Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 27.03.2012, Az.: VgK-08/2012

Negative Preise als ausreichender Anhaltspunkt für eine Mischkalkulation; Zulässigkeit zur unentgeldlichen Erbringung einzelner Positionen durch den Anbieter bei größeren Projekten im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung; Vereinbarkeit der einer nicht kostendeckenden Kalkulation von Preisen mit § 13 Abs. 4 VOB/A; Zulässigkeit der verdeckten Gewährung von Preisnachlässen im Rahmen einer öffentlichen Auftragsvergabe

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
27.03.2012
Aktenzeichen
VgK-08/2012
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 19666
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

in dem Nachprüfungsverfahren
der XXXX
Verfahrensbevollmächtigter:
- Antragstellerin -
gegen
das XXXX
- Antragsgegner -
beigeladen:
XXXXX - Beigeladene -
wegen
Neubau XXXXX
hat die Vergabekammer durch den Vorsitzenden, Regierungsdirektor Gaus, den hauptamtlichen Beisitzer, Dipl.-Ing. Peter und den ehrenamtlichen Beisitzer, Herrn Kreisoberamtsrat Schulz, auf die mündliche Verhandlung vom 27.03.2012
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Das Vergabeverfahren wird zurückversetzt in den Stand vor Aufforderung zur Angebotsabgabe. Das Vergabeverfahren ist bei fortbestehender Vergabeabsicht unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer ab diesem Zeitpunkt zu wiederholen.

  2. 2.

    Die Kosten werden auf XXXX,-- Euro festgesetzt.

  3. 3.

    Die Kosten tragen der Antragsgegner und die Beigeladene je zur Hälfte. Der Antragsgegner ist jedoch von der Entrichtung des auf ihn entfallenden Kostenanteils persönlich befreit.

  4. 4.

    Der Antragsgegner und die Beigeladene haben der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Kosten als Gesamtschuldner zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war für die Antragstellerin notwendig.

Begründung

1

I.

Der Antragsgegner hat mit EU-Vergabebekanntmachung vom XXXX den Neubau des XXX europaweit im offenen Verfahren als Bauauftrag gem. VOB/A ausgeschrieben. Ausgeschrieben waren Leistungen zur Herstellung des erweiterten Rohbaus wie die Herstellung der Baugrube incl. Verbauarbeiten, der Wasserhaltung, der Erstellung des Rohbaus und Dachabdichtungsarbeiten. Gemäß der Bekanntmachung sollte der Zuschlag auf das wirtschaftlich günstigste Angebot in Bezug auf den Preis erteilt werden. Nebenangebote waren nicht zu-lässig. Schlusstermin für den Eingang der Angebote war der XXXX

2

Im Leistungsverzeichnis (LV) war zur vorgesehenen Baustelleneinrichtung u.a. Folgendes festgelegt:

"01.01.0010. Baustelleneinrichtung

"Einrichten und Räumen der Baustelle für alle Leistungen des AN.

Einrichten der Baustelle mit sämtlichen Kränen, Geräten, Material- und Mannschaftsbuden und Gerüsten, für alle Leistungen des AN einschließlich Grundeinsatzzeit (4 Wochen).

Eingeschlossen sind sämtliche Bauhilfsmittel, die zu einer einwandfreien Vertragserfüllung erforderlich sind.

[..............]

1,000 St

01.01.0020. Baustelleneinrichtung vorhalten

über die gesamte Bauzeit für alle Leistungen des AN. Abrechnung erfolgt nach tatsächlichen Wochen der Vorhaltung.

28,000 Wo"

3

Es sollte dort ein Einheitspreis in Euro pro Woche angegeben werden.

4

Hinsichtlich der vorgesehenen Bauzeiten enthielten die Verdingungsunterlagen an verschiedenen Stellen Angaben:

5

Gemäß Ziff. 1.1 der Besonderen Vertragsbedingungen sollten die Arbeiten bis spätestens zum letzten Werktag der 36. KW abgeschlossen werden. Unter Berücksichtigung des dort angekündigten Termins zur Aufforderung zum Baubeginn für den XXXX und der in§ 5 Abs. 2 Satz 2 VOB/B enthaltenen, für den Auftragnehmer flexiblen 12-Tagesfrist ergab sich eine maximale Bauzeit von 25 - 27 Wochen.

  • Gemäß den Allgemeinen Vorbemerkungen zum Leistungsverzeichnis war der Baubeginn für den XXXX und der Abschluss der hier gegenständlichen Leistungen für den XXXX vorgesehen, mithin eine maximale Bauzeit von 33 Wochen.

  • Gemäß dem Rahmenterminplan der Verdingungsunterlagen war der Baubeginn für den XXXX und der Abschluss der Arbeiten für den XXXX vorgesehen, mithin eine maximale Bauzeit von 27 Wochen.

  • Schließlich war gemäß Position 01.01.0020 des LV von einer maximalen Bauzeit von 28 Wochen auszugehen.

6

Insgesamt gaben 10 Firmen ein Angebot ab. Nach rechnerischer Prüfung gab die Antragstellerin mit einer Wertungssumme von XXXXX Euro das preislich günstigste Angebot ab. Auf Rang 2 folgte das Angebot der Beigeladenen mit einem Abstand von rd. 1.500 Euro. Mit Schreiben vom XXX an die Antragstellerin bat das mit der Durchführung der Ausschreibung beauftragte Ingenieurbüro XXXX um die Aufklärung ihr unangemessen niedrig erscheinende Einheitspreise u.a. zur Position 07.07 "Bewährung und Einbauteile" und mit weiterem Schreiben vom XXXX um die Aufklärung ihr unangemessen hoch erscheinender Preise zu den Positionen 01.01.0020 (Baustelleneinrichtung vorhalten) und Position 01.01.0030. (reduzierte Baustelleneinrichtung vorhalten). Die Antragstellerin beantwortete die Schreiben durch die Vorlage ihrer internen Kalkulation in Bezug auf die vom Ingenieurbüro abgefragten Positionen. Sie wies darauf hin, dass, soweit sie dort Abpreisungen in Form von Abzügen vorgenommen habe, es sich es sich um positionsbezogene Nachlässe im Rahmen ihrer vergaberechtlich zulässigen unternehmerischen Kalkulationsfreiheit handele. Sie habe diese Abpreisungen auch nicht auf die Einheitspreise anderer Positionen umgelegt, da dann der wettbewerbliche Effekt dieser Abpreisung verloren gegangen wäre. Der vom Ingenieurbüro geäußerte Verdacht einer unzulässigen Mischkalkulation sei unbegründet, die Auskömmlichkeit ihres Angebotes gewährleistet.

7

Mit Datum vom XXXX fertigte das Ingenieurbüro einen Vergabevorschlag, nach dem der Auftrag an die Antragstellerin erteilt werden sollte. Unter der lfd. 4 "wirtschaftliche Angebotsprüfung" war dort Folgendes vermerkt:

"Das Hauptangebot erscheint auf Grund seiner Preisstruktur in sich unverständlich. Es wurden darum aufklärende Feststellungen anhand der Angebotsunterlagen getroffen und soweit erforderlich, der Angebotsinhalt nach § 15 VOB/A aufgeklärt."

8

Im Weiteren war dort vermerkt:

"Der Bieter hat nachvollziehbar dargelegt und belegt, dass er die Markt- und Wettbewerbssituation für seine Preisbildung effektiv genutzt hat. Somit liegt ein in Bezug auf seinen Betrieb wirtschaftliches Angebot vor."

9

Auf den Vergabevorschlag des Ingenieurbüros hin versandte der Antragsgegner die Absageschreiben gem. § 101 a GWB an die unterlegenen Bieter. Eine Information über die beabsichtigte Auftragsvergabe an die Antragstellerin erhielt diese zunächst nicht.

10

Im weiteren Verlauf des Vergabeverfahrens wurde die Antragstellerin zu einem technischen Aufklärungsgespräch mit dem Ingenieurbüro und dem Antragsgegner eingeladen. Über das Gespräch wurde ein Protokoll gefertigt, das in Bezug auf die zu klärenden Sachverhalte vorgefertigt war und handschriftlich über die Ergebnisse bzw. das weitere Vorgehen ergänzt wurde. Unter Ziff. 2.2.1 des Protokolls in Bezug auf die unangemessen hoch erscheinenden Preise für die Baustelleneinrichtung wurde auf das Antwortschreiben der Antragstellerin verwiesen. Handschriftlich ist dort vermerkt:

"Die Einsatzzeiten der einzelnen Baustelleneinrichtungspositionen werden durch Firma XXX bis XXX angegeben."

11

Unter Ziff. 2.3 des Protokolls zu den Ausführungsterminen wurde der ursprünglich vorgesehene Ausführungstermin XXXX handschriftlich auf den XXXX geändert. Der Termin für die Ausführungsfertigstellung wurde ebenfalls handschriftlich vom XXXX auf den XXXX geändert. Das Protokoll wurde von je einem Vertreter des Ingenieurbüros, des Antragsgegners und der Antragstellerin unterzeichnet. Die Antragstellerin legte im Folgenden fristgerecht eine Erklärung zu den Einsatzzeiten der Baustelleneinrichtung vor. Der Antragsgegner fertigte daraufhin einen Vergabevermerk über die Entscheidung hinsichtlich des Zuschlages. Entsprechend diesem Vermerk war beabsichtigt, den Zuschlag auf das Angebot der Antragstellerin zu erteilen.

12

Mit E-Mail teilte das Ingenieurbüro der Antragstellerin mit, dass ihre Begründung zur Kalkulation und Einsatzzeit zur Position 01.01.0010 in ihrem Schreiben nicht dem Inhalt der LV-Position entspräche. Dem trat die Antragstellerin entgegen. Die Begrifflichkeit "Grundeinsatzzeit" in dieser Position des LV beziehe sich aus ihrer Sicht lediglich auf die dort genannten Gerüste und keinesfalls auf die gesamte Baustelleneinrichtung. Das Vorhalten der Baustelleneinrichtung sei erst in der darauffolgenden Position 01.01.0020 des LV ohne Einschränkung über die gesamte Bauzeit ausgeschrieben und zu bepreisen gewesen. Das Verständnis des Ingenieurbüros des LV würde bedeuten, dass das Vorhalten der Baustelleneinrichtung für den Zeitraum von vier Wochen doppelt ausgeschrieben gewesen wäre. Hiervon sei aus Sicht eines fachkundigen Bieters nicht auszugehen gewesen. Soweit mit dem Ausschreibungstext tatsächlich etwas anderes gemeint gewesen sein solle, sei dies jedenfalls nicht deutlich geworden. Sollte man in diesem Zusammenhang von einer unklaren Leistungsbeschreibung ausgehen, könne das nicht zu ihren Lasten als Bieterin gehen.

13

Mit Informationsschreiben gem. § 101a GWB teilte der Antragsgegner der Antragstellerin am 24.02.2012 mit, dass ihr Angebot nicht in die engere Wahl komme. Gemäß Nr. 3.7 der Bewerbungsbedingungen dürften nur Preisnachlässe gewertet werden, die ohne Bedingungen als Vomhundertsatz auf die Abrechnungssumme gewährt werden würden. Die von der Antragstellerin in den Positionen 07.07.0010 und 07.07.0020 vorgenommenen Abpreisungen würden mithin einen positionsbezogenen Nachlass darstellen, der nicht gewertet werden dürfte. Ohne diese Abpreisungen würde sich die preisliche Rangfolge so verändern, dass das Angebot nicht mehr in die Nähe des Zuschlages komme. Im Übrigen habe die Antragstellerin auch nicht den Verdacht der Mischkalkulation hinsichtlich der Position 01.01.0020 entkräften können. Aus den vorgelegten Unterlagen habe sich ergeben, dass der angebotene Einheitspreis offensichtlich Leistungen enthalte, die nicht zum dort beschriebenen Leistungsumfang gehören würden. Insbesondere sei der dort umfangreich kalkulierte Einsatz von Radladern zu erwähnen, der allein in Bezug auf die Vorhaltung der Baustelleneinrichtung nicht zu rechtfertigen sei. In Verbindung mit den von der Antragstellerin an anderer Stelle auffällig niedrig angebotenen Einheitspreisen sei von einer nicht mehr sachgerechten, sondern vielmehr spekulativen Kalkulation auszugehen.

14

Mit Schreiben vom 27.02.2012 rügte die Antragstellerin das Vergabeverfahren. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners stelle der positionsbezogene Nachlass der LV-Positionen 07.07.0010 und 07.07.0020 keinen Preisnachlass i. S. des § 13 Abs. 4 VOB/A und von Ziff. 3.7 der Bewerbungsbedingungen dar. Die genannten Regelungen bezögen sich ausschließlich auf Preisnachlässe auf das Gesamtangebot. Vorliegend handele es sich aber demgegenüber um einen kalkulationsinternen Nachlass bei der Einheitspreisbildung, der den vorgenannten Regelungen nicht unterfalle und nicht im Angebot nach Art und Umfang offen zu legen oder gesondert auszuweisen sei. Die Nichtwertung des positionsbezogenen Nachlasses dieser LV-Positionen entbehre mithin einer sachlichen und rechtlichen Grundlage und sei vergaberechtswidrig.

15

Auch der Vorwurf einer unzulässigen Mischkalkulation sei unberechtigt. Die von der Antragstellerin insoweit genannte Position 01.01.0020 sei korrekt kalkuliert. Der von der Antragstellerin kalkulierte Radlader sei ein Bauhilfsgerät i. S. eines Bereitstellungsgerätes. Der Radlader werde als Gerät zum Umsetzen von Technik in der Position 01.01.0010 auf die Baustelle gebracht, das Vorhalten werde über die Position 01.01.0020 erfasst. Der in diesen Positionen kalkulierte Radlader sei kein Leistungsgerät, das in einer anderen Position oder anderen Positionen des LV zu kalkulieren gewesen sei. Die Antragstellerin habe, wie verlangt, ihre diesbezügliche Preiskalkulation im Rahmen der Aufklärung offen gelegt. Sie habe dargelegt, dass die von ihr bei einzelnen Positionen vorgenommenen zulässigen Abpreisungen bzw. positionsbezogenen Nachlässe nicht auf die Einheitspreise anderer Positionen verlagert worden seien. Der nunmehr erhobene Vorwurf der Mischkalkulation sei offensichtlich vorgeschoben.

16

Abschließend fordert die Antragstellerin den Antragsgegner unter Fristsetzung bis zum 28.02.2012 auf, ihre Vergabeabsicht zu Gunsten der Antragstellerin zu ändern, ansonsten werde sie ein Nachprüfungsverfahren einleiten.

17

Mit Schreiben vom 05.03.2012 an die Antragstellerin erläuterte die vorgesetzte Dienststelle des Antragsgegners dessen Informations- und Absageschreiben vom 24.02.2012. Hintergrund für die Vermutung einer nicht mehr sachgerechten, sondern spekulativen Kalkulation seien neben den von der Antragstellerin angebotenen Einheitspreisen deren Ausführungen im Aufklärungsgespräch gewesen. Danach habe die Antragstellerin die Vorhaltung der Baustelleneinrichtung insgesamt nur für einen Zeitraum von 28 Wochen angeboten, obwohl ihr bekannt gewesen sei, dass diese für 32 Wochen benötigt werde. Bekannt gewesen sei dieser Zeitraum von 32 Wochen aus der Position 1.2.10 der Allgemeinen Vorbemerkungen zum LV. Dieser Widerspruch zu der Position 01.01.0020 des LV sei der Antragstellerin bei der Angebotskalkulation positiv bekannt gewesen. Als subjektive Folge sei der Antragstellerin damit eine Verletzung ihrer Nachfragepflicht vorzuhalten, welche ihr bei positiv erkannten Widersprüchen in den Vergabeunterlagen obliege. Als objektive Folge seien die angebotenen Einheitspreise der Position 01.01.0020 mit der im Angebot fehlenden 4-Wochen-Vorhaltezeit zu addieren, um eine Vergleichbarkeit mit anderen Bietern herzustellen. Damit ändere sich die Reihenfolge der Bieter und die Antragstellerin sei nicht mehr Mindestfordernde.

18

Daneben sei festzustellen, dass im Vergleich zu den übrigen Bietern die Einheitspreise der Antragstellerin für die drei Baustelleneinrichtungspositionen in einem krassen Missverhältnis stehen würden. Verbunden mit dem im Angebot nicht zum Ausdruck gebrachten Ansinnen, dass jedenfalls bei einer vertragsgemäßen Bauzeit von 32 Wochen weitere vier Wochen Vorhaltezeit zusätzlich zu vergüten seien, sei es der Vergabestelle nicht zu verdenken, dass sie den Eindruck gewonnen habe, es handele sich um eine nicht mehr sachgerechte, sondern spekulative Kalkulation.

19

Dem Vortrag des Antragsgegners tritt die Antragstellerin mit Schreiben vom 06.03.2012 entgegen. Bei ihrem Vortrag zu den Bauzeiten lasse der Antragsgegner unerwähnt, dass nach den Besonderen Vertragsbedingungen (BVB) eine voraussichtliche Bauzeit vom XXXXX bis zur XX. KW 2012 angegeben sei, was 28 Wochen entsprechen würde und dass sich aus dem den Verdingungsunterlagen beigefügten Rahmenterminplan ebenfalls eine Bauzeit von 28 Wochen ergebe. Diese Angaben stünden im Einklang mit der entsprechenden LV-Positionsbeschreibung, wonach ebenfalls ein Zeitraum von 28 Wochen ausgeschrieben und zu kalkulieren gewesen sei. Letzteres habe die Antragstellerin getan ohne hierin einen etwaigen Widerspruch in den Verdingungsunterlagen zu erkennen. Erst im Aufklärungsgespräch habe man gemeinsam festgestellt, dass in den BVB und den Vorbemerkungen unterschiedliche Terminangaben stehen würden. Eine Verletzung einer Nachfragepflicht während der Angebotsphase liege von daher nicht vor.

20

Auch seien die Einheitspreise für die in Rede stehenden Baustelleneinrichtungspositionen entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht überhöht und spekulativ. Dass diese Kalkulation tatsächlich wie vorgetragen erfolgt sei, ergebe sich unmittelbar aus der vorgelegten Urkalkulation. Weiterer objektive Anhaltspunkte dafür, dass die Kalkulation wie vorgetragen vorgenommen wurde, bedürfe es nicht und dürfe vom Antragsgegner auch nicht gefordert werden. Dass Einheitspreise verschiedener Angebote mitunter auch stark voneinander abweichen würden, sei nicht ungewöhnlich und vergaberechtlich nicht zu beanstanden.

21

Soweit der Antragsgegner meine, vor dem Hintergrund unterstellter Spekulationen abweichend von der Ausschreibung in Position 01.01.0020 einen Vordersatz von 32 Wochen statt der ausgeschriebenen 28 vornehmen zu können, sei auch dies bereits im Ansatz vergabe-rechtlich unzulässig. Eine Wertung mit korrigierten Mengenvordersätzen sei intransparent, verstoße gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und öffne einer willkürlichen Angebotswertung Tür und Tor. Etwaige Fehler in der Ausschreibung dürfe die Vergabestelle daher in der Wertungsphase nicht korrigieren, jedenfalls nicht, wenn sich dadurch die Bieterreihenfolge ändern würde.

22

Am 29.02.2012 beantragte die Antragstellerin unter Ergänzung und Vertiefung ihres bisherigen Vortrages die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Die Antragstellerin beantragt,

  1. 1.

    die Einleitung eines Vergabenachprüfungsverfahrens gem. §§ 107 ff. GWB,

  2. 2.

    dem Antragsgegner die beabsichtigte Erteilung des Zuschlages zu untersagen,

  3. 3.

    hilfsweise einen ggf. bereits erteilten Zuschlag für nichtig zu erklären,

  4. 4.

    dem Antragsgegner im Verfahren zur Vergabe der Leistung "erweiterter Rohbau" beim Bauvorhaben XXXX anzuweisen, das Angebot der Antragstellerin wieder in die Wertung aufzunehmen und das Vergabeverfahren unter Beach-tung der Rechtsauffassung der Vergabekammer fortzuführen,

  5. 5.

    der Antragstellerin Akteneinsicht in die Vergabeakten des Antragsgegners zu gewähren,

  6. 6.

    dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen aufzuerlegen,

  7. 7.

    die Hinzuziehung des Bevollmächtigten der Antragstellerin für notwendig zu erklären.

23

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag der Antragstellerin zurückzuweisen.

24

Soweit die Antragstellerin im erheblichen Umfang Personal und Material in die Vorhaltung der Baustelleneinrichtung einkalkuliert habe, die nach Erwartung der Vergabestelle in die Baustellengemeinkosten zu kalkulieren gewesen wären, sei dies nach Auswertung der aktuellen Rechtsprechung nicht mehr zu beanstanden. Auch könne der Verdacht einer unzulässigen Mischkalkulation nicht nachgewiesen werden. Jedoch habe die Antragstellerin im Aufklärungstermin darauf hingewiesen, dass sie nur die ausgeschriebenen 28 Wochen Vorhaltung der Baustelleineinrichtung kalkuliert habe. Sie würde deshalb im Auftragsfalle für diese Position statt der ausgeschriebenen 28 Wochen die volle Bauzeit von 32 Wochen zur Abrechnung bringen. Die Vergabestelle habe die Antragstellerin deshalb aufgefordert, auch die Kalkulation der Position 01.01.10 zur Prüfung einzureichen. Aus der dann vorgelegten Urkalkulation sei ersichtlich, dass die Antragstellerin tatsächlich keine Vorhaltung der Baustelleneinrichtung in diese Position kalkuliert habe. Deshalb seien zusätzliche vier Wochen Vorhaltezeit der Baustelleneinrichtung zum angebotenen Einheitspreis zusätzlich zu berücksichtigen. Die Antragstellerin liege damit nicht mehr an erster Stelle. Ausschlaggebend sei, dass der Antragstellerin bewusst gewesen sei, dass die Vorhaltung der Baustelleneinrichtung für die Erbringung der vollständigen Leistung über 32 Wochen erforderlich war, sie jedoch nur für 28 Wochen angeboten habe, ohne auf diesen Umstand hinzuweisen. Diese Unterlassung sei als spekulativ zu bewerten.

25

Weiterhin könnten nach Abschnitt 3.7 der Bewerbungsbedingungen nur Preisnachlässe gewertet werden, die ohne Bedingungen als Vomhundertsatz auf die Abrechnungssumme angeboten werden würden. Bei den von der Antragstellerin vorgenommenen positionsbezogenen kaufmännischen Abpreisungen handele es sich um zulässige Nachlässe, die jedoch nicht gewertet werden dürften, da sie nicht in einer der Ziff. 3.7 der Bewerbungsbedingungen entsprechenden Form ausgebracht worden seien. Unter dieser Maßgabe sei die Antragstellerin Höchstfordernde von 10 Bietern und komme für einen Zuschlag nicht mehr in Betracht.

26

Schließlich seien die von der Antragstellerin angebotenen Preise für die Positionen "Einrichten der Baustelle", "Vorhalten der Baustelleneinrichtung" und "Vorhalten einer reduzierten Baustelleneinrichtung" unangemessen hoch. Die angebotenen Preise lägen um 390%, 763% und 1636% über denjenigen Preisen des Angebots des zweitplatzierten Bieters. Soweit sich die vorgesehene Bauzeit aus vom Bieter nicht zu vertretenen Gründen verlängere, würde dieser einen wettbewerbswidrig hohen Gewinn erzielen. Darüber hinaus entstehe bei der vorhandenen Strukturierung des Angebotes ein wirtschaftliches Interesse der Antragstellerin an einer möglichst verlängerten Bauzeit. Es bestehe in diesem Zusammenhang der Verdacht, dass die Antragstellerin von vornherein von einer verlängerten Bauzeit ausgegangen sei, weshalb ihr eine wettbewerbswidrige Gewinnerzielungsabsicht unterstellt werden könne.

27

Die Beigeladene hat sich im Termin geäußert. Sie hat dort beantragt,

den Antrag der Antragstellerin zurückzuweisen.

28

Wegen des übrigen Sachverhaltes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

29

II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und begründet. Die Antragstellerin ist durch die ursprüngliche Entscheidung in ihren Rechten aus § 97 Abs. 1, Abs. 7 GWB verletzt, weil der Antragsgegner die von ihm mit guten Gründen und nachvollziehbaren Erwägungen erkannte Gefahr einer unzulässigen Mischkalkulation nicht mit den von der Rechtsprechung geforderten strengen Anforderungen an den zu erbringenden Nachweis hat belegen können (im Folgenden 2.a). Das Angebot der Antragstellerin enthielt auch keine nach § 13 Abs. 4 VOB/A oder Ziffer 3.7 der Bewerbungsbedingungen unzulässigen Preisnachlässe (im Folgenden 2.b). Die Antragstellerin hat ihr Angebot entgegen der Auffassung des Antragsgegners insbesondere hinsichtlich der Ziffer 01.01.0010 und 01.01.0020 genau an einer objektiv vertretbaren Auslegung der kalkulatorischen Vorgaben des Leistungsverzeichnisses orientiert. Eine zur Nachfrage verpflichtende Unklarheit des Leistungsverzeichnisses muss ihr nicht bewusst gewesen sein. Eine auch durch Auslegung nicht zu beseitigende Unklarheit des Leistungsverzeichnisses geht nach der von der Vergabekammer hier zu beachtenden Rechtsprechung immer zulasten der Vergabestelle, nicht des Bieters (im Folgenden 2.c).

30

1.

Der Antrag ist zulässig. Bei dem Antragsgegner und Auftraggeber handelt es sich um eine Landesbehörde und damit um einen öffentlichen Auftraggeber gemäß § 98 Nr. 1 GWB. Ebenso handelt es sich um einen öffentlichen Bauauftrag gemäß § 99 Abs. 3 GWB, da der Antragsgegner in seiner Eigenschaft als öffentlicher Auftraggeber einen entgeltlichen Vertrag über Bauleistungen zu schließen beabsichtigt. Bei den ausgeschriebenen Leistungen des erweiterten Rohbaus handelt es sich um einen Bauauftrag gemäß § 1 VOB/A. Der hier streitbefangene Auftrag übersteigt den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, welche die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt worden sind. Gemäß § 2 Nr. 4 VgV in der zur Zeit der Bekanntmachung dieses Auftrages (10.12.2011) geltenden Fassung galt ein Schwellenwert von 4.845.000 EUR (§ 2 Nr. 3, Nr. 6 VgV). Zwar hat der Antragsgegner den Wert dieser Maßnahme ausweislich des Vergabevermerkes (Formblatt 111.4 des VHB Bund Seite 1) nur auf ca. XX Mio. EUR brutto geschätzt, die hier zu vergebende Leistung ist jedoch Teil einer Gesamtmaßnahme im Wert von ca. XX Mio. EUR. Daher wird der Schwellenwert durch den Gesamtauftrag überschritten. Das hier streitgegenständliche Los überschreitet den geschätzten Wert von 1 Mio. EUR gemäß § 2 Nr. 6 VgV, so dass auch insofern der für die Geltung des 4. Teils des GWB maßgebliche Auftragswert überschritten ist.

31

Die Antragstellerin ist gemäß § 107 Abs. 1 GWB antragsbefugt, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung eigener Rechte durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Sie trägt vor, der Zuschlag sei ihr als Mindestbietender rechtswidrigerweise versagt worden, obwohl sie ein Angebot abgegeben habe, welches vollständig die in den Vergabeunterlagen vorgegebenen Kalkulationsvorgaben erfüllt habe. Das gelte sowohl für die vorgegebenen Bauzeiten, als auch für die Transparenz ihrer Preise. Sie habe keine unzulässige Mischkalkulation durchgeführt. Voraussetzung für die Antragsbefugnis ist gemäß § 107 Abs. 2 GWB, dass das den Nachprüfungsantrag stellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass die Antragsstellerin diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, 1. Auflage, § 107, Rz. 52). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtschutzbedürfnis dargelegt. Sie hat auch schlüssig dargelegt, dass sie als formal Mindestbietender bei vergabekonformem Verhalten des Antragsgegners den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte.

32

Ob sich diese dargestellte Rechtsverletzung bestätigt, insbesondere ob die Antragstellerin wirklich keine verbotene Mischkalkulation vorgenommen hat und ob die Kalkulationsvorgaben im Leistungsverzeichnis wirklich so objektiv eindeutig im Sinne der Antragstellerin waren, wie von ihr dargestellt, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit des Antrages (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom27.07.2006, VII-Verg 23/06 Ziffer 1a).

33

Die Antragstellerin hat die im Nachprüfungsverfahren geltend gemachten Vergaberechtsverstöße rechtzeitig im Sinne des§ 107 Abs. 3 GWB gerügt. Gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB ist der Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit der Antragsteller den gerügten Verstoß gegen Vergabevorschriften im Vergabeverfahren erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht unverzüglich gerügt hat. Der Antragstellerin wurde nach erfolgter Aufklärung der Angebote mit Schreiben vom 24.02.2012 mitgeteilt, dass die Beigeladene abweichend von der ursprünglichen Entscheidung anstelle der Antragstellerin den Auftrag erhalten solle. Hiergegen hat sie sich mit der Rüge vom 27.02.2012 gewandt. Als unverzüglich gilt grundsätzlich ein Zeitraum innerhalb von ein bis drei Tagen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 18.09.2003, Az.: 1 Verg 4/03). Auch eine Rüge innerhalb einer Woche wird von der Rechtsprechung je nach Lage des Einzelfalls als nicht verspätet angesehen (OLG Dresden,Beschluss vom 07.05.2010, WVerg 6/10). Diesen Anforderungen genügt die am 27.02.2012 erhobene Rüge, in der der Gegenstand des Nachprüfungsantrags vollständig umrissen ist, so dass eine Präklusion nicht vorliegt.

34

2.

Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet.

35

a.

Der Antragsgegner hat in sachgemäßer Ausübung des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums während des Nachprüfungsverfahrens entschieden, dass das Angebot der Antragstellerin abweichend von seiner ursprünglichen Entscheidung nicht auf der ersten Wertungsstufe auszuschließen ist. Zwar bestand der konkrete Verdacht einer sog. unzulässigen Mischkalkulation, jedoch hat der Antragsgegner die begründete Auffassung vertreten, dieser Verdacht könne nicht mit der für den Ausschluss erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden.

36

Gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 c VOB/A sind Angebote, die den Bestimmungen des § 13 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A nicht entsprechen, auszuschließen. Hiervon ausgenommen sind nur Angebote, bei denen u.a. lediglich in einer einzelnen unwesentlichen Position die Angabe des Preises fehlt. Hier fehlte kein Preis, so dass diese Ausnahmevorschrift nicht greift.

37

Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A müssen die Angebote die geforderten Preise enthalten. Ergänzend enthielt Ziffer 3.6 der Bewerbungsbedingungen (Formblatt 212EG des VHB Bund) die Vorgabe, dass ein Bieter, der in seinem Angebot die von ihm tatsächlich für einzelne Leistungspositionen geforderten Einheitspreise auf verschiedene Einheitspreise anderer Leistungspositionen verteilt, nicht die von ihm geforderten Preise im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A benennt.

38

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH zur sog. Mischkalkulation (BGH, Beschluss vom 18. Mai 2004, XZB 7/04) benennt ein Bieter nicht die von ihm geforderten Preise im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A (vormals § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A), wenn er in seinem Angebot die von ihm tatsächlich für bestimmte Leistungspositionen geforderten Einheitspreise auf Einheitspreise anderer Leistungspositionen verteilt. Deshalb sind nach der Rechtsprechung des BGH und den hier verwendeten Bewerbungsbedingungen Angebote, bei denen der Bieter die Einheitspreise einzelner Leistungspositionen auf andere Leistungspositionen umlegt, grundsätzlich von der Wertung auszuschließen.

39

Die BGH-Rechtsprechung schränkt aufgrund des Transparenzgebotes die Kalkulationsfreiheit der Bieter ein, um zu gewährleisten, dass die Angebote der Bieter auch bei den im Rahmen der Auftragsabwicklung immer wieder erforderlichen Mengen- oder Einheitsänderungen vergleichbar bleiben. Die Vergleichbarkeit setzt voraus, dass alle Kosten unter Wahrung der in der Leistungsbeschreibung eingeräumten Spielräume auch dort kalkuliert werden, wo sie tatsächlich anfallen (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 17.10.2005, 11 Verg 8/05). Der Endpreis eines Angebotes ist die Summe der Produkte aus Einheitspreis und abgeforderter Stückzahl. Wollte man den Anbietern eine unbegrenzte Kalkulationsfreiheit einräumen, wäre es möglich, im Rahmen der Angebotskalkulation erkannte oder vermutete Mängel der Leistungsbeschreibung durch Veränderung der Stückzahlen für Preisspekulationen zu nutzen. Bei nachträglichen und in vielen Fällen un-vermeidlichen Mengenänderungen wären erhebliche Veränderungen im Preisgefüge die Folge. Fehlerhafte Mengenermittlungen können daher bei spekulativer Preisgestaltung dazu führen, dass die in der Submission festgestellte Bieterreihenfolge deutlich von der Bieterreihenfolge abweicht, die bei Zugrundelegung der tatsächlichen Abrechnungsmengen und Leistungsänderung entstanden wäre. Die Angebotsendsumme geriete zu einer letztendlich zufälligen hypothetischen Summe ohne direkten Bezug zu den tatsächlich zu zahlenden Kosten. Letztlich erhielte nicht das günstigste oder wirtschaftlichste Angebot den Zuschlag, sondern das Angebot mit der cleversten Preisgestaltung (Bode, Zur Behandlung von Spekulationspreisen in der Wertungs- und Vergabephase, ibr-online, 27.11.2009, Rz. 2). Es ist daher Ausdruck sowohl der Transparenz, als auch der wechselseitigen Treuepflicht zwischen Bieter und öffentlichem Auftraggeber aus § 311 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 241 Abs. 2 BGB, dass der jeweilige Anbieter die Preise so zu kalkulieren hat, dass die den Preisen zugrunde liegenden Kosten ordnungsgemäß, also den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses folgend, in den jeweiligen Preispositionen abgebildet werden.

40

Als typische Beispiele durch verbotene Mischkalkulation unvollständiger Preise werden folgende Gruppen genannt:

  • Der Bieter erhöht seine Ansprüche auf Abschlagszahlungen, indem er kostenintensive Leistungen, die erst nach Fertigstellung zu zahlen wären, in abschlagsweise fälligen Preisen wie der Baustelleneinrichtung abbildet (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom26.11.2003, Az.: Verg 53/03, Vergaberecht 2004, S. 322, 323).

  • Er preist Positionen mit erwarteten Mengenerhöhungen auf und preist Positionen mit erwarteten Mengenminderungen ab (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Mai 2004, XZB 7/04).

  • Auch die überhöhte Pauschale für die Baustelleneinrichtung bei erwarteter Bauzeitenverlängerung wird häufig als Beispiel für eine solche unzulässige Mischkalkulation genannt (Hertwig, Praxis der öffentlichen Auftragsvergabe, Rz. 198; Weyand, ibr-online-Kommentar Vergaberecht 2012, Stand 25.03.2012, § 16 VOB/A Rdnr. 713; VK Niedersachsen, Beschluss vom 16.07.2007 VgK 30/2007).

41

In all diesen Fällen verbessert der Bieter sein Kosten/Leistungsverhältnis und erzielt höhere Preise, als nach der Auswertung des Angebotes durch den insoweit gutgläubigen öffentlichen Auftraggeber zu erwarten gewesen wäre.

42

Der Antragsgegner hat daher aus konkretem und gut begründeten Anlass sowie unter verständiger Würdigung der Rechtsprechung z.B. des OLG Jena (Beschluss vom 23.01.2006, 9 Verg 8/05, Ziffer 2.c.cc.) eine Angebotsaufklärung durchgeführt, als er feststellte, dass die Antragstellerin außergewöhnlich hohe Kosten für die Baustelleneinrichtung und deren Vorhaltung kalkulierte, und zugleich in einzelnen Positionen außergewöhnlich niedrige Preise gefordert hatte.

43

Die gebotene Aufklärung bestätigte zunächst eine in einzelnen Positionen des Leistungsverzeichnisses deutlich unauskömmliche Preisgestaltung. Die Antragstellerin nahm nach unwidersprochener Darstellung des Antragsgegners jeweils unter Zugrundelegung der von dem Antragsgegner in der Leistungsbeschreibung vorgegebenen Mengenansätze z.B. bei den Positionen Betonstabstahl und Mattenstahl eine Unterdeckung der Selbstkosten von insgesamt XXXX EUR hin. Gerade bei dem Versuch der Mischkalkulation ist es wichtig, die hohen Einheitspreise durch Verluste in andern Positionen auf ein zuschlagsfähiges Niveau der Angebotsendsumme zu korrigieren.

44

Dennoch sind negative Preise alleine, selbst wenn sie zu Verlusten in sechsstelliger Höhe führen, noch kein ausreichender Anhaltspunkt für eine Mischkalkulation. Nach ständiger Rechtsprechung u.a. des OLG Düsseldorf (Beschluss vom 26.11.2003, Az.: Verg 53/03, a.a.O.; Beschluss vom 08.06.2011, Verg 11/11) bedeutet auch die Angabe negativer Preise in einem Angebot keinen Nachweis einer Mischkalkulation. Vielmehr ist der jeweilige Anbieter berechtigt, bei größeren Projekten einzelne Positionen nahezu unentgeltlich zu erbringen (vgl. OLG Frankfurt Beschluss vom 17.10.2005, 11 Verg 8/05; OLG Düsseldorf,Beschluss vom 26.11.2003, Az.: Verg 53/03, a.a.O.; Weyand, ibr-online-Kommentar Vergaberecht 2012, Stand 25.03.2012, § 16 VOB/A Rdnr. 690), oder sogar etwaige Ersparnisse bei einzelnen Positionen anderen inhaltlich damit in Zusammenhang stehenden Preispositionen zuzuordnen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.06.2011, Verg 11/11). Der jeweilige Auftraggeber kann den Bietern allerdings Vorgaben machen, wie etwaige Ersparnisse zu berücksichtigen sind. Ohne solche ausdrücklichen Vorgaben sind die Bieter in ihrer Kalkulation frei (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 03.06.2010 - 13 Verg 6/10, zit. nach ibr-online).

45

Eine unzulässige Mischkalkulation liegt erst vor, wenn Teile des tatsächlich geforderten Entgeltes nicht bei der jeweils ausgewiesenen Position erklärt werden, der Preis statt dessen in andere Positionen eingerechnet wird und aus dem Angebot nicht durch erläuternde Zusätze der tatsächlich geforderte Preis ersichtlich wird (BGH, Beschluss vom 18.05.2004 - XZB 7/04; OLG München, Beschluss vom 10.11.2010 - Verg 19/10; - zitiert nach ibr-online).

46

Hier hat die Antragstellerin nach den Ermittlungen der Antragsgegnerin die unauskömmlich kalkulierten Positionen z.B. zu Baustabstahl und Mattenstahl nicht verdeckt in der Baustellenvorhaltung kalkuliert (vgl. OLG Jena, Beschluss vom 23.01.2006,

47

9 Verg 8/05, Ziffer 2.c.dd.). Sie hat mit der im Rahmen der Angebotsaufklärung offengelegten Urkalkulation gegenüber der Antragsgegnerin schlüssig dargestellt, dass die hohen Kosten der Vorhaltung der Baustelleneinrichtung vollständig auf dort kalkulierten Preisen beruhen. Auch einen Verstoß gegen verbindliche Kalkulationsvorgaben des Leistungsverzeichnisses hat die Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Wertung nicht festgestellt.

48

Wegen der in sich schlüssigen Herleitung des kalkulierten Preises für die Vorhaltung der Baustelleneinrichtung und wegen der einseitig der Vergabestelle obliegenden vollständigen Darlegungspflicht für das Vorhandensein einer Mischkalkulation (vgl. OLG Jena, Beschluss vom23.01.2006, 9 Verg 8/05; OLG Frankfurt, Beschluss vom 17.10.2005, 11 Verg 8/05) ist der Nachweis einer solchen Mischkalkulation hier nicht zu führen.

49

Dieser schwierig zu führende Nachweis einer Mischkalkulation ist aber regelmäßig auch nicht erforderlich, um die strenge Vergleichbarkeit der Angebote zu gewährleisten und ein Abdriften des Preiswettbewerbs in den Wettbewerb um die vordergründig cleverste Kalkulation wirkungsvoll zu verhindern. Der öffentliche Auftraggeber vermag durch eine genaue und damit fachlich einwandfreie Definitionen der Leistungspositionen sowie präzise inhaltliche Vorgaben zur Kalkulation in der Leistungsbeschreibung solche Mischkalkulationen effektiv zu vermeiden.

50

Restriktive Definitionen empfehlen sich besonders bei nachhaltig manipulationsgefährdeten Positionen des Leistungsverzeichnisses, wie der in den obigen Fallgruppen mehrfach genannten Baustelleneinrichtung und den damit im inhaltlichen Zusammenhang stehenden Leistungspositionen, hier der Vorhaltung der Baustelleneinrichtung. Eine genaue und abschließende Definition solcher Positionen beugt der von dem Antragsgegner zutreffend beschriebenen konkreten Gefahr vor, dass z.B. durch eine künstliche Aufwertung dieser Leistungspositionen ein nicht sachlich begründetes Wettbewerbsergebnis entsteht (vgl. Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 16.03.2007, Az. 17 Verg 4/07; VK Bund, Beschluss vom 03.05.2007, Az. VK 2 27/07 jeweils für eindeutige Leistungsverzeichnisse; OLG München Beschluss vom 25.05.2006 Az: Verg 10/06 für ein nicht eindeutiges Leistungsverzeichnis). Auch die in Formblatt 221 des VHB-Bund vorgesehene Pflicht zur Umlage der Baustellengemeinkosten auf alle Positionen des Leistungsverzeichnisses beugt spekulativen Preisen vor, wenn diese Umlagepflicht durch eine genau und restriktiv ausgeführte Leistungsbeschreibung ergänzt wird. Eine restriktive Leistungsbeschreibung wird es nicht erlauben, relevante Positionen aus der Umlage der Baustellengemeinkosten zu entnehmen.

51

Der Antragsgegner hat dies teilweise umgesetzt, indem er gemäß Ziffer 2.1 des von ihm verwendeten Formblatts 221 des VHB Bund vorsah, dass die dort genannten Kosten (Baustellengemeinkosten) als Zuschlag auf die Einzelkosten der Teilleistungen kalkuliert werden sollten. Bei vollständiger Anwendung dieser Kalkulationsregel hätten die von der Antragstellerin im Vorhalt der Baustelleneinrichtung kalkulierten hohen Kosten für den Radlader und das Zusatzpersonal alle Einzelpositionen des Leistungsverzeichnisses vergleichsweise gering in Form eines Zuschlags erhöht. Bei einer Erhöhung der verbrauchten Mengen oder bei einer Verlängerung der Bauzeit wäre es zu einer kalkulierbaren linearen Erhöhung dieser Kosten gekommen.

52

Die Antragstellerin hat in einer durch die offenen Formulierungen des Leistungsverzeichnisses zulässigen Weise einen anderen Weg beschritten. In Ziffer 01.01.0010 der Leistungsbeschreibung ist weder die Art, noch die Zahl der genannten Geräte begrenzt. Vielmehr finden sich mit den Formulierungen "Geräte" und "Bauhilfsmittel", Oberbegriffe, die dem Bieter in dieser besonders manipulationsgefährdeten Position des Leistungsverzeichnisses einen weiten Spielraum zur Interpretation lassen. Das setzt sich im Vorhalt der Baustelleneinrichtung fort, die in Ziffer 01.01.0020 der Leistungsbeschreibung keine Begrenzung der Vorhaltekosten z.B. auf Mietkosten exklusive der Verbrauchs- und Personalkosten enthält, oder einen allgemeinen Passus wie: "nicht ausdrücklich in der Baustelleneinrichtung genannte Positionen sind nicht als Vorhaltekosten der Baustelleneinrichtung, sondern zu den Baustellengemeinkosten gemäß Ziffer 2.1 des Formblattes 221 zu kalkulieren".

53

Wegen der nicht abschließenden Definition der Baustelleneinrichtung in Ziffer 01.01.0010 und 01.01.0020 des Leistungsverzeichnisses war es im Rahmen der vom Antragsgegner den Bietern belassenen Kalkulationsspielräume vertretbar, die Kosten für den Radlader und das Zusatzpersonal der Vorhaltung der Baustelleneinrichtung zuzuordnen. Das führt zwar zu einer Kostenneutralität, wenn sich nur die Verbrauchsmengen des Leistungsverzeichnisses, nicht aber die Bauzeit erhöhen. Diese Kalkulationsmöglichkeit verursacht jedoch schon dann erhebliche Mehrkosten, wenn sich nur die Bauzeit verlängert, ohne dass sich die verbrauchten Mengen gemäß dem Leistungsverzeichnis ändern. Nach der Rechtsprechung der OLG Karlsruhe und Koblenz ist der Bieter nicht berechtigt, Baustellengemeinkosten einer Position zuordnen, die diese dem Leistungsverzeichnis nach gerade nicht erfasst (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.03.2007, Az. 17 Verg 4/07zit. nach ibr-online.de; OLG Koblenz,Beschluss vom 02.01.2006 - 1 Verg 6/05; NZBau 2006, 266). Ein Bieter habe im Rahmen seiner Kalkulation die dauerhaft anfallenden Baustellengemeinkosten, die laut Leistungsverzeichnis nicht zur Position "Baustelle einrichten" gehören, ohne weiteres anteilig auf die Einzelkosten der Bauleistungen umzulegen.

54

Auch die Vergabekammer Niedersachsen hat in einer ähnlichen Fallkonstellation allerdings ebenfalls mit ausführlich und genau erstellten Vorgaben des Leistungsverzeichnisses einen Nachprüfungsantrag zurückgewiesen (vgl. VK Niedersachsen, Beschluss vom 16.07.2007, VgK 30/2007). In einem weiteren von der VK Bund (VK Bund, Beschluss vom 03.05.2007, Az. VK 2 27/07) zugunsten des Auftraggebers entschiedenen Fall enthielt die Leistungsbeschreibung eine ausdrückliche Klarstellung, die den Umfang der in der Position "Baustelleneinrichtung" abbildbaren Kalkulationsposten streng begrenzte. Eine solche Beschränkung findet sich aber im Leistungsverzeichnis des Antragsgegners nicht, so dass die Vorgehensweise der Antragstellerin vergaberechtlich nicht zu beanstanden ist.

55

Daher hat der Antragsgegner richtig erkannt, dass die Antragstellerin einen Kalkulationsspielraum genutzt hat, indem sie in den Ziffern 01.01.0010 und 01.01.0020 der Leistungsbeschreibung überraschende Positionen kalkulierte. Dieser Spielraum ist aber nicht rechtlich vorgegeben, sondern durch das nicht optimierte Leistungsverzeichnis entstanden. Ein solcher Spielraum ist bei fortbestehender Vergabeabsicht in einem laufenden Bauprojekt nicht ohne weiteres nachträglich revidierbar.

56

b.

Die Antragsstellerin hat mit der nicht kostendeckenden Kalkulation der Preise z.B. für Betonstabstahl und Mattenstahl ihrem Angebot nicht gegen § 13 Abs. 4 VOB/A verstoßen. Danach sind gewährte Preisnachlässe ohne Bedingungen an einer vom Auftraggeber in den Vergabeunterlagen bezeichneten Stelle aufzuführen. Die Antragstellerin hat ihren Preisnachlass im Angebot nicht kenntlich gemacht. Es steht dem jeweiligen Bieter allerdings aufgrund seiner Kalkulationsfreiheit zu, Preisnachlässe nicht nur offen in dem nach § 13 Abs. 4 VOB/A bezeichneten Verfahren an der vom Auftraggeber in den Vergabeunterlagen bezeichneten Stelle zu gewähren, sondern auch verdeckt, indem er einzelne Positionen nicht kostendeckend mit einem "Subventionsabschlag" kalkuliert (vgl. OLG München, Beschluss vom10.11.2010 - Verg 19/10; - zitiert nach ibr-online, Kratzenberg in Ingenstau/Korbion, VOB Kommentar 17. Auflage, § 13 VOB/A, Rz. 32; Stolz in Willenbruch/Wieddekind , Vergaberecht Kompaktkommentar, 2. Auflage, 7. Los, § 13 VOB/A, Rz. 88). § 13 Abs. 4 VOB/A dient ausschließlich der Transparenz. Diese ist gewahrt, wenn Veränderungen der vom Bieter angegebenen Einheitspreise nur an einer vorgegebenen Stelle möglich sind und auch nur dort vorgenommen werden. Aber auch nicht kostendeckende Einheitspreise sind unmissverständlich.

57

c.

Der Antragsgegner hat gegen § 7 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A verstoßen, in dem er in Ziff. 01.01.0010 "Baustelleneinrichtung" nicht hinreichend eindeutig den sachlichen Inhalt und den zeitlichen Umfang der Baustelleneinrichtung umschrieben hat. Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A ist die Leistung eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und die Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnen können. Dem genügt die vom Antragsgegner verwendete Leistungsbeschreibung nicht. Sie ist gegen Fehlinterpretation nicht hinreichend sicher geschützt.

58

Der Antragsgegner hat bei der Erstellung der Leistungsbeschreibung in Ziff. 01.01.0010 zeitliche und inhaltliche Vorgaben kombinieren wollen. Dabei hat er versucht, die von ihm in dieser Position geforderte Mindeststandzeit für die von ihm dort genannten Gerätschaften auf alle diese Geräte zu beziehen, in dem er die zeitliche Anforderung durch ein Komma von der sachlichen Anforderung trennte. Damit hat der Antragsgegner jedoch allenfalls die Voraussetzungen geschaffen, damit alle Bieter die Leistungsbeschreibung im gleichen Sinne verstehen können. Der Antragsgegner verwendete den Begriff der "Grundeinsatzzeit", der vor allem bei Gerüstbauten üblich ist, und auch in der DIN 18451 Ziffer 3.11 für Gerüste verwendet wird. Er hat für die Benennung der gewollten Mindeststandzeit nicht einen allgemeinen Begriff wie die "Vorhaltezeit" verwendet, der in DIN 18299 Ziffer 4.1.2 verwendet wird. Für einen verständigen fachkundigen Bieter war damit auch eine Interpretation schlüssig herleitbar, dass sich die vier Wochen lediglich auf die Einsatzzeit der Gerüste beziehen. Denn lediglich beim Gerüstbau besteht eine Üblichkeit, den Auf- und den Abbau der Gerüste mit einer sog. Grundeinsatzzeit von vier Wochen zu kombinieren und als Paket anzubieten. Nach der Rechtsprechung des OLG Schleswig (Urteil vom 25.09.2009 - 1 U 42/08, Ziffer 8, zit. nach ibr-online) ist das Leistungsverzeichnis aus der Sicht eines fachkundigen Bieters auszulegen. Eine auch durch Auslegung nicht zu beseitigende Unklarheit des Leistungsverzeichnisses geht danach stets zulasten der Vergabestelle, nicht des Bieters. Wenn es im Vergabeverfahren um die Feststellung eines Angebots-Ausschlussgrundes geht, kann zulasten des Auftragsbewerbers nicht die "schärfste" Auslegungsvariante einer (zumindest) auslegungsfähigen Leistungsposition zugrunde gelegt werden. Der Schärfe der Sanktion (Angebotsausschluss) müsse vielmehr eine entsprechende Klarheit des zum Ausschluss führenden Tatbestandes entsprechen, was in Bezug auf Leistungspositionen und ihre Bestimmtheit bedeute, dass eine vertretbare Auslegung des Inhalts einer Leistungsposition durch den Bieter nicht zum Angebotsausschluss führen könne. Aus dessen Obliegenheit, bei der Vergabestelle Rückfrage zu halten, sei nicht zu folgern, dass Unklarheiten vorrangig zulasten des Bieters ausgelegt werden müssten.

59

Daher durfte ein verständiger und fachkundiger Bieter die im Leistungsverzeichnis genannte Grundeinsatzzeit von vier Wochen trotz der grammatischen Abtrennung durch ein Komma ohne eine besondere Nachfragepflicht nur auf den Auf- und Abbau der Gerüste beziehen. Demzufolge wären in dieser Position keine weiteren zeitlichen Leistungen aufzunehmen. Der vom OLG Celle (OLG Celle, Urteil vom 14.07.2005 - 14 U 217/04, zit. nach ibr-online) gegenteilig zum OLG Schleswig entschiedene Fall betrifft einen Sachverhalt mit deutlich größerer Unklarheit, die vom Bieter unbedingt aufzuklären gewesen wäre. Er kann daher hier nicht herangezogen werden.

60

Außerdem hat sich in der mündlichen Verhandlung herausgestellt, dass die real geforderte Standzeit der in Ziff. 01.01.0010 genannten Geräte tatsächlich von den nach Auffassung des Antragsgegners in den Ziff. 01.01.0010 und 01.01.0020 eindeutig genannten Zeiten abweicht. In der mündlichen Verhandlung hat sich auch aufgrund der sehr sachkundigen Einlassungen der Antragstellerin ergeben, dass die Standzeit für das dort nicht ausdrücklich als Schutzgerüst definierte Gerüst tatsächlich von der Vorgabe des Leistungsverzeichnisses abweicht, weil es auch über die Bauzeit des Rohbaus hinaus verwendet werden soll. Das mag üblich sein, findet sich jedoch in der Leistungsbeschreibung nicht in der zum Schutz von Missinterpretationen notwendigen Klarheit (im gleichen Sinne verstehen müssen) wieder. Damit eröffnet die Leistungsbeschreibung Raum für weitere Missverständnisse. Eine klare zeitliche Vorgabe, die sich entweder auf alle in dieser Position des Leistungsverzeichnisses befindlichen Gerätschaften gleichermaßen bezieht, (vgl. Ziff. 01.01.0020 des LV), oder die zeitliche Anforderung differenziert darstellt, ist aus 01.01.0010 des Leistungsverzeichnisses nicht erkennbar.

61

Auch aus der geforderten Bepreisung zu Ziff. 01.01.0010 "Baustelleneinrichtung" ergibt sich keine geforderte Vorhaltezeit von vier Wochen. Dort war als zu bepreisende Einheit 1 Stück genannt, nicht vier Wochen. Das heißt, es handelt sich um eine zeitunabhängige Pauschale für die Einrichtung der Baustelle.

62

Die Verlängerung der zu bepreisenden Bauzeiten über die in Ziff. 01.01.0020 des LV genannte Zeit ergibt sich auch nicht aus den Allgemeinen Vorbemerkungen des Leistungsverzeichnisses Ziff. 1.2.10. Zwar ist dort dargestellt, dass der Baubeginn am 28.02.2012 sein sollte, die Teilfertigstellung für den 16.10.2012 vorgesehen war, so dass sich daraus eine Bauzeit von ca. 33 Wochen herleiten lässt. Zugleich ist jedoch in den Besonderen Vertragsbedingungen Ziff. 1.1 festgehalten, dass der Baubeginn innerhalb von 12 Werktagen nach Zuschlag und der Aufforderung durch den Auftraggeber zu beginnen ist. Schon aus diesem variablen Beginn der Baustelle ergibt sich, dass der Bauablaufplan nicht so eindeutig fixiert ist, wie die Kalkulationsplanung des Leistungsverzeichnisses. Dies ist aus Bietersicht gut nachvollziehbar, begründet somit keine Pflicht des Bieters zur Nachfrage bei der Vergabestelle. Während im Bau-ablaufplan immer wieder Unsicherheiten und Verzögerungen mit zu kalkulieren sind, dient das Leistungsverzeichnis einer eindeutigen, abschließenden und insbesondere vergleichbaren Kalkulation der Angebote. Es ist daher für den verständigen Bieter zu erwarten, dass der Bauablaufplan, auch soweit er in den Vergabeunterlagen erwähnt ist, nicht vollständig mit den Kalkulationsunterlagen des Leistungsverzeichnisses übereinstimmt. Vielmehr kann er annehmen, dass der Auftraggeber im Bauablaufplan gewisse Sicherheitsmargen einbaut, um etwaigen Verzögerungen im Bauablauf flexibel begegnen zu können. Diese Flexibilität ist jedoch bei der Kalkulation der Angebotsendpreise ausdrücklich nicht erwünscht.

63

Der Antragstellerin kann daher nicht mit Erfolg vorgehalten werden, dass ihr kalkulatorisch von den gewollten Vorgaben abweichendes Angebot von verbindlichen und unmissverständlichen Vorgaben des Leistungsverzeichnisses abweicht und daher auszuschließen ist. Der Antragsgegner wird daher bei fortbestehender Vergabeabsicht das Leistungsverzeichnis insoweit zu überarbeiten haben. Dabei legt die Vergabekammer es nahe, zeitliche und inhaltliche Vorgaben in verschiedenen Ziffern des Leistungsverzeichnisses darzustellen und bei der Benennung von zeitlichen Vorgaben jeweils nur Geräte mit gleicher Vorhaltezeit in einer Ziffer zusammenzufassen.

64

d.

Vorsorglich weist die Vergabekammer für das weitere Verfahren darauf hin, dass die von der vorgesetzten Dienststelle des Antragsgegners im Schreiben vom 05.03.2012 formal abseits des Nachprüfungsverfahrens aber mit inhaltlichem Bezug dazu erörterte Wertung des Angebots der Antragstellerin mit einer Vorhaltezeit von 32 Wochen gegen § 16 a Abs. 1 VOB/A verstieße. Danach dürfen bei der Wertung der Angebote nur Kriterien und deren Gewichtung berücksichtigt werden, die in der Bekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen genannt sind. Mit einer Wertung des Angebots der Antragstellerin basierend auf einer Vorhaltezeit für die Baustelleneinrichtung von 32 Wochen wiche der Antragsgegner von den Positionen des Leistungsverzeichnisses ab und würde die Wertung des Angebots der Antragstellerin fehlerhaft durchführen. Ziffer 01.01.0020 des Leistungsverzeichnisses verpflichtet alle Bieter gleichermaßen, die Position Baustelleneinrichtung vorhalten über einen Zeitraum von genau 28 Wochen zu kalkulieren. Es ist aufgrund dieses Leistungsverzeichnisses der Vergabestelle nicht möglich, die Wertung aufgrund einer Vorhaltezeit von 32 Wochen vorzunehmen.

65

Gemäß § 114 Abs. 1 GWB hat die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und die Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Eine Zurückversetzung in den Stand vor Aufforderung zur Angebotsabgabe ist geeignet, die Verletzung der Rechte der Antragstellerin durch die inhaltlich unklare Leistungsbeschreibung zu heilen. Sie wahrt auch die Rechte der Beigeladenen, die nach eigener Darstellung Ziffer 01.01.0010. des LV aufgrund einer gleichermaßen zulässigen und nach-vollziehbaren Interpretation des Leistungsverzeichnisses mit einer Baustellenvorhaltung von weiteren vier Wochen, gleichwohl nur mit einem Drittel der Kosten der Antragstellerin kalkuliert hat. Diese Möglichkeit der Fehlerkorrektur ist gegenüber einer bloßen Verpflichtung zur Wiederholung der Wertung das Mittel mit der geringsten Eingriffstiefe, um gegenüber der Antragstellerin eingetretene Rechtsverletzungen sicher zu beseitigen, da die Unklarheiten im Leistungsverzeichnis enthalten sind, das Bestandteil der mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe versandten Vergabeunterlagen ist.

66

III.

Kosten

67

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB in der seit dem 24.04.2009 geltenden Fassung (Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechtes vom 20.04.2009, BGBl. I, S. 790). Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt 2.500 EUR, die Höchstgebühr 50.000 EUR und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 EUR.

68

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der z. Zt. gültigen Fassung vom Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 EUR (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 - 1998) gegenübergestellt. Dazwischen wird interpoliert.

69

Bei einer Ausschreibungssumme von XXX EUR netto und damit XXX EUR brutto ergibt sich eine gemäß Ziffer 2 des Tenors festgesetzte Gebühr in Höhe von XXX EUR, abgerundet auf XXX EUR. Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten oder Kosten durch Zeugenvernehmungen in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.

70

Die in Ziffer 3 des Tenors verfügte Kostentragungspflicht folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Nachprüfungsverfahren unterliegt, die Kosten zu tragen.

71

Angesichts der Tatsache, dass der Antragsgegner im Nachprüfungsverfahren unterlegen ist, sind die Kosten dem Antragsgegner aufzuerlegen. Da die Beigeladene dem Antragsgegner beigetreten ist und einen eigenen gleichlautenden Antrag gestellt hat, ist sie dem Antragsgegner auch kostentechnisch gleichzustellen. Gemäß § 13 Abs. 2 BVerwKostG haften die Kostenschuldner grundsätzlich gesamtschuldnerisch. Der Antragsgegner ist jedoch von der Pflicht zur Entrichtung der Kosten gemäß § 128 Abs. 1 GWB i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 BVwKostG befreit (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2005, Az.: 13 Verg 9/05; OLG Dresden, Beschluss vom 25. 01. 2005, Az.: WVerg 0014/04). Daher war es geboten, zur Vermeidung von unangemessenen Ergebnissen an Stelle der gesamtschuldnerischen Haftung eine anteilige Kostenpflicht festzusetzen.

72

Gemäß Ziffer 4 des Tenors haben der Antragsgegner und die Beigeladene der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Kosten und damit die Anwaltskosten zur Hälfte zu erstatten. Gemäß § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG in entsprechender Anwendung war auszusprechen, dass die Zuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren notwendig war. Obwohl das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechts-anwaltliche Vertretung vorschreibt, ist wegen der Komplexität des Vergaberechts, des Verfahrensrechts im Nachprüfungsverfahren sowie der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltliche Beratung und Begleitung jedenfalls für den Antragsteller erforderlich.

73

Da der Antragsgegner und die Beigeladene im Nachprüfungsverfahren unterlegen sind, haben sie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen erforderlichen Kosten der Antragstellerin zu tragen.

74

Die Beigeladene wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den Betrag von XXX EUR zu überweisen:

Gaus
Peter
Schulz