Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 14.02.2012, Az.: VgK-05/2012
Ausschluss des Angebots eines Mitbewerbers in einem Vergabeverfahren wegen fehlender Eignung auf Grund eines kartellrechtswidrigen Verhaltens; Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags bei nicht unverzüglicher Rüge der behaupteten Verstöße gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren vor Anrufung der Vergabekammer
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 14.02.2012
- Aktenzeichen
- VgK-05/2012
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 10744
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 107 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB
- § 6 Abs. 6 lit. a) und lit. c) VOL/A EG
- § 7 Abs. 7 S. 1 VOL/A EG
- § 19 Abs. 3 lit. a) VOL/A EG
In dem Nachprüfungsverfahren
...
wegen
Ausschreibung der Lieferung eines Fahrgestells (Los 1) und/oder eines Aufbaus (Los 2) für ein Löschgruppenfahrzeug LF 20
hat die Vergabekammer durch die Vorsitzende RD' in Dr. Raab, die hauptamtliche Beisitzerin BOR' in Schulte und den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Ökonom Brinkmann ohne mündliche Verhandlung
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
- 2.
Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
- 3.
Die Kosten werden auf XXXXX EUR festgesetzt.
- 4.
Die Antragstellerin hat der Antragsgegnerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war für die Antragsgegnerin notwendig.
Begründung
I.
Die Antragsgegnerin und Auftraggeberin hat mit Bekanntmachung vom XX.XX.2011, veröffentlicht am XX.XX.2011, die Beschaffung eines Löschgruppenfahrzeugs LF 20 europaweit im offenen Verfahren ausgeschrieben. Die zu vergebende Leistung war in zwei Lose aufgeteilt. Varianten/Alternativvorschläge waren zugelassen. Hinsichtlich der Teilnahmebedingungen waren keine Kriterien genannt. Jedoch war in der Aufforderung zur Angebotsabgabe eine vorgegebene Bietererklärung zur Zusicherung der Zuverlässigkeit bzw. Wiederherstellung der Zuverlässigkeit beigefügt.
In der Aufforderung zur Angebotsabgabe wurden die Bieter unter Ziffer 4.2 auf Folgendes hingewiesen:
"4.2 Zum Nachweis der Eignung sind mit dem Angebot folgende Erklärungen/Unterlagen vorzulegen:
Ausgefüllter Vordruck "Bietererklärung zur Zusicherung der Zuverlässigkeit bzw. zur Wiederherstellung der Zuverlässigkeit" sowie ggf. bietereigene weiterführenden Unterlagen zu diesem Thema."
Der Zuschlag sollte auf das wirtschaftlich günstigste Angebot aufgrund der in den Vergabeunterlagen genannten Kriterien erfolgen. Dort war ausgeführt, dass eine Gewichtung nicht angegeben werden kann, die Kriterien in der Reihenfolge ihrer Bedeutung aufgelistet sind: Verarbeitungsqualität, Funktionalität und Raumaufteilung, Preis, ortsnahe Wartung und Service.
Dem Submissionsprotokoll vom XX.XX.2011 ist zu entnehmen, dass hinsichtlich des hier streitigen Loses 2 drei Bieter ein Angebot eingereicht hatten, unter ihnen die Antragstellerin und die Beigeladene. Die Antragstellerin hatte mit einer ungeprüften Angebotssumme in Höhe von XXX.XXX EUR den niedrigsten Preis angeboten und die Beigeladene mit XXX.XXX EUR den höchsten Preis. Die Antragstellerin hatte ihrem Angebot ein Anschreiben vom XX.XX.2011 beigefügt, in dem sie erklärte, dass ihr bei der Durchsicht der Unterlagen aufgefallen sei, dass sich viele Positionen auf das Wettbewerbsfabrikat der Beigeladenen bezögen. Da jedoch Nebenangebote zugelassen seien, gehe sie davon aus, dass auch ihre Baumerkmale zur Wertung kämen. Ferner führt sie aus, wo sie von den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses abweiche.
In einer internen Vorgabe zur Auswertung und Punkteverteilung hatte die Antragsgegnerin festgelegt, welche Angebotssumme für Los 2 wie viele Punkte ergebe. Die Beigeladene bekam xxxxxx Punkte, ein weiterer Bieter xxxxxx Punkte.
Für das Los 2 "Aufbau" war lt. Vergabeakte folgende Gewichtung vorgesehen:
- Funktionalität und Raumaufteilung | insgesamt 55 Punkte: | 33% |
---|---|---|
- Verarbeitungsqualität | insgesamt 45 Punkte: | 27% |
- Preis: | 40% | |
100% |
In einem ausführlichen Vermerk der Antragsgegnerin vom XX.XX.2011 hielt diese fest, warum sie die Antragstellerin auf der zweiten Wertungsstufe aufgrund des ihr zustehenden Ermessens wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der nicht vollständigen Zuverlässigkeitserklärung als Kartellantin von der weiteren Wertung ausschließt.
In einem weiteren Vergabevermerk vom XX.XX.2012 hielt die Antragsgegnerin das Ergebnis ihrer Internetrecherche fest. Demnach ergab sich, dass die Antragstellerin über das eigentliche Insolvenzverfahren einen rückläufigen Auftragsbestand habe. Sie habe sich nicht nur von etlichen Mitarbeitern trennen müssen, sondern auch hohe Verluste gemacht. Letztendlich kam die Antragsgegnerin bei der Bewertung der beiden noch verbliebenen Bieter zu dem Ergebnis, dass die Beigeladene mit Abstand die meisten Punkte in Los 2 erzielte.
Mit Bieterinformation nach § 101a GWB vom 12.01.2012 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin Folgendes mit:
1. Angebotsprüfung:
Ihr Angebot wird von der Wertung ausgeschlossen, weil ein Ausschlussgrund nach
§ 6 EG Abs. 6 VOL/A vorliegt.
Erläuterung: "Es liegt ein Ausschlussgrund des § 6 a VOL/A EG i.V.m. § 19 (4) VOL/A EG und ein Ausschlussgrund nach § 6 (6c) VOL/A EG vor."
2. Eignung des Bieters:
Das Angebot kann nicht berücksichtigt werden, weil begründete Zweifel an ihrer Eignung bestehen im Hinblick auf "Zuverlässigkeit".
Erläuterung: siehe oben unter 1."
Diese Information versandte die Antragsgegnerin per Telefax am 12.01.2012 und am selben Tage auf dem Postweg an die Antragstellerin. Mit Rügeschreiben des Insolvenzverwalters vom Freitag, den 20.01.2012, eingegangen bei der Antragsgegnerin per Telefax am selben Tage, um 17.48 Uhr, beanstandete die Antragstellerin die aus ihrer Sicht inhaltslose Information ohne Begründung nach § 101a GWB. Sie vermutet den Ausschluss ihres Angebotes darin, dass sie nicht die unter Ziffer 5 geforderte Erklärung zur Mitwirkung bei Schadensaufklärung/ Verzicht auf Einrede der Verjährung eingekreuzt habe.
Sie beanstandet ihren Angebotsausschluss als vergaberechtswidrig, da aus ihrer Sicht die erfolgreiche Selbstreinigung lediglich dreierlei erfordere:
Aufklärung des Sachverhalts
Personelle Konsequenzen
Restrukturierung/Einführung von Compliance-Maßnahmen
Diese Maßnahmen habe sie umfassend und professionell umgesetzt. Rein vergaberechtlich betrachtet dürfe von ihr nicht zu fordern sein, dass sie zur Wiederherstellung ihrer Eignung eine verbindliche Anerkennung oder gar Ausbezahlung zusage. Nach der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte sei es vielmehr in diesen Fällen so, dass lediglich das von ihr dargestellte dreigliedrige Selbstreinigungsprogramm zu durchlaufen sei. Die von ihr zitierten Entscheidungen würden mit keinem Wort das Erfordernis erwähnen, auch etwaige ggf. nur vermeintliche Schäden zu begleichen. Letzteres sei vielmehr eine zivilrechtliche Angelegenheit, in deren Rahmen die ggf. Geschädigten ihre Schäden darzulegen und zu beweisen hätten.
Zudem sei angesichts ihrer Insolvenz eine Zusage einer Schadensregulierung ausgeschlossen. Im Insolvenzfall gelte der fundamentale Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung, an den sich der Insolvenzverwalter halten müsse, wenn er nicht selbst pflichtwidrig handeln wolle. Dies schließe aus, dass der Insolvenzverwalter eine bestimmte Gläubigergruppe - vorliegend die öffentlichen Auftraggeber - in irgendeiner Weise vorab befriedige oder sonst z.B. durch "freiwillige" Unterwerfung unter ein den kommunalen Spitzenverbänden initiiertes Privatgutachten bevorzugt behandele. Schadensregulierung sei in diesem Fall allein dergestalt möglich, dass die Kommunen ihre Schäden zur Insolvenztabelle anmelden und im Falle des Bestreitens den Rechtsweg beschreiten könnten.
Die Antragsgegnerin begründete mit Schreiben vom 24.01.2012 die von ihr angenommene Unzuverlässigkeit der Antragstellerin aufgrund des laufenden Insolvenzverfahrens, der aus ihrer Sicht mangelnden Selbstreinigung und der Unwägbarkeiten, wenn sie das Fahrgestell (Los 1) der insolventen Antragstellerin zur Verfügung stelle.
Mit Schreiben vom 27.01.2012, eingegangen in der Vergabekammer per Telefax am selben Tage, beantragte die Antragstellerin die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens.
Sie ergänzt und vertieft ihren Vortrag in Bezug auf den bereits im Rügeschreiben gegenüber der Antragsgegnerin monierten Ausschluss ihres Angebotes. Sie weist ferner darauf hin, dass der Insolvenzverwalter im Begriff sei, das Unternehmen zu sanieren. Aus insolvenzrechtlichen Gründen habe er es ablehnen müssen, der Vereinbarung mit den kommunalen Spitzenverbänden zur Aufklärung und Regulierung etwaiger Schäden zuzustimmen. Diese müssten vielmehr im Rahmen des Insolvenzrechts reguliert werden, also zur Tabelle angemeldet werden. Die Kommunen müssten dabei darlegen und beweisen, dass ihnen Schäden entstanden sind.
Sie vertritt ferner die Auffassung, dass es nicht auf eine Schadenswiedergutmachung für eine erfolgreiche Wiederherstellung der Zuverlässigkeit ankomme.
Die Antragstellerin beantragt,
- 1.
festzustellen, dass der Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin in dem streitgegenständlichen Vergabeverfahren (Az. beim AG: XX.XX-XX ) rechtswidrig ist, und der Antragsgegnerin aufzugeben, die Wertung der Angebote unter Berücksichtigung der Auffassung der Vergabekammer erneut vorzunehmen;
- 2.
der Antragstellerin Akteneinsicht zu gewähren (§ 111 GWB);
- 3.
die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für die Antragstellerin für notwendig zu erklären;
- 4.
die Kosten des Verfahrens der Antragsgegnerin aufzuerlegen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
- 1.
den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen;
- 2.
der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen;
- 3.
die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten für notwendig zu erklären.
Die Antragsgegnerin tritt den Behauptungen und der Rechtsauffassung der Antragstellerin entgegen.
Sie hält den Nachprüfungsantrag bereits für unzulässig, da sie den Ausschluss ihres Angebotes nicht unverzüglich gerügt habe. Erst am Freitag, den 20.01.2012 abends um 17.42 Uhr, d.h. am achten Kalendertag nach den üblichen Bürozeiten, also nach 11 Kalendertagen, habe die Antragstellerin den Ausschluss ihres Angebots gerügt und sei damit präkludiert.
Ferner habe das Angebot aufgrund einer nicht vollständigen Abgabe der geforderten Erklärung zur Zuverlässigkeit und aufgrund des inzwischen eröffneten Insolvenzverfahrens ausgeschlossen werden müssen. Die Antragstellerin weigere sich insbesondere, die geforderte Erklärung abzugeben, trotz der kartellrechtswidrigen Abreden bei der Schadensaufklärung mitzuwirken. Soweit die Antragstellerin meint, dass der von ihr eingeleitete Selbstreinigungsprozess zur Wiedererlangung der Eignung bereits ausreichend sei, verkenne sie sowohl den Inhalt der Bietererklärung, als auch die Folgen einer unterlassenen vollständigen Bietererklärung.
Da über das Vermögen der Antragstellerin das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei, habe sie, die Antragsgegnerin, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit überprüft und fortlaufend dokumentiert. Sie habe sich dabei im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens gehalten und auch die einzelnen Argumente abgewogen und gewichtet. Es liege auch kein Ermessensfehlgebrauch vor, da sie sich ausschließlich vom Zweck der Ermessensvorschrift habe leiten lassen. Sie weist darauf hin, dass § 6 Abs. 6 VOL/A-EG eine Auflistung von Tatbeständen enthalte, deren Vorliegen regelmäßig die mangelnde Eignung eines Bieters indiziere.
Soweit der Nachprüfungsantrag nicht unzulässig sei, sei er jedoch unbegründet, da die Antragstellerin weder ein Hauptangebot, dass dem Leistungsverzeichnis entspreche, noch ein gleichwertiges Nebenangebot eingereicht habe. Die Antragstellerin habe aufgrund ihrer Ausführungen im Anschreiben zum Angebot wesentliche technische Anforderungen an dem Aufbau anders als gefordert angeboten. Sie, die Antragsgegnerin, habe aus guten Gründen bestimmte technische Anforderungen gestellt. Dies sei der Antragstellerin offenbar auch bei der Leistungserstellung aufgefallen, da sie in ihrem Anschreiben zum Angebot selbst darauf hingewiesen habe, dass sie vom Leistungsverzeichnis abweiche. Insoweit entspricht das Angebot der Antragstellerin in wesentlichen Punkten nicht den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses.
Die Beigeladene hat bisher keine Anträge gestellt und sich auch nicht zum Verfahren geäußert.
Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Vergabeakte Bezug genommen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist unzulässig und wäre zudem unbegründet. Die Antragstellerin wird nicht in ihren Rechten gemäß §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB verletzt. Die Antragstellerin hat entgegen § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB den Vergaberechtsverstoß nicht rechtzeitig gerügt. Die Antragsgegnerin hat das Angebot der Antragstellerin im Ergebnis zu Recht wegen Unzuverlässigkeit gem. § 19 Abs. 4 VOL/A EG i.V.m. § 6 Abs. 6 lit. a) und lit. c) VOL/A EG von der Wertung ausgeschlossen. Zudem war das Angebot der Antragstellerin gemäß § 19 Abs. 3 lit. a) VOL/A EG i.V.m. § 7 Abs. 7 Satz 1 VOL/A EG auszuschließen, weil die geforderte Bietererklärung zur Zusicherung der Zuverlässigkeit seitens der Antragstellerin unvollständig abgegeben wurde, namentlich die Erklärung zur Mitwirkung bei der Schadensaufklärung fehlte. Schließlich war das Angebot der Antragstellerin nicht das wirtschaftlich günstigste, es hat vielmehr nicht einmal die technischen Anforderungen der Antragsgegnerin erfüllt.
1. Der Nachprüfungsantrag ist unzulässig. Die Antragsgegnerin ist zwar eine öffentliche Auftraggeberin gemäߧ 98 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftragswert übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Der für die vorliegende Ausschreibung geltende Schwellenwert liegt bei der Vergabe von Lieferaufträgen gemäß § 2 Nr. 2 VgV bei 193.000 EUR netto. Die niedrigsten Angebotspreise für Los 1 und Los 2 betragen XXX.XXX EUR bzw. XXX.XXX EUR, in Summe XXX.XXX EUR netto. Somit übersteigt der Gesamtauftragswert für den Lieferauftrag den maßgeblichen Schwellenwert.
Die Antragstellerin ist auch gemäß § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie als Bieterunternehmen im Vergabeverfahren ein Interesse am Auftrag hat und die Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Sie vertritt die Auffassung, die Antragsgegnerin sei rechtsfehlerhaft von ihrer Unzuverlässigkeit ausgegangen, obgleich die Antragstellerin erfolgreich einen Selbstreinigungsprozess abgeschlossen habe und trotz Insolvenz wirtschaftlich leistungsfähig sei. Voraussetzung für die Antragsbefugnis gemäß § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das Antrag stellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt, das bedeutet, dass die Antragstellerin diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt. Die diesbezüglichen Anforderungen an die Darlegungslast dürfen aber nicht überspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2. Auflage, § 107 GWB, Rdnr. 954). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt. Sie hat zumindest schlüssig vorgetragen, dass die Antragsgegnerin vergaberechtswidrig ihre Unzuverlässigkeit festgestellt habe. Da die Antragstellerin mit ihrem Angebot jedenfalls preislich auf dem ersten Rang gelegen hat, ist sie ohne Weiteres antragsbefugt.
Die Antragstellerin ist aber nicht ihrer Pflicht gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren gegenüber der Antragsgegnerin unverzüglich zu rügen. Bei der Vorschrift des§ 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Voraussetzung ist die positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne von § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt, und es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden, vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.08.2002, Az.: Verg 9/00.
Die Frage, ob eine Rüge noch unverzüglich nach positiver Kenntniserlangung erfolgt, hängt vom Einzelfall ab. Nach der vergaberechtlichen Rechtsprechung muss die Rüge angesichts der kurzen Fristen, die im Vergaberecht allgemein gelten, grundsätzlich innerhalb von 1 bis 3 Tagen erfolgen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 18.09.2003, Az.: 1 Verg 4/04; Bechtholt, GWB, § 107, Rdnr. 2). Auch bei einer ggf. notwendigen Hinzuziehung eines Rechtsanwalts erfüllt eine Rügefrist von mehr als einer Woche das Zeitkriterium des § 107 Abs. 3 GWB zumindest regelmäßig nicht (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 11.09.2006, Az.: WVerg 13/06). Eine Rügefrist von zwei Wochen, die in der Rechtsprechung als Obergrenze anerkannt wird (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau2000, S. 45 ff. [OLG Düsseldorf 13.04.1999 - Verg 1/99]), kann einem Bieterunternehmen allenfalls dann zugestanden werden, wenn eine verständliche Abfassung der Rüge durch eine schwierige Sach- und/oder Rechtslage erschwert wird und die Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe erfordert.
Die Antragstellerin erhielt mit der per Fax abgesendeten Information gemäß § 101a GWB vom 12.01.2012 Kenntnis von der Entscheidung der Antragsgegnerin, ihr Angebot wegen fehlender Zuverlässigkeit unter Berufung auf die Ausschlussgründe gemäß § 19 Abs. 4 i.V.m. § 6 Abs. 6 lit. a) und lit. c) VOL/A EG auszuschließen. Die Antragsgegnerin hatte mit einem offensichtlichen Schreibfehler wie folgt formuliert: "Es liegt ein Ausschlussgrund des § 6 a VOL/A EG i.V.m. § 19 (4) VOL/A EG und ein Ausschlussgrund nach § 6 (6c) VOL/A EG vor." Mit Fax vom Freitag, den 20.01.2012, abgesendet spätnachmittags um 17.42 Uhr, eingegangen bei der Antragsgegnerin um 17.48 Uhr nach Dienstschluss, rügte die Antragstellerin die Nichteinhaltung der inhaltlichen Anforderungen eines Informationsschreibens sowie den Ausschluss ihres Angebots als vergaberechtswidrig. Zur Begründung trug sie vor, es sei unklar, woraus Zweifel an der Zuverlässigkeit abgeleitet würden, darüber hinaus habe die Antragstellerin nach Verstößen gegen das Kartellrecht die Zuverlässigkeit und Eignung gemäß § 19 Abs. 4 i.V.m. § 6 Abs. 6 lit. c) VOL/A EG nach Durchführung hinreichender und erfolgreicher Selbstreinigungsmaßnahmen wiedererlangt, hingegen sei Schadenswiedergutmachung nicht Voraussetzung.
Die Vergabekammer hat keinen Zweifel daran, dass die Information gemäß § 101a GWB den gesetzlichen Anforderungen genügt. Nach der allen Beteiligten genauestens bekannten Vorgeschichte dieses Ausschlusses - die Antragstellerin war langjährig an einem Feuerwehrbeschaffungskartell beteiligt - war es für die Antragstellerin offensichtlich, dass die Antragsgegnerin den Ausschluss wegen Unzuverlässigkeit auf die schweren kartellrechtlichen Verfehlungen in der Vergangenheit gestützt hat. Diesbezüglich litt die Information auch nicht an einem Schreibfehler. Trotz der Kürze war die Botschaft der Information gemäß § 101a GWB so verständlich und deutlich wie selten. Hier eine Missverständlichkeit zu konstruieren, ist vollkommen lebensfremd. Überdies war auch der Ausschluss wegen Eröffnung des Insolvenzverfahrens ungeachtet des Schreibfehlers erkennbar.§ 6a VOL/A EG war für den verständigen Bieter aus dem Zusammenhang heraus durchaus als § 6 Abs. 6 lit. a) VOL/A EG zu verstehen. Die erst 8 Tage nach Erhalt des Informationsschreibens gegenüber der Antragsgegnerin erhobene Rüge ist nicht unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB erfolgt. Es ist nicht nur die hier anzuwendende Wochenfrist für Rügen mit rechtsanwaltlicher Beratung um einen Tag überschritten, sondern es ist von einem tatsächlichen Rügezeitraum von 11 Tagen auszugehen. Die am Freitag, dem 20.01.2012 um 17.48 Uhr nach Dienstschluss bei der Antragsgegnerin eingegangene Rüge konnte von der Antragsgegnerin erst am Montag, den 23.01.2012 zur Kenntnis genommen werden. Denn eine Rüge per Telefax, die erst nach den üblichen Bürozeiten der Vergabestelle eingeht, gilt erst am darauf folgenden Arbeitstag als zugegangen (VK Sachsen, Beschluss vom 06.07.2010 - I/SVK/013-10). Eine ausnahmsweise Verlängerung der Rügefrist auf 14 Tage kommt hier unter keinem Gesichtspunkt in Betracht. Im Gegenteil: Die Antragstellerin konnte angesichts der gravierenden Verstöße ihres Unternehmens gegen das Kartellrecht in der nahen Vergangenheit und angesichts dessen, dass sie in ihren Angebotsunterlagen in einer von der Antragsgegnerin vorgegebenen Bietererklärung zur Selbstreinigung ein verpflichtendes Kreuz in Ziffer 5 zur Bereitschaft zur Aufklärung von Schäden der Kommunen durch das Feuerwehrbeschaffungskartell nicht gesetzt hat, jedenfalls mit ihrem Ausschluss gem. § 19 Abs. 4 i.V.m. § 6 Abs. 6 lit. c) VOL/A EG rechnen. Da das eintrat, was zu erwarten war, und die genannten Ausschlussgründe lediglich die Zuverlässigkeit betreffen, demnach übersichtlich sind, wäre ohne Hinzuziehung eines Rechtsanwalts in dieser Situation für die Antragstellerin als erfahrenes Bieterunternehmen die kürzeste Rügefrist von 1 bis 3 Tage anzunehmen, mit anwaltlicher Beratung allenfalls eine Rügefrist von 7 Kalendertagen. Folglich konnte die umfassend rechtsanwaltlich beratene Antragstellerin sich ungeachtet der Bestellung eines Insolvenzverwalters auf die Regelfrist von 7 Kalendertagen einstellen und diese einhalten. Der Zeitraum zwischen dem Versand der Absage gemäß § 101a GWB und der Möglichkeit der Kenntnisnahme der Antragsgegnerin betrug aber - wie oben ausgeführt - 11 Kalendertage.
Nach Rechtsprechung der erkennenden Vergabekammer (z.B. VK Niedersachsen, Beschluss vom 17.06.2010, Az. VgK- 28/2010) und mittlerweile gefestigter vergaberechtlicher Rechtsprechung (OLG Rostock, Beschluss vom 20.10.2010, Az. 17 Verg 5/2010; OLG Dresden, Beschluss vom 07.05.2010, Az. Wverg 6/2010; 1. VK Bund, Beschluss vom 04.08.2011, Az. VK 1-84/11)) steht die Rechtsprechung des EuGH vom 28.01.2010 (EuGH C-406/08 und C-456/08) der Präklusionsregelung des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB nicht entgegen.
Die Vergabekammer teilt die Auffassung der Antragsgegnerin, dass die in Deutschland geltende Präklusionsregel des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB auch unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung des EuGH nach wie vor grundsätzlich anwendbar ist. Aus den o. g. Entscheidungen des EuGH, der sich mit der Rechtswirksamkeit von Präklusionsregeln in irischen und englischen Vorschriften befasst hat, kann nicht der Rückschluss auf eine Europarechtswidrigkeit des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB gezogen werden. Die Regelung des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB ist nicht mit den vom EuGH in den o. g. Urteilen entschiedenen Sachverhalten bzw. Normen identisch oder vergleichbar. Zwar sehen die der Entscheidung des EuGH zugrundeliegenden Regelungen vor, dass ein Nachprüfungsantrag unzulässig ist, wenn das Verfahren nicht unverzüglich eingeleitet wird. Insofern ging es auch dort um die Bestimmtheit des Unverzüglichkeitsbegriffs. Im Gegensatz zum irischen Recht und zum britischen Recht regelt § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB jedoch nicht die Ausschlussfrist für das Nachprüfungsverfahren selbst, sondern nur die Anforderungen an die Rügeobliegenheit als Zulässigkeitsvoraussetzung und damit, ob die Zulässigkeitsvoraussetzung vorliegt oder nicht. Entscheidend aber ist, dass der Begriff der Unverzüglichkeit im deutschen Recht eindeutig definiert ist, nämlich als "ohne schuldhaftes Zögern" im Sinne des§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB, was zu dem aufgrund einer ausgeprägten Rechtsprechung zu § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB bzw. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB a.F. auch für das Vergaberecht weitergehend konkretisiert worden ist.
2. Der Nachprüfungsantrag wäre zudem unbegründet. Die Antragstellerin ist durch die Entscheidung der Antragsgegnerin nicht in ihren Rechten i. S. der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB verletzt. Die Antragsgegnerin hat das Angebot der Antragstellerin im Ergebnis zu Recht wegen Unzuverlässigkeit gem.§ 19 Abs. 4 VOL/A EG i.V.m. § 6 Abs. 6 lit. a) und lit. c) VOL/A EG von der Wertung ausgeschlossen. Zudem war das Angebot der Antragstellerin gemäß § 19 Abs. 3 lit. a) VOL/A EG i.V.m. § 7 Abs. 7 Satz 1 VOL/A EG auszuschließen, weil die geforderte Bietererklärung zur Zusicherung der Zuverlässigkeit seitens der Antragstellerin unvollständig abgegeben wurde, namentlich die Erklärung zur Mitwirkung bei der Schadensaufklärung fehlte. Schließlich war das Angebot der Antragstellerin nicht das wirtschaftlich günstigste, es hat vielmehr nicht einmal die technischen Anforderungen der Antragsgegnerin erfüllt.
Die Antragsgegnerin hat das Angebot der Antragstellerin zu Recht wegen fehlender Eignung vom Verfahren ausgeschlossen. Sie hat das Verhalten der Antragstellerin als Beteiligte des Feuerwehrbeschaffungskartells in ihrem Vergabevermerk vom 09.12.2011 ohne Ermessensfehler als Ausschlussgrund gemäß § 6 Abs. 6 lit. c) VOL/A EG gesehen und mangelnde Zuverlässigkeit der Antragstellerin angenommen. Die Antragstellerin hat mit ihrem unstreitig kartellrechtswidrigen Verhalten eine nachweislich schwere Verfehlung i.S.d. § 6 Abs. 6 lit. c) VOL/A EG begangen. Zur Wiederherstellung der vergaberechtlichen Zuverlässigkeit musste die Antragstellerin einen Selbstreinigungsprozess durchlaufen. Speziell für das Feuerwehrbeschaffungskartell und den außerordentlich schweren Rechtsverletzungen der Beteiligten hat die erkennende Vergabekammer die Anforderungen für eine erfolgreiche Selbstreinigung konkretisiert. Die Wiederherstellung der Zuverlässigkeit setzt nicht nur voraus, dass das betroffene Unternehmen bei der Aufklärung des Sachverhalts mitwirkt, personelle Konsequenzen zieht und Compliance-Maßnahmen zur Vorbeugung ergreift, um vergleichbaren Verstößen vorzubeugen. In ihrem Beschluss vom 24.03.2011 (Az. VgK-04/2011) hat die Vergabekammer daneben ausdrücklich verlangt, dass Pläne zur Schadenswiedergutmachung beim Mutterunternehmen einzuholen sind. Das Erfordernis einer Schadenswiedergutmachung hat die Vergabekammer keineswegs, wie die Antragstellerin meint, nur beiläufig erwähnt. Die möglichen Schäden bei den betroffenen Kommunen mit ihren engen Haushaltsvorgaben standen vielmehr im Vordergrund der Überlegungen der Vergabekammer, die zu präziseren Aussagen zu dem frühen Zeitpunkt unmittelbar nach Bekanntwerden des Kartells nicht in der Lage war. Zu der besonderen Schwere der Kartellrechtsverstöße hatte die erkennende Vergabekammer am 24.03.2011 (Az. VgK-04/2011) festgehalten: " Es handelte sich um bewusste, langjährige, sorgfältig organisierte Verstöße, die zweifellos Schäden in den Haushalten der beschaffenden Kommunen herbeigeführt haben".
Ohne Beteiligung an der Schadenswiedergutmachung, sei es zunächst in Gestalt der Mitwirkung an der Schadensaufklärung, ist angesichts der außerordentlich schweren Rechtsverletzungen bei dem in Rede stehenden Feuerwehrbeschaffungskartell eine Wiederherstellung der vergaberechtlichen Zuverlässigkeit nach Überzeugung der Vergabekammer nicht denkbar. Die von der Antragstellerin geschilderten Selbstreinigungsmaßnahmen der Antragstellerin sind demnach bei Verstößen des hier in Rede stehenden Ausmaßes nicht ausreichend.
Nachdem die Antragstellerin unter Berufung auf ihre inzwischen eingetretene Insolvenz in der nach den Vorgaben des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes formulierten Bietererklärung nicht ankreuzte, dass sie umfassend bei einer Schadensaufklärung mitwirken werde, hat die Antragsgegnerin zu Recht und ohne Ermessensfehler die Entscheidung getroffen, der Antragstellerin fehle es an der erforderlichen Zuverlässigkeit. Die Antragstellerin kann nicht mit ihrer Argumentation durchdringen, dass sie unter Berufung auf insolvenzrechtliche Vorschriften an Schadensersatzleistungen an die betroffenen Kommunen gehindert sei. Zunächst lautete die streitige Anforderung lediglich "Mitwirkung bei der Schadensaufklärung", für die ein insolvenzrechtlicher Hinderungsgrund überhaupt nicht erkennbar ist. Maßgeblich aber ist die Insolvenz für sich ein weiterer Grund für eine mögliche vergaberechtliche Unzuverlässigkeit, der - und dies verkennt die Antragsstellerin -eindeutig in der Sphäre der Antragsstellerin selbst liegt. Keinesfalls mindert dieser weitere negative Umstand die Anforderungen, die die Antragsgegnerin mit Recht an eine Selbstreinigung stellt. Die Strategie der Antragstellerin, die gleichsam versucht "die Rosinen herauszupicken", würde insbesondere die Rechte der Antragsgegnerin schmälern aber auch zur Ungleichbehandlung mit den anderen Teilnehmern des Feuerwehrbeschaffungskartells führen. Die Antragsgegnerin hat in ihrem Vergabevermerk vom 09.12.2012 diese Zusammenhänge zutreffend bewertet und hat ohne Ermessensfehler einen Ausschlussgrund darin gesehen, dass die Antragstellerin den Selbstreinigungsprozess nicht erfolgreich abgeschlossen hat, weil sie keine Bereitschaft zur Mitwirkung an der Schadensaufklärung und damit auch Wiedergutmachung zeige.
In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass das Angebot der Antragstellerin außerdem bereits aus formalen Gründen gemäß § 19 Abs. 3 lit. a) VOL/A EG i.V.m. § 7 Abs. 7 Satz 1 VOL/A EG auszuschließen ist, weil die geforderte Bietererklärung zur Zusicherung der Zuverlässigkeit seitens der Antragstellerin unvollständig abgegeben wurde, namentlich die Erklärung zur Mitwirkung bei der Schadensaufklärung fehlte. Die Bietererklärung ist als Folge des Feuerwehrbeschaffungskartells eine vom Niedersächsischen Städte- und Gemeindebund vorformulierte Erklärung für Bieter in Ausschreibungen zur Feuerwehrbeschaffung, die unter § 7 Abs. 7 Satz 1 VOL/A EG fällt. In der Aufforderung zur Angebotsabgabe wurden die Bieter unter Ziffer 4.2 auf Folgendes hingewiesen:
"4.2 Zum Nachweis der Eignung sind mit dem Angebot folgende Erklärungen/Unterlagen vorzulegen: Ausgefüllter Vordruck "Bietererklärung zur Zusicherung der Zuverlässigkeit bzw. zur Wiederherstellung der Zuverlässigkeit" sowie ggf. bietereigene weiterführenden Unterlagen zu diesem Thema."
Die Antragstellerin hat das Erfordernis der Bietererklärung nicht gerügt, so dass ihr Angebot nach unterlassenem Ankreuzen bei dem Frage nach der Bereitschaft zur Mitwirkung an der Schadensaufklärung zwingend gem. § 19 Abs. 3 lit. a) VOL/A EG auszuschließen war.
Wie oben bereits angesprochen, ist auch die Insolvenz der Antragsstellerin ein möglicher Grund, die vergaberechtliche Eignung zu verneinen. Die Antragsgegnerin hat unter Berufung auf den Ausschlussgrund des § 19 Abs. 4 i.V.m. § 6 Abs. 6 lit. a) VOL/A EG das Angebot der Antragstellerin vergaberechtsgemäß ausgeschlossen, weil das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Antragsstellerin eröffnet ist. Die Antragsgegnerin hat laut Vergabevermerken vom 09.12.2011 und 03.01.2012 pflichtgemäß ihr Ermessen ausgeübt. Sie hat auf die unsichere wirtschaftliche Situation hingewiesen, die auch bedeuten könnte, dass der Geschäftsbetrieb vollständig eingestellt werden müsse. Sie sieht Risiken hinsichtlich der zeitlichen Verzögerung des Beschaffungsvorgangs und finanzielle Risiken, insbesondere aber ein Risiko dahingehend, dass die Antragstellerin lediglich ein Angebot für den Aufbau abgegeben habe, so dass sie das Fahrgestell auf eigene Kosten beistellen müsse, was die Gefahr von Auseinandersetzungen mit dem Insolvenzverwalter berge. Weiter verweist sie auf eine mögliche Gefährdung ihrer Gewährleistungsansprüche. Selbst etwaige Erklärungen oder Sicherheiten des Insolvenzverwalters würden nicht einen zusätzlichen Verwaltungsaufwand verhindern. Es sei zu berücksichtigen, dass die wirtschaftliche Lage der Antragstellerin sich verschlechtere, der Auftragsbestand rückläufig sei und die Antragstellerin sich von XXX Mitarbeitern getrennt habe. Es sei trotz Insolvenzausfallgeldes mit einem zweistelligen Millionenbetrag als Verlust im Kalenderjahr 2011 zu rechnen, so dass eine negative Fortführungsprognose für den Betrieb gegeben sei.
Damit hat die Antragsgegnerin eine umfassende Abwägung und Gewichtung aller Argumente vorgenommen, so dass kein Ermessensfehler ersichtlich ist.
Die Antragstellerin hat abschließend in ihrem Vergabevermerk vom 09.12.2011 festgestellt: "Sowohl das laufende Insolvenzverfahren als auch die mangelnde Zuverlässigkeit aufgrund der fehlenden Selbstreinigung nach dem Kartellrechtsverstoß rechtfertigen bereits jeweils für sich genommen einen Ausschluss aus diesem Vergabeverfahren. Für beide Gründe in der Summe gilt dies erst recht." Dem ist nichts hinzuzufügen.
Schließlich hat die Antragstellerin auch nicht, wie es ihrer Überzeugung entspricht, das wirtschaftlichste Angebot abgegeben. Sie hat im Gegenteil in drei Punkten wesentliche technische Vorgaben der Antragsgegnerin an den Aufbau nicht erfüllt, so dass ihr Angebot auch deswegen auszuschließen war. Unstreitig hatte die Antragstellerin nach eigenen Angaben Verstöße gegen Vergabevorschriften hinsichtlich der technischen Vorgaben in den Vergabeunterlagen erkannt und nicht gerügt. Sie hatte in ihrem Anschreiben vom XX.XX.2011 gegenüber der Antragsgegnerin ausgeführt, dass ihr bei der Durchsicht der Unterlagen aufgefallen sei, dass sich viele Positionen auf das Wettbewerbsfabrikat XXXXXX bezögen. Ihre Feststellungen hinsichtlich des Verstoßes gegen die produktneutrale Ausschreibung hat die Antragstellerin allerdings nicht gerügt.
So hatte die Antragsgegnerin unter der Bezeichnung "Dachlagerungen und Aufbauten" in der Position 81 u.a. gefordert, dass die Entnahme der gesamten Dachbeladung ohne Betreten des Daches möglich sein muss. Als Begründung für ihre Vorgabe hatte die Antragsgegnerin in ihrer Antragserwiderung ausgeführt, dass sich diese Vorgabe positiv auf die Sicherheit der Einsatzkräfte auswirken solle. Die Antragstellerin führt in ihrem Anschreiben lediglich aus, dass die Saugschläuche ohne eine mechanisch absenkbare Lagerung auf dem Dach gelagert würden. Eine Alternative, um die Forderung nach einer Entnahme der gesamten Dachbeladung ohne Betreten des Daches gerecht zu werden, bot die Antragstellerin ausweislich des Angebotes und ihres Anschreibens nicht an. Damit hat sie eine wesentliche technische Vorgabe der Antragsgegnerin hinsichtlich der Entnahme der Dachbeladung nicht erfüllt.
Weiter hatte die Antragsgegnerin unter der Bezeichnung "Ausstattung Pumpenanlage" in der Position 85 u.a. gefordert, dass diese ebenso mittig im Aufbau eingebaut wird wie der Löschwasserbehälter. Als Begründung für ihre Vorgabe hatte die Antragsgegnerin in ihrer Antragserwiderung ausgeführt, dass sie sich von dieser Vorgabe eine verbesserte Gewichtsverteilung und damit bessere Fahreigenschaften und eine erhöhte Fahrsicherheit verspreche. Ferner hatte sie gefordert, dass sich der Pumpenbedienstand auf der Beifahrerseite auf der dem Verkehr abgewandten Seite am Heck befinden und auch mit angebrachten Haspeln zugänglich und bedienbar sein muss. Ohne sich mit dieser Vorgabe der Antragsgegnerin zu einer besseren Gewichtsverteilung und der Sicherheit für die Bediener auseinander zu setzen, behauptete die Antragstellerin lediglich, dass die Midships-Pumpe eine speziell von XXXXXX lieferbare Ausstattung sei. Die Antragstellerin bot stattdessen alternativ eine Pumpe im Fahrzeugheck an, die auch von dort (hinten) bedient wird. Damit hat sie eine zweite wesentliche technische Vorgabe der Antragsgegnerin hinsichtlich der Anordnung der Pumpenanlage und des Bedienstandes nicht erfüllt und auch keine gleichwertige Alternative angeboten.
Auch hatte die Antragsgegnerin unter der Bezeichnung "Schaumzumischsysteme" in der Position 99 u.a. gefordert, dass die Zufuhr der Schaummittel in einer Zumischrate von 0,1 bis 9,9% verstellbar sein muss. Auch bei dieser Position setzte sich die Antragstellerin nicht mit den Vorgaben der Antragsgegnerin auseinander, sondern teilte in ihrem Anschreiben lediglich mit, dass ihr Angebotspreis für das Schaummischsystem XXXXXX gelte. Es erlaube die Auswahl aller Zumischraten zwischen 0,2 und 6%. Die von der Antragstellerin angebotene Auswahl an Zumischraten deckt nicht den von der Antragsgegnerin gewünschten Bereich von 0,1 bis 9,9% ab und stellt somit eine weitere wesentliche Änderung dar, ohne dass eine Alternative angeboten wurde, die die technische Vorgabe ebenfalls erfüllt.
Nach allem ist der Nachprüfungsantrag bereits wegen der verspäteten Rüge unzulässig, wäre aber auch unbegründet, da sowohl Ausschlussgründe wegen mangelnder Eignung der Antragsstellerin als auch wegen Abweichung des Angebots von den technischen Vorgaben des Leistungsverzeichnisses vorliegen.
Wegen der Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags hat die Vergabekammer gemäß § 112 Abs. 1 Satz 3 GWB nach Lage der Akten entschieden.
III. Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB seit dem 24.04.2009 geltenden Fassung (Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20.04.2009, BGBl. I, S. 790). Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt nach wie vor 2.500 EUR, die Höchstgebühr nunmehr 50.000 EUR und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 EUR.
Es wird eine Gebühr in Höhe von XXXXX EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.
Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt XXX.XXX EUR brutto. Dieser Betrag entspricht ausweislich der Vergabeakte der Angebotssumme der Antragstellerin für ihr Angebot für Los 2 und damit dem Interesse der Antragstellerin am Auftrag.
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung vom Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR(§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 EUR (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt.
Bei einer Ausschreibungssumme von XXX.XXX EUR brutto ergibt sich eine Gebühr in Höhe von XXXXX EUR. Da die Vergabekammer aufgrund der Unzulässigkeit ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, hat sich der Aufwand ermäßigt, so dass eine Gebühr in Höhe von dreiviertel der errechneten Gebühr gerechtfertigt ist.
Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein.
Die in Ziffer 2 des Tenors geregelte der Kostentragungspflicht folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren unterliegt, die Kosten zu tragen.
Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin keinen Erfolg hatte.
Die Erstattungspflicht bezüglich der Kosten der Antragsgegnerin, die dieser zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstanden sind, folgt aus § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 VwVfG. Danach war festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch die Antragsgegnerin im konkreten Verfahren erforderlich war.
Auch wenn man von öffentlichen Auftraggebern grundsätzlich verlangen darf, dass sie über das notwendige personelle Know-how bezüglich der für eine Ausschreibung erforderlichen Rechtsgrundlagen, insbesondere der VOL/A und der VOB/A verfügen, bedurfte die Antragsgegnerin für eine angemessene Reaktion in der auch für einen erfahrenen öffentlichen Auftraggeber schwierig zu beurteilenden Situation dieses vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens besonderen rechtskundigen Beistandes.
Nach den zu § 80 VwVfG geltenden Grundsätzen ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes dann notwendig, wenn sie vom Standpunkt eines verständigen Beteiligten für erforderlich gehalten werden durfte (BVerwGE 55, 299, 306). Dies ist nach der herrschenden Lehre nicht nur in schwierigen und umfangreichen Verfahren zu bejahen, sondern entspricht der Regel (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 80, Rdnr. 45; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl., § 80, Rdnr. 81). Dieser Grundsatz soll allerdings nur im Verhältnis des Bürgers zum Staat gelten. Zugunsten der Ausgangsbehörde im Verwaltungsverfahren wird demgegenüber die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten nur in besonders gelagerten Einzelfällen angenommen, da die Ausgangsbehörde in der Regel mit eigenem Fachpersonal so gut ausgestattet sein muss, dass sie ihre Verwaltungstätigkeit, zu der auch die Mitwirkung im Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) gehört, ohne fremde Unterstützung ausführen kann. Diese für die Situation der Ausgangsbehörde in einem Widerspruchsverfahren zutreffende Auffassung kann jedoch nicht auf das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren übertragen werden. Schon beim materiellen Vergaberecht handelt es sich um eine überdurchschnittlich komplizierte Materie, die nicht nur in kurzer Zeit zahlreiche Veränderungen und Neuregelungen erfahren hat, sondern auch durch komplexe gemeinschaftsrechtliche Fragen überlagert ist. Entscheidend aber ist, dass das Nachprüfungsverfahren gerichtsähnlich ausgebildet ist, die Beteiligten also auch prozessuale Kenntnisse haben müssen, um ihre Rechte umfassend zu wahren. Deshalb ist im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren die nach § 80 VwVfG gebotene Rechtspraxis zur Erstattung der Rechtsanwaltskosten nicht übertragbar (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.11.2001, Az.: Verg 1/01; OLG Stuttgart, Beschluss v. 19.07.2000, 2 Verg 4/00, NZBau 11/2000, S. 543 ff.). Denn durch seinen Charakter als gerichtsähnlich ausgestaltetes Verfahren unterscheidet sich das Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer eben grundlegend von dem Widerspruchsverfahren nach der VwGO.
Ob die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch einen öffentlichen Auftraggeber notwendig war und dessen Kosten im Vergabeverfahren deshalb nach § 128 Abs. 4 Satz 2 und 3 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG bzw. § 120 GWB i.V.m. § 78 Satz 1 GWB zu erstatten sind, kann aber nicht allgemein, sondern nur an Hand der Umstände des Einzelfalles entschieden werden und richtet sich nach den objektiv anzuerkennenden Erfordernissen im jeweiligen Einzelfall nach einer ex-ante-Prognose (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 09.02.2011 - 13 Verg 17/10, zitiert nach ibr-online; Beschluss vom 04.05.2011 -13 Verg 1/11). Bei der Abwägung der Einzelfallumstände ist zu berücksichtigen, ob die Problematik des Nachprüfungsverfahrens mehr auf auftragsbezogenen Sach- und Rechtsfragen beruht und der öffentliche Auftraggeber über juristisch hinreichend geschultes Personal verfügt, welches zur Bearbeitung der im jeweiligen Nachprüfungsverfahren relevanten Sach- und Rechtsfragen in der Lage ist; dann soll eher keine Notwendigkeit bestehen. Wenn aber zu den auftragsbezogenen Rechtsfragen weitere, nicht einfach gelagerte Rechtsfragen hinzutreten, spricht dies wieder eher für die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts.
Nach dieser Maßgabe war es für die Antragsgegnerin im vorliegenden Vergabeverfahren notwendig, einen Bevollmächtigten zu beauftragen. Die Gemeinde beschäftigt lediglich einen Juristen. Es handelt sich nicht nur um auftragsbezogene Sach- und Rechtsfragen. Vielmehr geht es um schwierige vergaberechtliche Fragen, die sich u.a. aus der Kollision von Vergaberecht und Insolvenzrecht ergeben.
Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den Betrag von XXXXX EUR unter Angabe des Kassenzeichens
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auf folgendes Konto zu überweisen:
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IV. Rechtsbehelf
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