Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 30.09.2010, Az.: 13 Verg 10/10

Anforderungen an das Verfahren vor Ausschluss eines Angebots wegen Nichtauskömmlichkeit

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
30.09.2010
Aktenzeichen
13 Verg 10/10
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 24853
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2010:0930.13VERG10.10.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VK Niedersachsen - VgK 25/2010 - 21.6.2010

Fundstellen

  • BauR 2011, 308
  • IBR 2010, 649
  • NZBau 2011, 189-192
  • VS 2013, 39
  • Vergabe-Navigator 2010, 22-23
  • VergabeR 2011, 103-109
  • WuW 2010, 1284-1290

Amtlicher Leitsatz

1. Bevor ein Angebot nach § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A Ausgabe 2006 ausgeschlossen werden kann, muss dem betroffenen Bieter unter Setzung einer angemessenen Frist zwingend Gelegenheit gegeben werden, den Eindruck eines ungewöhnlich niedrigen Angebots zu entkräften oder aber beachtliche Gründe dafür aufzuzeigen, dass sein Angebot trotzdem anzunehmen ist.

2. Von einer genaueren Überprüfung unter Einbeziehung des betroffenen Bieters ist nur dann abzusehen, wenn ein offenbares Missverhältnis von Preis und Leistung im Sinne des § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A Ausgabe 2006 besteht, bei dem der angebotene (Gesamt)Preis derart eklatant von dem an sich angemessenen Preis abweicht, dass es sofort ins Auge fällt.

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss der Vergabekammer Niedersachsen vom 21. Juni 2010 wird mit der Maßgabe

zurückgewiesen, dass sich die Kosten für das Verfahren vor der Vergabekammer wie folgt verteilen: Die Kosten der Vergabekammer hat die Antragstellerin zu 1/3, der Antragsgegner und die Beigeladene als Gesamtschuldner zu 2/3 zu tragen. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin entfallen jeweils zu 1/3 auf den Antragsgegner und die Beigeladene. Von den Aufwendungen des Antragsgegners und der Beigeladenen trägt die Antragstellerin jeweils 1/3. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war notwendig.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens, einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin, haben der Antragsgegner und die Beigeladene zu gleichen Teilen zu tragen.

Gründe

1

I. Mit nationaler Bekanntmachung vom 9. Dezember 2009 schrieb der Antragsgegner die Sicherungsdienstleistungen für die Zentrale Polizeidirektion, Außenstelle O., öffentlich aus. Die zu vergebende Sicherungsdienstleistung nach Anhang I B zur VOL/A Ausgabe 2006 umfasste einen Posten für Torkontrolle und Empfangsdienst in Verbindung mit Alarmdienst sowie einen weiteren Posten Streifendienst.

2

Zuschlagskriterien wurden in der Aufforderung zur Angebotsabgabe nicht benannt. Der Vertrag sollte für zwei Jahre abgeschlossen werden und spätestens nach fünf weiteren Jahren enden. In der Leistungsbeschreibung wurde auf S. 6 unter Ziff. 1 Folgendes ausgeführt:

3

"Preise sind ohne Umsatzsteuer anzugeben und so zu bemessen, dass sie für die Vertragszeit von zwei Jahren auskömmlich sind, und der Auftraggeber von allen weiteren Kosten, die im Zusammenhang mit der Durchführung der Sicherungsdienstleistungen entstehen, freigestellt ist (s. Ziff. 4.2 Zusätzliche Vertragsbedingungen)."

4

Dort findet sich folgender Hinweis:

5

"Die Einheitspreise bzw. kalkulatorische Stundenlöhne werden vorbehaltlich der Einführung eines tarifvertraglichen Mindestlohnes für das Bewachungsgewerbe für eine Vertragslaufzeit von zwei Jahren fest vereinbart. sie umfassen alle Kosten, die im Zusammenhang mit den beauftragten Sicherungsdienstleistungen entstehen. Lohnkostenänderungen, die innerhalb der zweijährigen Vertragslaufzeit eintreten, sind grundsätzlich mit den vereinbarten Einheitspreisen abgegolten. Wird innerhalb der zweijährigen Vertragslaufzeit ein tarifvertraglicher Mindestlohn für das Bewachungsgewerbe eingeführt, können die Vertragsparteien nach Ablauf der Probezeit (Ziff. 2) über neue Einheitspreise für die weitere Vertragslaufzeit nach Maßgabe der nachfolgenden Ausführungen (Ziff. 4.3) verhandeln."

6

Bei der Submissionsverhandlung am 3. März 2010 hatten 15 Bieter ein Angebot eingereicht, wobei sich das Angebot der Antragstellerin auf jährlich 154.037,88 € brutto und das der Beigeladenen auf 170.021,96 € brutto belief.

7

In der Vergabeempfehlung vom 14. April 2010 vermerkte die Vergabestelle u. a., dass die Angebotssumme der Antragsstellerin als tarifgebundenes Unternehmen auf der Grundlage des alten Lohntarifvertrages niedriger sei als die von der Vergabestelle errechnete, niedrigste auskömmliche Angebotssumme. Nach Prüfung der Angebote auf der Basis der "kalkulatorischen Stundenlöhne" wurde festgehalten, dass die direkten Lohnkosten beim Angebot der Antragstellerin in der Summe unauskömmlich seien. Das Angebot der nicht tarifgebundenen Beigeladenen dagegen habe auf der Grundlage sowohl des alten als auch des neuen Lohntarifvertrages jeweils höher als die von der Vergabestelle errechnete, niedrigste auskömmliche Angebotssumme gelegen.

8

Die zugleich ausgesprochene Empfehlung der Vergabestelle, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen, übernahm der Antragsgegner und informierte die Antragstellerin darüber mit Schreiben gem. § 101 a GWB vom 26. April 2010. Ergänzend wies er sie darauf hin, dass ihr Angebot nicht berücksichtigt werden könne, da es nicht das Wirtschaftlichste sei. In einem Telefonat mit einer Mitarbeiterin des Antragsgegners am selben Tag forderte der Geschäftsführer der Antragstellerin, ihr den Auftrag zu erteilen.

9

Mit einem am 7. Mai 2010 bei der Vergabekammer eingegangenen Schriftsatz beantragte die Antragstellerin die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens, mit dem sie die Zuschlagserteilung auf ihr Angebot begehrte. Unter Hinweis auf ihr Telefonat vom 26. April 2010 mit der Mitarbeiterin der Vergabestelle führte sie aus, dass ihr Angebot auskömmlich sei. Aus den vorgelegten Kalkulationsunterlagen ergebe sich, dass sie bei der Preisermittlung die tariflichen Löhne berücksichtigt habe. Da ein Mindestlohn spätestens zu Beginn des Jahres 2011 eingerichtet werden sollte, sei es nicht zweckmäßig gewesen, künftige Tariferhöhungen in die Kalkulation mit einzubeziehen. Falls ein Mindestlohntarif nicht während der Vertragslaufzeit abgeschlossen werde, könne sie im Notfall ihren Gewinn in Höhe von 3 % als Kompensation anbieten.

10

Dem gegenüber führten der Antragsgegner und die Beigeladene aus, dass eine unverzügliche Rüge der Antragstellerin nicht erfolgt sei. Zudem sei ihr Nachprüfungsantrag unbegründet, weil das Angebot der Antragstellerin etwa 10 % unter dem von ihm ermittelten Auftragswert gelegen habe. Die von der Antragstellerin eingereichten Formblätter "kalkulatorischer Stundenlohn" bzw. die Aufschlüsselung der Einheitspreise belegten ebenfalls, dass ihr Angebot unauskömmlich sei. Neben der unzureichenden Kompensation der anstehenden Lohnerhöhungen durch den von ihr kalkulierten Gewinn sei der Ansatz für den Urlaub nicht tarifgerecht und der Ansatz für die Schichtzulage in Ordnungsziffer 1.1. überhaupt nicht erfolgt. Angesichts der deutlichen Differenz zwischen dem Angebotspreis der Antragstellerin und einem auskömmlichen Angebot liege ein offenbares Missverhältnis zwischen Angebotspreis und Leistung vor.

11

Mit Beschluss vom 8. Juni 2010 hat die Vergabekammer festgestellt, dass die Antragstellerin durch die Vergabe von Sicherungsdienstleistungen an die Beigeladene in ihren Rechten verletzt ist und den Antragsgegner verpflichtet, über die Vergabe der Sicherungsdienstleistungen erneut in die Angebotswertung einzutreten, diese im Hinblick auf die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots erneut durchzuführen und dabei die aus den Gründen ersichtliche Rechtsauffassung der Vergabekammer zu beachten. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, dass die Entscheidung des Antragsgegners, das Angebot der Antragstellerin ohne erneute individuelle Prüfung wegen eines vermeintlich offenbaren Missverhältnisses von Preis und Leistung aus der Wertung auszuschließen, die Antragstellerin in ihren Rechten verletze. Der Antragsgegner habe es unterlassen, die Angemessenheit und Auskömmlichkeit des Preises gem. § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A a. F. unter Anhörung und Mitwirkung der Antragstellerin zu prüfen und dies in einem den Anforderungen des § 30 VOL/A a. F. genügenden Vergabevermerk zu dokumentieren. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners lägen die Voraussetzungen für einen Ausschluss wegen eines offenbaren Missverhältnisses von Preis und Leistung im Angebot der Antragstellerin gem. § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A a. F. nicht vor.

12

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsgegner mit seiner sofortigen Beschwerde. Unter Hinweis auf seinen bereits vor der Vergabekammer gehaltenen Sachvortrag beanstandet er weiterhin, dass eine unverzügliche Rüge der Antragstellerin gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB nicht vorgelegen habe. Zu Unrecht habe die Vergabekammer auch angenommen, ein offenbares Missverhältnis zwischen Preis und Leistung könne nicht aufgrund der eigenen Kostenschätzung des Auftraggebers festgestellt werden. Schon aus dem von der Antragstellerin ausgefüllten Formblatt zum kalkulatorischen Stundenlohn habe sich die fehlende Auskömmlichkeit ihres Angebots offenkundig ergeben, weil sie die tarifliche Schichtzulage von 0,26 € pro Stunde und den Kostenansatz für den tariflich vorgegebenen Urlaub nicht bzw. unzureichend kalkuliert habe. Eine Anhörung der Antragstellerin sei daher entbehrlich gewesen. Darüber hinaus habe er ihr im Nachprüfungsverfahren Gelegenheit zur Erläuterung ihrer Kalkulation gegeben, ohne dass sie dazu Angaben gemacht habe.

13

Die Beigeladene unterstützt das Vorbringen des Antragsgegners und führt ergänzend aus, dass die Antragstellerin in ihrem Telefonat mit dem Antragsgegner und in der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer die Nichtberücksichtigung von Zuschlägen als Teil des Tariflohns eingeräumt habe. Infolgedessen ergebe sich pro Stunde und Mitarbeiter bereits eine Differenz von 0,48 €. Die von der Vergabekammer beanstandete unzureichende Dokumentation sei nicht für die vermeintliche Verletzung der Antragstellerin ursächlich geworden, da dies nichts daran ändere, dass die Antragstellerin ein unauskömmliches Angebot eingereicht habe.

14

Der Antragsgegner und die Beigeladene beantragen,

15

den Beschluss der Vergabekammer Niedersachsen vom 21. Juni 2010 aufzuheben und den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin als unzulässig und unbegründet zurückzuweisen,

16

die Hinzuziehung ihrer Rechtsanwälte für notwendig zu erklären und die Antragstellerin zur Erstattung der entstandenen Rechtsanwaltskosten zu verpflichten.

17

Die Antragstellerin beantragt,

18

die sofortige Beschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen.

19

Unter Vertiefung ihres bisherigen Sachvortrags verteidigt sie die Entscheidung der Vergabekammer als richtig.

20

Wegen des weiteren Sachvortrags wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

21

II. Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig, aber unbegründet.

22

1. Gegen die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags der Antragstellerin bestehen keine Bedenken.

23

a) Bei dem Antragsgegner handelt es sich um einen öffentlichen Auftraggeber gemäß § 98 Nr. 1 GWB. Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens ist eine entgeltliche Dienstleistung gemäß § 99 Abs. 1 und 4 GWB in Form von Bewachungsdiensten gemäß § 1 a Nr. 2 Abs. 2 VOL/A, die nach Teil B Nr. 23 des Anhangs I zur VOL/A unter Anwendung der Basisparagraphen dieses Abschnitts und der §§ 8 a und 28 a VOL/A zu vergeben sind. Der bei Bekanntmachung der Ausschreibung maßgebliche Schwellenwert in Höhe von 211.000,00 € (aktuell: 193.000,00 €) wird gemäß § 100 Abs. 1, § 127 GWB i. V. m. § 2 Nr. 3 der Vergabeordnung vom 23. Oktober 2006 (VgV a. F.) überschritten, da der von dem Antragsgegner geschätzte Nettowert sich für zwei Jahre auf 290.753,00 € und angesichts der insgesamt möglichen siebenjährigen Laufzeit gemäß § 3 Abs. 4 VgV a. F. auf einen Auftragswert von 581.506,00 € für 48 Monate beläuft.

24

b) Die Antragstellerin ist auch gemäß § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt. Mit der Abgabe ihres Angebots hat sie gezeigt, dass sie ein Interesse am Auftrag hat, und mit ihren verfahrensgegenständlichen Rügen macht sie eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend, die den Zuschlag auf ihr Angebot beeinträchtigt.

25

c) Entgegen der Auffassung von Antragsgegner und Beigeladener ist die Antragstellerin auch ihrer Rügeverpflichtung gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB nachgekommen. Gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB ist ein Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit der Antragsteller den gerügten Verstoß gegen Vergabevorschriften im Vergabeverfahren erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht unverzüglich gerügt hat.

26

Bestimmte Formerfordernisse stellt § 107 GWB nicht, sodass sowohl eine telefonische als auch eine mündliche Rüge wirksam ist (Kadenbach in: Willenbruch/Bischoff, VergabeR § 107 Rdn. 41 m. w. N.. Wiese in: Kulartz/Kus/Portz, GWBVergaberecht 2. Aufl. § 107 Rdn. 100). Der Rüge muss aber eine konkrete vergaberechtliche Beanstandung zu entnehmen sein, und die Vergabestelle muss erkennen können, dass die Beseitigung des angesprochenen Vergaberechtsfehlers gefordert wird (OLG München, Beschluss vom 7. August 2007 - Verg 8/07, zitiert nach juris Tz. 18. OLG Celle, Beschluss vom 10. Januar 2008 - 13 Verg 11/07, OLGR 2008, 249, 253). Diesen Anforderungen genügt die telefonische Rüge der Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner am 26. April 2010, dem Tag der Information über die Nichtberücksichtigung ihres Angebots. Obwohl der Begriff "Rüge" in dem vom Antragsgegner über dieses Telefonat erstellten Protokoll nicht enthalten ist, war die von der Antragstellerin ausdrücklich formulierte und entsprechend dokumentierte Auffassung, sie müsse den Auftrag erhalten, inhaltlich als Rüge i. S. des § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB anzusehen (vgl. dazu: OLG Frankfurt, Beschluss vom 2. März 2007 - 11 Verg 15/06, zitiert nach juris Tz. 41). Verbunden mit der Beanstandung, warum ihr Angebot nicht das Wirtschaftlichste sei, obwohl sie den niedrigsten Preis angeboten habe, ergab sich für den Antragsgegner hinreichend konkret, dass die Antragstellerin einen Verstoß gegen Vergabevorschriften (nämlich gegen § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A Ausgabe 2006) sowie ein entsprechendes Abhilfeverlangen geltend gemacht hat.

27

Ist mithin von einer unverzüglichen Rüge der Antragstellerin auszugehen, bedarf die Frage, inwieweit die Regelung in § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB nach den Urteilen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 28. Januar 2010 (Rs. C406/08, VergabeR 2010, 451, Tz. 39 ff. - Uniplex und Rs. C456/08, VergabeR 2010, 457, [EuGH 28.01.2010 - Rs. C-456/08] Tz. 61, 64 ff. - Kommission/Irland) noch als eine hinreichend genaue, klare und vorhersehbare Fristenregelung anzusehen ist, die mit der Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG in Einklang steht, vorliegend keiner Entscheidung (zweifelnd bereits: OLG Celle, Beschluss vom 11. Februar 2010 - 13 Verg 16/09, VergabeR 2010, 669, 671. ebenso OLG München, Beschluss vom 21. Mai 2010 - Verg 2/10, ZfBR 2010, 606 ff., zitiert nach juris Tz. 96. bejahend: OLG Dresden, Beschluss vom 7. Mai 2010 - WVerg 6/10, VergabeR 2010, 666, 667 f.. s. auch Niestedt in NZBau 2010, 528 mit Nachweisen zu der gegenteiligen Auffassung einiger Vergabekammern).

28

2. Zutreffend hat die Vergabekammer festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten aus § 97 Abs. 7 GWB verletzt ist, weil der Ausschluss ihres Angebotes nach § 25 Nr. 2 Abs. 2 und 3 VOL/A a. F. verfahrensfehlerhaft erfolgt ist.

29

a) Der Antragsgegner hat die in § 25 Abs. 2 Nr. 2 VOL/A a. F. normierten Aufklärungspflichten verletzt.

30

In der dritten Phase der Angebotswertung hat der Auftraggeber die Angemessenheit der Angebotspreise zu prüfen. Dabei hat er zunächst über ungewöhnlich niedrig erscheinende Angebotspreise aufzuklären, § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A a. F. Anhaltspunkte für einen ungewöhnlich niedrigen Gesamtpreis kann neben Angeboten anderer Bieter auch die Kostenermittlung des Auftraggebers sein (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27. Juli 2009 - 15 Verg 3/09, VergabeR 2010, 96 ff. zitiert nach juris Tz. 26. OLG Jena, Beschluss vom 5. Juni 2009 - 9 Verg 5/09, VergabeR 2009, 809 ff., zitiert nach juris Tz. 43. Weyand, ibronlineKommentar Vergaberecht, Stand: 03/2010 § 25 VOB/A, 107.7.2.1.4.. Stolz, in: Willenbruch/Bischoff, VergabeR § 25 VOL/A Rdn. 36).

31

aa) Ab welcher Höhe der prozentualen Abweichung eine Prüfung veranlasst ist, wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich beurteilt. Während sich einige Vergabesenate an einer 20%igen Schwelle orientieren (vgl. dazu Dicks, in: Kus/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VOL/A § 25 Rdn. 139 m. w. Nachw.. Noch, in: MüllerWrede, VOL/A 2. Aufl. § 25 Rdn. 249), scheinen andere bereits eine 10%ige Abweichung für ausreichend zu erachten (OLG München, Beschluss vom 2. Juni 2006 - Verg 12/06, VergabeR 2006, 802, 807. Stolz, aaO. m. w. Nachw.). Diese Frage kann hier indes dahinstehen. Zumindest ist es nicht als vergabefehlerhaft anzusehen, dass der Antragsgegner die Unterschreitung des Angebots der Antragstellerin in Höhe von 9,2 % gemessen an seiner ursprünglichen Kostenschätzung und in Höhe von 9,4 % zum nächstplatzierten Angebot sowie von 18 % zum Durchschnittspreis der Angebote zum Anlass für eine Überprüfung des von der Antragstellerin eingereichten Angebots genommen hat (vgl. auch Weyand, aaO. § 25 VOL/A Rdn. 172.7.1.1.1.5.2.).

32

bb) Allerdings darf ein Angebot nur dann ausgeschlossen werden, wenn der Gesamtpreis im Verhältnis zur angebotenen Gesamtleistung unangemessen niedrig ist und der Bieter die Seriosität und Auskömmlichkeit seines Preises nicht stichhaltig begründen kann (Stolz, aaO. Rdn. 36). Hierzu muss dem Bieter zwingend Gelegenheit gegeben werden (Stolz, aaO. Dicks, aaO. Rdn. 136.

33

Weyand, aaO., 107.7.2.1.1.). Dabei ist von ihm unter Setzung einer angemessenen Frist in Textform (§ 25 Nr. 2 Abs. 2 Satz 1 VOL/A a. F.) zunächst Aufklärung über diejenigen Elemente seines Angebots, die konkrete Zweifel hervorgerufen haben, zu verlangen. Danach ist die Stichhaltigkeit seiner Erklärungen zu beurteilen und abschließend über die Zulassung oder Ablehnung seines Angebots zu entscheiden sowie eine die Entscheidung tragende Begründung in den Vergabevermerk aufzunehmen (EuGH, Urteil vom 27. November 2001 - Rs. C285 und 286/99, Slg. 2001, I09233. Stolz, aaO. Rdn. 37. Dicks, aaO. Rdn. 140. Noch, aaO. Rdn. 253, 258, Weyand, aaO. 107.7.2.3.1.). Dabei ist der Auftraggeber nicht per se gehindert, den Zuschlag sogar auf ein unauskömmliches Angebot zu erteilen (Dicks, aaO. Rdn. 140).

34

Diese Vorgehensweise hat der Antragsgegner vorliegend nicht eingehalten. Entgegen seiner Auffassung war dieses Verfahren auch nicht deswegen entbehrlich, weil die Antragstellerin bereits mit Angebotsabgabe das Formblatt "Kalkulatorischer Stundenlohn" eingereicht hatte und angesichts der Ausgestaltung der geforderten Angaben in diesem Formblatt von vorneherein bei einem tarifgebundenen Bieter wie der Antragstellerin kein Nachfragebedarf habe entstehen können. Auch wenn Erläuterungen zu den Preisen - wie hier - bereits mit dem Angebot abgegeben wurden, darf ein Angebot nicht ausgeschlossen werden, ohne dem betroffenen Bieter noch einmal Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben zu haben, damit dieser den Eindruck eines ungewöhnlich niedrigen Angebots entkräften oder aber beachtliche Gründe dafür aufzeigen kann, dass sein Angebot trotzdem anzunehmen ist (Stolz, aaO. Noch, aaO. Rdn. 248). Das ist hier nicht geschehen.

35

(1) Von einer genaueren Überprüfung unter Einbeziehung des betroffenen Bieters konnte auch nicht deshalb abgesehen werden, weil ein offenbares Missverhältnis von Preis und Leistung bestand, bei dem der angebotene (Gesamt)Preis derart eklatant von dem an sich angemessenen Preis abweicht, dass es sofort ins Auge fällt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19. November 2003 - Verg 22/03, VergabeR 2004, 248, 251. BGH, Beschluss vom 21. Oktober 1976 - VII ZR 327/74, BauR 1977, 52, 53). Diese Voraussetzungen hat die Vergabekammer angesichts der Abweichung zu dem nächstfolgenden Angebot sowie zu der Kostenermittlung des Antragsgegners zutreffend verneint. Zu demselben Ergebnis ist im Übrigen auch der Antragsgegner selbst gekommen, weil er die Auskömmlichkeit der in dem Angebot der Antragstellerin vorgesehenen Preisangaben anhand des Formblatts näher überprüft, allerdings die Antragstellerin dabei nicht beteiligt hat.

36

(2) Mit ihrem Einwand, die nationale Rechtsprechung zur Aufklärungspflicht folge den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben der Entscheidung des EuGH vom 27. November 2001 (Rs. C285 und 286/99, Slg. 2001, I09233) und sei daher auf die streitgegenständliche Vergabe von Leistungen des Anhangs I B nicht übertragbar, dringen der Antragsgegner und die Beigeladene ebenfalls nicht durch. Dafür ist ohne Belang, dass Regelungen über eine vorherige Aufklärungspflicht vor Ausschluss unauskömmlicher Angebote der "Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen in Bezug auf das Gemeinschaftsrecht, das für die Vergabe öffentlicher Aufträge gilt, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fallen" (ABl. C 179/02 vom 1. August 2006) nicht zu entnehmen sind. Diese Mitteilung der Kommission führt keine neuen rechtlichen Regelungen ein, sondern soll lediglich eine Art "Handlungsanleitung" für solche Aufträge darstellen, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fallen, denen aber zugleich Binnenmarktrelevanz zukommt (vgl. EuGH, Urteil vom 20. Mai 2010, Rs. T258/06, zitiert nach juris Tz. 79). Dementsprechend enthält sie nur Grundanforderungen für die Auftragsvergabe. Abschließender Charakter hinsichtlich der insgesamt aus dem Gemeinschaftsrecht zu beachtenden Vorgaben kommt ihr dagegen nicht zu.

37

Dass für die streitgegenständliche Vergabe jede Auswirkung auf den Binnenmarkt von vorneherein ausgeschlossen werden konnte, weil wegen ihrer sehr geringen wirtschaftlichen Bedeutung vernünftigerweise angenommen werden könne, dass ein Unternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedsstaat kein Interesse an dem in Rede stehenden Auftrag hätte und dass die Auswirkungen auf die betreffenden Grundfreiheiten daher zu zufällig oder mittelbar wären (vgl. EuGH, Urteil vom 20. Mai 2010, Rs. T258/06, aaO. Tz. 88), hat der Antragsgegner weder vorgetragen noch zuvor dokumentiert.

38

Diese Frage bedarf aber keiner abschließenden Beurteilung, weil sich - unabhängig von den weitergehenden Anforderungen des Gemeinschaftsrechts an die konkrete Ausgestaltung des "kontradiktorischen Verfahrens" der Überprüfung ungewöhnlich niedriger Angebote (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 27. November 2001 Rs. C285/99 und C286/99, aaO. Tz. 48 ff., 55) - zumindest eine Aufklärungspflicht unter Beteiligung des Bieters bereits aus den für diese Vergabe maßgeblichen Basisparagraphen der VOL/A ergibt. Denn § 25 Nr. 2 Abs. 2 Satz 2 VOL/A a. F. sieht vor, dass der Auftrageber zur Überprüfung der Einzelposten des ungewöhnlich niedrig erscheinenden Angebots vom Bieter in Textform die erforderlichen Belege verlangt. Der Sinn dieser insoweit der Regelung des § 25 Nr. 3 Abs. 2 Satz 1 VOB/A Ausgabe 2006 entsprechenden Regelung ist es, dem Bieter die Möglichkeit einzuräumen, mit seinen Argumenten darzulegen, dass er in der Lage ist, seine Leistungen auftragsgerecht zu erbringen, und ihn vor der Willkür des Auftragsgebers zu schützen (Weyand, aaO. 107.7.2.3.5.). Deshalb dürfte der Antragsgegner auch bei der streitgegenständlichen Vergabe von einem solchen Aufklärungsverlangen in Textform nicht absehen.

39

b) Entgegen der Auffassung des Antragsgegners und der Beigeladenen ist die Nachholung der bislang unterbliebenen Auskömmlichkeitsprüfung nach § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A a. F. unter Beteiligung der Antragstellerin nebst ihrer ordnungsgemäßen Dokumentation nach § 30 VOL/A a. F. nicht deswegen gegenstandslos geworden, weil der Antragsgegner diese unterlassene ordnungsgemäße Überprüfung während des Nachprüfungsverfahrens nachgeholt und ausreichend dokumentiert hätte.

40

aa) Allerdings hat sich die Antragstellerin in dem Verfahren vor der Vergabekammer und in dem Beschwerdeverfahren zur Auskömmlichkeit ihres (Gesamt) Preises in einer Weise geäußert, die das Vorliegen eines Unterkostenangebots nahelegt.

41

(1) Die Antragstellerin hat nach ihrem eigenem Vorbringen den in ihrem Angebot eingesetzten Stundengrundlohn von 7,00 € pro Stunde allein auf der Grundlage der damals (März 2010) aktuellen Tarifverträge kalkuliert. Die während der zweijährigen Vertragslaufzeit üblicherweise eintretenden Tariferhöhungen wollte sie über die angenommene Gewinnspanne von 3 % abfangen. Vor dem Hintergrund, dass der Stundengrundlohn zum 1. Mai jeden Jahres um voraussichtlich 2 % steigt, hat der Antragsgegner das zu Recht als verfehlt erachtet.

42

Der Einwand der Antragstellerin, es sei absehbar gewesen, dass spätestens ab 2011 ein Mindesttariflohnvertrag geschlossen werde, weshalb sie im Hinblick auf die Ziffer 4.2 der Zusätzlichen Vertragsbedingungen, der für diesen Fall nach Ablauf der 6monatigen Probezeit die Möglichkeit von Neuverhandlungen eröffnete, künftige Tariferhöhungen nicht in die Kalkulation zahlenmäßig einbezogen habe, rechtfertigt keine andere Beurteilung, da sie von einem rechtlich fehlerhaften Ansatz ausgeht. Nach Ziffer 4.2. werden die "Einheitspreise bzw. Kalkulatorischen Stundenlöhne (...) vorbehaltlich der Einführung eines tarifvertraglichen Mindestlohnes für das Bewachungsgewerbe für eine Vertragslaufzeit von zwei Jahren fest vereinbart. (...) Lohnkostenänderungen, die innerhalb der zweijährigen Vertragslaufzeit eintreten, sind grundsätzlich mit den vereinbarten Einheitspreisen abgegolten." Erst im folgenden Satz wird auf die Möglichkeit von Verhandlungen für den Fall der Einführung eines tarifvertraglichen Mindestlohns während der vorgenannten Laufzeit hingewiesen. Infolgedessen hatten die Bieter ihrer Kalkulation den Fortbestand des bisherigen Tarifssystems zu Grunde zu legen und daher auch die erwartbaren Erhöhungen des Grundlohns in ihre Angebotserstellung aufzunehmen. Insoweit wäre bereits für den ersten Angebotszeitraum bis Ende April 2011 mit einem Grundlohn von 7,14 € pro Stunde, bis Ende April 2012 mit 7,28 € pro Stunde und danach mit 7,43 € pro Stunde zu kalkulieren gewesen. Das entspricht auch ungefähr den eingetretenen Erhöhungen auf 7,14 € pro Stunde zum 01. Juli 2010, ab 1. Mai 2011 auf 7,26 € pro Stunde und am 1. März 2012 auf 7,38 € pro Stunde, die der Antragsgegner durch die in der Vergabeakte enthaltenen Lohntarifverträge für das Wach und Sicherheitsgewerbe im Land Niedersachsen vom 25. Februar 2009 und vom 9. März 2010 sowie den Tarifvertrag zur Regelung der Mindestlöhne für Sicherheitsdienstleistungen vom 1. April 2010 auch ordnungsgemäß dokumentiert hat.

43

(2) An der Auskömmlichkeit des Angebots der Antragstellerin bestehen auch deshalb große Zweifel, weil sie die Schichtzulage unzutreffend kalkuliert hat. Nach ihrer eigenen Erklärung hat sie die Schichtzulage bei der Aufschlüsselung des Einheitspreises nicht berücksichtigt, da diese erst ab der 10. Stunde zu zahlen sei. Das ist jedoch nach § 2 des Lohntarifvertrages für das Wach und Sicherheitsgewerbe im Land Niedersachsen vom 25. Februar 2009 unzutreffend. Danach ist bei Schichtarbeit bis zu neun Stunden täglich je Stunde eine Zulage von 0,26 € pro Stunde und gemäß dem nachfolgenden Tarifvertrag vom 9. März 2010 in Höhe von 0,16 € pro Stunde zu zahlen. Die Antragstellerin hat ihren Irrtum zwischenzeitlich auch eingesehen, da sie in der Verhandlung vor der Vergabekammer erklärt hat, dass die unzutreffende Angabe zu den Schichtzulagen auf einer Fehlinformation durch den Arbeitgeberverband beruhte.

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bb) Selbst wenn aufgrund der Erklärungen der Antragstellerin im Verlauf des Nachprüfungsverfahrens daher davon auszugehen sein sollte, dass ihr Angebot ihre Kosten nicht deckte, musste der Antragsgegner sich darüber hinaus Klarheit darüber verschaffen, ob ihr Angebot nicht gleichwohl akzeptabel erscheinen konnte, da es keine unüberwindlichen Zweifel an ihrer Leistungsfähigkeit übrig ließ (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. März 2003 - Verg 49/02, zitiert nach juris, Tz. 75. OLG München, Beschluss vom 21. Mai 2010 - Verg 2/10, ZfBR 2010, 606 ff., zitiert nach juris Tz. 175). Diese von dem Antragsgegner im hiesigen Vergabeverfahren bislang offen gelassene Tatsachenfrage erfordert es, ihn zu verpflichten, in die Angebotswertung an der Stelle erneut einzutreten, an der ein ungewöhnlich niedrig erscheinendes Angebot nach Maßgabe der Vorschrift des § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A zu überprüfen und danach über ein Ausscheiden dieses Angebots oder über seine Hinzunahme bei der Angebotswertung zu entscheiden ist (OLG Düsseldorf, aaO. Tz. 76).

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III. Die Kostenentscheidung folgt für das Verfahren vor der Vergabekammer aus § 128 Abs. 1 und 3 GWB i. V. m. § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG, § 128 Abs. 4 Satz 3 GWB. Dort hatte die Antragstellerin mit ihrem auf Zuschlagserteilung gerichteten Nachprüfungsantrag allerdings nicht in vollem Umfang Erfolg. Vor diesem Hintergrund erachtet der Senat eine Kostenquotelung von 1/3 zu Lasten der Antragstellerin und von 2/3 zu Lasten des Antragsgegners für gerechtfertigt. Da die Beigeladene sich den Anträgen des Antragsgegners inhaltlich angeschlossen und eigene Rechtsausführungen beigesteuert hat, gilt für sie dieselbe Kostenquote wie für den Antragsgegner. Dies hat gemäß § 128 Abs. 3 Satz 1 und 2 GWB zur Folge, dass der Antragsgegner und die Beigeladene als Gesamtschuldner zu 2/3 die Gebühren und Auslagen der Vergabekammer zu tragen haben. Für die Erstattung der Aufwendungen der Antragstellerin im Verfahren vor der Vergabekammer ordnet § 128 Abs. 4 GWB dagegen eine gesamtschuldnerische Haftung nicht an. Da die Antragsgegnerin und die Beigeladene sich mit identischem Rechtsschutzziel und weitgehend gleicher Begründung gegen den Nachprüfungsantrag gewandt haben, haben sie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Verfahren vor der Vergabekammer notwendigen Aufwendungen der Verfahrensbeteiligten analog § 159 Satz 1 VwGO i. V. m. § 100 Abs. 1 ZPO ebenso wie die Antragstellerin auch zu jeweils einen 1/3 zu tragen (vgl. zur Haftung nach Kopfteilen: Brauer, in Kulartz/Kus/Portz, GWBVergaberecht 2. Aufl. § 128 Rdn. 38). Die Hinzuziehung von Rechtsanwälten für das Verfahren vor der Vergabekammer war gem. § 128 Abs. 4 Satz 4 GWB i. V. m. §§ 1 Abs.1 NVwVfG, 80 Abs. 2 VwVfG für notwendig zu erklären.

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Die Kosten des Beschwerdeverfahrens, einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin, sind nach § 120 Abs. 2 GWB i. V. m. § 78 Satz 1 und 2 GWB, § 100 Abs. 1 ZPO entsprechend von dem Antragsgegner und der Beigeladenen zu gleichen Teilen zu tragen (Weyand, aaO. § 128 GWB Rdn. 41.19.11). Zwar gilt im Kartellverwaltungsverfahren, dass der Beigeladene grundsätzlich nicht mit den übrigen Verfahrenskosten belastet wird, wenn er nicht Beschwerdeführer ist (BGHZ 110, 371, 398 - Sportübertragungen). Die uneingeschränkte Anwendung dieses Grundsatzes auf das Verfahren vor dem Vergabesenat wird aber den dortigen Besonderheiten nicht gerecht. Hat sich ein Beigeladener, der am Ausgang des Vergabeverfahrens ein starkes Interesse hat, auf der Seite des Auftraggebers am Beschwerdeverfahren beteiligt, ist er - ebenso wie er im Fall des Obsiegens des Auftraggebers nach Billigkeitserwägungen seine außergerichtlichen Auslagen erstattet bekommt - im Fall des Unterliegens des von ihm unterstützten Auftraggebers zur Tragung der Gerichtskosten sowie der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers heranzuziehen (Wiese, in: Kulartz/Kus/Portz, GWBVergaberecht 2. Aufl. § 128 Rdn. 73).