist einzustellen, dass unter Berücksichtigung Ihrer gerichtlich festgestellten Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit sehr fraglich ist, ob Ihnen die ordnungsgemäße Vertragserfüllung sowie die Sicherstellung etwaiger sich anschließender Gewährleistungsrechte des Landkreises xxxxxx möglich ist. Nach Presseinformationen musste auch bereits eine Vielzahl von Mitarbeitern (ca. 35) Ihr Unternehmen verlassen. Des weiteren ist in die Entscheidung einzustellen, dass das diesseitige Vertrauen in Ihre Zuverlässigkeit als Vertragspartner erschüttert ist. Mit Angebotsabgabe am 23.05.2012 haben Sie zumindest grob fahrlässig Ihre Steuerschulden und den am 24.05.2012 anstehenden Insolvenzantrag nicht angegeben. Aufgrund des unmittelbaren zeitlichen Zusammenhangs muss davon ausgegangen werden, dass dies erfolgte, um so Ihren möglichen Anbieterausschluss zu vermeiden. Auch wenn sie in der Vergangenheit nach allgemein zugänglichen Informationen Aufträge Dritter ordnungsgemäß ausgeführt und ein nachvollziehbares Interesse an der Zuschlagserteilung haben, bin ich verpflichtet, die mir zur Verfügung stehenden öffentlichen Mittel nur so einzusetzen, dass Auftragsvergaberisiken soweit wie möglich minimiert bzw. ausgeschlossen werden. Im Ergebnis führt dies dazu, dass das berechtigte Interesse des Landkreises xxxxxx daran, einen Vertragspartner auszuwählen, der hinreichend Gewähr dafür bietet, dass er während der Vertragsausführung und für die Dauer der Gewährleistung über ausreichende finanzielle Mittel verfügt, gegenüber Ihrem individuellen Interesse an einer Zuschlagserteilung überwiegt."
Der Antragsgegner hat somit bei seiner Ermessensentscheidung das Interesse des öffentlichen Auftraggebers an einer ordnungsgemäßen Auftragserfüllung und einer möglichst risikoarmen Verwendung der zur Verfügung stehenden öffentlichen Mittel gegenüber dem Interesse des Bieterunternehmens Fa. xxxxxx am Erhalt des Auftrags in nicht zu beanstandender Weise gegeneinander abgewogen und dabei auch berücksichtigt, dass nach Information des Antragsgegners Aufträge Dritter in der Vergangenheit durch die Fa. xxxxxx ordnungsgemäß ausgeführt wurden. Die dort dokumentierten Erwägungen des Auftraggebers und die damit begründende Ausschlussentscheidung sind vergaberechtlich nicht zu beanstanden. Der Antragsgegner hat sich vielmehr im Rahmen seines ihm durch § 19 EG Abs. 4 VOL/A in Verbindung mit § 6 EG Abs. 6 VOL/A eingeräumten Ausschlussermessens gehalten. Zwar muss ein öffentlicher Auftraggeber die allgemeine, mit jeder Auftragsvergabe verbundene Gefahr, dass ein Bieter/Auftragnehmer - mehr oder weniger zeitnah - nach Zuschlagserteilung insolvent wird, grundsätzlich hinnehmen (vgl. OLG Schleswig, Urteil vom 09.12.2011 - 1 U 72/11 - zu § 8 Nr. 2 Abs. 1 VOB/B 2006). Demgegenüber eröffnet jedoch der Fall der Insolvenz bzw. der auf eine Insolvenzeröffnung gerichtete Antrag vor Zuschlags-/Auftragserteilung einen Entscheidungsspielraum des Auftraggebers zum Bieterausschluss, wenn dem Bieter infolge dieser Umstände "die für die Erfüllung der vertraglichen Pflicht erforderliche Eignung" (Leistungsfähigkeit) abhanden gekommen ist (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 30.05.2012 - 1 Verg 2/12, zitiert nach ibr-online). Sofern - wie vorliegend - die fakultativen Ausschlusstatbestände des § 19 EG Abs. 4 VOL/A i.V.m. § 6 EG Abs. 6 VOL/A erfüllt sind, ist für eine ordnungsgemäße Ermessensausübung eine - einzelfallbezogene - Prognose zur entfallenen bzw. zur fortbestehenden Leistungsfähigkeit des betroffenen Unternehmens erforderlich. Bei dieser Prognoseentscheidung steht der Vergabestelle ein Beurteilungsspielraum zu, der gerichtlich nur eingeschränkt daraufhin nachprüfbar ist, ob allgemeine Bewertungsgrundsätze beachtet worden sind (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.08.2011 - VII Verg 34/11 = VergabeR 2011, S. 855 ff.). Die Ergebnisse der zur Tatbestandsseite gehörenden Prüfung führen zu einer - mehr oder weniger starken - Wirkung auf die Ermessensentscheidung, insbesondere was die Verantwortbarkeit der Übernahme verbleibender Unsicherheiten und Risiken betrifft. Je stärker solche Unsicherheiten die Erfüllung der (künftigen) vertraglichen Verpflichtungen gefährden, desto eher wird die Ermessensentscheidung für einen Ausschluss ausfallen dürfen (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 30.05.2012 - 1 Verg 2/12). Vorliegend hat sich der Antragsgegner, wie erörtert, im Rahmen des ihm zukommenden Ermessens gehalten. Ermessensfehler liegen nicht vor.
b) Es ist daher vorliegend nicht entscheidungserheblich, ob darüber hinaus - wovon der Antragsgegner ausgeht - auch die Voraussetzungen für einen zwingenden Ausschluss gemäß § 19 EG Abs. 3 lit. a und e VOL/A vorliegen.
Gemäß § 19 EG Abs. 3 lit. a VOL/A werden Angebote ausgeschlossen, die nicht die geforderten oder nachgeforderten Erklärungen und Nachweise enthalten. Diese Regelung enthält im Vergleich zur bisherigen Rechtslage eine erhebliche Neuerung. Bisher galt gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a VOL/A 2006, dass ein Angebot von der Wertung ausgeschlossen werden konnte, wenn es ohne die geforderten Angaben und Erklärungen eingereicht wurde (vgl. Müller-Wrede, VOL/A, 3. Auflage, § 19 EG, Rdnr. 84). Auch wenn der entsprechende Ausschlussgrund als Ermessensvorschrift formuliert war, wurde allerdings überwiegend vertreten, dass der Ausschluss zwingend zu erfolgen hat, zumindest sei das Ermessen des Auftraggebers in der Regel auf Null reduziert. Die herrschende Meinung in Literatur und Rechtsprechung war diesbezüglich sehr streng, so dass fehlende Unterlagen wegen des Nachverhandlungsverbots gemäß § 24 VOL/A a.F. (jetzt § 18 EG VOL/A) nicht nachgefordert oder vom Bieter nachgereicht werden durften (vgl. Dittmann in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, 2. Auflage, § 19 EG, Rdnr. 27; BGH, Beschluss vom 18.09.2007, VergabeR 2008, S. 69 ff., 71; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26.11.2007 - VII-Verg 53/05, zitiert nach ibr-online). Der öffentliche Auftraggeber durfte insbesondere aus Gleichbehandlungsgründen auch nicht etwa auf zunächst von ihm geforderte Erklärungen oder Nachweise verzichten, und zwar selbst dann nicht, wenn ihm der Inhalt der im Angebot enthaltenen Erklärung sonst bekannt oder die fehlende Erklärung nicht wettbewerbserheblich war (vgl. BGH, a.a.O.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.12.2005 - VII-Verg 69/05 - und Beschluss vom 05.04.2006 - VII-Verg 3/06, zitiert nach ibr-online). Da diese Handhabung in der Praxis vereinzelt zu unbilligen Ergebnissen führte und um zu vermeiden, dass ansonsten ordnungsgemäße und wirtschaftliche Angebote allein aus formalen Gründen zwingend ausgeschlossen werden müssen, wurde in der Neufassung der VOL/A vom 20. November 2009 die Regelung des § 19 EG Abs. 2 Satz 1 VOL/A aufgenommen. Danach können Erklärungen und Nachweise, die auf Anforderung der Auftraggeber bis zum Ablauf der Angebotsfrist nicht vorgelegt wurden, bis zum Ablauf einer bestimmten Nachfrist nachgefordert werden. Die öffentlichen Auftraggeber müssen somit Angebote, denen geforderte Erklärungen oder Nachweise nicht beigefügt wurden, nicht mehr sofort vom Vergabeverfahren ausschließen.
Vorliegend hatte der Antragsgegner von den Bietern mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe ausdrücklich Eigenerklärungen gemäß § 7 EG VOL/A zum Nachweis ihrer Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit gefordert. Dazu gehörte ausdrücklich die Abgabe einer Erklärung, dass sich der Bewerber nicht im Insolvenzverfahren oder Liquidation befindet, er nicht rechtskräftig aus Gründen verurteilt wurde, die seine Zuverlässigkeit in Frage stellen, er seiner Verpflichtung zur Zahlung von Steuern sowie Beiträgen zur Sozialversicherung nachkommt. Eine Erklärung, dass sie sich nicht im Insolvenzverfahren oder Liquidation befindet, hat die Fa. xxxxxx ihrem Angebot vom 23.05.2012 unstreitig nicht beigefügt. Fraglich ist, ob der Antragsgegner von seinem durch § 19 EG Abs. 2 Satz 1 VOL/A eingeräumten Ermessen, diese Erklärung nachzufordern, ordnungsgemäß Gebrauch gemacht hat, als er sich entschieden hat, von einer derartigen Nachforderung abzusehen. Zwar ist ein öffentlicher Auftraggeber nach dem Wortlaut des § 19 EG Abs. 2 Satz 1 VOL/A nicht verpflichtet, fehlende Erklärungen oder Nachweise nachzufordern. Insoweit unterscheidet sich diese Regelung von der Regelung des § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A 2009. Der Bieter hat daher grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass ihm der Auftraggeber die Möglichkeit einräumt, fehlende Unterlagen nachzureichen. Etwas anderes gilt nur aus Gründen der Gleichbehandlung, wenn der Auftraggeber z.B. andere Bieter zum Nachreichen von Erklärungen aufgefordert hat. Andernfalls hätte der Auftraggeber sein ihm zustehendes Ermessen fehlerhaft ausgeübt.
Vorliegend hat der Antragsgegner sich entschieden, die fehlende Erklärung nicht nachzufordern und die zu dieser Entscheidung führenden Ermessenserwägungen im Vermerk seines Rechtsamtes vom 20.06.2012 niedergelegt. Dort wird auf Seite 2 ausführlich darauf hingewiesen, dass der Antragsgegner im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens zu entscheiden hat, ob er die fehlenden Erklärungen und Nachweise innerhalb einer von ihm zu bestimmenden Nachfrist nachfordert oder nicht. Ein Verzicht auf eine Erklärung oder einen Nachweis sei allerdings nicht möglich. Nur vollständige Angebote dürften gewertet werden. Im Fall der Fa. xxxxxx habe der Landkreis xxxxxx als Auftraggeber eine aktuelle bzw. gültige Unbedenklichkeitsbescheinigung der Finanzverwaltung und die Eigenerklärung über ein beantragtes Insolvenzverfahren bisher allerdings nicht nachgefordert, was er allerdings nach wie vor könnte. Wörtlich heißt es dazu aber:
"Eine Nachforderung ist aber nicht (mehr) vonnöten, wenn der Auftraggeber auf andere, formgerechte Weise im Rahmen des Vergabeverfahrens Erkenntnisse über diese Eignungsgesichtspunkte erhält. ..."
Weiter heißt es:
"Im konkreten Fall der Fa. xxxxxx hat der Landkreis xxxxxx als Auftraggeber allerdings durch dass "offene" Schreiben des Unternehmens vom 30.05.2012 und die E-Mail vom 07.06.2012 nebst eines weiteren Erläuterungsschreibens und des Beschlusses des Amtsgerichts xxxxxx vom 24.05.2012 sowohl von der Beantragung eines Insolvenzverfahrens als auch den Steuerschulden des Unternehmens, die letztlich die drohende Zahlungsunfähigkeit herbeigeführt haben, erfahren. ...
Diese Erklärungen vom 30.05. und 07.06.2012 reichte das Unternehmen folglich nicht gemeinsam mit dem Angebot in einem verschlossenen Umschlag bei dem Auftraggeber, sondern bereits vor dem Submissionstermin vom 12.06.2012 ein. Das führt zulasten der anderen Bieter zu einer Wettbewerbsverzerrung, weil nicht mehr sichergestellt ist, dass das Angebot insgesamt vertraulich behandelt und nur durch befugte Personen geöffnet wird. Damit liegt ferner ein weiterer Verstoß gemäß § 13 Abs. 2 Satz 2 VOL/A 2009 vor. Danach sind auf dem Postweg oder direkt zu übermittelnde Angebote in einem verschlossenen Umschlag einzureichen, als solche zu kennzeichnen und bis zum Ablauf der Angebotsfrist unter Ver-schluss zu halten. Mit dem Angebot müssen alle geforderten Angaben, Erklärungen und Preise abgegeben bzw. vorgelegt werden; so bestimmt es § 13 Abs. 3 VOL/A 2009. Fa. xxxxxx hat die hier in Rede stehenden Eignungsnachweise, wie die Erklärung über ein beantragtes Insolvenzverfahren und die Bescheinigung in Steuersachen nicht mit ihrem Angebot vom 23.05.2012 vorgelegt, sondern vielmehr außerhalb des Vergabeverfahrens dem Auftraggeber übermittelt. ...
Zwingende Folge ist auch insoweit, dass das Angebot der Fa. xxxxxx auszuschließen ist (§ 16 Abs. 3 Buchstabe e VOL/A 2009). Ausgeschlossen werden danach nämlich Angebote, die u.a. nicht formgerecht eingegangen sind, es sei denn, der Bieter hat dies nicht zu vertreten."
Der Antragsgegner hat somit vorliegend von der Nachforderung der Erklärung einerseits abgesehen, weil ihm die zu erklärenden Tatsachen bereits auf anderem Wege, nämlich die durch den ehrenamtlichen Kreisbrandmeister weitergeleiteten E-Mails der Fa. xxxxxx vom 30.05.2012 und 07.06.2012 bekannt waren. Vor allem aber ist der Antragsgegner davon ausgegangen, das eine Nachforderung deshalb nicht in mehr in Betracht kommt, weil er die mit E-Mail vom 30.05.2012 und 07.06.2012 an den ehrenamtlichen Kreisbrandmeister xxxxxx übersandte Information der Fa. xxxxxx über den Insolvenzantrag und schließlich des Beschlusses des Insolvenzgerichtes vom 24.05.2012 über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens als nicht heilbaren Formverstoß gegen die Regelungen des § 16 EG Abs. 2 Satz. 2 VOL/A bewertet hat. Von einem derartigen Formverstoß ist der Antragsgegner ausgegangen, weil diese Informationen nicht dem Angebot beigefügt waren, sie nicht in einem verschlossenen Umschlag übersandt wurden und nicht der Vergabestelle des Antragsgegners, sondern einem am Vergabeverfahren unbeteiligten Dritten, nämlich dem ehrenamtlichen Kreisbrandmeister des Antragsgegners übermittelt wurden. Diese Erwägungen des Antragsgegners sind noch einmal ausführlich in der internen E-Mail des Rechtsamtes des Antragsgegners an das Ordnungsamt vom 20.06.2012 dokumentiert, die der Antragsgegner mit der Antragserwiderung vom 04.09.2012 übersandt hat.
Es ist einerseits nachvollziehbar, dass der Antragsgegner auf eine Nachforderung einer Eigenerklärung zu Tatsachen verzichtet hat, die ihm nunmehr auf einem anderen Wege ohnehin bekannt waren.
Es ist dann andererseits aber fraglich, ob das Fehlen einer Eigenerklärung, die der Antragsgegner objektiv nicht mehr benötigte, die harte Sanktion des zwingenden Ausschlusses aus formalen Gründen gemäß § 6 EG Abs. 3 lit. a VOL/A entfalten kann. Zur bisherigen Rechtslage wurde zum Teil vertreten, dass ein Angebot, dem Erklärungen oder Nachweise im Sinne des § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a VOL/A a.F. i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOL/A a.F. fehlten, nicht auszuschließen ist, wenn die fehlenden Unterlagen für eine wettbewerbliche und transparente Angebotswertung und Vergabeentscheidung nicht erforderlich sind. Fehlten also Erklärungen und Nachweise, die nicht kalkulationserheblich waren und sich nicht auf den Wettbewerb auswirkten, sollte das Angebot nach dieser Auffassung nicht ausgeschlossen werden (vgl. OLG München, Beschluss vom 22.01.2009 - Verg 26/08; OLG Celle, Beschluss vom 02.10.2008 - 13 Verg 4/08 = NZBau 1/2009, S. 58 ff., 60; Thüringer OLG, Beschluss vom 20.06.2005 - 9 Verg 3/05, m.w.N.). Demgegenüber wird jedoch in der Literatur unter Hinweis auf den Wortlaut der Regelungen der § 19 und 16 EG VOL/A die Auffassung vertreten, dass sich diesen Regelungen nicht entnehmen lässt, dass die Wettbewerbsrelevanz der fehlenden Unterlagen Voraussetzung für den Angebots-ausschluss ist (vgl. Dittmann, a.a.O., § 19 EG, Rdnr. 43; Müller-Wrede, VOL/A, 3. Auflage, § 19 VOL/A EG, Rdnr. 93 ff.). Vorzulegen bzw. abzugeben ist vielmehr grundsätzlich jede Erklärung und jeder Nachweis, die ein öffentlicher Auftraggeber wirksam und eindeutig gefordert hat (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.03.2010 - VII-Verg 12/10; Kratzenberg in: Ingenstau/Korbion, VOB/A, § 16, Rdnr. 69). Aufgrund des weiten Beurteilungsspielraums, der einem öffentlichen Auftraggeber sowohl bei der Ausgestaltung der Ausschreibung selbst als auch bei der Angebotswertung zusteht, darf eine Nachprüfungsinstanz nach dieser Meinung ihre eigene Auffassung, was für den Vergleich der Angebote z.B. aufgrund dessen Wettbewerbserheblichkeit beurteilungsrelevant ist, grundsätzlich nicht an die des öffentlichen Auftraggebers setzen (vgl. Dittmann, a.a.O., § 19 EG, Rdnr. 43).
Die Entscheidung des Antragsgegners, die Eigenerklärung zum Insolvenzverfahren von der Fa. xxxxxx nicht nachzufordern, ist jedoch ermessensfehlerhaft, soweit der Antragsgegner diese Entscheidung auf den zwingenden Ausschlusstatbestand des § 19 EG Abs. 3 lit. e VOL/A i.V.m. § 16 EG Abs. 2 Satz 1 VOL/A gestützt hat. Die dortigen Voraussetzungen liegen nicht vor. Gemäß § 19 EG Abs. 3 lit. e VOL/A werden Angebote, die nicht form- oder fristgerecht eingegangen sind, ausgeschlossen, es sei denn, der Bieter hat dies nicht zu vertreten. Gemäß § 16 EG Abs. 2 Satz 1 VOL/A haben die Auftraggeber die Unversehrtheit und Vertraulichkeit der Angebote zu gewährleisten. Gemäß § 16 EG Abs. 2 Satz 2 VOL/A sind auf dem Postweg oder direkt zu übermittelnde Angebote in einem verschlossenen Umschlag einzureichen, als solche zu kennzeichnen und bis zum Ablauf der Angebotsfrist unter Verschluss zu halten. Dadurch soll gewährleistet werden, dass der öffentliche Auftraggeber die Angebote bis zum Ablauf der Angebotsfrist unter Verschluss hält und sie nicht wie seine übrigen Posteingänge öffnet und etwa mit einem Eingangsvermerk versehen in den Geschäftsgang gibt, sondern so aufbewahrt, dass sie vor Verlust, Beschädigung und unbefugter Einsichtnahme geschützt sind (vgl. Dittmann in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, 2. Auflage, § 16 EG, Rdnr. 45).
Vorliegend hat die Fa. xxxxxx ihr Angebot vom 23.05.2012 jedoch unstreitig in einem verschlossenen Angebot abgegeben und es ordnungsgemäß auf dem Umschlag gekennzeichnet. Es handelte sich somit im Hinblick auf die fehlende Erklärung zum Insolvenzverfahren zwar um ein unvollständiges, aber gleichwohl die Formvorschriften des § 16 EG Abs. 2 Satz 2 VOL/A wahrendes Angebot. Durch die Verschluss- und Kennzeichnungspflicht soll der Schutz der Öffnung durch Dritte erreicht werden (vgl. VK Bund, Beschluss vom 13.05.2003 - VK1-31/03). Der Auftraggeber wiederum muss Angebote, die ihm auf dem Postweg oder durch Boten übermittelt wurden, bis zum Ablauf der für die Einreichung vorgesehenen Frist unter Verschluss halten. Damit soll nicht nur dem Abhandenkommen von Angeboten vorgebeugt werden, sondern es soll auch im Interesse des Auftraggebers und aller Bieter ein fairer Wettbewerb sichergestellt werden, in dem vorbeugend der Zugriff und somit Manipulationsmöglichkeiten vermieden werden. Praktisch wird dieses Erfordernis so umgesetzt, dass die eingegangenen Angebote an einem bestimmten Ort, möglichst in einem verschließbaren Behältnis, gesammelt werden und der Zugang nur befugten Mitarbeitern der Vergabestelle möglich ist (vgl. Lausen in: Müller-Wrede, VOL/A, 3. Auflage, § 16 EG, Rdnr. 46, m.w.N.). Vorliegend betrifft die fehlende Eigenerklärung zum Insolvenzverfahren und auch die entsprechenden, per E-Mail vom 29.05. und 07.06.2012 an den Kreisbrandmeister des Antragsgegners übersandten Informationen keine kalkulationsrelevanten oder sonstigen Bestandteile des Angebotes, die einer Wettbewerbsverfälschung oder einer sonstigen Manipulation zugänglich sind. Dem lassen sich die per E-Mail übersandten Informationen vom 29.05. und 07.06.2012 auch gar nicht als Nachreichung der im Angebot fehlenden Eigenerklärung umdeuten, weil sie nicht an die in der Vergabebekanntmachung vom xxxxxx.2012 unter I.1 benannte Vergabestelle, sondern an den mit dem Vergabeverfahren nicht befassten ehrenamtlichen Kreisbrandmeister geschickt wurden. Auch aus diesen Gründen scheidet ein Verstoß gegen die Formvorschrift des § 16 EG Abs. 2 Satz 2 VOL/A und ein darauf gestützter zwingender Ausschluss aus formalen Gründen gemäß § 19 EG Abs. 3 lit. e VOL/A aus.
Da der Antragsgegner jedoch wie oben unter II.2a ausgeführt, in vergaberechtlich nicht zu beanstandender Weise von der fakultativen Ausschlussmöglichkeit gemäß § 19 EG Abs. 4 VOL/A i.V.m. § 6 EG Abs. 6 VOL/A Gebrauch gemacht hat, war der Nachprüfungsantrag als unbegründet zurückzuweisen.
III. Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB seit dem 24.04.2009 geltenden Fassung (Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20.04.2009, BGBl. I, S. 790). Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt nach wie vor 2.500 EUR, die Höchstgebühr nunmehr 50.000 EUR und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 EUR.
Es wird eine Gebühr in Höhe von xxxxxx EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.
Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt xxxxxx EUR (brutto). Dieser Wert entspricht dem Angebot der Fa. xxxxxx und damit ihrem Interesse am Auftrag.
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung vom Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 EUR (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt. Bei einem Auftragswert von xxxxxx EUR ergibt sich eine Gebühr in Höhe von xxxxxx EUR.
Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten für Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.
Die in Ziffer 2 des Tenors geregelte Kostentragungspflicht folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag des Antragstellers keinen Erfolg hatte.
Kosten der Beigeladenen:
Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit der Kosten der Beigeladenen folgt aus analoger Anwendung des § 162 Abs. 3 VwGO. Dort ist für das verwaltungsgerichtliche Verfahren geregelt, dass die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nur erstattungsfähig sind, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt. Die analoge Anwendung dieser Vorschrift zugunsten eines obsiegenden Beigeladenen ist im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer geboten (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 155, 158 ; sowie OLG Düsseldorf, Beschluss v. 15.06.2000, Az.: Verg 6/00). Die für eine analoge Anwendung von Vorschriften erforderliche Regelungslücke ergibt sich daraus, dass gem. § 128 Abs. 4 Satz 2 lediglich geregelt wird: "Soweit ein Beteiligter im Verfahren unterliegt, hat er die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen des Antragsgegners zu tragen. § 80 des Verwaltungsverfahrensgesetzes und die entsprechenden Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder gelten entsprechend." Eine daraus folgende Ungleichbehandlung eines Beigeladenen gegenüber den anderen Beteiligten des Nachprüfungsverfahrens wäre jedoch nicht sachgerecht, zumal der Beigeladene schließlich gem. § 109 GWB deshalb den Beteiligten-Status erhält, weil "dessen Interessen durch die Entscheidung schwerwiegend berührt werden".
Einerseits darf daher zwar für den Antragsteller durch (mögliche) Beiladungen kein unkalkulierbares und damit abschreckendes Kostenrisiko entstehen. Andererseits dürfen aber auch Kosten des Beigeladenen nicht zu einer Waffenungleichheit zu seinen Lasten führen (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, § 128, Rdnr. 1034).
Unter Berücksichtigung dieser sachgerechten Grundsätze entspricht es im vorliegenden Fall der Billigkeit i.S.d. hier analog anzuwendenden § 162 Abs. 3 VwGO, dass der unterlegene Antragsteller die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Nachprüfungsverfahren erforderlichen Aufwendungen der Beigeladenen, zu denen auch die Kosten einer in einem derartig komplexen, nicht nur materielles Vergaberecht, sondern auch prozessuale Rechtsfragen berührenden Verfahren ohne weiteres erforderlichen Hinzuziehung eines Rechtsanwalts gehören, zu tragen hat.
Der Antragsgegner war nicht anwaltlich vertreten.
Der Antragsteller wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den Betrag von xxxxxx EUR unter Angabe des Kassenzeichens
xxxxx x
auf folgendes Konto zu überweisen:
xxxxxx.