Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 02.03.2015, Az.: VgK-03/2015
Neuberücksichtigung eines Angebots im Rahmen eines Vergabeverfahren zur Individual- und Behindertenbeförderung in einem Landkreis
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 02.03.2015
- Aktenzeichen
- VgK-03/2015
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2015, 16377
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 98 Nr. 1 GWB
- § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB
- § 3 Abs. 4 Nr. 2 VgV
In dem Nachprüfungsverfahren der
xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Antragstellerin -
gegen
den Landkreis xxxxxx,
- Antragsgegner -
beigeladen:
xxxxxx,
- Beigeladene zu 1 -
xxxxxx,
- Beigeladene zu 2 -
xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Beigeladene zu 3 -
wegen
Vergabeverfahren "Individual- und Behindertenbeförderung im Landkreis xxxxxx, Los 1 Tour 9, Los 3 Tour 5 und Los 8 Tour 2
hat die Vergabekammer durch die Vorsitzende Regierungsdirektorin Dr. Raab, den hauptamtlichen Beisitzer Bauoberrat Peter und den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl. Verwaltungswirt Abraham auf die mündliche Verhandlung vom 23.02.2015
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Der Antragsgegner wird verpflichtet, für die streitbefangenen Touren Los 1 Tour 9, Los 3 Tour 5 und Los 8 Tour 2 erneut in die Angebotswertung einzutreten, diese unter Berücksichtigung der Angebote der Antragstellerin erneut durchzuführen und dabei die für den Zuschlag vorgesehenen ungewöhnlich niedrigen Angebote insbesondere im Hinblick auf ihre Tariftreue aufzuklären.
- 2.
Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen. Der Antragsgegner ist jedoch von der Entrichtung der Kosten befreit.
- 3.
Die Kosten werden auf xxxxxx € festgesetzt.
- 4.
Der Antragsgegner ist verpflichtet, der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war für die Antragstellerin notwendig.
Gründe
I.
Die Vergabestelle als Antragsgegner hat mit EU-Vergabebekanntmachung vom xxxxxx.2014 Individual- und Behindertenbeförderungsleistungen im Landkreis xxxxxx für den Zeitraum vom 01.04.2015 bis zum 31.03.2020 europaweit im offenen Verfahren als Dienstleistungsauftrag gem. VOL/A ausgeschrieben. Gem. Ziffer II.1.9) der Bekanntmachung waren Nebenangebote zulässig. Gem. Ziffer IV.2.1) der Bekanntmachung war das einzige Zuschlagskriterium der niedrigste Preis. Schlusstermin für den Eingang der Angebote war der xxxxxx.2014, 23:59 Uhr.
Die Leistung war nach anzufahrenden Zielschulen in 12 Lose unterteilt. Die Lose wiederum waren in eine vom Antragsgegner vorgegebene unterschiedliche Anzahl von Touren unterteilt. Insgesamt umfassten die Lose 70 verschiedene Touren. Die Bieter konnten auf eine, mehrere oder alle Touren bieten. Die vorgegebenen Tourenpläne des Antragsgegners enthielten die grundsätzlichen Angaben zur Tour, wie Anzahl und Wohnort der zu transportierenden Schülerinnen und Schüler, der Zielschule, der Notwendigkeit einer Begleitperson oder eines Rollstuhltransportes.
Soweit zum Zeitpunkt der Erstellung der Tourenpläne durch den Antragsgegner bereits feststand, dass die auf der jeweiligen Tour zu transportierenden Schülerinnen und Schüler einen gemeinsamen Schulschluss haben würden, was z. B. im gesamten Los 1 und 8 der Fall war, war von den Bietern lediglich ein geforderter Pauschalpreis inkl. Mehrwertsteuer pro Tag für die Tour in die Pläne einzutragen. Soweit ein gemeinsamer Schulschluss noch nicht feststand, was z. B. im Los 7 bei den Touren 1 bis 3 der Fall war, war zusätzlich zum geforderten Pauschalpreis pro Tag ein Preis pro Kilometer inkl. Mehrwertsteuer für eine zusätzliche Rückfahrt anzubieten. Bei jeder Tour war zudem ein Preis für einen Mehrkilometer bei wesentlichen Tourenänderungen anzugeben.
Auf Bieternachfrage der Beigeladenen zu 3 zur Wertung des Preises wurde dieser per E-Mail vom 11.12.2014 Folgendes mitgeteilt:
"Es wird zu 100 % die Tagespauschale gewertet. Bei vielen Touren ist insbesondere bei den Rückfahrten nach dem Kilometerpreis gefragt (z. B. Lose III, VI, VII). Hier erfolgte die Wertung zu 100 % nach dem Kilometerpreis. Der bei jeder Tour abgefragte Preis für Mehrkilometer ist nachrichtlich zu sehen bzw. entscheidet bei Preisgleichheit von Bietern bei der Tagespauschale bzw. beim Kilometerpreis."
Mit Bieterrundschreiben vom 11.12.2014 an alle Bieter übersandte der Antragsgegner aufgrund von Bieterhinweisen überarbeitete Tourenplanungen und verlängerte die Angebotsfrist bis zum xxxxxx.2015, 23:59 Uhr. Zusätzlich übersandte der Antragsgegner eine geänderte Tariftreueerklärung zu § 4 Abs. 3 NTVergG und den vorliegend anzuwendenden Spartentarifvertrag Nahverkehrsbetriebe Niedersachsen (TV-N Nds.) in der Fassung des 4. Änderungsvertrages vom 13.04.2010.
Insgesamt gaben 18 Bieter Angebote ab. Die Antragstellerin gab auf alle 70 Touren ein Angebot ab.
Nach der Übersicht über die Angebotsauswertung des Antragsgegners lag die Antragstellerin bei der Tour 9 zu Los 1, der Tour 5 zum Los 3 und der Tour 2 zu Los 8 nach den angebotenen Pauschalpreisen jeweils auf Rang 2 hinter dem jeweiligen Bestbieter, zu Tour 2 im Los 8 lag sie dabei gleichauf mit der Beigeladenen zu 2. Die Abstände zu den jeweils günstigsten Angeboten betrugen in Bezug auf die angebotenen Pauschalpreise 20,3 % (Tour 9 Los 1), 20,4 % (Tour 5 Los 3) und 30,3 % (Tour 2 Los 8).
Mit Bieterinformation gem. § 101 a GWB vom 23.01.2015 teilte der Antragsgegner den Bietern in Listenform mit, welche Bieter zu welchen Touren den Zuschlag nach Ablauf der Frist des § 101 a GWB erhalten sollten. Danach sollte die Antragstellerin lediglich den Zuschlag auf die Touren 2 und 5 im Los 7 erhalten. Die Beigeladene zu 1 sollte den Zuschlag auf 14 Touren, die Beigeladene zu 2 auf 4 Touren und die Beigeladene zu 3 auf 45 Touren erhalten.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 23.01.2015 rügte die Antragstellerin das Vergabeverfahren im Wesentlichen unter der Begründung, dass die vorgesehenen Zuschlagsbieter nicht auskömmlich angeboten haben könnten, da vorliegend der Spartentarifvertrag Nahverkehrsbetriebe verbindlich anzuwenden gewesen sei, was zu einer Verdoppelung des Preisniveaus gegenüber der Ausschreibung aus dem Jahr 2010 führen müsste. Nach fernmündlicher Auskunft des zuständigen Mitarbeiters des Antragsgegners hätten die anderen Bieter aber das Preisniveau des Jahres 2010 halten können. Zudem habe sie aus dem Gespräch erfahren, dass diese Bieter die in vielen Losen geforderten Begleitpersonen nicht in voller Höhe eingepreist hätten, indem diese für den Zeitraum bis zur Übernahme des ersten Kindes und für den leeren Rückweg preislich nicht bzw. nicht mit dem Tariflohn berücksichtigt worden seien.
Der Antragsgegner wies die Rüge mit Schreiben vom 28.01.2015 unter der Begründung zurück, dass vorliegend keine Anhaltspunkte für ungewöhnlich niedrige oder gar im Missverhältnis zur Leistung stehenden Angebote erkenntlich seien. Zudem sei es auch bei der Antragstellerin üblich, dass für die Fahrer und die Begleitperson die Fahrt zum ersten Kind als Arbeitsweg gewertet werde.
Nach der Rügezurückweisung beantragte die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 29.01.2015 die Einleitung eines Vergabenachprüfungsverfahrens.
Der Antrag sei zulässig, da es sich bei dem Antragsgegner um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB handele, vorliegend der Schwellenwert gem. § 3 Abs. 4 Nr. 2 VgV deutlich überschritten werde, die Antragstellerin ihr Interesse an dem Auftrag durch Abgabe eines Angebotes bekundet und geltend gemacht habe, dass ihr ein Schaden drohe, weil sie, wenn der Antragsgegner nicht gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung verstoßen hätte, die preislich günstigsten Angebote unterbreitet hätte. Schließlich habe sie die dargelegte Rechtsverletzung auch unverzüglich gem. § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB gerügt und auch die Frist nach § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB eingehalten.
Der Nachprüfungsantrag sei auch begründet.
Die Angebote der Bestbieter hätten mit Verweis auf § 19 EG Abs. 6 VOL/A als ungewöhnlich niedrig und somit im Missverhältnis zur Leistung stehend zurückgewiesen werden müssen. Da der Antragsgegner aufgrund des § 4 des Niedersächsischen Tariftreue- und Vergabegesetzes (NTVergG) die Anwendung des Spartentarifvertrages Nahverkehrsbetriebe Niedersachsen (TV-N Nds.) verbindlich festgelegt habe, habe er sich selbst gebunden, diesen auch beachten zu müssen. Aus den Erklärungen des Antragsgegners lasse sich jedoch eine Reihe von Verstößen gegen den TV-N Nds. und allgemeine arbeitsrechtliche Bestimmungen ableiten.
So habe der zuständige Mitarbeiter des Antragsgegners in einem Telefonat vom 20. Januar 2015 erklärt, dass einige Anbieter die Kosten für die Fahrer und die in vielen Losen geforderten Begleitpersonen nicht in voller Höhe eingepreist hätten, indem diese den Zeitraum des Fahrtantritts bis zum Beginn der Schülerbeförderung und nach Übergabe des Schülers an den Verantwortlichen der Schule bzw. die Eltern, also den Rückweg, nicht berücksichtigt hätten. Dies habe der Antragsgegner nochmals in seiner Rügeerwiderung vom 28.01.2015 bestätigt. Soweit dieses seitens des Antragsgegners zugelassen wurde, handele es sich um einen Verstoß gegen arbeitsrechtliche und vergaberechtliche Grundsätze, denn die Anreise zum ersten Schüler sei genauso zu vergütende Arbeitszeit, wie die Zeit des Transports des Schülers oder der anschließende Rückweg von der Schule bzw. den Eltern des Schülers. Die Behauptung des Antragsgegners, die Fahrt zum ersten Schüler sei als Arbeitsweg zu werten, gehe fehl, da der Arbeitsweg des Fahrers bzw. der Begleitperson an seinem Wohnort beginne und mit der Ankunft am Betrieb des Arbeitgebers ende.
In diesem Zusammenhang seien auch die von dem Antragsgegner zu den einzelnen Touren festgelegten Fahrtzeiten nach den langjährigen Erfahrungen der Antragstellerin als plausibel anzusehen und in voller Höhe anzusetzen gewesen. Soweit andere Bieter weniger Fahrtzeit in Ansatz gebracht hätten, ergebe sich daraus eine weitere Ungleichbehandlung der Angebote, die eine Wertung unzulässig erscheinen lassen würde.
Weiterhin seien die Fahrer vorliegend nach dem TV-N Nds. in die Entgeltgruppe 4 einzuordnen, woraus sich ein Lohn von mindestens 12,94 € je Fahrer und Stunde ergebe. Die Begleitpersonen seien entgegen der Auffassung des Antragsgegners, wonach die Eingruppierung der Begleitpersonen nicht eindeutig festgelegt sei, nach dem TV-N Nds. in die Entgeltgruppe 3 einzuordnen, woraus sich ein Lohn von mindestens 12,55 € je Begleitperson und Stunde ergäbe. Es stehe zu vermuten, dass die Angebote der Beigeladenen unter Verstoß gegen das nach dem TV-N Nds. zu zahlende Mindestentgelt gelegt worden seien, mit der Folge, dass die Antragstellerin für eine Vielzahl Touren das jeweils preisgünstigste Angebot abgegeben hätte. Zumindest aber hätte der Antragsgegner Veranlassung genug gehabt, ungewöhnlich niedrig erscheinende Angebote aufzuklären.
Schließlich habe der Antragsgegner gegen die Regelung des § 8 EG Abs. 1 VOL/A verstoßen. Danach müsse die Leistungsbeschreibung so abgefasst sein, dass alle Bewerber diese Beschreibung im gleichen Sinne verstehen und miteinander vergleichbare Angebote zu erwarten seien. Für die Abrechnung von freigestellten Schülerverkehren gäbe es jedoch zwei gängige Verfahren, nämlich die nach "Besetzt-Kilometern" und die nach "gefahrenen Kilometern". Der Antragsgegner habe es jedoch in den Verdingungsunterlagen versäumt, das vorliegend maßgebliche Verfahren mitzuteilen und dieses den Bietern überlassen. Damit habe er den Grundsatz der Gleichbehandlung und Transparenz missachtet, da im Ergebnis "Äpfel und Birnen" verglichen würden. Dies hätte dem Antragsgegner spätestens dann auffallen müssen, wenn er die gebotene aber unterlassene Aufklärung ungewöhnlich niedrig erscheinender Angebote vorgenommen hätte.
Die Antragstellerin beantragt,
- 1.
den Antragsgegner zu verpflichten, den Zuschlag auf die nachfolgenden Touren
Los 1, Tour 9
Los 3, Tour 5
Los 8, Tour 2
auf das Angebot der Antragstellerin zu erteilen;
- 2.
der Antragstellerin gem. § 111 Abs. 1 GWB Einsicht in die Vergabeakten zu den vorgenannten Touren zu gewähren;
- 3.
die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gem. § 128 Abs. 4 für notwendig zu erklären;
- 4.
dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin aufzuerlegen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
In Bezug auf das Telefonat mit der Antragstellerin habe der Antragsgegner, anders als von der Antragstellerin dargestellt, nicht behauptet, dass die in den Losen I - III geforderten Begleitpersonen von anderen Bietern nicht in voller Höhe eingepreist worden seien. Richtig sei aber, dass mit den Begleitpersonen im Arbeitsvertrag vereinbart werden könne, dass die Arbeitszeit erst mit der Abholung des ersten Kindes beginne und ggf. an der Schule ende. Auch bei den Fahrern, die das eingesetzte Fahrzeug mit nach Hause nehmen dürften, beginne die Arbeitszeit erst bei der Abholung des ersten Schülers. Soweit in den Arbeitsverträgen der Fahrer und Begleitpersonen derartiges geregelt sei, widerspreche das nicht dem Arbeitsrecht. Auch bei anderen Arbeitnehmern würde der Weg zur Arbeitsstätte und zurück nicht als Arbeitszeit gerechnet.
Hinsichtlich der Fahrtzeiten je Tour habe die Vergabestelle nur vorgegeben, dass eine Fahrtzeit von 60 Minuten je Richtung nicht überschritten werden solle. Es gebe eine Vielzahl von Touren, die in einer geringeren Fahrtzeit durchgeführt werden könnten. Soweit Bieter für einige Touren geringere Fahrtzeiten veranschlagt hätten, seien diese Zeiten nach eigener Recherche der Bieter ermittelt worden und damit dem Bieterrisiko zuzurechnen.
Hinsichtlich der Eingruppierung der beschäftigten Fahrer habe von allen Bietern die unterschriebene Erklärung zum § 4 Abs. 3 NTVergG vorgelegen. Demnach hätten sich alle Bieter verpflichtet, die eingesetzten Fahrer und Begleitpersonen nach dem TV-N Niedersachsen zu entlohnen. Auch sei es Sache der Bieter, das Personal den entsprechenden Entgeltgruppen des TV-N Nds. zuzuordnen und entsprechend zu kalkulieren. Auch hierfür gelte die Tariftreuerklärung. Eine Überprüfung, ob das jeweilige Angebot auch mit den Mindestentgelten des TV-N Nds. kalkuliert wurde, sei nicht erforderlich und zu diesem Zeitpunkt auch kaum realisierbar. Es habe vorliegend auch keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass Angebote ungewöhnlich niedrig erscheinen oder gar im Missverhältnis zur Leistung stünden würden. Die erfolgreichen Bieter seien bereits seit Jahren in der Individual- und Behindertenbeförderung im Landkreis eingesetzt. Von daher hätten auch keine Gründe vorgelegen, an der fachlichen und wirtschaftlichen Eignung der benannten Mitbewerber der Antragstellerin zu zweifeln.
Schließlich habe der Antragsgegner auch nicht gegen Aufklärungspflichten verstoßen. Anlass für eine Prüfung sei ein Preisabstand zum nächsthöheren Angebot von 10 bis 20 %. Ein geringerer Preisabstand indiziere dagegen noch nicht, dass der Angebotsendpreis im Verhältnis zur angebotenen Leistung ungewöhnlich niedrig sei. Der Antragsgegner habe aber bereits in seiner Rügeerwiderung vom 28.01.2015 darauf hingewiesen, dass bei allen Losen die besten Bieter relativ dicht zusammen gelegen hätten. Soweit daher der Preisabstand des Bestbieters jedenfalls nicht mehr als 10 % zum zweitplatzierten Bieter betrage, sei vorliegend ohnehin kein Anlass für eine Aufklärung gegeben. Vielmehr sei in dem Fall, in dem die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht vorliegen würden, dass die Vergabestelle gem. § 19 EG Abs. 6 Satz 1 VOL/A von einem Bieter Aufklärung verlange, ein entsprechendes Aufklärungsverlangen vergaberechtswidrig.
Wegen des übrigen Sachverhaltes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 23.02.2015 Bezug genommen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist teilweise zulässig und insoweit begründet. Die Antragstellerin ist bereits dadurch in ihren Rechten im Sinne des § 97 Abs. 7 GWB verletzt, dass der Antragsgegner bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes gemäß § 19 EG Abs. 8 VOL/A für die streitbefangenen Touren Los 1 Tour 9, Los 3 Tour 5 und Los 8 Tour 2 versäumt hat, die ungewöhnlich niedrigen Angebote der Beigeladenen zu 1 und 3 gemäß § 19 EG Abs. 6 Satz 1 VOL/A in ihrer Kalkulation im Hinblick auf die Tariftreue aufzuklären. Die Vergabekammer hat keinen Anlass, die Ausschreibung in den drei streitbefangenen Touren aufzuheben.
1. Der Nachprüfungsantrag ist teilweise zulässig. Bei dem Antragsgegner handelt es sich um einen öffentlicher Auftraggeber i. S. des § 98 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um Dienstleistungen i. S. des § 1 EG VOL/A, für den gem. § 2 Abs. 1 VgV i. V. m. Art. 7 der Richtlinie 2004/18/EG in der seit 01.01.2014 geltenden Fassung ein Schwellenwert von 207.000,00 € für die Gesamtmaßnahme gilt. Bei dem geschätzten Gesamtauftragswert von xxxxxx € brutto je Haushaltsjahr ist der Schwellenwert weit überschritten.
Die Antragstellerin war auch gem. § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, in dem sie vorträgt, der Antragsgegner habe zu Unrecht die Angebote der Beigeladenen als wirtschaftlichste Angebote ermittelt. Voraussetzung für die Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das Antrag stellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 107, Rdnr. 52). Nach herrschender Meinung und Rechtsprechung sind an diese Voraussetzung keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrages, wenn der Bieter schlüssig einen durch die Rechtsverletzung drohenden oder eingetretenen Schaden behauptet und darlegt, dass durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß seine Chancen auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein können (vgl. BVerfG, Urteil vom 29.07.2004 - 2 BvR 2248/03; Möllenkamp in: Kulartz/Kus/Portz, GWB Vergaberecht, § 107, Rdnr. 35 ff.). Ob tatsächlich der vom Bieter behauptete Schaden droht, ist eine Frage der Begründetheit (vgl. BGH, Beschluss vom 29.05.2006 - X ZB 14/06). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt, indem sie vorgetragen hat, dass die Angebote der Bestbieter wegen offenbaren Missverhältnisses der Preise zur Leistung gem. § 19 EG Abs. 6 zurückgewiesen werden müssten, zumindest hätten aufgeklärt werden müssen. Da der Antragsgegner aufgrund des § 4 des Niedersächsischen Tariftreue- und Vergabegesetzes (NTVergG) die Anwendung des Spartentarifvertrages Nahverkehrsbetriebe Niedersachsen (TV-N Nds.) verbindlich festgelegt habe, habe er sich selbst gebunden, diesen auch beachten zu müssen. Aus den Erklärungen des Antragsgegners lasse sich jedoch eine Reihe von Verstößen gegen den TV-N Nds. und allgemeine arbeitsrechtliche Bestimmungen ableiten. So habe der Antragsgegner zugelassen, dass andere Bieter Leerfahrten bis zum Beginn der Schülerbeförderung sowie den Rückweg nach Übergabe des Schülers an die Verantwortlichen, nicht berücksichtigten, obgleich es sich um zu vergütende Arbeitszeit und nicht um den Arbeitsweg handele. Schließlich habe der Antragsgegner gegen die Regelung des § 8 EG Abs. 1 VOL/A verstoßen. Danach müsse die Leistungsbeschreibung so abgefasst sein, dass alle Bewerber diese Beschreibung im gleichen Sinne verstehen und miteinander vergleichbare Angebote zu erwarten seien. Der Antragsgegner habe vorgeben müssen, ob er eine Abrechnung nach "Besetzt-Kilometern" oder nach "gefahrenen Kilometern" erwarte, so dass die Grundsätze der Gleichbehandlung und Transparenz missachtet würden. Die Antragstellerin liegt mit ihren Angeboten zu Los 1 Tour 9 und Los 8 Tour 2 mit dem maßgeblichen Pauschalpreis auf Rang 2, auch zu Los 3 Tour 5 befindet sich ihr Angebot mit dem in erster Linie maßgeblichen Pauschalpreis auf Rang 2, so dass eine Aussicht auf den Zuschlag besteht.
Die Antragstellerin ist auch teilweise ihrer Pflicht gem. § 107 Abs. 2 Nr. 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die geltend gemachten Verstöße gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren gegenüber dem Auftraggeber unverzüglich zu rügen. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Bieters von den Tatsachen.
Der Antragsgegner teilte der Antragstellerin mit Bieterinformation gem. § 101 a GWB vom 23.01.2015 in Listenform mit, welche Bieter zu welchen Touren den Zuschlag nach Ablauf der Frist des § 101 a GWB erhalten sollten. Danach sollte die Antragstellerin lediglich den Zuschlag auf die Touren 2 und 5 im Los 7 erhalten. Die Beigeladene zu 1 sollte den Zuschlag auf 14 Touren, die Beigeladene zu 2 auf 4 Touren und die Beigeladene zu 3 auf 45 Touren erhalten. Bereits mit anwaltlichem Schreiben vom 23.01.2015 rügte die Antragstellerin das Vergabeverfahren im Wesentlichen unter der Begründung, dass die vorgesehenen Zuschlagsbieter nicht auskömmlich angeboten haben könnten, da vorliegend der Spartentarifvertrag Nahverkehrsbetriebe verbindlich anzuwenden gewesen sei, was zu einer Verdoppelung des Preisniveaus gegenüber der Ausschreibung aus dem Jahr 2010 führen müsste. Diese Rüge erfolgte ohne weiteres unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB.
Die Antragstellerin ist hingegen mit ihren Rügen zu den tariflichen Vorgaben der Ausschreibung und mit ihrer Rüge, der Antragsgegner habe in der Ausschreibung klarstellen müssen, ob nach Besetztkilometern oder gefahrenen Kilometern abzurechnen sei, gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB präkludiert. Danach ist ein Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit Verstöße gegen Vergabevorschriften, die erst in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht bis zum Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden. Die Antragstellerin hätte die tariflichen Vorgaben ohne weiteres rügen können. Hinsichtlich der begehrten Klarstellung der Abrechnung nach Besetztkilometern bzw. gefahrenen Kilometern trägt sie selbst vor, dies seien gängige Modelle der Ausschreibung im freigestellten Schülerverkehr, so dass es ihr möglich war, diesen Umstand bis Angebotsabgabe zu rügen. Überdies ist sie lange in der Branche tätig und hat dadurch, dass sie seit der vorherigen Ausschreibung 26 der Touren fährt, ausreichend Einblick.
Der Nachprüfungsantrag ist daher teilweise zulässig.
2. Der Nachprüfungsantrag ist begründet. Die Antragstellerin ist bereits dadurch in ihren Rechten im Sinne des § 97 Abs. 7 GWB verletzt, dass der Antragsgegner bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes gemäß § 19 EG Abs. 8 VOL/A für die streitbefangenen Touren Los 1 Tour 9, Los 3 Tour 5 und Los 8 Tour 2 versäumt hat, die ungewöhnlich niedrigen Angebote der Beigeladenen zu 1 und 3 gemäß § 19 EG Abs. 6 Satz 1 VOL/A in ihrer Kalkulation im Hinblick auf die Tariftreue aufzuklären. Die Vergabekammer hat keinen Anlass, die Ausschreibung in den drei streitbefangenen Touren aufzuheben.
a. Nach den Festlegungen des Antragsgegners in der europaweiten Bekanntmachung und in der Aufforderung zur Abgabe des Angebotes sollte der Preis das einzige Zuschlagskriterium sein. Anhand der Angebotswertung des Antragsgegners ergibt sich, dass der jeweilige Bestbieter nach dem dort allein maßgeblichen Pauschalpreis für Los 1 Tour 9 um 20,3 % und für Los 8 Tour 2 um 30,3 % günstiger ist, als die auf Rang 2 platzierte Antragstellerin. Für Los 3 Tour 5, bei der der Pauschalpreis in erster Linie der Angebotswertung zugrunde lag, der Preis für eine Rückfahrt um 15.30 Uhr mit in die Wertung einfließen sollte, war eine Abweichung des Pauschalpreises zwischen Antragstellerin und Bestbieter von 20,4 % zu verzeichnen.
Dem öffentlichen Auftraggeber steht bei der Entscheidung, ob er ein Angebot wegen eines ungewöhnlich niedrigen Angebotspreises aufklärt, ein Beurteilungsspielraum zu. Dieser ist von den Vergabenachprüfungsinstanzen nur beschränkt überprüfbar (vgl. VK Bund, Beschluss vom 31. Mai 2011, VK 3-56/11; OLG Brandenburg, Beschluss vom 22.03.2011, Verg W 18/10). Die Kontrolle der Vergabekammern beschränkt sich auf die Prüfung, ob die Vergabestelle bei ihrer Entscheidung das vorgeschriebene Verfahren eingehalten hat, von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, aufgrund sachgemäßer und sachlich nachvollziehbarer Erwägungen entschieden hat und sich der angelegte Beurteilungsmaßstab im Rahmen der Beurteilungsermächtigung hält (vgl. z.B. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Februar 2005, Verg 88/04; VK Bund, Beschluss vom 05.10.2012, VK 3-111/12).
Als Indiz für ein ungewöhnlich niedriges Angebot, welches den öffentlichen Auftraggeber zur Aufklärung des Angebots berechtigt, wird im Allgemeinen ein erheblicher Preisabstand zu den nächst niedrigsten Angeboten angesehen. Im Bereich der VOL/A orientieren sich Rechtsprechung und Schrifttum je nach Branche und je nach individueller Bewegung der Preise auf dem Markt mehrheitlich an einer Aufgreifschwelle von etwa 20 %, ab der der öffentliche Auftraggeber sogar verpflichtet ist, eine Prüfung der Auskömmlichkeit im Interesse der Konkurrenten vorzunehmen (vgl. OLG Brandenburg Beschluss vom 22.03.2011, Verg W 18/10; VK Niedersachsen, Beschluss vom 30.06.2010 - VgK-26/2010; VK Niedersachsen, Beschluss vom 14.12.2012 - VgK 48/2012).
Speziell für den freigestellten Schülerverkehr hat jüngst das OLG Celle in einem noch nicht veröffentlichten Beschluss vom 19.02.2015 (Az: 13 Verg 11/14) die Aufgreifschwelle von 20 % bestätigt. Das OLG hat entschieden, dass unterhalb der Aufgreifschwelle von 20 % eine Aufklärung, insbesondere um zu überprüfen, ob Bieter mit dem tariflichen Stundenlohn gerechnet haben, nicht in Betracht komme. Auch wenn ein Bieter keine Auskunft gebe, ob er den Tariflohn auch für Leerfahrten zahle, müsse sich der Auftraggeber zunächst auf die Richtigkeit der vom Bieter abgegebenen Erklärungen verlassen können. Gebe ein Bieter eine unrichtige Erklärung ab, oder halte er die abgegebene Erklärung später nicht ein, könne dies in zukünftigen Vergabeverfahren einen Ausschluss wegen mangelnder Eignung nach sich ziehen. Insoweit sei der öffentliche Auftraggeber auch gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 NTVergG gehalten, Kontrollen durchzuführen und die Ahndung von Verstößen durch Vereinbarung einer Vertragsstrafe sicherzustellen.
Der Antragsgegner hat in der von den Bietern abgeforderten Tariftreueerklärung den nach dem NTVergG anwendbaren Spartentarifvertrag Nahverkehrsbetriebe vom 14. September 2000 i. d. F. des vierten Änderungstarifvertrages vom 13. April 2010 zugrunde gelegt. Damit hat er sich im Grundsatz zu Recht auf die von allen Bietern vorgelegten Tariftreueerklärungen verlassen.
Gleichwohl war der Antragsgegner verpflichtet, oberhalb der Aufgreifschwelle von 20 % die Angebote der Bestbieter gem. § 19 EG Abs. 6 Satz 1 VOL/A aufzuklären. Eine Aufklärung oberhalb der Aufgreifschwelle ist zwingend. Der Antragsgegner liegt falsch mit seiner in der mündlichen Verhandlung geäußerten Meinung, er habe auf eine Aufklärung verzichten dürfen, weil es sich um in der Schülerbeförderung bekannte und bewährte Unternehmen handele, denen er vertraue. Ungeachtet der tatsächlichen Schwierigkeiten, die eine Aufklärung zu diesem Zeitpunkt mit sich bringt, hat der Antragsgegner die Plausibilität der Kalkulation der Beigeladenen zu 3 für Los 1 Tour 9 und Los 8 Tour 2 und der Beigeladenen zu 1 für Los 3 Tour 5 im Rahmen der durchzuführenden Aufklärung zu überprüfen, dabei insbesondere die Tariftreue in den Blick zu nehmen. Sollte der Antragsgegner nicht ermitteln können, dass die Preise in offenbarem Missverhältnis zur Leistung stehen, wird er immerhin Anhaltspunkte für die später gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 NTVergG durchzuführenden Kontrollen erhalten. Diese Kontrollen hat er sich in den Ausschreibungsunterlagen vorbehalten, indem er in der Aufforderung zur Angebotsabgabe auf die beigefügten Musterregelungen zur Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben der §§ 13 bis 15 NTVergG Bezug genommen hat. Darin sind unter III. 3. die Kontrollrechte niedergelegt, unter III. 4. die Sanktionen, namentlich die Vertragsstrafe, das Recht zur fristlosen Kündigung sowie die Vergabesperre.
b. Es gibt keinen Anlass für die Vergabekammer, die Ausschreibung in ihren noch streitbefangenen drei Touren wegen gravierender Mängel von Amts wegen aufzuheben. Schwerwiegende Mängel wären Voraussetzung, da bis Angebotsabgabe keine Rügen - weder seitens der Antragstellerin noch irgendeines Mitbieters - erhoben wurden, nachdem der Antragsgegner die geänderte Tariftreueerklärung mitgeteilt hat. Es waren also alle Bieter, die überwiegend langjährig in der Branche tätig sind, vielfach aktuell die Schülerbeförderung beim Antragsgegner durchführen und bestens mit der Materie vertraut sind, einverstanden.
Der Antragsgegner hat von den Bietern zu Recht die Tariftreueerklärung gem. § 4 Abs. 3 NTVergG abgefordert. Er war entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht gehalten, eine bestimmte Entgeltgruppe des einschlägigen Spartentarifvertrags Nahverkehr für die Eingruppierung der Fahrer sowie der Begleitpersonen vorzugeben. Die Eingruppierung erfolgt durch die Beförderungsunternehmen selbst. Auch musste der Antragsgegner nicht - wie es die Antragstellerin begehrt - festlegen, dass Leerfahrten tariflich zu entlohnen sind. Ob und wie diese zu entlohnen sind, ergibt sich aus den jeweiligen Arbeitsverträgen. Zudem wird es in den Beförderungsunternehmen unterschiedlich gehandhabt, ob die Fahrer die Fahrzeuge über Nacht mit nach Hause nehmen und entsprechend die Fahrt von dort antreten. Schließlich fallen bei Taxiunternehmen, die die Touren in ihre Schichten einfügen, vielfach keine Leerfahrten an. Ein Verstoß gegen den vergaberechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung durch die tariflichen Bedingungen der Ausschreibung liegt nicht vor.
Letztlich ist die Antragstellerin, die nachdrücklich versichert, sich an die tariflichen Vorgaben zu halten, dies aber bei den anderen Bestbietern anzweifelt, bei zwei Touren an erster Stelle, zudem vielfach an zweiter und dritter Stelle platziert. Die Antragstellerin kann nicht für sich allein in Anspruch nehmen, günstig kalkuliert zu haben. Auch ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass die Kosten der Ausschreibung laut Angaben des Antragsgegners in der mündlichen Verhandlung gegenüber der vorherigen Ausschreibung im Jahre 2010 um xxxxxx € auf xxxxxx € je Haushaltsjahr angestiegen sind. Die Behauptung der Antragstellerin, das Preisniveau des Jahres 2010 sei gehalten worden, erweist sich demnach als unrichtig. Die Antragstellerin moniert, die Ausschreibung bedeute einen "Freifahrtschein" für Verstöße gegen die Tariftreue. Ihr ist entgegenzuhalten, dass sich der Antragsgegner zunächst - unterhalb der Aufgreifschwelle von 20 % - auf die Richtigkeit der vom Bieter abgegebenen Tariftreuerklärung verlassen darf. Ungeachtet der Probleme einer Überprüfung im Vorfeld ist der Antragsgegner gehalten, während des Vertragszeitraumes Kontrollen gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 NTVergG durchzuführen. Unternehmen, bei denen Verstöße festgestellt werden, haben mit empfindlichen Sanktionen zu rechnen.
Es sind ebenfalls keine gravierenden vergaberechtlichen Verstöße bei der Bewertung ersichtlich, die eine Aufhebung von Amts wegen erfordern würden. Wiederum gilt, dass die Mängel schwerwiegend sein müssten, da bis Angebotsabgabe hinsichtlich der Bewertung der Angebote keinerlei Rügen der Bieter eingegangen sind und sogar nach Offenlegung von Teilen der Bewertung im Rahmen der Akteneinsicht die Antragstellerin und die Beigeladenen 1 bis 3 keine Rügen erhoben haben.
Der Antragsgegner hat in der Bekanntmachung eine Bewertung nach dem niedrigsten Preis vorgegeben. Für die Touren in den Losen 1, 4, 5, 6, 8, 9, 10, 11 und 12, bei denen keine Preise für Rückfahrten gesondert einzutragen waren, hat er demnach den von den Bietern angebotenen Pauschalpreis für eine Hin- und Rückfahrt bewertet und den Bieter mit dem jeweils günstigsten Preis für den Zuschlag vorgesehen. Dies betrifft die streitbefangenen Touren Los 1 Tour 9 sowie Los 8 Tour 2.
Für die Touren der Lose 2, 3 und 7 hat der Antragsgegner ebenfalls der Bekanntmachung entsprechend den jeweils niedrigsten Preis ermittelt. Dies betrifft die streitbefangene Tour 5 in Los 3, in der die Bieter neben dem Pauschalpreis für eine Hin- und Rückfahrt einen Kilometerpreis für eine zusätzliche Rückfahrt um 15.30 Uhr anzugeben hatten. Für die drei Zielschulen der Lose 2, 3 und 7 waren von den Bietern zusätzlich zu dem anzugebenden Pauschalpreis für eine Hin- und Rückfahrt ein gesonderter Kilometerpreis für eine bzw. mehrere Rückfahrten anzugeben. Zur Ermittlung des niedrigsten Preises hat der Antragsgegner hier in erster Linie die Pauschalpreise für eine Hin- und Rückfahrt verglichen, allerdings sind bei geringen Preisabständen, bei denen sich die Preise für die Rückfahrt auf den Gesamtpreis auswirken, die Preise für die zusätzlichen Rückfahrten in die Wertung eingeflossen. Bei dieser Berechnung des niedrigsten Preises hat der Antragsgegner mit Hilfe eines Tourenplaners Streckenlängen zu Grunde gelegt, für die streitbefangene Tour 5 in Los 3 waren dies 30 km. Zur ganz eindeutigen Bestimmung des Leistungsumfangs sollte der Antragsgegner in zukünftigen Ausschreibungen die von ihm zugrunde gelegte Streckenlänge (Kilometerzahl) für zusätzliche Rückfahrten bereits in den Vergabeunterlagen angeben. Ein schwerwiegender Grund für eine Aufhebung liegt darin nach Auffassung der Vergabekammer nicht. Es sind keinerlei Anhaltspunkte für ein willkürliches Vorgehen des Antragsgegners bei der Wertung ersichtlich.
Auch die Auskunft des Antragsgegners zum Zuschlagskriterium Preis an die Beigeladene zu 3 hat nicht zur Folge, dass die Ausschreibung aufzuheben ist. Der Antragsgegner hatte auf Nachfrage mitgeteilt: "Es wird zu 100 % die Tagespauschale gewertet. Bei vielen Touren ist insbesondere bei den Rückfahrten nach dem Kilometerpreis gefragt (z. B. Lose III, VI, VII). Hier erfolgte die Wertung zu 100 % nach dem Kilometerpreis. ..." Die Antragstellerin hat dies in der mündlichen Verhandlung gerügt. Der Antragsgegner äußerte daraufhin, er habe dies nicht in ein Bieterrundschreiben aufgenommen, weil es zu 100 % der Ausschreibung entspreche. Die Vergabekammer weist den Antragsgegner nachdrücklich darauf hin, dass Auskünfte auf Bieterfragen allen Bietern in Bieterrundschreiben mitgeteilt werden müssen, um eine Ungleichbehandlung auszuschließen und zu gewährleisten, dass alle Bieter ihre Angebote auf gleicher Grundlage abgeben. Für die Lose 1, 4, 5, 6, 8, 9, 10, 11,12 wertete der Antragsgegner der Ausschreibung den Pauschalpreis, so dass die Auskunft mit Bewertung nach dem niedrigsten Preis übereinstimmte. Eine Aufhebung der Ausschreibung für die streitbefangenen Touren Los 1 Tour 9 und Los 8 Tour 2 ist demnach nicht geboten. Hinsichtlich der Bewertung der Lose 2, 3 und 7, also für die streitbefangene Tour Los 3 Tour 5, ergibt die ungeschickt formulierte Auskunft des Antragsgegners wortwörtlich betrachtet gar keinen Sinn. Er hat - wie oben bereits ausgeführt - anhand seines Zuschlagskriteriums "Niedrigster Preis" in erster Linie den Pauschalpreis bewertet, den er auch an erster Stelle abgefragt hat. Keinesfalls hat er lediglich nach Kilometerpreisen bewertet, sondern nur ergänzend, sofern dies bei geringen Preisabständen im Pauschalpreis einen Preisvorteil ergab. Die Bewertung rein nach Kilometerpreis ergebe auch gar keinen Sinn, weil so die erste Hin- und Rückfahrt aus der Bewertung herausfiele. Nach den Gesamtumständen hat die Beigeladene zu 3 den Antragsgegner offensichtlich richtig verstanden, da die Auskunft sich für sie andernfalls hätte nachteilig auswirken können. Sie war aber bei 15 von 27 Touren der Lose 2, 3, und 7 Bestbieterin und hat auch nach Akteneinsicht keine Rüge erhoben. Eine Aufhebung der Ausschreibung in der streitbefangenen Tour 5 aus Los 3 ist aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ebenfalls nicht geboten.
Gemäß § 114 Abs. 1 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Sie ist dabei an die Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken. Aufgrund der oben festgestellten Tatsache, dass der Antragsgegner bei der Angebotswertung der streitbefangenen Touren Los 1 Tour 9, Los 3 Tour 5 und Los 8 Tour 2 versäumt hat, die Angebote der Bestbieter aufzuklären, war der Antragsgegner zu verpflichten, erneut in die Angebotswertung einzutreten, diese unter Berücksichtigung der Angebote der Antragstellerin erneut durchzuführen und dabei die für den Zuschlag vorgesehenen ungewöhnlich niedrigen Angebote insbesondere im Hinblick auf ihre Tariftreue aufzuklären.
III. Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB in der seit dem 24.04.2009 geltenden Fassung (Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20.04.2009, BGBl. I, S. 790).
Es wird eine Gebühr in Höhe von xxxxxx € gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.
Der Gegenstandswert beträgt vorliegend xxxxxx € (brutto). Dieser Betrag entspricht der Angebotssumme nach den Pauschalpreisen der Antragstellerin für die drei streitbefangenen Touren über den gesamten, fünfjährigen Vertragszeitraum und damit ihrem wirtschaftlichen Interesse am Auftrag.
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung vom Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 € (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 € zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 € (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. € (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt.
Bei einem Gegenstandswert von xxxxxx € ergibt sich nach der Gebührentabelle des Bundeskartellamtes eine Gebühr in Höhe von xxxxxx €.
Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein.
Die in Ziffer 2 des Tenors geregelte Kostentragungspflicht folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin mit ihrem Nachprüfungsantrag Erfolg hatte.
Der Antragsgegner ist jedoch von der Pflicht zur Entrichtung der Kosten gemäß § 128 Abs. 1 GWB i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 VwKostG befreit (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2005, Az.: 13 Verg 9/05; OLG Dresden, Beschluss vom 25. 01. 2005, Az.: WVerg 0014/04).
Die Beigeladenen haben keine eigenen Anträge gestellt und werden daher aus Billigkeitsgründen nicht an den Kosten beteiligt.
Kosten der Antragstellerin:
Gemäß § 128 Abs. 4 Satz 1 GWB hat der unterliegende Antragsgegner die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin zu tragen. Gemäß § 80 Abs. 4 Satz 1 GWB i. V. m. § 80 Abs. 2 VwVfG in entsprechender Anwendung war auf den Antrag der Antragstellerin gem. Ziffer 4 des Tenors auszusprechen, dass die Zuziehung eines Rechtsanwalts im Nachprüfungsverfahren für die Antragstellerin notwendig war. Ungeachtet der Tatsache, dass das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, bedurfte die Antragstellerin gleichwohl wegen der Komplexität des Vergaberechts und des das Nachprüfungsverfahren regelnden Verfahrensrechts einerseits sowie auch der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltlicher Beratung und Begleitung.
IV. Rechtsbehelf
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