Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 23.07.2012, Az.: VgK-23/2012

Ausschluss eines Angebots von der Angebotswertung wegen Änderungen an den Vergabeunterlagen

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
23.07.2012
Aktenzeichen
VgK-23/2012
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 23280
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

In dem Nachprüfungsverfahren
der Bietergemeinschaft xxxxxx, bestehend aus
1. xxxxxx und
2. xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Antragstellerin -
gegen
die xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Antragsgegnerin -
beigeladen:
die Bietergemeinschaft xxxxxx bestehend aus den Firmen
1. xxxxxx, und
2. xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Beigeladene zu 1-
xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Beigeladene zu 2 -
wegen
Vergabeverfahren "Straßentrog inklusive Geh- und Radweg, mit Bahnunterführung, xxxxxx",
hat die Vergabekammer durch den Vorsitzenden MR Gause, die hauptamtliche Beisitzerin BOR'in Schulte und den ehrenamtlichen Beisitzer, Herrn Dipl.-Ing. Lohmöller, auf die mündliche Verhandlung vom 11.07.2012
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen..

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

  3. 3.

    Die Kosten werden auf xxxxxx € festgesetzt.

  4. 4.

    Die Antragstellerin hat der Antragsgegnerin und den Beigeladenen die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts sowohl für die Antragsgegnerin als auch für die Beigeladenen notwendig.

Begründung

1

I.

Die Antragsgegnerin und Auftraggeberin hat mit Bekanntmachung vom xxxxxx.2012, veröffentlicht am xxxxxx.2012, zu einem Teilnahmewettbewerb aufgerufen, um 6 bis 10 geeignete Bieter zu finden, die sie zur Abgabe eines Angebotes zur Errichtung eines Straßentroges inkl. Geh- und Radweg mit Bahnüberführung auffordern wollte. Von den 20 Bewerbern forderte sie 10 zur Abgabe eines Angebotes auf, unter ihnen die Antragstellerin und die beiden Beigeladenen.

2

Im Vorfeld der Ausschreibung hatte die Antragsgegnerin drei Bodengutachten in Auftrag gegeben. In diesen Gutachten wird empfohlen, die Ausführung einer möglichst wasserdichten Baugrube in grundwasserschonender Bauweise mit einer annähernd wasserdichten Spundwand in Verbindung mit einer Unterwasserbetonsohle auszuführen. In dem letzten Gutachten vom 10.02.2011 werden unter Ziffer 5.3.2 zwei verschiedene Verfahren zur Ausführung einer horizontalen Dichtsohle einander gegenübergestellt. Abschließend wurde in dem Gutachten festgehalten:

"Aufgrund der Bau- und Grundwasserverhältnisse wird es erforderlich, das Trogbauwerk als grundwasserabsenkungsfreie Lösung mit abdichtenden Wänden sowie einer Sohldichtung auszuführen."

3

Der versandten Aufforderung zur Angebotsabgabe ist zu entnehmen, dass der Preis mit 90 % und die Terminsicherung mit 10 % gewichtet werden sollen. Ferner wurde die Punktebewertung für die Gewichtung erläutert. Nebenangebote waren gemäß der Aufforderung zur Angebotsabgabe auf die Gesamtleistung zugelassen. Zusätzlich war dort festgelegt:

"Angebote der Baugruben als Hauptangebot entsprechend der Ausschreibung.

Bei Veränderungen am Trogbauwerk sind die Baugruben und die betroffenen Teile des Trogbauwerkes als Nebenangebot einzureichen."

4

Der Baubeschreibung ist unter Ziffer 1.1 - Auszuführende Leistungen - u.a. Folgendes zu entnehmen:

"Genaue Angaben zum Untergrund sind dem beigefügten Bodengutachten zu entnehmen.

Die Entwässerung während der Bauphase ist durch den AN eigenverantwortlich sicherzustellen.

Die Ausführung der Baugrube, Grundwasserhaltung und -abführung etc. sind im Leistungsverzeichnis als funktional beschriebene Position enthalten."

5

Ferner ist dort unter Ziffer 1.2 - Ausgeführte Vorarbeiten - u. a. ausgeführt:

"An den betreffenden umliegenden Gebäuden werden die erforderlichen Beweissicherungsmaßnahmen seitens des Bauherrn durchgeführt. Grundlage sind die Ergebnisse aus den Bodengutachten zum darin aufgeführten GW-Absenktrichter."

"Der Auftraggeber stellt dem Auftragnehmer folgende Baugrundgutachten zur Verfügung:

- xxxxxx, geotechnischer Bericht vom 06.10.2006 und

geotechnischer Bericht vom 25.07.2007

- xxxxxx, geotechnischer Bericht vom 10.02.2011

- xxxxxx, Ergebnisbericht vom 07.12.2010

Während der Baumaßnahme erfolgt die Begleitung durch das Gutachterbüro."

6

In dem Leistungsverzeichnis ist im Abschnitt Baugruben, Block 16 bis 2 + 18 bis 25/28 ausgeführt:

"Die erforderlichen Baugruben sind in den Pos. 01.03.10 + 01.03.20 + 02.03.10 funktional ausgeschrieben. Ausführung nach Wahl des Bieters. Angebote der Baugruben mit umfangreichen Angaben zum Grubenverbau, zur Grundwassersperre und zur Grundwasserhaltung als Hauptangebot entsprechend der Ausschreibung einreichen.

Mit dem Angebot sind umfangreiche Beschreibungen über die geplante Ausführung einzureichen mit Angaben zu den Themen:

- Bauverfahren

- Baukonzept (Art und Umfang der Wasserhaltung/Grundwasserabsenkung etc.)

- Geräteeinsatz

- Umweltschutz (Schallimmissionen, Erschütterungen, etc.)"

7

Als Anforderungen sind in den Pos. 01.03.10 + 01.03.20 u.a. genannt:

"Die erforderlichen Angaben zum Grubenverbau, zur Grundwasserabsperrung, zur Grundwasserhaltung und zu den Erdarbeiten sind den Gutachten der Anlage zu entnehmen."

8

Auch bei der zur Bahnüberführung Block 17 gehörenden Position 02.03.0010 "Baugrube Block 17 einschließlich Widerlager" führt die Antragsgegnerin aus:

"Angaben zur Grundwasserabsperrung: Ausführung nach Wahl des AN evtl. in der Sommerpause

Grundwasserabsenkung außerhalb der Baugrube nicht unter +29,50 m NN an der Außenkante vom Grubenverbau

Grundwasserabsenkung innerhalb der Baugrube nach eigenem Ermessen je nach Ausführung

Die Grundwasserhorizonte können miteinander verbunden sein."

9

Aufgrund von Bieternachfragen versandte die Antragsgegnerin zwei Bieterrundschreiben. Im zweiten Bieterrundschreiben wurde unter Punkt 7 eine Textergänzung zu den Positionen 01.03.0010, 01.03.0020 und 02.03.0010 dahin gehend vorgenommen, dass ein Bodenaushub in der gesamten Trogbaufläche bis im Mittel 1 m unter Gelände extra ausgeschrieben wird.

10

Dem Submissionsprotokoll vom xxxxxx.2012 ist zu entnehmen, dass acht Bieter ein Angebot eingereicht hatten, unter ihnen die Antragstellerin und die beiden Beigeladenen. Die Antragstellerin hatte mit einer ungeprüften Angebotssumme in Höhe von xxxxxx € den niedrigsten Preis angeboten. Sie hatte zusätzlich fünf Nebenangebote eingereicht. Die Beigeladene zu 1 hatte die ausgeschriebene Leistung für xxxxxx € angeboten und ein Nebenangebot eingereicht, die Beigeladene zu 2 für xxxxxx € und ebenfalls ein Nebenangebot eingereicht.

11

Die Antragstellerin hatte in ihrem Anschreiben zu ihrem Angebot u. a. ausgeführt:

"Für die Sicherung der Baugrube ist die Ausführung mit Spundwänden unterschiedlicher Dimensionen einschließlich deren Verankerung geplant. Die Grundwasserhaltung wird nur innerhalb des Spundwandkastens realisiert.

Gemäß unseren Vorermittlungen wird die Anlage so dimensioniert, dass die Baugrube trockengelegt wird.

Somit kann auf die Trockenlegung des Aushubs und die Ausführung der Unterwasserbetonsohle verzichtet werden."

12

Am 21.05.2012 führte die Antragsgegnerin je ein Aufklärungsgespräch mit den beiden Beigeladenen, um u. a. Näheres zu deren geplanter Ausführung der Baugrube zu erfahren. Die Antragstellerin bot mit Schreiben vom 24.05.2012 an, ihr Angebot zu erläutern. Hierzu sah die Antragsgegnerin keine Veranlassung, da das Angebot aus ihrer Sicht eindeutig ist. Sie wies die Antragstellerin jedoch bereits darauf hin, dass es nicht den Anforderungen der Ausschreibung entspräche.

13

Mit Schreiben vom 25.05.2012 teilt das beauftragte Ingenieurbüro der Antragsgegnerin mit, dass mehrere Bieter die Bauweise "Bauwerk mit angehängter Unterwasserbetonsohle" als Nebenangebot eingereicht hätten. Nachdem es das Verfahren und die Risiken dargestellt hat, kommt das Büro zu dem Ergebnis, dass dem nichtunerheblichen wirtschaftlichen Vorteil dieser Konstruktion Vorrang gegenüber dem bei üblicher Nutzungsdauer solcher Bauwerke kalkulierbaren Restrisiken zu geben ist.

14

Dem Vergabevermerk des beauftragten Ingenieurbüros vom 29.05.2012 ist zu entnehmen, dass das Angebot der Antragstellerin nicht den technischen Anforderungen entspricht und von der Wertung ausgeschlossen wird. Gleiches gelte auch für die fünf Nebenangebote, da diese technisch auf dem Hauptangebot basieren. Zum Angebot der Beigeladenen zu 1 wurde festgehalten, dass das Nebenangebot berücksichtigt wird. Zum Angebot der Beigeladenen zu 2 wurde festgehalten, dass das Nebenangebot technisch nicht zugelassen wurde, da es eine Änderung des genehmigten Entwurfs vorsieht, die nicht erwünscht ist. Abschließend wurde festgehalten, dass nach Auswertung der Ermittlung der Gesamtpunktzahl aller Kriterien das Angebot der Beigeladenen zu 1 insgesamt xxxxxx Punkte erzielt und damit auf Rang 1 liegt. Das Angebot der Beigeladenen zu 2 liegt mit xxxxxx Punkten auf Rang 2. Das beauftragte Ingenieurbüro schlug vor, der Beigeladenen zu 1 den Zuschlag auf das Angebot mit Wertung des Nebenangebotes zu erteilen. Nachdem sich die Verwaltung dem Vorschlag offenbar angeschlossen hatte, stimmte der Verwaltungsausschuss in seiner Sitzung am 05.06.2012 dem Vorschlag einstimmig zu.

15

Bereits am 30.05.2012 informierte die Verwaltung die nicht berücksichtigten Bieter über die beabsichtigte Vergabe. Sie teilte der Antragstellerin mit, dass ihr Angebot wegen Abänderung der Verdingungsunterlagen gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1b i. V. m. § 13 Abs. 1 Nr. 5 VOB/A von der Wertung ausgeschlossen wurde. Auch die fünf Nebenangebote habe sie ausschließen müssen, da sie technisch auf dem Hauptangebot basieren. Mit Rügeschreiben vom 31.05.2012, eingegangen per Telefax bei der Antragsgegnerin am selben Tage, beanstandete die Antragstellerin den Ausschluss ihres Angebotes und die beabsichtigte Vergabe an die Beigeladene zu 1. Sie meint, dass die Herstellung zur Ausführung der Baugruben funktional ausgeschrieben wurde. Zur Begründung führt sie aus, dass nach den textlichen Festsetzungen im Vortext zur Position 01.03.0010 ausgeführt wird, dass die Ausführung in den Baugruben nach Wahl des Bieters erfolgen soll. Die Untergliederung in Grubenverbau, Grundwasserabsperrung, Grundwasserhaltung und Erdarbeiten seien nur Informationen für die Bieter und benennen nur mögliche Rahmenbedingungen für die zu erbringenden Leistungen. Hinzu käme, dass weder die Grundwasserabsperrung noch die Grundwasserhaltung von der Antragsgegnerin im Einzelnen beschrieben worden sei. Speziell bei der Grundwasserhaltung sei ergänzend mitgeteilt worden, dass die Grundwasserabsenkung innerhalb der Baugrube nach eigenem Ermessen je nach Ausführung erfolgen soll.

16

Die funktionale Leistungsbeschreibung ergäbe sich auch daraus, dass in sämtlichen Positionen das Risiko auf die Auftragnehmer übertragen werde. Entgegen den Aussagen im ursprünglichen Gutachten des Ingenieurbüros xxxxxx, nach dem eine Absenkung von 7 m bis 8 m innerhalb des Spundwandkastens noch als unzulässig angesehen wird, habe man in der Leistungsbeschreibung auf eine derartige Begrenzung verzichtet und die Grundwasserabdichtung in das Ermessen des Auftragnehmers gestellt. Damit korrespondiere auch die Erhöhung der nach dem Gutachter genannten Begrenzung der Grundwasserentsorgungsmenge auf 150 l/sec.

17

Ferner meint sie, dass ein Global-Pauschal-Vertrag vorliegt, da das quantitative Bausoll nicht detailliert vorgegeben sei. Diese Struktur des Leistungsverzeichnisses setzte sich in der Baubeschreibung fort. So werde darauf hingewiesen, dass die Entwässerung während der Bauphase durch den Auftragnehmer eigenverantwortlich sicherzustellen sei. Von einer zwingenden Grundwassersperre sei in der Baubeschreibung nicht einmal die Rede, zumal diese nur ein Baubehelf sei, die nur temporär eingesetzt werde, um den Baufortschritt zu realisieren. Sollte es sich z.B. durch günstige Witterungs- und sonstige Verhältnisse ergeben, dass eine Teilleistung nicht mehr erforderlich ist, stünde der Antragsgegnerin kein Anspruch auf "entfallene" Leistung zu.

18

Nachdem der Bevollmächtigte der Antragsgegnerin zu der Rüge mit Schreiben vom 06.06.2012 Stellung genommen hatte, beantragte die Antragstellerin mit Schreiben vom 08.06.2012, eingegangen in der Vergabekammer per Telefax am selben Tage, die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Sie ergänzt und vertieft ihren Vortrag in Bezug auf den bereits im Rügeschreiben gegenüber der Antragsgegnerin monierten Ausschluss ihres Angebotes. Sie vertritt die Auffassung, dass im Leistungsverzeichnis die herzustellende Troglage in drei unterschiedliche Positionen aufgeteilt war, abgetrennt nach den örtlichen Begebenheiten. Ferner seien die Bieter verpflichtet gewesen, eine umfangreiche Beschreibung der geplanten Ausführung einzureichen.

19

Sie weise auch darauf hin, dass aufgrund der Pauschalbeschreibung nur das Leistungsziel definiert worden sei, das sie erfülle. Sie gewährleiste durch ihre Ausführungsart eine Grundwasserabsperrung.

20

Selbst wenn man unterstellen würde, dass es sich nicht um eine funktionale Ausschreibung handelt, wäre ihr Angebot nicht auszuschließen gewesen, da sie durch die gewählte Art der Ausführung eine Grundwassersperre vorsieht. In ihrem Angebot sieht sie vor, dass eine unzulässige Grundwasserabsenkung außerhalb des Spundwandkastens nicht erfolgt. Der von ihr eingesetzte Nachunternehmer, der die Grundwasserabsenkung durchführen soll, habe für die Antragsgegnerin im Vorfeld Pumpversuche durchgeführt und dabei festgestellt, dass sich durch Rückrechnung der Pumpversuche eine 3-fach geringere Wasserdurchlässigkeit der vorhandenen Bodenschichten ergeben habe. Eine großflächig eingelagerte Lehmschicht, die linsenförmig im Baufeld liege, könne als Grundwasserträger verwandt werden. Innerhalb der Baugrube erfolge durch die Wasserhaltung eine Trockenlegung der Lehmlinse, so dass sich der Absenktrichter nicht nachteilig verhalte.

21

Soweit die Antragsgegnerin die Auffassung vertritt, dass eine Grundwasserabsperrung nur durch das Einbringen von Fremdmaterial möglich ist, sei das technisch unzutreffend. Sie verweist dazu auf die Empfehlungen des Arbeitskreises Baugruben (EAB). Danach lägen die Vorsetzungen vor, um die Bodenschicht hier als wasserundurchlässig anzusehen. Sie unterstütze die grundwassersperrende Funktion der Bodenschichten durch den Einbau einer Sauberkeitsschicht aus Beton in einer Güte, die als wasserdicht anzusehen sei.

22

Die Antragstellerin beantragt:

  1. 1.

    Der Antragsgegnerin wird untersagt, im Vergabeverfahren "Straßentrog inkl. Geh- und Radweg, mit Bahnüberführung, xxxxxx" den Zuschlag auf das Angebot der Bietergemeinschaft xxxxxx zu erteilen.

  2. 2.

    Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, die Wertung der Angebote unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen und insbesondere den Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin zurückzunehmen.

  3. 3.

    Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten der Antragstellerin wird für notwendig erklärt.

  4. 4.

    Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Nachprüfungsverfahrens.

23

Die Antragsgegnerin beantragt,

  1. 1.

    den Nachprüfungsantrag und auch die weiteren Anträge der Antragstellerin als unbegründet zurückzuweisen;

  2. 2.

    den Antrag auf Akteneinsicht zurückzuweisen;

  3. 3.

    der Antragstellerin die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der zur Rechtsverfolgung der Antragsgegnerin notwendigen Kosten aufzuerlegen und festzustellen, dass für die Antragsgegnerin die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war.

24

Die Antragsgegnerin tritt den Behauptungen und der Rechtsauffassung der Antragstellerin entgegen.

25

Sie hält den Nachprüfungsantrag für unbegründet, da das Angebot der Antragstellerin aufgrund der erläuternden Hinweise im Angebotsschreiben zwingend von der weiteren Wertung auszuschließen war. Entgegen ihren Vorgaben in den Ausschreibungsunterlagen beabsichtigt die Antragstellerin, auf die Ausführung einer Unterwasserbetonsohle im Sinne einer zwingend geforderten Grundwasserabsperrung verzichten zu wollen.

26

Immerhin räume die Antragstellerin ein, dass auch bei einer funktionalen Ausschreibung die konkreten technischen Rahmenbedingungen vorzugeben seien, damit alle Bieter die zu erbringenden Leistungen gleich verstehen. Zwar bestätige der Wortlaut der Leistungsbeschreibung, dass die Baugruben und Trogbauwerke funktional beschrieben wurden, allerdings sei für die Herstellung der Baugruben u. a. auch eine Grundwasserabsperrung zwingend vorgeschrieben. Nach allgemein sprachlichem Verständnis bestehe eine Grundwasserabsperrung darin, dass durch das Einbringen von Fremdmaterial in dem Baugrund ein Zustrom vom Wasser in die Baugrube (weitestgehend) verhindert werden soll. Dabei werde die Sohle durch dichtende Verfahren, wie Injektionssohle, Unterwasserbeton bzw. Gelsohle abgedichtet. Von den Bietern, die ein Angebot eingereicht haben, hätte nur die Antragstellerin die Vorgaben so verstanden, dass auf eine horizontale Abdichtung bei angeblich dichtenden Bodenschichten und entsprechend langen Spundwänden verzichtet werden könne.

27

Sie habe gerade im Vorfeld diesen Punkt untersuchen lassen. Den beigefügten Gutachten sei zu entnehmen, dass man davon abgeraten habe, auf eine horizontale Grundwasserabsperrung zu verzichten. Die von ihr geforderte horizontale Grundwasserabsperrung im Sinne einer Dichtsohle diene der Vermeidung von Schäden und der schwer kalkulierbaren Risiken an Bauwerken der Umgebung. Soweit sie die Grundwasserabsenkung innerhalb der Baugrube im Ermessen der Ausführungsvariante der einzelnen Bieter überlassen habe, hat das keine Folge, dass etwa auf die an anderer Stelle zitierte zwingend vorgegebene Dichtsohle der Baugrube verzichtet werden könne. Eine Trockenlegung der Baugrube ausschließlich über die Grundwasserhaltung unter Verzicht auf eine Grundwasserabsperrung enthalte erhebliche Risikopotenziale für die benachbarte Bebauung auf den angrenzenden Grundstücken.

28

Die Beigeladene zu 1 beantragt,

  1. 1.

    den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen;

  2. 2.

    die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten der Beigeladenen zu 1 für notwendig zu erklären;

  3. 3.

    der Antragstellerin die Kosten des Nachprüfungsverfahrens sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen zu 1 aufzuerlegen.

29

Sie unterstützt den Vortrag der Antragsgegnerin zur Unbegründetheit des Nachprüfungsantrages. Sie weist darauf hin, dass das Baukonzept einer Grundwasserabsperrung einerseits und einer Grundwasserabsenkung andererseits nicht alternativ nebeneinander stehen. Dies folge u. a. auch aus der kumulativen Aufzählung.

30

Sie weist darauf hin, dass durch die funktionale Ausschreibung dem Bieter die Möglichkeit eröffnet werden solle, eine geeignete Dichtsohle auszuwählen, keinesfalls sollte aber auf eine horizontale Absperrung in Form einer Dichtsohle verzichtet werden. Die Angaben im Leistungsverzeichnis in Verbindung mit dem geotechnischen Bericht Nr. 1 vom 10. Februar 2011 seien insoweit unmissverständlich.

31

Die Beigeladene zu 2 beantragt ebenfalls,

den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen.

32

Sie unterstützt den Vortrag der Antragsgegnerin hinsichtlich der Unbegründetheit des Nachprüfungsantrages. Sie vertritt die Auffassung, dass die Antragsgegnerin bewusst nicht auf eine horizontale Grundwasserabsperrung verzichten wollte, da bei einem Verzicht ein Hinweis in den Ausschreibungsunterlagen erforderlich ist.

33

Die Vergabekammer hat mit Verfügung des Vorsitzenden vom 02.07.2012 gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 GWB die Frist für die abschließende Entscheidung der Vergabekammer in diesem Nachprüfungsverfahren über die gesetzliche 5-Wochen-Frist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 GWB) hinaus bis zum 24.07.2012 verlängert.

34

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 11.07.2012 Bezug genommen.

35

II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, aber unbegründet. Die Antragsgegnerin hat das Angebot der Antragstellerin zu Recht wegen Änderungen an den Vergabeunterlagen gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. b VOB/A i. V. m. § 13 Abs. 1 Nr. 5 VOB/A von der Angebotswertung ausgeschlossen. Die Antragstellerin ist in ihrem Angebot vom 12.05.2012 von den bindenden Vorgaben der Vergabeunterlagen abgewichen, indem sie in ihrem Angebotsschreiben erklärt hat, dass sie auf die Ausführung einer künstlichen horizontalen Grundwasserabsperrung in Form einer Unterwasserbetonsohle verzichtet und auch keine alternative Grundwasserabsperrung in Form einer Injektionssohle angeboten hat. Aus den von der Antragsgegnerin eingeholten Baugrundgutachten, die sie den Vergabeunterlagen beigefügt hat und auch ausdrücklich zum Gegenstand der Vergabeunterlagen gemacht hat, ergab sich für die Bieter die Notwendigkeit der Ausführung einer horizontalen Grundwasserabsperrung. Die Antragsgegnerin hat sich bei der Beurteilung des Angebotes der Antragstellerin im Rahmen ihres vergaberechtlich eingeräumten Ermessens gehalten, als sie davon ausgegangen ist, dass ohne die Ausführung einer horizontalen Grundwasserabsperrung durch Einbringung von Fremdmaterial in den Baugrund die Grenzen der außerhalb des Bauwerks tolerierbaren Grundwasserabsenkung überschritten werden und erhöhte Risiken an den Bauwerken der Umgebung zu besorgen sind. Die Antragsgegnerin ist daher auch nicht gehalten, die von der Antragstellerin angebotene Bauausführung als von den vorgesehenen technischen Spezifikationen zwar abweichende, aber gemäß § 13 Abs. 2 VOB/A mit dem geforderten Schutzniveau in Bezug auf Sicherheit, Gesundheit und Gebrauchstauglichkeit gleichwertige Leistung zu akzeptieren.

36

1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei der Antragsgegnerin handelt es sich um eine öffentliche Auftraggeberin im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Bauauftrag im Sinne des § 1 VOB/A, für den gemäß § 2 Nr. 3 VgV in der zur Zeit der Bekanntmachung des vorliegenden Vergabeverfahrens am xxxxxx2012 geltenden Fassung der VOB/A 2009 ein Schwellenwert von 4.845.000 € gilt. Der Wert des hier streitgegenständlichen Trogbauwerks wurde von der Antragsgegnerin ausweislich eines in der Vergabeakte (Vergabeordner Straßentrog Nr. 2) als Anlage zu TOP 1 des Protokolls über die Sitzung des Verwaltungsausschusses der Antragsgegnerin vom 05.06.2012 beigefügten Kostenberechnung der mit der Begleitung des Vergabeverfahrens beauftragten xxxxxx auf über xxxxxx € (brutto) geschätzt.

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Die Antragstellerin ist auch gemäß § 107 Abs. 1 GWB antragsbefugt, da sie als Bieterin im Vergabeverfahren ein Interesse am Auftrag hat und die Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie die Auffassung vertritt, dass die Antragsgegnerin ihr Angebot zu Unrecht von der Angebotswertung ausgeschlossen hat. Sie hat dargelegt, warum ihrer Auffassung nach die Voraussetzungen für einen Angebotsausschluss nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. b VOB/A i. V. m. § 13 Abs. 1 Nr. 5 VOB/A wegen vermeintlicher Abweichung von den Vorgaben der Vergabeunterlagen nicht vorliegen und die von ihr angebotene Ausführung auch hinsichtlich der Grundwasserabsperrung mit den insoweit funktional festgelegten Anforderungen der Leistungsbeschreibung und der Baubeschreibung im Einklang steht. Selbst wenn man unterstelle, dass es sich nicht um eine funktionale Ausschreibung handele, sei ihr Angebot nicht auszuschließen, da sie durch die gewählte Art der Ausführung eine Grundwassersperre vorsehe. Eine großflächig eingelagerte Lehmschicht, die linsenförmig im Baufeld liege, könne als Grundwasserträger verwandt werden. Die Auftraggeberin habe in den Vergabeunterlagen nicht gefordert, eine Grundwasserabsperrung in Form einer Betonsohle oder einer Injektionssohle zu führen. Voraussetzung für die Antragsbefugnis gemäß § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das Antrag stellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 107, Rdnr. 52). Nach herrschender Meinung und Rechtsprechung sind an diese Voraussetzung keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrages, wenn der Bieter schlüssig einen durch die Rechtsverletzung drohenden oder eingetretenen Schaden behauptet, also darlegt, dass durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß seine Chancen auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein können (vgl. BVerfG, Urteil vom 29.07.2004 - 2 BvR 2248/03; Möllenkamp in: Kulartz/Kus/Portz, GWB Vergaberecht, § 107, Rdnr. 35 ff.). Ob tatsächlich der vom Bieter behauptete Schaden droht, ist eine Frage der Begründetheit (vgl. BGH, Beschluss vom 29.05.2006 - X ZB 14/06). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtschutzbedürfnis dargelegt, indem sie vorträgt, dass sie bei aus ihrer Sicht gebotener Berücksichtigung ihres Angebotes eine Chance auf Erhalt des Zuschlags gehabt hätte. Es ist im Übrigen nicht erforderlich, dass ein Antragsteller schlüssig darlegt, dass er bei vergabekonformem Verhalten des Auftraggebers den Zuschlag auch tatsächlich erhalten würde (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.04.1999 - Az.: Verg 1/99).

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Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer den geltend gemachten Verstoß gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren gegenüber der Antragsgegnerin unverzüglich zu rügen. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Bieters von den Tatsachen. Die Antragstellerin wurde durch die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 30.05.2012 gemäߧ 101a GWB darüber informiert, dass ihr Angebot nicht berücksichtigt werden soll. Das Angebot werde wegen Abänderung der Verdingungsunterlagen gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1b VOB/A i. V. m. § 13 Abs. 1 Nr. 5 VOB/A von der Wertung ausgeschlossen. Ebenso werden die fünf Nebenangebote ausgeschlossen, da sie technisch auf dem Hauptangebot basieren und deshalb ebenso wenig den technischen Anforderungen genügen. Daraufhin rügte die Antragstellerin bereits mit Anwaltsschriftsatz vom 31.05.2012 diese Entscheidung und erläuterte ausführlich, warum sie davon ausgeht, dass sie mit ihrem Angebot von den Festlegungen der Vergabeunterlagen nicht abweicht. Diese nur innerhalb von einem Tag nach Erhalt der ablehnenden Information der Antragsgegnerin gemäß § 101a GWB abgesetzte Rüge erfolgte unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB. Als unverzüglich in diesem Sinne gilt grundsätzlich ein Zeitraum innerhalb von ein bis drei Tagen nach positiver Kenntnisnahme (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 18.09.2003, Az.: 1 Verg 4/03; Bechtold, GWB, § 107, Rdnr. 2). Es kann daher vorliegend dahin stehen, ob die Präklusionsregel gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urteile vom 28.01.2010 in den Rs. C-406/08 und C-456/08) überhaupt noch anwendbar ist (bejahend OLG Dresden, Beschluss vom 07.05.2010, Az.: WVerg 6/2010, und OLG Rostock, Beschluss vom 20.10.2010, Az.: 17 Verg5/10, zitiert nach ibr-online; offen gelassen noch OLG Celle, Beschluss vom 16.09.2010, Az.: 13 Verg 8/10).

39

2. Der Nachprüfungsantrag ist jedoch unbegründet. Die Entscheidung der Antragsgegnerin, das Hauptangebot und die darauf aufbauenden Nebenangebote der Antragstellerin von der Angebotswertung auszuschließen, verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten im Sinne der§§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB. Die Voraussetzungen für einen Angebotsausschluss gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. b VOB/A i. V. m. § 13 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 VOB/A liegen vor. Die Antragstellerin ist von den verbindlichen Festlegungen der Vergabeunterlagen abgewichen, indem sie in ihrem Angebotsschreiben erklärt hat, dass sie auf die Ausführung einer künstlichen horizontalen Grundwasserabsperrung in Form einer Unterwasserbetonsohle oder einer Injektionssohle verzichtet. Aus den den Vergabeunterlagen beigefügten, vom Auftraggeber eingeholten Baugrundgutachten ergab sich aber eindeutig, dass die Gutachter von der Notwendigkeit einer horizontalen Grundwasserabsperrung in Form einer Unterwasserbetonsohle oder eine Injektionssohle zusätzlich zu der ohnehin auszuführenden vertikalen Grundwasserabsperrung in Form von annähernd wasserdichten Spundwänden für erforderlich halten, um eine möglichst grundwasserschonende Bauausführung mit einem möglichst geringen Absenkungstrichter zu gewährleisten. Diese Baugrundgutachten wiederum hatte die Antragsgegnerin durch Ziffer 1.1 und Ziffer 1.2 der Baubeschreibung und im Leistungsverzeichnis, Abschnitt Baugruben, Block 16 bis 20 und 18 bis 25/28, und insbesondere den dortigen Pos. 01.03.10 und 01.03.20 zum verbindlichen Bestandteil der Vergabeunterlagen gemacht (im Folgenden a). Der von der Antragstellerin angebotene Verzicht auf die Errichtung einer horizontalen Grundwasserabsperrung in Form einer Unterwasserbetonsohle oder einer Injektionssohle stellt auch keine von den vorgesehenen technischen Spezifikationen abweichende, aber in Bezug auf Sicherheit und Gebrauchstauglichkeit gleichwertige Leistung im Sinne des § 13 Abs. 2 VOB/A dar, die die Antragsgegnerin akzeptieren müsste. Weder aus den Erläuterungen der Antragstellerin im Angebotsanschreiben noch aus den von der Antragstellerin im Zuge des Nachprüfungsverfahrens vorgelegten gutachterlichen Stellungnahme der mit den im Zuge der Erstellung der Baugrundgutachten durchzuführenden Pumpversuchen befassten Fa. xxxxxx vom 22.06.2012 ergibt sich die notwendige Gleichwertigkeit der von der Antragstellerin angebotenen Art der Ausführung gegenüber den Vorgaben der Bodengutachten (im Folgenden b).

40

a) Gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. b VOB/A i. V. m. § 13 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 VOB/A sind Angebote, bei denen Änderungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen wurden, zwingend von der Angebotswertung auszuschließen. Das Verbot der Änderung der Vorgaben der Vergabeunterlagen trägt dem Umstand Rechnung, dass ein fairer Wettbewerb vergleichbare Angebote verlangt. Der Regelungszweck des § 13 Abs. 1 Nr. 5 VOB/A besteht daher zunächst darin, das Zustandekommen eines wirksamen Vertrages mit übereinstimmenden Willenserklärungen zu gewährleisten. Zudem soll durch diese Bestimmung die Transparenz des Vergabeverfahrens und die Gleichbehandlung aller Bieter sichergestellt werden: Jeder Bieter darf nur anbieten, was der öffentliche Auftraggeber nachgefragt hat und sich nicht durch eine Abweichung von den Vergabeunterlagen einen (kalkulatorischen) Vorteil verschaffen (vgl. Frister in: Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 3. Auflage, § 16 VOB/A, Rdnr. 9; Rusam in: Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 11. Auflage, A § 21, Rdnr. 11, m. w. N.). Der durch eine Ausschreibung eröffnete Wettbewerb kann nur dann gewährleistet werden, wenn Änderungen an den Verdingungsunterlagen unterbunden werden, weil andernfalls die Vergleichbarkeit der Angebote leidet. Angebote, die gegen § 13 Abs. 1 Nr. 5 VOB/A verstoßen, müssen deshalb von der Wertung ausgeschlossen werden (vgl. zur insoweit identischen Vorgängerregelung § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOB/A bereitsBGH, Urteil vom 08.09.1998, Az.: X ZR 109/96 = NJW 1998, S. 3644 ff., 3645). Nur wenn Änderungen an den Vergabeunterlagen ausgeschlossen werden, wird der transparente und diskriminierungsfreie Wettbewerb der Bieter gewährleistet (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.10.2003, Az.: Verg 49/02, zitiert nach ibr-online). Die Bieter müssen daher grundsätzlich davon ausgehen, dass der Auftraggeber die Leistung auch so angeboten haben will, wie er sie in den Verdingungsunterlagen festgelegt hat (vgl. Franke/Grünhagen, VOB, 2. Auflage, § 21 VOB/A, Rdnr. 140). Wollen oder können die Bewerber die Leistung nicht nach Maßgabe der Verdingungsunterlagen anbieten, so steht es ihnen frei, Änderungsvorschläge oder Nebenangebote zu unterbreiten, sofern sie nicht vom Auftraggeber ausdrücklich ausgeschlossen wurden. Weicht der Bieter dagegen im Rahmen seines Angebots von den Vorgaben der Vergabeunterlagen ab, so führt dies zum zwingenden Ausschluss nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. b VOB/A. Diesem Regelungs- und Schutzzweck entspricht dabei ein weites Verständnis des Begriffs der "Änderung". Eine solche liegt immer vor, wenn das Angebot von den Vergabeunterlagen abweicht, also immer dann, wenn Angebot und Nachfrage sich nicht decken (vgl. BGH, VergabeR 2007, S. 73 ff., 74 [BGH 01.08.2006 - X ZR 115/04]; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.03.2006, VII-Verg 77/05; Frister, a. a. O., § 16 VOB/A, Rdnr. 9).

41

Zur Entscheidung der Frage, ob ein Bieter im Angebot von den Vorgaben der Vergabeunterlagen abgewichen ist, sind die Vergabeunterlagen ggf. aus der objektiven Sicht eines verständigen und fachkundigen Bieters, der mit der Erbringung der ausgeschriebenen Leistung vertraut ist, auszulegen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.06.2004, VII-Verg 20/04).

42

Die Antragsgegnerin hatte unter Nr. 7 ihrer Aufforderung zur Abgabe eines Angebots festgelegt, dass Angebote der Baugruben als Hauptangebot entsprechend der Ausschreibung einzureichen sind. Bei Veränderungen am Trogbauwerk sind die Baugruben und die betroffenen Teile des Trogbauwerks als Nebenangebot einzureichen. Zur Ausführung hat die Antragsgegnerin in der Baubeschreibung unter Ziffer 1.1 - Auszuführende Leistungen - u. a. Folgendes festgelegt:

"Genaue Angaben zum Untergrund sind dem beigefügten Bodengutachten zu entnehmen. Die Entwässerung während der Bauphase ist durch den AN eigenverantwortlich sicherzustellen. Die Ausführung der Baugrube, Grundwasserhaltung und -abführung etc. sind im Leistungsverzeichnis als funktional beschriebene Position enthalten."

43

Weiter heißt es in der Baubeschreibung unter Ziffer 1.2 - Ausgeführte Vorarbeiten:

"An den betreffenden umliegenden Gebäuden werden die erforderlichen Beweissicherungsmaßnahmen seitens des Bauherrn durchgeführt. Grundlage sind die Ergebnisse aus den Bodengutachten zum darin aufgeführten GW-Absenktrichter. ...Der Auftraggeber stellt dem Auftragnehmer folgende Baugrundgutachten zur Verfügung:

- xxxxxx, geotechnischer Bericht vom 06.10.2006 und geotechnischer Bericht vom 25.06.2007

- xxxxxx, geotechnischer Bericht vom 10.02.2011

- xxxxxx, Ergebnisbericht vom 07.12.2010

Während der Baumaßnahme erfolgt die Begleitung durch das Gutachterbüro."

44

(Hervorhebung durch die Vergabekammer)

45

Im Leistungsverzeichnis ist im Abschnitt Baugruben, Block 16 bis 2 + 18 bis 25/28 (S. 18 des LV) ausgeführt:

"Die erforderlichen Baugruben sind in den Pos. 01.03.10 + 01.03.20 + 02.03.10 funktional ausgeschrieben. Ausführung nach Wahl des Bieters. Angebote der Baugruben mit umfangreichen Angaben zum Grubenverbau, zur Grundwassersperre und zur Grundwasserhaltung als Hauptangebot entsprechend der Ausschreibung einreichen.

Mit dem Angebot sind umfangreiche Beschreibungen über die geplante Ausführung einzureichen mit Angaben zu den Themen

- Bauverfahren

- Baukonzept (Art und Umfang der Wasserhaltung/Grundwasserabsenkung etc.)

- Geräteeinsatz

- Umweltschutz (Schallimmissionen, Erschütterungen, etc.)"

46

Die konkreten Anforderungen zur Grundwasserabsperrung sind in den Pos. 01.03.10 + 01.03.20 genannt. Dort heißt es:

"Die erforderlichen Angaben zum Grubenverbau, zur Grundwasserabsperrung, zur Grundwasserhaltung und zu den Erdarbeiten sind den Gutachten der Anlage zu entnehmen."

47

Entscheidende Festlegungen zur Grundwasserabsperrung und zur damit bezweckten Beschränkung der Grundwasserabsenkung enthält darüber hinaus auch die zur Bahnüberführung Block 17 gehörende Pos. 02.03.0010 "Baugrube Block 17 einschl. Widerlager". Dort ist festgelegt:

"Angaben zur Grundwasserabsperrung: Ausführung nach Wahl des AN evtl. in der Sperrpause. Grundwasserabsenkungaußerhalb der Baugrube nicht unter +29,50 m NN an der Außenkante vom Grubenverbau. Grundwasserabsenkunginnerhalb der Baugrube nach eigenem Ermessen je nach Ausführung. Die Grundwasserhorizonte können miteinander verbunden sein."

48

(Hervorhebungen durch die Vergabekammer)

49

Die Antragstellerin hat in ihrem Angebotsschreiben vom 12.05.2012 unter Nr. 1 darauf hingewiesen, dass sie davon ausgeht, dass die Grundwasserhaltung auch ohne Ausführung einer Unterwasserbetonsohle gewährleistet werden kann. Dort heißt es:

"Für die Sicherung der Baugrube ist die Ausführung mit Spundwänden unterschiedlicher Dimensionen einschließlich deren Verankerung geplant. Die Grundwasserhaltung wird nur innerhalb des Spundwandkastens realisiert. Gemäß unseren Vorermittlungen wird die Anlage so dimensioniert, dass die Baugrube trocken gelegt wird. Somit kann auf die Trockenlegung des Aushubs und die Ausführung der Unterwasserbetonsohle verzichtet werden. Die Details zu den einzelnen Gewerken werden nachfolgend gesondert beschrieben."

50

Unter Nr. 3 hat die Antragstellerin dann die Wasserhaltung in drei Abschnitten (OK Baugrube bis Lehmschicht, Lehmschicht bis Endtiefe Baugrube und Ebene Baugrube) beschrieben. Dort werden insbesondere die vorgesehenen Spülfilter, die zu setzenden Absenkbrunnen und Details wie die Anordnung der Pumpensümpfe beschrieben. Abschließend heißt es dort:

"Die Entwässerung der ... -spülfilter erfolgt mit Vakuumpumpen/Brunnenpumpen in bedarfsgerechter Anzahl und die Einleitung des geförderten Grundwassers erfolgt über einen Regenwasserschacht ...".

51

Ausführungen zu einer alternativ vorgesehenen Grundwasserabsperrung oder ein Hinweis auf die Nutzung einer etwa vorhandenen natürlichen Grundwasserabsperrung durch bindige Lehmschichten oder ähnliches sind in den Erläuterungen im Angebotsschreiben nicht enthalten.

52

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin konnten die Bieter die Tatsache, dass die Antragsgegnerin die Ausführung der Baugrube, Grundwasserhaltung und -abführung im Leistungsverzeichnis als funktional beschriebene Positionen aufgenommen und darauf hingewiesen hat, dass die Entwässerung während der Bauphase durch den Auftragnehmer eigenverantwortlich sicherzustellen ist, nicht zum Anlass nehmen, auf die Ausführung einer horizontalen Grundwasserabsperrung durch eine Unterwasserbetonsohle oder einer sonstigen geeigneten künstlichen Absperrung wie z. B. einer Injektionssohle völlig zu verzichten und sich darauf zu verlassen, dass die Begrenzung der Grundwasserabsenkung außerhalb der Baugrube allein durch die vertikale Grundwasserabsperrung in Form der Spundwände und einer natürlichen Grundwasserabsperrung in Form von bindigen Bodenschichten zu ermöglichen. Zu derartigen Überlegungen und Ergebnissen geben die drei Bodengutachten, die die Antragsgegnerin den Bietern in der Baubeschreibung und im Leistungsverzeichnis verbindlich vorgegeben hat, keinen Anhaltspunkt.

53

Bereits in seinem geotechnischen Bericht vom 05.10.2006 (Vergabeakte Ordner "4 St. Bodengutachten, Anlage zur Ausschreibung") hat das Gutachterbüro xxxxxx unter 4.2 Genereller Gründungsvorschlag auf S. 13 darauf hingewiesen, dass mit den Drucksondierungen bis t max. 21 m nur wasserdurchlässige Böden nachgewiesen wurden, so dass eine grundwasserschonende Ausführung der Baugrube mit Einbindung wasserdichter Wände in einen gewachsenen Wasserstauer hier nicht möglich sei. Weiter heißt es auf S. 14 in dem geotechnischen Bericht:

"Eine Absenkung des Grundwassers führt bei den gegebenen Verhältnissen mit Absenkmaßnahmen s = 7,0 bis 8,0 m auch bei einem Betrieb der GW-Absenkung innerhalb eines Spundwandkastens in Abhängigkeit von der Durchlässigkeit des Bodens zu Reichweiten R = 100 bis 250 m und zu Absenkmaßen s < = 5,0 m außerhalb der Baugrube. Hieraus sind Verformungen der schlecht tragfähigen Schichten infolge Wasserentzug zu erwarten, die mit Setzungen benachbarter Gebäude und nur schwer kalkulierbaren Risiken verbunden sind."

54

Weiter heißt es auf S. 15:

"Zusammenfassend empfehlen wir aus den vorstehend beschriebenen Gründen die Ausführung der Baugrube in grundwasserschonender Bauweise mit einer annähernd wasserdichten Spundwand in Verbindung mit einer Unterwasserbetonsohle."

55

In seinem ebenfalls den Vergabeunterlagen beigefügten geotechnischen Bericht vom 25. Juni 2007 stellt das Gutachterbüro xxxxxx in der Zusammenfassung auf S. 15, 16 u. a. fest:

"Die Grundwasserverhältnisse sind gekennzeichnet durch einen oberen, freien und durch einen unteren gespannten Grundwasserleiter. Der untere Grundwasserleiter ist stark durchlässig und als maßgebend für das Bauvorhaben einzustufen. Sein Grundwasserspiegel liegt mit Absoluthöhen bis +33 m NN nur knapp unter Geländeniveau. ...

Aus den Ergebnissen der GW-Absenkungsberechnungen ergeht die Empfehlung, das gewählte Absenkmaß s = 3,50 m als maximales Absenkmaß festzulegen, um die Reichweiten, Fördermengen und Einflüsse auf benachbarte Bauwerke zu begrenzen."

56

Der aktuellste, den Vergabeunterlagen beigefügte geotechnische Bericht der xxxxxx vom 10.02.2011 bestätigt die Feststellungen der vorangegangen Gutachten und enthält ergänzende, aber damit korrespondierende Feststellungen und Empfehlungen. Zur Baugrundsituation heißt es dort auf S. 24:

"Gemäß den vorliegenden Planunterlagen zu dem geplanten Trogbauwerk schneidet der Trog an der tiefsten Stelle im Bereich des Bahngleises ca. 10 m in das vorhandene Gelände ein. Aufgrund dieser Randbedingungen muss für das geplante Bauwerk in großen Bereichen eine grundwasserabsenkungsfreie Lösung gewählt werden. Nach den vorliegenden Baugrunderkundungen ist bis zur maximalen Erkundungstiefe von ca. 25 m kein natürlicher Grundwasserstauer vorhanden.

Aufgrund dieser Randbedingungen ist die Ausführung einer wasserdichten Baugrube erforderlich. Die Wasserdichtigkeit wird hierbei durch eine wasserundurchlässige Umschließung der Baugrube aus vertikal abdichtenden Baugrubenwänden sowie einer geeigneten Dichtsohle erreicht."

57

Unter 5.3.2 auf S.26 nennt das xxxxxx die aus seiner Sicht für die horizontale Absperrung in Betracht kommenden Alternativen. Dort heißt es:

"Für die Ausführung horizontaler Dichtsohlen sind folgende Verfahren möglich:

-Unterwasserbetonsohle mit Rückenverankerung

-tiefliegende Injektionssohle"

58

In der Folge erläutert das xxxxxx beide Abdichtungsverfahren. Unter Nr. 5.4.2 auf S. 29 ff. nennt der Gutachter noch einmal die Vor- und Nachteile der von ihm vorgeschlagenen Verfahren zur Herstellung von Dichtsohlen. Abschließend schließlich in der Zusammenfassung auf S. 42 hält das xxxxxx noch einmal fest:

"Aufgrund der Baugrund- und Grundwasserverhältnisse wird es erforderlich, das Trogbauwerk als grundwasserabsenkungsfreie Lösung mit abdichtenden Wänden sowie einer Sohldichtung auszuführen."

59

Angesichts dieser eindeutigen, miteinander korrespondierenden Feststellungen und Empfehlungen der drei Baugrundgutachten, deren Beachtung die Antragsgegnerin den Bietern mit der Baubeschreibung und dem Leistungsverzeichnis vorgegeben hatte, durfte ein fachkundiger Bieter auch bei allem Spielraum, den eine funktional beschriebene Leistungsposition für die Angebotskalkulation lässt, nicht davon ausgehen, dass die Bauausführung auch unter völligem Verzicht auf eine künstliche horizontale Grundwasserabsperrung zulässig sein würde. Vielmehr ging aus den Vergabeunterlagen deutlich hervor, dass die Auftraggeberin erwartete, dass die Begrenzung der Grundwasserabsenkung außerhalb der Baugrube nicht unter +29,50 m NN durch eine Unterwasserbetonsohle oder eine ähnliche horizontale Grundwasserabsperrung gewährleistet wird. Das Angebot der Antragstellerin ändert somit in diesem Punkt die Vergabeunterlagen im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 5 VOB/A ab.

60

b) Der von der Antragstellerin angebotene Verzicht auf die Ausführung einer künstlichen horizontalen Grundwasserabsperrung in Form einer Unterwasserbetonsohle oder einer Injektionssohle stellt auch keine lediglich von den technischen Spezifikationen abweichende, aber in Bezug auf Sicherheit und Gebrauchstauglichkeit gleichwertige Leistung im Sinne des § 13 Abs. 2 VOB/A dar, die die Antragsgegnerin akzeptieren müsste. Die Vorschrift verfolgt den Zweck, die öffentlichen Beschaffungsmärkte für den gemeinsamen gemeinschaftsweiten Wettbewerb zu öffnen. Einerseits soll den Auftraggebern erlaubt sein, genormte technische Spezifikationen oder - wie im vorliegenden Fall - solche in Form von bestimmten Leistungs- oder Funktionsanforderungen aufzustellen. Andererseits soll Bietern aber gestattet werden, Angebote einzureichen, welche die Vielfalt der auf dem Binnenmarkt gegebenen, technischen Lösungsmöglichkeiten ausnutzen und dabei von den vom Auftraggeber bestimmten technischen Spezifikationen abweichen. Solche Angebote sollen nicht ausgeschlossen werden dürfen, sondern die Bieter sollen die Möglichkeit haben, die Gleichwertigkeit der angebotenen Lösung zu belegen (vgl. Dittmann/Dicks in: Kulartz/Marx/Portz/ Prieß, VOB/A, § 13, Rdnr. 108). Der Auftraggeber soll gezwungen werden, sich mit derartigen Angeboten auf der Grundlage gleichwertiger Lösungen auseinanderzusetzen (vgl. Erwägungsgrund Nr. 29 zu Art. 23 der Richtlinie 2004/18/EG). Technische Anforderungen kann der Auftraggeber dabei durch Bezugnahme auf Normen (Anhang TS Nr. 1 und Nr. 2 zur VOB/A) oder durch individuelle Leistungs- oder Funktionsanforderungen oder durch eine Kombination derselben festlegen (§ 7 Abs. 3 und 4 VOB/A). Werden technische Spezifikationen - wie im vorliegenden Fall bezüglich der Grundwasserabsperrung - in Form von Leistungs- oder Funktionsanforderungen formuliert, so sind diese gemäß § 7 Abs. 4 Nr. 2 VOB/A so genau zu fassen, dass sie den Unternehmen ein klares Bild vom Auftragsgegenstand vermitteln und dem Auftraggeber die Erteilung des Zuschlags ermöglichen. Nach Auffassung der Vergabekammer genügen die Vergabeunterlagen - wie oben unter 2.a erläutert - diesen Transparenzanforderungen, da aus den zwingend zu beachtenden Baugrundgutachten eindeutig das Erfordernis einer auszuführenden künstlichen horizontalen Grundwasserabsperrung hervorging.

61

§ 13 Abs. 2 Satz 3 VOB/A belastet den Bieter wiederum jedoch damit, die Gleichwertigkeit mit dem Angebot nachzuweisen. Der Gleichwertigkeitsnachweis muss sich dabei auf die Mindesterfordernisse der Sicherheit, Gesundheit und Gebrauchstauglichkeit beziehen. Darüber, in welcher Weise die Gleichwertigkeit nachzuweisen ist, enthält die Vorschrift keine Festlegung (vgl. Dicks/Dittmann, a. a. O., § 13, Rdnr. 114). Gemäß § 7 Abs. 5 Satz 2 VOB/A kann als geeignetes Mittel aber z.B. eine technische Beschreibung des Herstellers oder ein Prüfbericht einer anerkannten Stelle gelten.

62

Die Antragstellerin hat einen derartigen Gleichwertigkeitsnachweis vorliegend nicht erbracht. Sie hat in ihrem Angebotsschreiben vom 12.05.2012 erklärt, dass die Grundwasserhaltung nur innerhalb des Spundwasserkastens realisiert werden soll, und gemäß ihrer Vorermittlungen werde die Anlage so dimensioniert, dass die Baugrube trocken gelegt wird. Deshalb könne auf die Trockenlegung des Aushubs und die Ausführung der Unterwasserbetonsohle verzichtet werden. Zu den Details zu den einzelnen Gewerken hat die Antragstellerin auf die nachfolgenden Ausführungen verwiesen. Unter Nr. 3 ihres Angebotsschreibens hat sie sodann die von ihr beabsichtigte Ausführung der Wasserhaltung erläutert. Aus den Erläuterungen ergibt sich eine Realisierung in drei Abschnitten (Oberkante Baugrube bis Lehmschicht, Lehmschicht bis Endtiefe Baugrube und Ebene Baugrube). Dargestellt werden die einzusetzenden Pumpen und Drainagesysteme. Hinweise darauf, dass die Antragstellerin die Ausführung einer Unterwasserbetonsohle deshalb für entbehrlich hält, weil die vorzufindenden Boden- und Grundwasserverhältnisse vor Ort dies zulassen, enthält das Angebot der Antragstellerin dagegen nicht. Diese Begründung bzw. Auffassung hat die Antragstellerin erst in ihrem ergänzenden Rügeschreiben vom 05.06.2012 und nachfolgend im Zuge des Nachprüfungsverfahrens erläutert. In ihrem Rügeschreiben vom 05.06.2012 hat die Antragstellerin erklärt, dass ihr Angebot eine Grundwasserabsperrung berücksichtigt. Die Grundwasserabsperrung erfolge durch die angebotenen Stahlspundwände. Die Stahlspundwände werden danach teilweise bis in die Ebene des Geschiebelehms ausgeführt. Aus dem geologischen Längsschnitt ergäben sich Schichten mit Geschiebelehm, die teilweise als natürliche horizontale Grundwasserabsperrung dienen. Als eigentliche Grundwasserabsperrung dienen danach die Stahlspundwände, die hinsichtlich ihrer Länge insoweit optimal dimensioniert seien. Aufgrund der vorgesehenen Länge der Stahlspundwände werde nachströmendes Grundwasser reduziert und trotzdem anfallendes Wasser durch die Brunnen abgeführt. Durch die längere Ausführung der Stahlspundwände reduziere sich deutlich eine Trichterbildung, so dass die gewählte Ausführungsart als risikolos anzusehen sei. Ferner wies die Antragsstellerin die Antragsgegnerin darauf hin, dass sie als Nachunternehmer die Fa. xxxxxx habe gewinnen können. Dabei handele es sich um den Fachunternehmer, der bereits den Pumpversuch im Auftrage der Antragsgegnerin durchgeführt habe. Die Fa. xxxxxx verfüge damit nicht nur über spezifische örtliche Kenntnisse, sondern sei als Fachunternehmen bereits mit vergleichbaren Bauvorhaben erfolgreich tätig gewesen. Im Zuge des Nachprüfungsverfahrens hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 02.07.2012 darauf hingewiesen, dass nach den Empfehlungen des Arbeitskreises Baugruben (EAB), die Vertragsbestandteil werden, eine Grundwasserabsperrung nicht immer und ausschließlich durch Einbringung von Fremdmaterial zu realisieren ist bzw. realisiert werden muss. Da nach den Ausschreibungsbedingungen - unstreitig - die ZTV-ING gelten, und die ZTV-ING wiederum auf die EAB verweist, gelten auch die Vorgaben der EAB. Nach diesen Empfehlungen sei eine Bodenschicht als annähernd wasserundurchlässig zu bezeichnen, wenn sie eine geringere Durchlässigkeit von mindestens zwei Zehnerpotenzen als der übrige Boden aufweist. Die Antragstellerin weist darauf hin, dass die Schmelzwassersande im Baugrund laut Gutachten einen K-Wert von 104, der Geschiebelehm sowie der Schwemmlehm von 107 besitzen. Damit liegen nach Auffassung der Antragstellerin die Voraussetzungen für eine geringere Durchlässigkeit vor mit der Folge, dass die Bodenschicht als wasserundurchlässig anzusehen sei. Nach Ziffer 7.4.1 der ZTV-ING - Teil 2 Grundbau - gilt, dass dichte Baugrubensohlen durch den Untergrund selbst als natürliche Dichtsohle erreicht werden können.

63

Ergänzend hat sich die Antragstellerin auf eine Stellungnahme der mit den Pumpversuchen befassten xxxxxx berufen, an die sich die Antragstellerin im Zuge der Angebotserstellung hinsichtlich der Grundwasserabsenkung gewandt hatte. Die Fa. xxxxxx kommt in ihrem Schreiben an die Antragstellerin vom 22.06.2012 zu dem Ergebnis, dass die Anordnung der seitlichen Spundwände und des Querschotts den Wasserdrang erheblich vermindern und eine kleinräumige kontrollierte Wasserhaltung innerhalb des Baufeldes zulassen, die gut beherrscht werden könne und problemlos in Anlehnung des Baufortschrittes stufenweise hochgefahren werde. Durch ein sinnvolles Netz von Grundwassermessstellen könne die Ausbreitung der resultierenden Druckentspannung und des Absenktrichters genau kontrolliert und überwacht werden. Für eine möglicherweise erforderliche Beweissicherung sei damit die optimale Grundlage für die Nachweisführung der Auswirkung der Wasserhaltung gegeben. Durch den Entfall der Einbringung einer Weichgelsohle entfielen neben den erheblichen Kosten und zeitlichen Aufwendungen auch die Umweltbelastungen des Grundwassers. Abschließend heißt es dort:

"Alles in allem gehen wir davon aus, dass bei dieser vorliegenden Konstellation von Tragbaugrube, Spundwand und Bodenverhältnisse außerhalb der Baugruben, bei der Anwendung dieses Wasserhaltungsverfahrens, keine überproportionalen Auswirkungen zu erwarten sind. Die Grundwasserstandsschwankungen im Jahresschwankungsbereich sind dabei zu berücksichtigen. Die Wasserhaltung hingegen kann bedarfsgerecht betrieben werden und somit die schnelle Umsetzbarkeit des Bauvorhabens realisiert werden. Die Umweltauswirkungen auf das Grundwasser dürften in der Summe erheblich geringer sein."

64

Die Antragsgegnerin und die Beigeladenen haben jedoch zu Recht darauf hingewiesen, dass die Ausschreibungsunterlagen keinerlei Hinweis auf eine derartige natürliche Dichtsohle enthalten, die eine künstliche horizontale Grundwasserabsperrung entbehrlich machen würde. Die aus den Plänen ersichtliche Linse mit der vorhandenen bindigen Lehmschicht kommt als natürliche Dichtsohle nicht in Betracht, da sie zu hoch liegt, deshalb unstreitig durch das Trogbauwerk durchschnitten wird und daher nicht im Verbund mit den Spundwänden als geeignete Grundwasserabsperrung im Sinne der ZTV-ING geeignet ist. Denn nach der ZTV-ING muss die Spundwand mit dem Fußpunkt in eine vorhandene, unterliegende dichte Schicht einbinden. Eine derartige unten liegende Schicht ist aber unstreitig nicht vorhanden. Vielmehr führt das aktuellste Bodengutachten (Geotechnischer Bericht Nr. 1 vom 10.02.2011) auf S. 14 aus, dass zwar "sehr gering durchlässige Deckschichten" vorhanden sind. Auf S. 18 heißt es jedoch weiter:

"Unter dem Geschiebelehm folgen pleistozäne Sande."

65

Auf S. 24 heißt es schließlich:

"Nach den vorliegenden Baugrunderkundungen ist bis zur maximalen Erkundungstiefe von 25 m kein natürlicher Grundwasserstauer vorhanden."

66

Zu Recht hat die Antragsgegnerin darauf hingewiesen, dass im Bereich der streitgegenständlichen zukünftigen Baugrube die Unterkante der insoweit relevanten und im übrigen auch nicht nahezu wasserdichten "Bodenschicht" in einer Höhenlage von +27,00 m NN und 28,00 m NN liegt. Die tiefste Stelle des Troges (Unterkante Sohle) liegt bei +23,37 m NN. Damit liegt eine Differenz von 4 bis 5 m in der Tiefe vor, so dass der ganz überwiegende Teil der Baugrube unterhalb der einzigen vorhanden natürlichen Deckschicht liegt, was aus den den Ausschreibungsunterlagen beigefügten Plänen eindeutig zu entnehmen ist. Die sich aus der EAB und der ZTV-ING ergebenden Voraussetzungen, die vorliegen müssen, damit auf eine künstliche horizontale Grundwasserabsperrung verzichtet werden kann, liegen danach nicht vor.

67

Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin deshalb davon ausgeht, dass bei Verzicht auf eine künstliche horizontale Grundwasserabsperrung zu besorgen bleibt, dass die von ihr im Leistungsverzeichnis festgelegte Begrenzung der Grundwasserabsenkung außerhalb der Baugrube auf +29,50 m NN nicht gewährleistet wird. Dies ist darauf zurückzuführen, dass das nach dem Angebot der Antragstellerin ungehindert von außen unter den Spundwänden in die Baugrube nachlaufende Grundwasser abgepumpt werden muss, was wiederum Auswirkungen auf den Absenkungstrichter außerhalb der Spundwände hat. Eine weitergehende Grundwasserabsenkung aber kann nach den Gutachten zu Schäden an der angrenzenden Bebauung führen. Die Antragsgegnerin ist daher in nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass es sich bei dem von der Antragstellerin angebotenen Verzicht auf die horizontale Grundwasserabsperrung nicht um eine mit dem Leistungsverzeichnis gleichwertige Abweichung von den technischen Spezifikationen handelt, sondern dass es sich um eine unzulässige Änderung an den Vergabeunterlagen im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 VOB/A handelt, die gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. b VOB/A zum zwingenden Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin führt.

68

Der Nachprüfungsantrag war daher als unbegründet zurückzuweisen.

69

III. Kosten

70

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB seit dem 24.04.2009 geltenden Fassung (Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20.04.2009, BGBl. I, S. 790). Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt nach wie vor 2.500 €, die Höchstgebühr nunmehr 50.000 € und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 €.

71

Es wird eine Gebühr in Höhe von xxxxxx € gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.

72

Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt xxxxxx € brutto. Dieser Betrag entspricht dem von der Antragsgegnerin geprüften und dokumentierten Angebotspreis der Antragstellerin und damit ihrem Interesse am Auftrag.

73

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der z. Zt. gültigen Fassung vom Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 € (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 € zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 € (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. € (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt.

74

Bei einer Ausschreibungssumme von xxxxxx € ergibt sich eine Gebühr in Höhe von xxxxxx €.

75

Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten oder Kosten durch Zeugenvernehmung in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.

76

Die in Ziffer 2 des Tenors geregelte Kostentragungspflicht folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin unterlegen ist, weil der Nachprüfungsantrag erfolglos war.

77

Kosten der Beigeladenen zu 1 und 2

78

Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit der Kosten der Beigeladenen zu 1 und 2 folgt aus analoger Anwendung des§ 162 Abs. 3 VwGO. Dort ist für das verwaltungsgerichtliche Verfahren geregelt, dass die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nur erstattungsfähig sind, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt. Die analoge Anwendung dieser Vorschrift zugunsten eines obsiegenden Beigeladenen ist im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer geboten (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 155, 158 [OLG Düsseldorf 12.01.2000 - Verg 3/99]; sowie OLG Düsseldorf, Beschluss v. 15.06.2000, Az.: Verg 6/00). Die für eine analoge Anwendung von Vorschriften erforderliche Regelungslücke ergibt sich daraus, dass gem. § 128 Abs. 4 Satz 2 lediglich geregelt wird: "Soweit ein Beteiligter im Verfahren unterliegt, hat er die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen des Antragsgegners zu tragen. § 80 des Verwaltungsverfahrensgesetzes und die entsprechenden Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder gelten entsprechend." Eine daraus folgende Ungleichbehandlung eines Beigeladenen gegenüber den anderen Beteiligten des Nachprüfungsverfahrens wäre jedoch nicht sachgerecht, zumal der Beigeladene schließlich gem. § 109 GWB deshalb den Beteiligten-Status erhält, weil "dessen Interessen durch die Entscheidung schwerwiegend berührt werden".

79

Einerseits darf daher zwar für den Antragsteller durch (mögliche) Beiladungen kein unkalkulierbares und damit abschreckendes Kostenrisiko entstehen. Andererseits dürfen aber auch Kosten des Beigeladenen nicht zu einer Waffenungleichheit zu seinen Lasten führen (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, § 128, Rdnr. 1034).

80

Unter Berücksichtigung dieser sachgerechten Grundsätze entspricht es im vorliegenden Fall der Billigkeit i. S. d. hier analog anzuwendenden § 162 Abs. 3 VwGO, dass die unterlegene Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Nachprüfungsverfahren erforderlichen Aufwendungen der Beigeladenen zu 1 und 2, zu denen auch die Kosten einer in einem derartig komplexen, nicht nur materielles Vergaberecht, sondern auch prozessuale Rechtsfragen berührenden Verfahren ohne weiteres erforderlichen Hinzuziehung eines Rechtsanwalts gehören, zu tragen hat.

81

Kosten der Antragsgegnerin

82

Die Erstattungspflicht der Antragstellerin bezüglich der Kosten der Antragsgegnerin, die dieser zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstanden sind, folgt aus § 128 Abs. 4 GWB i. V. m. § 80 VwVfG. Danach war festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch die Antragsgegnerin im konkreten Verfahren erforderlich war. Auch wenn man von öffentlichen Auftraggebern grundsätzlich verlangen darf, dass sie über das notwendige personelle Know-how bezüglich der für eine Ausschreibung erforderlichen Rechtsgrundlagen, insbesondere der VOL/A und der VOB/A verfügen, bedurfte die Antragsgegnerin für eine angemessene Reaktion in der auch für einen erfahrenen öffentlichen Auftraggeber ungewohnten Situation eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens besonderen rechtskundigen Beistandes.

83

Nach den zu § 80 VwVfG geltenden Grundsätzen ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes dann notwendig, wenn sie vom Standpunkt eines verständigen Beteiligten für erforderlich gehalten werden durfte (BVerwGE 55, 299, 306). Dies ist nach der herrschenden Lehre nicht nur in schwierigen und umfangreichen Verfahren zu bejahen, sondern entspricht der Regel (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 80, Rdnr. 45; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl., § 80, Rdnr. 81). Dieser Grundsatz soll allerdings nur im Verhältnis des Bürgers zum Staat gelten. Zugunsten der Ausgangsbehörde im Verwaltungsverfahren wird demgegenüber die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten nur in besonders gelagerten Einzelfällen angenommen, da die Ausgangsbehörde in der Regel mit eigenem Fachpersonal so gut ausgestattet sein muss, dass sie ihre Verwaltungstätigkeit, zu der auch die Mitwirkung im Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) gehört, ohne fremde Unterstützung ausführen kann. Diese für die Situation der Ausgangsbehörde in einem Widerspruchsverfahren zutreffende Auffassung kann jedoch nicht auf das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren übertragen werden. Schon beim materiellen Vergaberecht handelt es sich um eine überdurchschnittlich komplizierte Materie, die nicht nur in kurzer Zeit zahlreiche Veränderungen und Neuregelungen erfahren hat, sondern auch durch komplexe gemeinschaftsrechtliche Fragen überlagert ist. Entscheidend aber ist, dass das Nachprüfungsverfahren gerichtsähnlich ausgebildet ist, die Beteiligten also auch prozessuale Kenntnisse haben müssen, um ihre Rechte umfassend zu wahren. Deshalb ist im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren die nach § 80 VwVfG gebotene Rechtspraxis zur Erstattung der Rechtsanwaltskosten nicht übertragbar (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.11.2001, Az.: Verg 1/01; OLG Stuttgart, Beschluss v. 19.07.2000, 2 Verg 4/00, NZBau 11/2000, S. 543 ff.). Denn durch seinen Charakter als gerichtsähnlich ausgestaltetes Verfahren unterscheidet sich das Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer eben grundlegend von dem Widerspruchsverfahren nach der VwGO.

84

Ob die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch einen öffentlichen Auftraggeber notwendig war und dessen Kosten im Vergabeverfahren deshalb nach § 128 Abs. 4 Satz 2 und 3 GWB i. V. m. § 80 Abs. 2 VwVfG bzw. § 120 GWB i. V. m. § 78 Satz 1 GWB zu erstatten sind, kann aber nicht allgemein, sondern nur an Hand der Umstände des Einzelfalles entschieden werden und richtet sich nach den objektiv anzuerkennenden Erfordernissen im jeweiligen Einzelfall nach einer ex-ante-Prognose (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 09.02.2011 - 13 Verg 17/10, zitiert nach ibr-online; Beschluss vom 04.05.2011 -13 Verg 1/11). Bei der Abwägung der Einzelfallumstände ist zu berücksichtigen, ob die Problematik des Nachprüfungsverfahrens mehr auf auftragsbezogenen Sach- und Rechtsfragen beruht und der öffentliche Auftraggeber über juristisch hinreichend geschultes Personal verfügt, welches zur Bearbeitung der im jeweiligen Nachprüfungsverfahren relevanten Sach- und Rechtsfragen in der Lage ist; dann soll eher keine Notwendigkeit bestehen. Wenn aber zu den auftragsbezogenen Rechtsfragen weitere, nicht einfach gelagerte Rechtsfragen hinzutreten, spricht dies wieder eher für die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts. Grundsätzlich trifft es auch immer noch zu, dass die Nachprüfungsverfahren unter einem enormen Beschleunigungs- und Zeitdruck stehen und das Vergaberecht eine komplexe Rechtsmaterie mit Vorschriften aus dem nationalen Recht und dem Europarecht darstellt, welche nicht immer im Gleichklang stehen. Auf der anderen Seite wird die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Vertretung des Auftraggebers vor der Vergabekammer regelmäßig eher nicht notwendig sein, wenn sich die darin aufgeworfenen Probleme in der Auseinandersetzung darüber erschöpfen, ob die Vergabestelle das von ihr im Rahmen des streitbefangenen Vergabeverfahrens ohnehin zu beachtende "materielle" Vergaberecht zutreffend angewandt hat, d. h. im Wesentlichen die Bestimmungen der Verdingungsordnung eingehalten sind. Denn dann ist - zumindest bei größeren Auftraggebern, die Vergaben nicht nur in Einzelfällen ausführen, der Kernbereich der Tätigkeit betroffen, deren Ergebnisse zu rechtfertigen eine Vergabestelle grundsätzlich auch ohne anwaltlichen Beistand in der Lage sein muss (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 22. Februar 2010 - WVerg 0001/10, zitiert nach [...], Tz 15 f.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16. Juni 2010 - 15 Verg 4/10, zitiert nach [...], Tz 54; OLG München, Beschluss vom 11. Juni 2008 - Verg 6/08, zitiert nach [...], Tz 13).

85

Nach dieser Maßgabe war es für die Antragsgegnerin im vorliegenden Vergabeverfahren notwendig, einen Bevollmächtigten zu beauftragen. Denn der Nachprüfungsantrag betraf nicht allein Probleme des gewöhnlichen materiellen, in den Vergabe- und Vertragsordnungen geregelten Vergaberechts, das eine Vergabestelle nach der oben zitierten aktuellen Rechtsprechung zumindest in der Regel auch ohne anwaltlichen Beistand rechtlich bewerten, einordnen und vertreten muss. Streitgegenstand war hier die Auslegungsfähigkeit einer funktional beschriebenen Leistungsposition unter Berücksichtigung umfangreicher Bodengutachten. Die Antragsgegnerin bedurfte daher anwaltlicher Unterstützung.

86

Angesichts der Tatsache, dass die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren unterlegen ist, hat sie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Kosten der Antragsgegnerin zu tragen. Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

87

Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den Betrag von xxxxxx unter Angabe des Kassenzeichens

88

xxxxxx

auf folgendes Konto zu überweisen:

89

xxxxxx.

1. IV. Rechtsbehelf

90

...

Gause
Schulte
Lohmöller