Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 11.03.2013, Az.: VgK-03/2013
Ausschluss von Angeboten aus der Angebotswertung i.R.e. europaweiten Ausschreibung des Abschlusses eines Rahmenvertrages für Postdienstleistungen im offenen Verfahren bei Fehlen eines Nachweises der Berufshaftpflichtversicherung
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 11.03.2013
- Aktenzeichen
- VgK-03/2013
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2013, 43533
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 7 EG Abs. 2 lit. b) VOL/A-EG
- § 7 EG Abs. 13 VOL/A-EG
- § 19 Abs. 2 VOL/A-EG
- § 19 EG Abs. 3 lit. a) VOL/A-EG
In dem Nachprüfungsverfahren
der xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Antragstellerin -
gegen
die xxxxxx,
- Antragsgegnerin -
beigeladen:
1. xxxxxx (zu Los 1, 2),
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Beigeladene zu 1 -
2. xxxxxx (zu Los 4),
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Beigeladene zu 2 -
3. xxxxxx (zu Los 1, 2, 4),
- Beigeladene zu 3 -
4. xxxxxx (zu Los 1),
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Beigeladene zu 4 -
wegen
Vergabe von Postdienstleistungen der Stadt xxxxxx,
hat die Vergabekammer durch den Vorsitzenden MR Gause, die hauptamtliche Beisitzerin BOR'in Schulte und den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Ing. Roloff auf die mündliche Verhandlung vom 01.03.2013
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
- 2.
Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
- 3.
Die Kosten werden auf xxxxxx € festgesetzt.
- 4.
Die Antragstellerin hat den Beigeladenen zu 1 und 2 und der Antragsgegnerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war für die Beigeladenen 1 und 2 notwendig.
Begründung
I.
Die Antragsgegnerin und Auftraggeberin hat mit Bekanntmachung vom xxxxxx.2012, veröffentlicht am xxxxxx.2012, den Abschluss eines Rahmenvertrages für Postdienstleistungen im offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben. Der Rahmenvertrag sollte für 36 Monate, verlängerbar auf bis zu 48 Monate, abgeschlossen werden. Es war vorgesehen, die zu vergebenden Leistungen in vier Lose aufzuteilen. Streitig sind hier die Lose 1, 2 und 4.
Nebenangebote, Alternativvorschläge waren nicht zugelassen.
Unter III.2.2 der Teilnahmebedingungen wurde bereits in der Bekanntmachung u.a. der Nachweis einer gültigen Berufshaftpflichtversicherung mit einer Deckungssumme von mindestens 1 Mio. € pro Versicherungsfall gefordert.
Zuschlagskriterien sollten der Preis und die Qualität zu jeweils 50 % sein.
Im Leistungsverzeichnis hatte die Antragsgegnerin erläutert, wie sich das Zuschlagskriterium Qualität zusammensetzt und wie es bewertet werden soll. Während der Angebotsfrist gingen bei der Antragsgegnerin mehrere Bieteranfragen ein, die sie mit insgesamt vier Bieterrundschreiben beantwortete. Aufgrund der Bieteranfragen änderte die Antragsgegnerin einzelne Punkte in ihren Verdingungsunterlagen bzw. konkretisierte oder modifizierte sie. Streitig ist hier das Leistungsverzeichnis in der Fassung vom 29.08.2012. Die Anforderungen an den Nachweis einer gültigen Berufshaftpflichtversicherung mit einer Deckungssumme von mindestens 1 Mio. € pro Versicherungsfall blieb aber als Ziffer 11 der Teilnahmebedingungen im Leistungsverzeichnis so erhalten, wie es bereits in der europaweiten Bekanntmachung gefordert war.
Bei der Angebotseröffnung am xxxxxx.2012 ergab sich, dass für das streitige Los 1 vier Bieter ein Angebot eingereicht hatten, für das Los 2 drei Bieter und für das Los 4 drei Bieter. Dem Angebot der Antragstellerin ist zu entnehmen, dass sie jeweils ein Angebot für alle vier Lose abgegeben hat, u.a. eine Kopie der Industrie-, Betriebsstätten- und Produkthaftpflicht-Versicherung mit einer Deckungssumme für Personen-, Sachschäden (pauschal) in Höhe von 10 Mio. € je Versicherungsfall und Vermögensschäden in Höhe von 500.000 € je Versicherungsfall beigefügt hat.
Die Beigeladene zu 1, die ein Angebot zu Los 1 und 2 abgegeben hatte, hatte als Mitversicherungsnehmer der Beigeladenen zu 2 eine Versicherungsbestätigung über eine Industriehaftpflichtversicherung vorgelegt, die Personen- und Sachschäden in Höhe von 5,2 Mio. € und Vermögensschäden bis 1 Mio. € je Schadensereignis beinhaltet. Die Beigeladene zu 2, die nur ein Angebot zu Los 4 abgegeben hatte, hatte eine Versicherungsbestätigung über eine Industriehaftpflichtversicherung vorgelegt, die ebenfalls Personen- und Sachschäden in Höhe von 5,2 Mio. € und Vermögensschäden bis 1 Mio. € je Schadensereignis beinhaltet. Die Beigeladene zu 3, die ein Angebot zu Los 1 abgegeben hatte, hatte eine Versicherungsbestätigung über eine Betriebshaftpflichtversicherung vorgelegt, die Personen- und Sachschäden pauschal in Höhe von 10 Mio. € je Versicherungsfall, Vermögensschäden bis zu 1 Mio. € und Tätigkeitsschäden bis 100.000 je Schadensereignis beinhaltet. Die Beigeladene zu 4, die ein Angebot zu Los 1 abgegeben hatte, hatte eine Versicherungsbestätigung über eine Haftpflichtversicherung eingereicht, die eine Betriebshaftpflichtversicherung für Personen- und Sachschäden bis 5 Mio. €, xxxxxx für Sachschäden bis 5 Mio. € und eine Berufshaftpflichtversicherung über 3 Mio. € für Vermögensschäden je Schadensereignis beinhaltet.
Mit Datum vom 17.10.2012 informierte die Antragsgegnerin die Bieter, dass sie beabsichtigt, den Zuschlag für die Lose 1 und 2 an die Beigeladene zu 1 zu erteilen, das Verfahren für das Los 3 aufzuheben und der Beigeladenen zu 2 den Zuschlag für das Los 4 zu erteilen. Sie teilte der Antragstellerin mit, dass das Angebot von der Wertung ausgeschlossen wurde, da zum Nachweis der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit lediglich eine Betriebshaftpflichtversicherung mit einer Deckungssumme von 500.000 € pro Versicherungsfall vorgelegt wurde.
Die jetzige Antragstellerin rügte mit Schreiben vom 22.10.2012 die beabsichtigte Vergabe mit der Begründung, dass die Antragsgegnerin die Versicherungsbezeichnungen Betriebs-/Berufshaftpflichtversicherung offenbar verwechselt und der Vergabeakte nicht zu entnehmen ist, bis wann die Unterlagen einzureichen sind. Daraufhin half die Antragsgegnerin der Rüge ab und teilte allen Bietern mit Schreiben vom 30.10.2012 mit, dass sie beabsichtigt, das Vergabeverfahren aufzuheben, da nach ihren Feststellungen kein Unternehmen eine gültige Berufshaftpflichtversicherung mit einer Deckungssumme von mindestens 1 Mio. € vorgelegt hat.
Die Beigeladenen zu 1 und 4 rügten jeweils unabhängig voneinander die beabsichtigte Aufhebung der Ausschreibung und begründeten ihre Rügen damit, dass sie eine entsprechende Berufshaftpflichtversicherung bzw. und Vermögensschadenshaftpflichtversicherung mit einer Deckungssumme von mindestens 1 Mio. € pro Versicherungsfall vorgelegt haben. Nachdem die Antragsgegnerin erklärte, den Rügen nicht abhelfen zu wollen, beantragten die beiden jetzigen Beigeladenen jeweils die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens (Az.: VgK-49/2012 bzw. VgK-51/2012).
Im Zuge der mündlichen Verhandlung am 20.12.2012 erklärte die Antragsgegnerin, dass sie die Aufhebung rückgängig machen werde und alle Bieter zur Aufklärung der Frage, ob die von ihnen eingereichten Versicherungsnachweise auch unmittelbare Vermögensschäden umfasst, anschreiben wird. Bereits mit Schreiben vom 21.12.2012 informierte die Antragsgegnerin alle Bieter, dass sie die Aufhebung aufhebt und erneut die Angebote prüfen wird. Die Beigeladenen zu 1, 2 und 3 wurden u.a. um Mitteilung gebeten, ob die von ihnen benannten Industrie- bzw. Betriebshaftpflichtversicherungen auch unmittelbare Vermögensschäden von mindestens 1 Mio. € beinhalten.
Mit Schreiben vom 27.12.2012 beanstandete die Antragstellerin die Aufhebung der Aufhebung als vergaberechtswidrig. Sie überreichte mit Schreiben vom 03.01.2013 eine Versicherungsbestätigung ihres Versicherers vom 28.12.2012 auch über Vermögensschäden, jetzt allerdings über 1 Mio. € statt wie bei der Angebotsabgabe über 500.000 €. Als Versicherungsbeginn war der 01.01.2012 eingetragen.
Der Versicherer der Beigeladenen zu 1 bestätigte mit Schreiben vom 14.01.2013, dass für sie als mitversichertes Unternehmen der Beigeladenen zu 2 seit dem 01.05.2012 eine Be-triebs-, Produkt- und Umwelthaftpflichtversicherung besteht, die auch reine Vermögensschäden in Höhe von 1 Mio. € je Schadensfall abgedeckt. Der Versicherer der Beigeladenen zu 2 bestätigte mit Schreiben vom 10.01.2013, dass ebenfalls seit dem 01.05.2012 eine Betriebs-, Produkt- und Umwelthaftpflichtversicherung besteht, die auch reine Vermögensschäden in Höhe von 1 Mio. € je Schadensfall abdeckt. Der Versicherer der Beigeladenen zu 3 bestätigte per E-Mail vom 15.01.2013, dass seit dem 22.07.2005 eine Betriebshaftpflichtversicherung besteht, die auch Vermögensschäden bis 1 Mio. € je Schadensfall abdeckt. Dem nachträglich ergänzten Vergabevermerk mit Datum vom 06.02.2013 ist zu entnehmen, dass die Antragsgegnerin jetzt wieder das Angebot der Beigeladenen zu 1 als das wirtschaftlichste bei Los 1 und 2 und das der Beigeladenen zu 2 bei Los 4 ermittelt hat. Hinsichtlich Los 3 hob sie das Vergabeverfahren auf, da kein wertbares Angebot vorlag. Das Angebot der Antragstellerin wurde erneut von der Wertung ausgeschlossen, da es nicht den o.g. erforderlichen Nachweis über eine gültige Berufhaftpflichtversicherung mit einer Deckungssumme von mindestens 1 Mio. € pro Versicherungsfall enthielt.
Mit Schriftsätzen vom 07.01.2013 und 24.01.2013 rügte die Antragstellerin, dass den anderen Bietern Gelegenheit gegeben wurde, einen entsprechenden Versicherungsnachweis vorzulegen, und ihr nicht.
Die Antragsgegnerin teilte mit Schreiben vom 28.01.2013 der Antragstellerin und den anderen nicht berücksichtigten Bietern mit, dass sie beabsichtigt, der Beigeladene zu 1 den Zuschlag für die Lose 1 und 2 und der Beigeladenen zu 2 den Zuschlag für das Los 4 zu erteilen und erläuterte die Gründe für die Nichtberücksichtigung. Zum Angebot der Antragstellerin führte sie u.a. aus:
"..., dass Vermögensschäden je Versicherungsfall in Höhe von 500.000 € abgedeckt sind. Von einer Nachforderung eines Nachweises über die geforderte Deckungssumme von mindestens 1 Mio. € pro Versicherungsfall wurde abgesehen, da dieser Nachweis nur durch eine nachträgliche Änderung des Versicherungsvertrages erbracht werden kann."
Die Antragstellerin rügte mit Schreiben vom 29.01.2013, eingegangen per Telefax am selben Tage bei der Antragsgegnerin, die beabsichtigten Vergaben. Sie beanstandet die ihrer Auffassung nach unzureichende Information nach § 101a GWB. Ferner vermutet sie, dass die Antragsgegnerin nicht fehlende Unterlagen nachgefordert hat, sondern durch Umdeutung des Begriffs Berufshaftpflichtversicherung gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen hat, indem sie jetzt andere Nachweise fordere. Den Vergabeunterlagen sei auch nicht zu entnehmen gewesen, dass eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung von mindestens 1 Mio. € vorzulegen war. Sie beanstandet erneut, dass den anderen Bietern Gelegenheit gegeben wurde, einen entsprechenden Versicherungsnachweis vorzulegen, und ihr nicht. Im Übrigen habe sie eine entsprechende Versicherungsbestätigung ihres Versicherers vom 28.12.2012 vorgelegt, aus der sich ergibt, dass auch Vermögensschäden bis zu 1 Mio. € abgesichert sind. Ferner hatte die Antragstellerin durch eine Bescheinigung ihres Versicherers vom 05.02.2013 auch eine Bestätigung für direkte Vermögensschäden bis 1 Mio. € vorgelegt.
Sie rügt auch, dass die Antragsgegnerin entgegen ihrer Ankündigung nicht von allen beteiligten Bietern einen entsprechenden Nachweis gefordert hat bzw. sich über die Versicherungsverträge hat aufklären lassen.
Mit Schreiben vom 30.01.2013 wies die Antragsgegnerin die Rügen zurück und erläuterte ihre Auffassung. Gleichzeitig wies sie darauf hin, dass sie aufgrund jüngster Vorfälle bei der Zustellung durch die Antragsgegnerin in ihrem Bereich erhebliche Zweifel an deren Zuverlässigkeit habe und begründete dies. Nachdem die Antragstellerin die Vorfälle, die die Zuverlässigkeit in Frage stellen, zurückwies, stellte sie mit Schriftsatz vom 05.02.2013, eingegangen in der Vergabekammer am selben Tage, die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Sie begründet ihren Antrag unter Wiederholung und Vertiefung ihrer Ausführungen in den o.g. Rügeschreiben.
Soweit die Antragsgegnerin ausführe, dass die Eignung wegen Schlechtleistung nicht gewährleistet ist, weist sie darauf hin, dass ihr Angebot deswegen bisher nicht von der Wertung ausgeschlossen worden ist. Sie habe bisher fast 2 Mio. Postdienstleistungen der Antragsgegnerin zuverlässig und zu deren Zufriedenheit erbracht. Im Übrigen habe sie den Zusteller fristlos entlassen, die angesprochenen Postsendungen an die Antragsgegnerin zurückgegeben und Strafanzeige wegen Briefunterschlagung gestellt.
Die Antragstellerin beantragt:
- 1.
Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten aus § 97 Abs. 7 GWB verletzt ist.
- 2.
- a)
Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, in dem Vergabeverfahren über die Vergabe von Postdienstleistungen (Az.: xxxxxx) hinsichtlich der Lose 1 und 2 nicht dem Unternehmen der xxxxxx, und hinsichtlich des Loses 4 nicht dem Unternehmen der xxxxxx, den Zuschlag zu erteilen, das Vergabeverfahren in den Stand vor Prüfung und Wertung der Angebote zurückzuversetzen, hinsichtlich der Angebote der Antragstellerin nach Aufklärung über den Umfang einer nachgewiesenen Haftpflichtversicherung bzw. nach Nachforderung eines Haftpflichtversicherungsnachweises nach § 19 Abs. 2 VOL/A-EG, die Prüfung und Wertung der eingereichten Angebote unter Berücksichtigung der Vergabekammer zu wiederholen.
- b)
Hilfsweise: Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, in dem Vergabeverfahren über die Vergabe von Postdienstleistungen (Az: xxxxxx) hinsichtlich der Lose 1 und 2 nicht dem Unternehmen der xxxxxx, und hinsichtlich des Loses 4 nicht dem Bieter xxxxxx den Zuschlag zu erteilen, das Vergabeverfahren in den Stand vor Prüfung und Wertung der Angebote zurückzuversetzen und die Prüfung und Wertung der eingereichten Angebote unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen.
- 3.
Dem Bevollmächtigten der Antragstellerin gemäß § 111a Abs. 1 GWB eine einfache Kopie des fortgeführten Vergabevermerks der Antragsgegnerin zu überlassen.
- 4.
Der Antragsgegnerin werden die Kosten des Vergabenachprüfungsverfahrens (Gebühren und Auslagen des Verfahrens) einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragstellerin auferlegt.
Die Antragsgegnerin beantragt:
- 1.
Die Nachprüfungsanträge werden zurückgewiesen.
- 2.
Die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten der Antragsgegnerin werden der Antragstellerin auferlegt.
Die Antragsgegnerin tritt den Behauptungen und der Rechtsauffassung der Antragstellerin entgegen. Sie hält den Nachprüfungsantrag für unzulässig und unbegründet. Sie weist darauf hin, dass die Antragstellerin nur für Vermögensschäden eine Deckungssumme in Höhe von 500.000 € je Versicherungsfall mit dem Angebot vorgelegt hat. Diese Angabe der Antragstellerin in ihrem Angebot sei hinsichtlich der Höhe eindeutig und nicht auslegungsfähig. Schon aus diesem Grund habe die Antragstellerin kein Rechtschutzbedürfnis. Hinzu käme, dass Zusteller der Antragstellerin die Zustellung der Briefwahlunterlagen nicht ausgeführt haben und sie dadurch einen erheblichen Mehraufwand an Arbeit im Vorfeld der Landtagswahl gehabt habe. Aufgrund dieser Erkenntnisse ist aus ihrer Sicht die Eignung der Antragstellerin zu verneinen.
Soweit der Nachprüfungsantrag nicht unzulässig ist, sei er aber unbegründet. Sie erklärt, dass sie aufgrund der Erkenntnisse in der mündlichen Verhandlung am 20.12.2012 in den Nachprüfungsverfahren VgK-49/2012 und VgK-51/2012 zu dem Ergebnis gekommen ist, alle Bieter anzuschreiben, die Versicherungen mit der geforderten Deckungssumme vorgelegt hatten und um Mitteilung gebeten, ob die mit dem Angebot benannte Versicherung auch unmittelbare Vermögensschäden beinhalte und der Versicherungsschutz schon zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe bestand.
Im Übrigen genüge ihre Information nach § 101a GWB den Anforderungen. Sie habe ausführlich dargelegt, warum das Angebot der Antragstellerin nicht den Anforderungen genügt, die sie mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe gestellt hat. Ergänzend weist sie darauf hin, dass laut OLG Düsseldorf keine Nachforderungspflicht für Erklärungen und Nachweise besteht, die nicht den Vorgaben des Auftraggebers entsprechen. Das Angebot der Antragstellerin entspricht ihrer Auffassung nach nicht den materiellen Vorgaben, da nur eine Deckungssumme von 500.000 € von der Antragstellerin angeboten wurde.
Die Beigeladene zu 1 beantragt,
- 1.
den Nachprüfungsantrag in Bezug auf die Lose 1 und 2 zurückzuweisen,
- 2.
der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Rechtsverfolgungskosten der Beigeladenen zu 1 aufzuerlegen,
- 3.
gemäß § 128 Abs. 4 GWB auszusprechen, dass die Hinzuziehung der Bevollmächtigten der Beigeladenen zu 1 notwendig war.
Sie unterstützt den Vortrag der Antragsgegnerin zur Unbegründetheit des Nachprüfungsantrages.
Die Beigeladene zu 2 beantragt,
- 1.
den Nachprüfungsantrag in Bezug auf Los 4 zurückzuweisen,
- 2.
der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Rechtsverfolgungskosten der Beigeladenen zu 2 aufzuerlegen,
- 3.
gemäß § 128 Abs. 4 GWB auszusprechen, dass die Hinzuziehung der Bevollmächtigten der Beigeladenen zu 2 notwendig war.
Sie unterstützt ebenfalls den Vortrag der Antragsgegnerin zur Unbegründetheit des Nachprüfungsantrages.
Die Beigeladenen zu 3 und zu 4 haben keine Anträge gestellt und sich auch nicht zum Verfahren geäußert.
Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung am 01.03.2013 Bezug genommen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, aber unbegründet. Die Antragstellerin ist durch die Entscheidung der Antragsgegnerin, den Zuschlag für die Lose 1 und 2 auf das Angebot der Beigeladenen zu 1 und für das Los 4 auf das Angebot der Beigeladenen zu 2 zu erteilen, nicht in ihren Rechten im Sinne der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB verletzt. Die Antragsgegnerin hat die Angebote der Antragstellerin zu Recht gemäß § 19 EG Abs. 3 lit. a VOL/A i. V. m. § 7 EG VOL/A von der Angebotswertung ausgeschlossen, weil die Antragstellerin ihren Angeboten nicht den unter III.2.2 der Teilnahmebedingungen in der Bekanntmachung geforderten Nachweis einer gültigen Berufshaftpflichtversicherung mit einer Deckungssumme von mindestens 1 Mio. € pro Versicherungsfall für alle Schäden beigefügt hatte. Die Antragstellerin hatte ihren Angeboten stattdessen einen Nachweis einer Betriebshaftpflichtversicherung beigefügt, der zwar eine Deckungssumme von sogar 10 Mio. € für Personen- und Sachschäden, aber nur über 500.000 € für Vermögensschäden je Versicherungsfall bestätigte. Die Antragsgegnerin war weder gehalten noch berechtigt, der Antragstellerin die Vervollständigung bzw. den Austausch dieses fehlerhaften Versicherungsnachweises gemäß § 7 EG Abs. 13 VOL/A oder § 19 EG Abs. 2 Satz 1 VOL/A zu ermöglichen. Dagegen war die Antragsgegnerin berechtigt, die Beigeladenen zu 1 bis 3 im Wege der Aufklärung nach § 7 EG Abs. 13 und 16 EG Abs. 2 Satz 1 VOL/A aufzufordern, den Nachweis zu erbringen, dass die von ihnen nachgewiesenen Haftpflichtversicherungen, die sämtlich auch für Vermögensschäden die geforderte Deckungssumme von mindestens 1 Mio. € pro Versicherungsfall auswiesen, auch unmittelbare Vermögensschäden im Sinne der von der Antragsgegnerin in der Bekanntmachung geforderten Berufshaftpflichtversicherung umfassten. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin die im Wege der Aufklärung von den Beigeladenen zu 1 und 2 beigebrachten, bestätigenden Erklärungen der Versicherungsunternehmen berücksichtigt hat. Die Beigeladene zu 4 hatte ohnehin ihrem Angebot bereits einen Versicherungsnachweis über eine Betriebshaftpflicht- und Berufshaftpflichtversicherung beigefügt, der ausdrücklich auch unmittelbare Vermögensschäden umfasste. Die Antragsgegnerin hat daher zu Recht die Angebote der Beigeladenen zu 1, 2 und 4 bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes gemäß § 19 EG Abs. 9 VOL/A und § 21 EG Abs. 1 VOL/A berücksichtigt.
1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei der Antragsgegnerin handelt es sich um eine öffentliche Auftraggeberin gemäß § 98 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den verfahrensgegenständlichen Leistungen handelt es sich um die Vergabe von Postdienstleistungen und damit um einen Dienstleistungsauftrag, für den gemäß § 2 Nr. 2 der Vergabeverordnung (VgV) in der zum Zeitpunkt der EU-weiten Bekanntmachung vom xxxxxx.2012 geltenden Fassung ein Schwellenwert von 200.000 € gilt. Dieser Schwellenwert wird ausweislich der Dokumentation in der Vergabeakte überschritten. Im vorliegenden Vergabevermerk vom 06.02.2013 ist festgehalten, dass die Antragsgegnerin den Gesamtwert des Auftrags gemäß § 3 VgV auf xxxxxx € geschätzt hat.
Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt im Sinne des § 107 Abs. 2 GWB, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie die Auffassung vertritt, die Antragsgegnerin habe gegen den Transparenzgrundsatz des §§ 97 Abs. 1 GWB verstoßen. Sie habe bei der Bekanntmachung der Eignungsnachweise gemäß § 7 EG Abs. 5 Satz 1 VOL/A nicht deutlich gemacht, dass sie unter der dort genannten Berufshaftpflichtversicherung eine Haftpflichtversicherung meint, die auch unmittelbare Vermögensschäden abdeckt. Ferner habe sie zulasten der Antragstellerin nicht berücksichtigt, dass diese mit ihrem Angebot einen Versicherungsnachweis vorgelegt habe, der zwar bezüglich Vermögensschäden nur eine Deckung von 500.000 € pro Versicherungsfall, für Personen- und Sachschäden jedoch in einer Höhe von 10 Mio. € ausweist. Zumindest aber habe die Antragsgegnerin zulasten der Antragstellerin gegen den Gleichheitsgrundsatz gemäß § 97 Abs. 2 GWB verstoßen, indem sie den übrigen Bietern Gelegenheit gegeben habe, ihre Versicherungsnachweise zu erläutern und hinsichtlich der ausweislichen Abdeckung von unmittelbaren Vermögensschäden nachzubessern, während die Antragsgegnerin dies bei der Antragstellerin unterlassen hat. Sie habe auch die von der Antragstellerin eigeninitiativ bei der Antragsgegnerin vorgelegten Versicherungsnachweise vom 28.12.2012 und 05.02.2013 nicht berücksichtigt, obwohl diese ausdrücklich eine Bestätigung für direkte Vermögensschäden bis 1 Mio. € ausweisen. Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das Antrag stellende Unternehmen einen durch die behaupte Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller die Umstände aufzeigen muss, aus denen sich die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt. Die diesbezüglichen Anforderungen an die Darlegungslast dürfen aber nicht überspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2. Auflage, § 107 GWB, Rdnr. 954). Es genügt für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrages, wenn der Bieter schlüssig einen durch die Rechtsverletzung drohenden oder eingetretenen Schaden behauptet, also darlegt, dass durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß seine Chancen auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein können (vgl. BVerfG, Urteil vom 29.07.2004 - 2 BvR 2248/04; Möllenkamp in: Kulartz/Kus/ Portz, GWB Vergaberecht, § 107, Rdnr. 35 ff.). Ob tatsächlich der vom Bieter behauptete Schaden droht, ist eine Frage der Begründetheit (vgl. BGH, Beschluss vom 29.06.2006 - X ZB 14/06, zitiert nach VERIS). Die Antragstellerin hat eine mögliche Beeinträchtigung ihrer Chancen auf den Zuschlag und damit einen möglichen Schaden schlüssig dargelegt, zumal sie im Falle der Berücksichtigung ihrer Angebote für die streitbefangenen Lose 1, 2 und 4 die preislich niedrigsten Angebote abgegeben hätte.
Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht gemäß § 107 Abs. 2 Nr. 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer den geltend gemachten Verstoß gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren gegenüber dem Auftraggeber unverzüglich zu rügen. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Bieters von den Tatsachen. Die Antragstellerin wurde durch die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 28.01.2013 gemäß § 101a GWB darüber informiert, dass ihre Angebote zu den streitbefangenen Losen mangels Nachweis der Leistungsfähigkeit ausgeschlossen werden, weil die Antragstellerin ihrem Angebot keinen Versicherungsnachweis vorgelegt habe, aus dem die Abdeckung von Vermögensschäden von mindestens 1 Mio. € pro Versicherungsfall hervorgeht. Bereits einen Tag später, mit Schreiben vom 29.01.2013, rügte die Antragstellerin diese Entscheidung der Antragsgegnerin. Zur Begründung verwies die Antragstellerin darauf, dass die Information der Antragsgegnerin nicht den Anforderungen des § 101a Abs. 1 Satz 1 GWB entspreche, da die Antragstellerin nicht ersehen könne, warum ihr Angebot ausgeschlossen worden sei. Die Antragsgegnerin habe in ihrer Begründung ausschließlich auf die Abdeckung von Vermögensschäden in Höhe von 500.000 € je Versicherungsfall abgestellt, dabei aber unberücksichtigt gelassen, dass im Übrigen eine Haftpflichtversicherung für Personen- und Sachschäden in Höhe von 10 Mio. bzw. 20 Mio. € vorgelegt wurde. Die Antragsgegnerin habe es zulasten der Antragstellerin versäumt, von ihr gemäß § 7 EG Abs. 13 VOL/A ggf. eine Vervollständigung des bereits beigebrachten Nachweises zu verlangen. Der Ausschluss ihres Angebotes verstoße daher gegen die Regelung des § 97 Abs. 4 Satz 1 GWB und gegen die Regelung des § 19 EG Abs. 5 VOL/A. Bereits mit Rüge vom 07.01.2013 hatte die Antragstellerin eine Ungleichbehandlung zu ihren Lasten gerügt, nachdem sie im Zuge der vorangegangenen Nachprüfungsverfahren VgK-51/2012 und VgK-49/2012 erfahren hatte, dass der Beigeladenen zu 1 offenbar Gelegenheit gegeben wurde, eine Versicherungsbescheinigung nachzureichen, während sie bezüglich der Angebote der Antragstellerin von einer derartigen Nachforderung abgesehen hatte. Sämtliche Rügen erfolgten unverzüglich nach positiver Kenntniserlangung der vermeintlichen Vergaberechtsverstöße im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB.
2. Der Nachprüfungsantrag ist jedoch unbegründet. Die Antragsgegnerin hat die Angebote der Antragstellerin zu Recht gemäß § 19 EG Abs. 3 lit. a VOL/A i. V. m. § 7 EG VOL/A von der Angebotswertung ausgeschlossen, weil die Antragstellerin ihrem Angebot vom 27.08.2012 die Bestätigung einer Haftpflichtversicherung beigefügt hatte, die ausdrücklich zwar Personen- und Sachschäden (pauschal) je Versicherungsfall in Höhe von 10 Mio. €, jedoch Vermögensschäden nur in Höhe von 500.000 € je Versicherungsfall abdeckte. Gefordert hatte die Antragsgegnerin jedoch gemäß III.2.2 der europaweiten Bekanntmachung den Nachweis einer gültigen Berufshaftpflichtversicherung mit einer Deckungssumme von mindestens 1 Mio. € pro Versicherungsfall. In § 10 Abs. 1 der mit den Vergabeunterlagen versandten besonderen Vertragsbedingungen hatte der Auftraggeber klargestellt, dass sich die Deckungssumme von 1 Mio. € auf alle Schäden bezieht, die im Zusammenhang mit der Auftragsdurchführung stehen. Die Antragsgegnerin war daher weder berechtigt noch gehalten, der Antragstellerin im Wege der Aufklärung nach § 7 EG Abs. 13 VOL/A oder im Wege der ausdrücklichen Nachforderung gemäß § 19 EG Abs. 2 Satz 1 VOL/A die Möglichkeit einzuräumen, ihre Angebote durch Abschluss und Nachweis einer neuen, den Anforderungen auch hinsichtlich der Deckungssumme für Vermögensschäden genügenden Haftpflichtversicherung zuschlagsfähig zu machen (im Folgenden a). Demgegenüber war die Antragsgegnerin berechtigt, die übrigen Bieter, die ihren Angeboten Versicherungsbescheinigungen beigefügt hatten, die eine Haftpflichtversicherung auch für Vermögensschäden mit einer Deckungssumme von 1 Mio. € bestätigten, gemäß § 7 EG Abs. 13 VOL/A zur Erläuterung aufzufordern, ob die Abdeckung nicht nur mittelbare, sondern auch unmittelbare Vermögensschäden erfasst. Da die Beigeladenen zu 1 und 2 daraufhin auch diesbezüglich positive Bestätigungen ihrer Versicherungen vorgelegt haben, konnte die Antragsgegnerin ihre Angebote bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes gemäß § 19 EG Abs. 9 VOL/A i. V. m. § 21 EG Abs. 1 VOL/A berücksichtigen. Die Beigeladene zu 4, die ein Angebot für das Los 1 abgegeben hatte, hatte bereits mit ihrem Angebot vom 03.09.2012 per Eigenerklärung das Vorliegen der geforderten Berufshaftpflichtversicherung und einer Betriebshaftpflichtversicherung mit einer Deckungssumme von mindestens 1 Mio. € pro Versicherungsfall erklärt und anschließend durch Übersendung einer Versicherungsbestätigung nachgewiesen (im Folgenden b).
a) Die Antragsgegnerin hat die Angebote der Antragstellerin zu Recht gemäß § 19 EG Abs. 3 lit. a VOL/A von der Angebotswertung ausgeschlossen, weil die Antragstellerin nicht alle von der Antragsgegnerin in der Vergabebekanntmachung und den Besonderen Vertragsbedingungen geforderten Eignungsnachweise mit Angebotsabgabe vorgelegt hat. Gemäß § 7 EG Abs. 1 VOL/A dürfen die Auftraggeber von den Unternehmen zum Nachweis ihrer Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit (Eignung) nur Unterlagen und Angaben fordern, die durch den Gegenstand des Auftrags gerechtfertigt sind. Dabei sind grundsätzlich Eigenerklärungen zu verlangen. Die Forderung von anderen Nachweisen als Eigenerklärungen haben die Auftraggeber in der Dokumentation zu begründen (§ 7 EG Abs. 1 Satz 3 VOL/A). Gemäß § 7 EG Abs. 2 lit. b VOL/A dürfen in finanzieller und wirtschaftlicher Hinsicht von dem Unternehmen zum Nachweis seiner Leistungsfähigkeit in der Regel ausdrücklich bei Dienstleistungsaufträgen entweder entsprechende Bankerklärungen oder der Nachweis entsprechender Berufshaftpflichtversicherungsdeckung verlangt werden. Es ist daher vergaberechtlich nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin in Übereinstimmung mit diesen Vorgaben in ihrer Vergabebekanntmachung unter III.2.2 ausdrücklich den Nachweis einer gültigen Berufshaftpflichtversicherung mit einer Deckungssumme von mindestens 1 Mio. € pro Versicherungsfall gefordert und den Umfang dieser Versicherung und diese Anforderungen in § 10 Abs. 1 der den Bietern mit den Vergabeunterlagen übersandten Besonderen Vertragsbedingungen (BVB) noch einmal bestätigt und hinsichtlich des Umfangs erläutert hat. Dort heißt es:
"Der Auftragnehmer ist verpflichtet, für die gesamte Dauer des Vertragsverhältnisses eine rechtswirksame Versicherung mit einer Deckungssumme von 1 Mio. € abzuschließen, die alle im Zusammenhang mit der Auftragsdurchführung stehenden Schäden abdeckt. Der Bestand der Versicherung ist auf Verlangen nachzuweisen." (Hervorhebung durch die Vergabekammer)
Grundsätzlich steht dem Auftraggeber bei der Prüfung und Bewertung der Eignung der Bieter ein weiter Ermessensspielraum zu. Dieser engt sich jedoch dann ein, wenn der Auftraggeber selbst dieses weite Ermessen durch Angabe von Mindestvoraussetzungen einschränkt. Er ist dann an die Voraussetzungen gebunden und darf nicht nachträglich von Ihnen abweichen (vgl. VK Sachsen, Beschluss vom 06.05.2002, Az.: 1/SVK/034-02). Das Setzen von Mindestvoraussetzungen ist ihm grundsätzlich nicht verwehrt (BayObLG, Beschluss vom 20.12.1999, Az.: 8/99 = BauR 2000, S. 558 ff., 560).
Legt ein Bieter mit seinem Angebot Eignungsnachweise vor, die den vom Auftraggeber festgelegten Anforderungen nicht entsprechen, so kann sein Angebot bei der Auswahl der Angebote, die für den Zuschlag in Betracht kommen, nicht berücksichtigt werden. Denn gemäß § 19 EG Abs. 6 VOL/A sind ausdrücklich nur Bieter zu berücksichtigen, die die für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen erforderliche Eignung besitzen. Zwar führen fehlende Nachweise nach der geltenden VOL/A in der Fassung vom 20.11.2009 nicht automatisch zum zwingenden Angebotsausschluss. Denn gemäß § 19 EG Abs. 3 lit. a VOL/A sind nur solche Angebote zwingend auszuschließen, die nicht die geforderten oder nachgeforderten Erklärungen und Nachweise enthalten. Gemäß § 19 EG Abs. 2 Satz 1 VOL/A können Erklärungen und Nachweise, die auf Anforderung der Auftraggeber bis zum Ablauf der Angebotsfrist nicht vorgelegt wurden, bis zum Ablauf einer zu bestimmenden Nachfrist nachgefordert werden. Diese Vorgabe greift § 7 EG Abs. 13 VOL/A für die Eignungsnachweise noch einmal ausdrücklich auf. Denn danach können Auftraggeber Unternehmen auffordern, die vorgelegten Nachweise zu vervollständigen oder zu erläutern.
§ 19 EG Abs. 2 VOL/A berechtigt den Auftraggeber jedoch nur, fehlende Erklärungen und Nachweise nachzufordern. Dies gilt aber nicht für Nachweise, die vom Bieter zwar vorgelegt wurden, aber nicht den Vorgaben des Auftraggebers entsprechen. Ein Nachweis fehlt, wenn er entweder nicht vorgelegt worden ist oder formale Mängel aufweist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.11.2012 - VII-Verg 108/11, zitiert nach ibr-online). Der Auftraggeber ist nicht gefordert, im Rahmen der Prüfung, ob die Angebote formal vollständig sind, eine materiell-rechtliche Prüfung der mit dem Angebot vorgelegten Unterlagen vorzunehmen. Daraus folgt, dass eine Nachforderungspflicht - und folglich auch ein Nachforderungsrecht - des Auftraggebers im Hinblick auf körperlich vorhandene Erklärungen und/oder Nachweise nur besteht, wenn sie in formaler Hinsicht von den Anforderungen abweichen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.03.2011, VII-Verg 56/10; OLG München, Beschluss vom 15.03.2012 - Verg 2/12; OLG Koblenz, Beschluss vom 30.03.2012 - 1 Verg 1/12, jeweils zitiert nach ibr-online). Auch § 7 EG Abs. 13 VOL/A erweitert diese Nachforderungsmöglichkeiten nicht. Diese Norm bezieht sich ausdrücklich nur auf bereits vorgelegte Nachweise und deren Vervollständigung oder Erläuterung, nicht aber auf deren Austausch durch andere, "bessere" Nachweise (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.09.2012 - Verg 108/11; VK Münster, Beschluss vom 17.01.2013 - VK 22/12, zitiert nach ibr-online). Von der Möglichkeit des Auftraggebers, einen Bewerber zur Vervollständigung oder Erläuterung vorgelegter Bescheinigungen aufzufordern, ist daher die Aufforderung zur Vorlage gänzlich neuer Nachweise nicht eingeschlossen (vgl. Hausmann/von Hoff in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, 2. Auflage, § 7 EG, Rdnr. 103, m. w. N.). Das folgt bereits daraus, dass der Anwendungsbereich der Regelung durch allgemeine vergaberechtliche Prinzipien beschränkt ist. Es muss u.a. berücksichtigt werden, dass die gewissenhaft und sorgfältig handelnden Bewerber/Bieter, die rechtzeitig ein vollständiges Angebot bzw. einen vollständigen Teilnahmeantrag einreichen, nicht benachteiligt werden. Auch die Vorschrift des § 7 EG Abs. 13 VOL/A ist daher nicht als Durchbrechung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu sehen, sondern ist durch diesen in seinem Anwendungsbereich beschränkt (vgl. Hausmann/von Hoff, a. a. O.).
Die Antragstellerin hatte ihrem der Vergabekammer mit der Vergabeakte (Ordner 2, eingegangene Angebote) vorliegenden Angebot vom 27.08.2012 eine Bestätigung der xxxxxx vom 06.01.2012 beigefügt. Dort wurde der Abschluss einer Industrie-, Betriebsstätten- und Produkthaftpflichtversicherung für den Zeitraum 01.01.2012 bis 01.01.2013 bestätigt. Die Bestätigung weist Deckungssummen für Personen- und Sachschäden (pauschal) je Versicherungsfall in Höhe von 10 Mio. € (höchstens je Versicherungsjahr 20 Mio. €) und Vermögensschäden je Versicherungsfall in Höhe von 500.000 € (höchstens je Versicherungsjahr 1 Mio. €) aus. Da die Antragsgegnerin in ihrer Vergabebekanntmachung ausdrücklich den Nachweis einer gültigen Berufshaftpflicht mit einer Deckungssumme von mindestens 1 Mio. € pro Versicherungsfall gefordert hatte und in § 10 Abs. 1 der Besonderen Vertragsbedingungen (BVB) noch einmal deutlich darauf hingewiesen hatte, dass diese Versicherung mit einer Deckungssumme von 1 Mio. € alle im Zusammenhang mit der Auftragsdurchführung stehenden Schäden abdecken muss, genügt die von der Antragstellerin mit ihrem Angebot nachgewiesene Versicherung ungeachtet der nicht entscheidenden Tatsache (dazu unter b), dass sie von ihrem Wortlaut her nicht als Berufshaftpflichtversicherung, sondern als Industrie-, Betriebsstätten- und Produkthaftpflichtversicherung bezeichnet ist, im Hinblick auf die Deckungssumme für Vermögensschäden nicht den Anforderungen der Antragsgegnerin an die beizubringenden Eignungsnachweise gemäß § 7 EG Abs. 2 lit. b VOL/A.
Die Antragsgegnerin war daher weder gehalten noch berechtigt, die nachträglich und auf eigene Initiative der Antragstellerin eingereichten, neuen Versicherungsbestätigungen vom 28.12.2012 und vom 05.02.2013, die nunmehr auch eine Abdeckung von direkten Vermögensschäden bis 1 Mio. € auswiesen, im Wege der Aufklärung und Nachforderung gemäß § 7 EG Abs. 13 VOL/A und § 19 EG Abs. 2 Satz 1 VOL/A als geforderten Eignungsnachweis zu akzeptieren. Die Antragsgegnerin hat die Angebote der Antragstellerin daher zu Recht gemäß § 19 EG Abs. 3 lit. a VOL/A i. V. m. § 7 EG VOL/A von der Angebotswertung ausgeschlossen.
b) Demgegenüber hat die Antragsgegnerin die Angebote der Beigeladenen zu 1, 2 und 4 zu Recht nach Aufklärung des Umfangs der mit den Angeboten eingereichten Versicherungsnachweise gemäß § 7 EG Abs. 13 VOL/A bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes gemäß § 19 EG Abs. 9 VOL/A und § 21 EG Abs. 1 VOL/A berücksichtigt. Eine gegen das Diskriminierungsverbot des § 97 Abs 2 GWB verstoßende Ungleichbehandlung zu Lasten der Antragstellerin liegt nicht vor.
Entgegen der von der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung vom 01.03.2013 vorgetragenen Auffassung, haben die Bieter im vorliegenden Vergabeverfahren die Anforderungen der Antragsgegnerin unter III.2.2 der Teilnahmebedingungen in der Vergabebekanntmachung durchaus auch so verstanden, dass die nachzuweisende gültige Haftpflichtversicherung auch Vermögensschäden umfasst. Dies folgt bereits daraus, dass sowohl die Antragstellerin wie auch alle übrigen Bieter mit ihren Angeboten Versicherungsnachweise vorgelegt hatten, die ausdrücklich auch die Abdeckung von Vermögensschäden umfassen. Mit Ausnahme der Beigeladenen zu 4 hatte allerdings kein Bieter einen Versicherungsnachweis vorgelegt, der ausdrücklich den Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung bestätigte. Der Nachweis einer Berufshaftpflichtversicherung bei Dienstleistungsaufträgen gibt dem Auftraggeber Auskunft über bestehenden Versicherungsschutz, der bei eventuellen Schäden während der Leistungserbringung zur Verfügung steht (vgl. Hausmann/von Hoff, a. a. O., § 7 EG VOL/A, Rdnr. 38). In der Praxis wird die Forderung eines Nachweises einer Berufshaftpflichtversicherung zulässigerweise oft mit bestimmten Mindestanforderungen an die Versicherungsleistung (Mindestabdeckungssumme) und die versicherten Schäden (Personen-, Sach- und/oder Vermögensschäden) verknüpft.
Dabei ist nicht von Bedeutung, ob die von den Bietern abgeschlossenen Haftpflichtversicherungsverträge von den Versicherungsunternehmen ausdrücklich auch als "Berufshaftpflicht" bezeichnet werden (vgl. VK Hessen, Beschluss vom 18.02.2009 - 69d-VK-67/2008).
Während die Beigeladene zu 4 mit ihrem Angebot ausdrücklich eine Eigenerklärung über den Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung abgegeben hat und diese auf Anforderung der Antragsgegnerin auch mit einem entsprechend ausdrücklich überschriebenen Nachweis einer Versicherungsgesellschaft belegt hat, hat die Antragstellerin einen Nachweis vorgelegt, der unter "Art der Versicherung" den Abschluss einer "Industrie-, Betriebsstätten- und Produkthaftpflichtversicherung" bestätigt. Die von der Beigeladenen zu 3 verpflichtete Versicherung wiederum bescheinigte den Abschluss einer "Betriebshaftpflichtversicherung". Die Beigeladenen zu 1 und 2 wiederum hatten ihrem Angebot eine Erklärung eines Versicherungsunternehmens beigefügt, dass den bestehenden Versicherungsschutz im Rahmen einer "lokalen Industriehaftpflichtversicherung" mit einer Deckungssumme von 5.200.000 € pauschal für Personen- und Sachschäden je Schadensereignis und 1 Mio. € für Vermögensschäden je Schadensereignis bestätigte. Bezug genommen wird in dieser Versicherungsbestätigung auf die "Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB)". Ferner wird den Beigeladenen zu 1 und 2 bestätigt, dass neben der persönlichen gesetzlichen Haftpflicht des Versicherungsnehmers die gleichartige Haftpflicht sämtlicher übrigen Betriebsangehörigen mit versichert ist.
Die sämtlichen Haftpflichtversicherungsverträgen zugrunde liegenden "Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB)", die als Musterbedingungen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) (aktueller Stand: April 2012) vorliegen, nennen die Begriffe "Betriebshaftpflicht", "Berufshaftpflicht" oder etwa "Industriehaftpflicht" nicht. Die AHB erläutern vielmehr unter "Umfang des Versicherungsschutzes" die unterschiedlichen Schäden, die durch eine Haftpflichtversicherung abgedeckt werden können. So heißt es unter "1. Gegenstand der Versicherung, Versicherungsfall":
"1.1 Versicherungsschutz besteht im Rahmen des versicherten Risikos für den Fall, dass der Versicherungsnehmer wegen eines während der Wirksamkeit der Versicherung eingetretenen Schadensereignisses (Versicherungsfall), das einen Personen-, Sach- oder sich daraus ergebenden Vermögensschaden zur Folge hatte, aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts von einem Dritten auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird. Schadensereignis ist das Ereignis, als dessen Folge die Schädigung des Dritten unmittelbar entstanden ist."
Unter 2. Vermögensschaden, Abhandenkommen von Sachen heißt es in den AHB:
"Dieser Versicherungsschutz kann durch besondere Vereinbarung erweitert werden auf die gesetzliche Haftpflicht privatrechtlichen Inhalts des Versicherungsnehmers wegen
2.1 Vermögensschäden, die weder durch Personen- noch Sachschäden entstanden sind;
2.2 Schäden durch Abhandenkommen von Sachen; hierauf finden dann die Bestimmungen über Sachschäden Anwendung."
Im Hinblick auf die Abdeckung von Vermögensschäden unterscheiden sich die abschließbaren Haftpflichtversicherungsverträge somit in erster Linie dadurch, ob nur solche Vermögensschäden abgedeckt sind, die Folge eines Personen- oder Sachschadens sind (mittelbare Vermögensschäden) oder ob der Versicherungsschutz durch besondere Vereinbarung im Sinne der Nr. 2 der AHB auch auf solche Vermögensschäden erweitert ist, die weder durch Personen- noch durch Sachschäden entstanden sind (unmittelbare Vermögensschäden).
Das Versicherungsunternehmen xxxxxx z.B. erläutert auf seiner Website die unterschiedliche Abdeckung von Vermögensschäden bei Betriebs-Haftpflichtversicherungsverträgen und Berufshaftpflichtversicherungsverträgen in Übereinstimmung mit den Vorgaben der AHB. So heißt es unter "Betriebshaftpflicht":
"Vermögensschäden, die nicht Folge von Sach- oder Personenschäden sind, müssen gesondert versichert werden."
Unter "Berufshaftpflicht" heißt es bei der xxxxxx:
"Besondere Bedeutung hat bei der Berufs-Haftpflichtversicherung die Deckung von Vermögensschäden, z.B. für Rechtsanwälte, Steuerberater und Notare. Hier wird der Versicherungsschutz für den Fall gewährt, dass der Versicherte wegen eines bei seiner Berufstätigkeit begangenen Verstoßes für einen Vermögensschaden haftbar gemacht wird. Geld aus der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung gibt es immer dann, wenn der Versicherungsnehmer aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen eines bei der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit begangenen Verstoßes von Dritten für einen Vermögensschaden verantwortlich gemacht wird."
Auch ausweislich der Internetseiten anderer Versicherungsunternehmen, wie etwa der xxxxxx (xxxxxxx), der xxxxxx (xxxxxx) und der xxxxxx (xxxxxx) wird hervorgehoben, dass der Abschluss einer dortigen Betriebshaftpflichtversicherung allein solche Vermögensschäden abdeckt, die durch den Personen- oder Sachschaden verursacht werden. Unmittelbare Vermögensschäden im Sinne einer Berufshaftpflichtversicherung sind offenbar zumindest typischerweise nicht Gegenstand einer Betriebshaftpflichtversicherung der deutschen Versicherungsunternehmen. Zum "Grundversicherungspaket" einer Betriebshaftpflichtversicherung gehört somit zumindest regelmäßig die Abdeckung des Betriebsstättenrisikos und es umfasst insbesondere die Versicherung von Personen- und Sachschäden. Vermögensschäden sind zumindest regelmäßig bei einer Betriebshaftpflichtversicherung nur insoweit versichert, als sie Folge von Sach- oder Personenschäden sind. Mit einer "Berufshaftpflichtversicherung" kann dieser Versicherungsschutz auch auf die Abdeckung unmittelbarer Versicherungsschäden erweitert werden, die ohne Verursachung eines Personen- oder Sachschadens unmittelbar durch eine mangelhafte Berufsausübung bzw. Dienstleistungserbringung entstehen.
Entscheidend ist somit, ob aus dem objektiven Empfängerhorizont eines erfahrenen Postdienstleistungsunternehmens die Bieter aus den Teilnahmebedingungen unter Ziffer III.2.2 der Vergabebekanntmachung und den Anforderungen in § 10 der Besonderen Vertragsbedingungen erkennen konnten, dass es der Antragsgegnerin nicht nur auf die Abdeckung von mittelbaren Vermögensschäden im Sinne einer Betriebshaftpflichtversicherung, sondern auch auf die Abdeckung von unmittelbaren Vermögensschäden im Sinne einer Berufshaftpflichtversicherung ankam. Dafür, dass die Forderung der Antragsgegnerin sich auch auf die Abdeckung von unmittelbaren Vermögensschäden bezog, spricht zunächst bereits, dass die Antragsgegnerin in wörtlicher Übereinstimmung mit § 7 EG Abs. 2 lit. b VOL/A den Begriff der "Berufshaftpflichtversicherung" und nicht etwa den Begriff der "Betriebshaftpflicht" verwendet hat. Spätestens aufgrund der Vorgaben des § 10 Abs. 1 der den Bietern mit den Vergabeunterlagen übersandten Besonderen Vertragsbedingungen (BVB) wurde den Bietern verdeutlicht, dass die Antragsgegnerin wollte, dass alle im Zusammenhang mit der Auftragsdurchführung stehenden Schäden durch eine Versicherung mit einer Deckungssumme in Höhe von 1 Mio. € pro Einzelfall abgesichert werden. Aufgrund dieser Vorgaben und aber auch aufgrund des Auftragsgegenstands, der Durchführung von Postdienstleistungen, konnten die Bieter jedenfalls nicht den Schluss ziehen, dass die Forderung der Antragsgegnerin ausschließlich auf die Abdeckung mittelbarer Vermögensschäden gerichtet war oder werden sollte.
Die Antragsgegnerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 01.03.2013 und in ihrem schriftsätzlichen Vortrag nachvollziehbar dargelegt, dass es ihr gerade auf die Abdeckung unmittelbarer Vermögensschäden in Folge von unvollständig oder mangelhaft geleisteten Postdienstleistungen ankam. Dass derartige Schäden bei der Postzustellung infolge von Versäumnissen des Zustellers aufgrund von einer unterlassenen oder pflichtwidrig verzögerten Zustellung entstehen können, zeigt das von der Antragsgegnerin genannte Beispiel mit der aktuellen Feststellung von Unregelmäßigkeiten bei der Zustellung von Briefwahlunterlagen im Zuge der letzten Landtagswahl. Zu diesem Vorfall kam es im Rahmen eines laufenden Vertragsverhältnisses mit der Antragstellerin. Die Antragstellerin hat unstreitig dem betreffenden Postzusteller gekündigt und den Vorfall bei der Staatsanwaltschaft angezeigt. Dieser Vorfall spricht entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin zwar nicht unmittelbar gegen die Zuverlässigkeit der Antragstellerin, zumal diese unmittelbar auf den Vorfall reagiert und das Vertragsverhältnis mit dem Postzusteller gekündigt hat.
Es ist aber nicht auszuschließen, dass infolge der unzulänglichen Zustellung anderer Schreiben oder förmlicher Bescheide der Antragsgegnerin auch (etwa durch Fristversäumnis) unmittelbare Vermögensschäden entstehen können, an deren Abdeckung die Antragsgegnerin ein berechtigtes und für die sachkundigen Bieter nachvollziehbares Interesse hat.
Zwar hatten auch die Beigeladenen zu 1 bis 3 im Gegensatz zur Beigeladenen zu 4 Nachweise über das Bestehen einer Haftpflichtversicherung beigebracht, die nicht ausdrücklich als "Berufshaftpflicht" bezeichnet waren. Die Beigeladenen zu 1 und 2 hatten ihrem Angebot eine Erklärung eines Versicherungsunternehmens beigefügt, die den bestehenden Versicherungsschutz im Rahmen einer "lokalen Industriehaftpflichtversicherung" mit einer Deckungssumme von 5.200.000 € pauschal für Personen- und Sachschäden je Schadensereignis und 1 Mio. € für Vermögensschäden je Schadensereignis bestätigte. Die Beigeladene zu 3 hatte ihrem Angebot einen Versicherungsnachweis beigefügt, der den Abschluss einer "Betriebshaftpflichtversicherung" bestätigte mit Deckungssummen von 10 Mio. € pauschal für Personen- und Sachschäden, 1 Mio. € für Vermögensschäden und 100 Mio. € für Tätigkeitsschäden.
Sämtlichen von den Beigeladenen ihren Angeboten beigefügten Versicherungsnachweisen ist somit im Gegensatz zum ursprünglich mit dem Angebot eingereichten Versicherungsnachweis der Antragstellerin aber gemein, dass auch die Abdeckung von Vermögensschäden in der von der Antragsgegnerin geforderten Höhe von max. 1 Mio. € je Einzelfall bestätigt wurde. Die Antragsgegnerin war daher berechtigt, die Beigeladenen zu 1 bis 3 im Wege der Aufklärung nach § 7 EG Abs. 13 VOL/A zur Erläuterung aufzufordern, ob die Abdeckung der Vermögensschäden nur mittelbare Vermögensschäden oder auch unmittelbare Vermögensschäden im Sinne der Ziffer 2.1 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) und damit im Sinne einer "Berufshaftpflicht" des § 7 EG Abs. 2 lit. b VOL/A erfasste. Auf die entsprechende Anfrage der Antragsgegnerin vom 21.12.2012 und 08.01.2013 bestätigte der Versicherer der Beigeladenen zu 1 und 2 mit Schreiben vom 10.01. und 14.01.2013, dass für diese als Unternehmen der xxxxxx seit dem 01.05.2012 eine Betriebs-, Produkt- und Umwelthaftpflichtversicherung besteht, die auch reine Vermögensschäden in Höhe von 1 Mio. € je Schadensfall abdeckt. Der Versicherer der Beigeladenen zu 3 bestätigte per E-Mail vom 15.01.2013, dass seit dem 22.07.2005 eine Betriebshaftpflichtversicherung besteht, die auch Vermögensschäden bis 1 Mio. € je Schadensfall abdeckt. Ausführungen dazu, ob auch der Versicherungsschutz der Beigeladenen zu 3 ausdrücklich auch unmittelbare Vermögensschäden abdeckt, enthält die E-Mail vom 15.01.2013 im Gegensatz zu den Erklärungen des Versicherers der Beigeladenen zu 1 und 2 jedoch nicht. Die Antragsgegnerin hat ausweislich der Dokumentation in der Vergabekammer von einem weiteren Aufklärungsschreiben an die Beigeladene zu 3 abgesehen und das Angebot der Beigeladenen zu 3 nicht weiter berücksichtigt, da nach ihren Feststellungen die Beigeladenen zu 1 und 2 die wirtschaftlichsten zuschlagsfähigen Angebote abgegeben haben.
Die Antragsgegnerin war somit berechtigt, die Angebote der Beigeladenen zu 1, 2 und 4 bei der Angebotswertung zu berücksichtigen. Da die Antragsgegnerin die Angebote der Antragstellerin gemäß § 19 EG Abs. 3 lit. a VOL/A i. V. m. § 7 EG VOL/A von der Angebotswertung ausschließen musste, hat die Antragsgegnerin ausweislich der Dokumentation in der Vergabeakte gemäß § 24 EG Abs. 1 VOL/A zu Recht festgestellt, dass die Beigeladenen zu 1 und 2 die wirtschaftlichsten Angebote im Sinne des § 19 EG Abs. 9 VOL/A und § 21 EG Abs. 1 VOL/A abgegeben haben. Die Entscheidung der Antragsgegnerin ist daher vergaberechtlich nicht zu beanstanden.
Der Nachprüfungsantrag ist daher zurückzuweisen.
III. Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB in der seit dem 24.04.2009 geltenden Fassung (Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20.04.2009, BGBl. I, S. 790). Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt nach wie vor 2.500 €, die Höchstgebühr nunmehr 50.000 € und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 €.
Es wird eine Gebühr in Höhe von xxxxxx € gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.
Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt xxxxxx € (brutto). Dieser Wert entspricht dem Angebot der Antragstellerin für die streitbefangenen Lose 1, 2 und 4 und damit ihrem Interesse am Auftrag.
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung vom Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 € (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 € zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 € (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. € (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt.
Bei einem Auftragswert von xxxxxx € ergibt sich eine Gebühr in Höhe von xxxxxx €.
Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten für Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.
Die in Ziffer 2 des Tenors geregelte Kostentragungspflicht folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin keinen Erfolg hatte.
Kosten der Beigeladenen zu 1 und 2:
Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit der Kosten der Beigeladenen zu 1 und 2 folgt aus analoger Anwendung des § 162 Abs. 3 VwGO. Dort ist für das verwaltungsgerichtliche Verfahren geregelt, dass die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nur erstattungsfähig sind, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt. Die analoge Anwendung dieser Vorschrift zugunsten eines obsiegenden Beigeladenen ist im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer geboten (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 155, 158 [OLG Düsseldorf 12.01.2000 - Verg 3/99]; sowie OLG Düsseldorf, Beschluss v. 15.06.2000, Az.: Verg 6/00). Die für eine analoge Anwendung von Vorschriften erforderliche Regelungslücke ergibt sich daraus, dass gem. § 128 Abs. 4 Satz 2 lediglich geregelt wird: "Soweit ein Beteiligter im Verfahren unterliegt, hat er die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen des Antragsgegners zu tragen. § 80 des Verwaltungsverfahrensgesetzes und die entsprechenden Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder gelten entsprechend." Eine daraus folgende Ungleichbehandlung eines Beigeladenen gegenüber den anderen Beteiligten des Nachprüfungsverfahrens wäre jedoch nicht sachgerecht, zumal der Beigeladene schließlich gem. § 109 GWB deshalb den Beteiligten-Status erhält, weil "dessen Interessen durch die Entscheidung schwerwiegend berührt werden".
Einerseits darf daher zwar für den Antragsteller durch (mögliche) Beiladungen kein unkalkulierbares und damit abschreckendes Kostenrisiko entstehen. Andererseits dürfen aber auch Kosten des Beigeladenen nicht zu einer Waffenungleichheit zu seinen Lasten führen (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, § 128, Rdnr. 1034).
Unter Berücksichtigung dieser sachgerechten Grundsätze entspricht es im vorliegenden Fall der Billigkeit i. S. d. hier analog anzuwendenden § 162 Abs. 3 VwGO, dass die unterlegene Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Nachprüfungsverfahren erforderlichen Aufwendungen der Beigeladenen zu 1 und 2, zu denen auch die Kosten einer in einem derartig komplexen, nicht nur materielles Vergaberecht, sondern auch prozessuale Rechtsfragen berührenden Verfahren ohne weiteres erforderlichen Hinzuziehung eines Rechtsanwalts gehören, zu tragen hat.
Die Beigeladenen zu 3 und 4 haben keine Anträge gestellt und auch keine Stellungnahme abgegeben.
Die Antragsgegnerin war nicht anwaltlich vertreten. Auf ihren Antrag war jedoch gemäß
§ 128 Abs. 4 Satz 1 GWB zu entscheiden, dass die Antragstellerin die sonstigen zur Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu tragen hat.
Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den Betrag von xxxxxx€ unter Angabe des Kassenzeichens
xxxxxx
auf folgendes Konto zu überweisen:
xxxxxx.
IV. Rechtsbehelf
[...]