Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 05.03.2020, Az.: 8 LA 83/19

Absehen; Absehensermessen; Alter; Deutschkenntnisse; Härte; Niederlassungserlaubnis; Spracherfordernis; Spracherwerb; Sprachkenntnisse; Sprachkenntnisse, deutsche

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
05.03.2020
Aktenzeichen
8 LA 83/19
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 71653
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 22.08.2019 - AZ: 19 A 6225/17

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Eine Härte i.S.d. § 9 Abs. 2 Satz 4 AufenthG, die zum Absehen von dem Spracherfordernis des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 AufenthG führen kann, liegt vor, wenn der Spracherwerb eine angesichts des mit dem Spracherfordernis verfolgten Zwecks, den dauerhaften Aufenthalt an eine der Integration dienliche Sprachkompetenz zu knüpfen, unzumutbare Belastung bedeutet.
2. Eine Härte liegt nicht schon immer dann vor, wenn der Ausländer bei der Einreise bereits über 50 Jahre alt war. Das besagt auch Nr. 9.2.2.2.2 AVwV-AufenthG nicht.
3. Aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände kann ein Härtefall zu verneinen sein, wenn die Gesamtheit der seit der Einreise erfolgten Bemühungen zum Spracherwerb nicht die erforderliche Kontinuität und Tiefe erkennen lässt.

Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 19. Kammer (Einzelrichterin) - vom 22. August 2019 wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis. Das Verwaltungsgericht hat ihre Klage insbesondere abgewiesen, weil sie entgegen § 9 Abs. 2 Nr. 7 AufenthG nicht über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfüge und eine Härte i.S.d. § 9 Abs. 2 Satz 4 AufenthG nicht vorliege. Dagegen richtet sich der Antrag auf Zulassung der Berufung.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegen nicht vor.

1. Die Richtigkeit des angefochtenen Urteils ist nicht ernstlich zweifelhaft. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind zu bejahen, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 8.12.2009 - 2 BvR 758/07 -, BVerfGE 125, 104, juris Rn. 96). Die Richtigkeitszweifel müssen sich dabei auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004 - 7 AV 4.03 -, NVwZ-RR 2004, 542, juris Rn. 9 f.). Eine den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügende Darlegung dieses Zulassungsgrundes erfordert, dass im Einzelnen unter konkreter Auseinandersetzung mit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ausgeführt wird, dass und warum Zweifel an der Richtigkeit der Auffassung des erkennenden Verwaltungsgerichts bestehen sollen. Hierzu bedarf es regelmäßig qualifizierter, ins Einzelne gehender, fallbezogener und aus sich heraus verständlicher Ausführungen, die sich mit der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage einer eigenständigen Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes auseinandersetzen (vgl. Senatsbeschl. v. 17.6.2015 - 8 LA 16/15 -, NdsRPfl. 2015, 244, juris Rn. 10; v. 17.5.2016 - 8 LA 40/16 -, juris Rn. 6).

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bezieht den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit auf die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Voraussetzung des § 9 Abs. 2 Satz 4 AufenthG, wonach zur Vermeidung einer Härte u.a. von der Voraussetzung des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 AufenthG - dem Erfordernis ausreichender Kenntnisse der deutschen Sprache - abgesehen werden kann, sei nicht erfüllt. Insoweit hat das Verwaltungsgericht die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/420, S. 72) und Nr. 9.2.2.2.2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz (AVwV-AufenthG) zitiert und ausgeführt, hinsichtlich der Bemühungen zum Spracherwerb sei auf den Zeitraum seit der Einreise abzustellen. Es komme nicht allein darauf an, welche Möglichkeiten zum Spracherwerb der Klägerin zum gegenwärtigen Zeitpunkt offen stünden, sondern auch darauf, welche Bemühungen sie seit ihrer Einreise entfaltet habe. Sie habe nicht alles ihr Mögliche unternommen, um die erforderlichen Sprachkenntnisse zu erwerben. Die Teilnahme an einem Integrationskurs habe sie wegen Berufstätigkeit abgelehnt. Da Integrationskurse in Teilzeit belegt und Kursteile wiederholt werden könnten, sei eine Kursteilnahme bei beruflich bedingten Auslandsaufenthalten nicht generell unmöglich oder unzumutbar. Mit dem zweifachen Prüfungsversuch für das Sprachdiplom B1 und zwei bloßen Anmeldungen zu einem Sprachkurs an der Volkshochschule in den Jahren 2015/2016 habe die Klägerin nicht alles unternommen, was von ihr erwartet werden könne. Sie habe nach ihrem Vortrag erstmals 2014 einen Deutschkurs besucht, für den keine Teilnahmebescheinigung vorliege. In welcher Weise sie sich auf die Prüfung vorbereitet habe, sei nicht nachvollziehbar gemacht worden. Soweit sie sich darauf berufe, 2016/2017 sieben Monate lang arbeitsunfähig gewesen zu sein, habe sie einen Online-Kurs nutzen können. Es möge zutreffen, dass sie seit ihrem Sturz im Jahr 2016 in ihrer Bewegungsfähigkeit eingeschränkt sei. Dies habe sie an beruflichen Auslandsreisen nicht gehindert. Die mögliche Einschränkung sei erst neun Jahre nach der Ersteinreise eingetreten und stehe einer Nutzung von Online-Angeboten nicht entgegen. Es sei davon auszugehen, dass sie als Kanadierin die lateinische Schrift bei Einreise beherrscht habe. Die Beherrschung vieler unterschiedlicher Sprachen lasse darauf schließen, dass es ihr verglichen mit anderen Ausländern eher leicht falle, fremde Sprachen zu erlernen. Sie habe u.a. englische und französische Sprachkenntnisse. Bei der Einreise im Alter von 56 Jahren habe sie sich in einem Alter befunden, in dem von ihr habe erwartet werden können, dass sie die Landessprache erlerne. Aus Nr. 9.2.2.2.2 AVwV-AufenthG ergebe sich nicht, dass in jedem Fall, in dem ein Ausländer bei Einreise bereits das 50. Lebensjahr vollendet hatte, ein Härtefall anzunehmen wäre. Erforderlich sei eine Einzelfallprüfung. Im Hinblick auf die langjährigen Versäumnisse der Klägerin, sich um den Erwerb der notwendigen Sprachkenntnisse in ausreichendem Maße zu bemühen, könne auch nicht isoliert darauf abgestellt werden, dass sie inzwischen bereits das 68. Lebensjahr erreicht habe und nunmehr möglicherweise gewisse altersbedingte Einschränkungen der Fähigkeit, Fremdsprachen zu erlernen, vorhanden sein könnten.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wendet ein, die Härte ergebe sich aus der Ausnahmeregelung, die jene privilegiere, die bei Einreise über 50 Jahre alt gewesen seien. Rechtsfehlerhaft stelle das Verwaltungsgericht allein darauf ab, was die Klägerin seit der Einreise hätte unternehmen können, um die Sprache zu erlernen. Die Ausnahmeregelung stelle zunächst auf das Alter ab und nicht darauf, was der Ausländer hätte tun müssen. Erst recht stelle die Regelung nicht darauf ab, dass für die Beurteilung, ob der Ausländer die Sprache hätte lernen können, der Zeitpunkt der Ersteinreise maßgeblich sei. Folgte man der Auslegung des Verwaltungsgerichts, wäre § 9 Abs. 2 AufenthG verfassungswidrig. Ein über 50 Jahre alter Mensch sei in der geistigen und körperlichen Fähigkeit deutlich eingeschränkter. Bei einem über 50 Jahre alten Menschen in einem Vollzeitberuf seien die Ermüdungserscheinungen hoch und eine Belastbarkeit nach dem Arbeitstag nur geringfügig vorhanden. Das Verwaltungsgericht verlange, dass die Klägerin bis zur Erschöpfung Deutsch lerne, zumindest online oder in einem Teilzeitkurs. Sie müsse aber den Lebensunterhalt sichern. Sie habe Anstrengungen unternommen und ab 2014 alles versucht. Soweit Anstrengungen über drei Jahre nicht ausreichten, verkenne das Verwaltungsgericht, dass an die Voraussetzungen einer Härte keine hohen Anforderungen zu stellen seien. Der Vortrag, dass das Angebot einer Integrationsbescheinigung nachträglich in die Akte eingefügt worden sei, sei nicht berücksichtigt worden.

Daraus sind ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nicht abzuleiten.

Das Absehensermessen ist gemäß § 9 Abs. 2 Satz 4 AufenthG eröffnet, wenn es zur Vermeidung einer Härte dient. Soll von der Voraussetzung des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 AufenthG abgesehen werden, muss die Härte sich aus der Notwendigkeit ergeben, ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen. Das ist der Fall, wenn der Spracherwerb eine angesichts des mit dem Spracherfordernis verfolgten Zwecks, den dauerhaften Aufenthalt an eine der Integration dienliche Sprachkompetenz zu knüpfen, unzumutbare Belastung bedeutet. Eine solche besteht insbesondere im Falle einer wesentlichen und dauerhaften Erschwerung des Spracherwerbs. Namentlich liegt ein Härtefall vor, wenn der Betroffene trotz verstärkter Bemühungen die Anforderungen unverschuldet nicht erfüllen kann oder wenn ihm der Nachweis der Sprachkenntnisse misslingt, obwohl er im Alltagsleben zurechtkommt und er alles unternommen hat, was ihm möglich war, um die Sprachkenntnisse zu erwerben.

Das ergibt sich außer aus der Funktion des § 9 Abs. 2 Satz 4 AufenthG aus seiner Entstehungsgeschichte. In der Begründung des Gesetzentwurfs heißt es:

„Satz 4 gibt der Ausländerbehörde eine Ermächtigung (Ermessen), Härtefälle zu lösen. Gedacht ist hier an Fälle, in denen die Betroffenen z.B. trotz verstärkter Bemühungen die Anforderungen unverschuldet nicht erfüllen können. Insoweit wird es (auch bei strikter Steuerung der Zuwanderung im Bereich der wirtschaftlichen Migration) immer Einzelfälle – z.B. im Rahmen der Familienzusammenführung – geben, in denen die Betroffenen bei aller Anstrengung – und selbst bei Berücksichtigung von Alter und Bildungsstand – die geforderten Kenntnisse nicht in hinreichendem Maße erwerben können. Dies kann etwa bei ‚bildungsfernen‘ Menschen vorkommen, die in einer anderen Schriftsprache sozialisiert worden sind. Es kann nicht Intention des Gesetzes sein, diesen Menschen dauerhaft eine Aufenthaltsverfestigung vorzuenthalten, obgleich sie im Alltagsleben erkennbar zurechtkommen und sie alles unternommen haben, was ihnen möglich war, um die in den Nummern 7 und 8 geforderten Kenntnisse zu erwerben.“ (BT-Drs. 15/420, S. 72 f.; vgl. BVerwG, Urt. v. 28.4.2015 - 1 C 21.14 -, BVerwGE 152, 76, juris Rn. 18).

Ob eine solche Härte vorliegt, kann nur die Betrachtung des Einzelfalls ergeben. Starre Kategorien sind dem Wesen einer Härtevorschrift fremd. Dabei gilt, dass es nach dem Wortlaut des § 9 Abs. 2 Satz 4 AufenthG keiner außergewöhnlichen oder besonderen Härte bedarf. In diesem Sinne sind an das Vorliegen der Härte keine strengen Anforderungen zu stellen (vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 18.6.2015 - 10 C 15.675 -, juris Rn. 11).

Die Tatbestandsvoraussetzung der Härte ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Norminterpretierende Verwaltungsvorschriften binden insoweit nicht. Daher könnte Nr. 9.2.2.2.2 AVwV-AufenthG dem Begriff der Härte keinen abweichenden Inhalt geben. Das bezweckt die Verwaltungsvorschrift aber auch nicht. Sie vertritt nicht die Auffassung, dass immer dann eine Härte vorliege, wenn der Ausländer bei der Einreise bereits über 50 Jahre alt war (vgl. VG München, Gerichtsbesch. v. 18.3.2019 - M 27 K 17.5631 -, juris Rn. 36; Hailbronner, Ausländerrecht, § 9 AufenthG Rn. 49 (Okt. 2019)). Vielmehr geht sie davon aus, dass in einem solchen Fall eine Härte vorliegen „kann“ und fordert weitere Umstände: „Aus den geltend gemachten, nachzuweisenden Gründen muss sich unmittelbar nachvollziehen lassen, dass im Einzelfall eine Erschwernis vorliegt.“ Die Ansicht des Antrags auf Zulassung der Berufung, es gebe eine Ausnahmeregelung, die jene privilegiere, die bei Einreise über 50 Jahre alt gewesen seien, und diese stelle nicht darauf ab, was der Ausländer hätte tun müssen, ist folglich unrichtig.

Das Verwaltungsgericht hat anhand der vorstehenden Maßstäbe entschieden. Die Einwände des Antrags auf Zulassung der Berufung treffen nicht zu.

Das Verwaltungsgericht hat nicht allein darauf abgestellt, was die Klägerin seit ihrer Einreise alles hätte unternehmen können, um die Sprache zu erlernen, sondern hat die Umstände des Einzelfalls umfassend und unter Einschluss des Alters, des Gesundheitszustandes und der beruflichen Tätigkeit sowie der verfügbaren Alternativen zu einem Vollzeit-Sprachkurs gewürdigt. Soweit der Antrag auf Zulassung der Berufung anführt, die Regelung stelle nicht darauf ab, dass für die Beurteilung, ob der Ausländer die Sprache habe lernen können, der Zeitpunkt der Ersteinreise maßgeblich sei, gibt er die Entscheidungsgründe unzutreffend wieder. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, hinsichtlich der Bemühungen zum Spracherwerb sei auf den Zeitraum seit der Einreise abzustellen. Es komme nicht allein darauf an, welche Möglichkeiten zum Spracherwerb der Klägerin zum gegenwärtigen Zeitpunkt offen stünden, sondern auch darauf, welche Bemühungen sie seit ihrer Einreise entfaltet habe. Damit hat es in zutreffender Weise alle Umstände des Einzelfalls sowohl zum Zeitpunkt der Einreise als auch während des nachfolgenden Aufenthalts in die Betrachtung einbezogen.

Die mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken für den Fall, dass nicht ab Überschreiten einer Altersgrenze auf den Sprachnachweis verzichtet wird, sind unbegründet. Ein Erfahrungssatz, wonach Menschen nach Vollendung des 50. Lebensjahrs allgemein in ihren geistigen und körperlichen Fähigkeiten eingeschränkt wären, besteht nicht. Ob im fortgeschrittenen Lebensalter Einschränkungen bestehen, die den Spracherwerb als eine angesichts des mit dem Spracherfordernis verfolgten Zwecks, den dauerhaften Aufenthalt an eine der Integration dienliche Sprachkompetenz zu knüpfen, unzumutbare Belastung erscheinen lassen, kann nur im Einzelfall anhand der konkreten Leistungsfähigkeit festgestellt werden. Dass bei über 50 Jahre alten berufstätigen Menschen die Ermüdungserscheinungen hoch und die Belastbarkeit nach einem vollen Arbeitstag nur noch geringfügig vorhanden wäre, trifft als allgemeine Aussage nicht zu. Dass es demnach des Vortrags von Umständen des Einzelfalls bedarf, aus denen sich eine besondere Belastung durch den Spracherwerb ergibt, führt nicht zur Unverhältnismäßigkeit der gesetzlichen Regelung. Hinzu kommt, dass § 9 Abs. 2 Satz 4 AufenthG allein den Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis betrifft. Inwiefern aus einem Grundrecht folgen könnte, dass bei dem vom Antrag auf Zulassung der Berufung angenommenen Sachverhalt gerade ein unbefristeter Aufenthaltstitel erteilt werden müsste und eine (befristete) Aufenthaltserlaubnis nicht ausreichend sein könnte, ist weder ersichtlich noch dargelegt.

Nach dem Vorstehenden greift auch der Vortrag nicht durch, das Verwaltungsgericht habe verlangt, dass die Klägerin sich bis zur Erschöpfung um das Erlernen der deutschen Sprache bemühe. Eine derartige Anforderung hat das Verwaltungsgericht nicht aufgestellt. Allein aus dem Alter der Klägerin folgt nicht, dass der Spracherwerb sie zwingend in einen Erschöpfungszustand bringen werde. Konkrete Tatsachen hinsichtlich ihrer Belastbarkeit hat sie nicht vorgetragen. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht grundsätzlich zumutbare Lernformen aufgezeigt, die neben einer Berufstätigkeit möglich sind.

Auch die Würdigung der von der Klägerin behaupteten Anstrengungen zum Spracherwerb durch das Verwaltungsgericht ist nicht ernstlich zweifelhaft. Anhand der vorgetragenen Anmeldungen zu Sprachkursen und der Prüfungstermine hat das Verwaltungsgericht zu Recht den Eindruck gewonnen, dass die Klägerin ihre Bemühungen um einen Spracherwerb nicht mit der erforderlichen Kontinuität und Tiefe verfolgt hat. Die Kursteilnahme erfolgte nur während eines vergleichsweise geringen Teils der Aufenthaltszeit im Inland. Das Verwaltungsgericht hat auch zu Recht ausgeführt, dass nicht nachvollziehbar gemacht worden ist, wie sich die Klägerin auf die Prüfung vorbereitet hat. Aus der Anmeldung zu Kursen allein ergibt sich keine im Wesentlichen lückenlose Teilnahme. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Beklagte substantiiert bestritten hat, dass die Klägerin den Termin zur mündlichen Prüfung am 23. Januar 2015 überhaupt wahrgenommen hat, und dass die Klägerin sich hierzu nicht verhalten hat.

Nicht ernstlich zweifelhaft ist auch die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass die Klägerin die Teilnahme an einem Integrationskurs im Rahmen der Vorsprache bei dem Beklagten am 2. Oktober 2007 wegen ihrer Berufstätigkeit und häufigen in diesem Zusammenhang stattfindenden Auslandsaufenthalten abgelehnt hat. Grundlage der Überzeugungsbildung war der Inhalt der Verwaltungsakte. Der Vortrag im Antrag auf Zulassung der Berufung, der entsprechende Vermerk sei nachträglich eingefügt worden, hat keine Substanz. Den Vorwurf einer Aktenmanipulation stützt der Antrag auf Zulassung der Berufung allein darauf, nur so lasse sich erklären, warum die Grundverfügung „diese weitreichende Offerte“ - also das Angebot eines Integrationskurses - nicht enthalte. Das ist ohne jede Überzeugungskraft. Die „Grundverfügung“ ist der Aktenbogen über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf Zusatzblatt. Vergleichbare Aktenbögen finden sich in jeder Ausländerakte, wenn ein Aufenthaltstitel erteilt wurde. Es ist nicht zu erwarten, dass in diesen standardisierten Text Angaben zu einem Integrationskurs aufgenommen werden.

2. Die Berufung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Eine solche grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine höchstrichterlich noch nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine obergerichtlich bislang ungeklärte Tatsachenfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die sich im Rechtsmittelverfahren stellen würde und im Interesse der Einheit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts einer fallübergreifenden Klärung durch das Berufungsgericht bedarf (vgl. Senatsbeschl. v. 4.7.2011 - 8 LA 288/10 -, GewArch. 2011, 494, juris Rn. 37 m.w.N.). Um die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO darzulegen, hat der Zulassungsantragsteller die für fallübergreifend gehaltene Frage zu formulieren sowie näher zu begründen, weshalb sie eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat und ein allgemeines Interesse an ihrer Klärung besteht. Darzustellen ist weiter, dass sie entscheidungserheblich ist und ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten steht (vgl. Senatsbeschl. v. 15.8.2014 - 8 LA 172/13 -, GewArch. 2015, 84, juris Rn. 15; v. 17.5.2016 - 8 LA 40/16 -, juris Rn. 32).

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wirft keine klärungsbedürftige Frage auf. Der oben (1.) erläuterte Inhalt des Begriffs der Härte in § 9 Abs. 2 Satz 4 AufenthG ergibt sich aus Wortlaut und Funktion der Bestimmung sowie der Gesetzesbegründung. Um ihn zu ermitteln, bedarf es nicht der Durchführung eines Berufungsverfahrens. Weitergehenden Klärungsbedarf oder gar abweichende Auffassungen zeigt der Antrag auf Zulassung der Berufung nicht auf. Insbesondere hat das Verwaltungsgericht dasselbe Begriffsverständnis zugrundegelegt. Der Antrag auf Zulassung der Berufung gibt nur der unzutreffenden Ansicht Ausdruck, bei Zugrundelegung des zutreffenden Begriffsverständnisses hätte die Rechtsanwendung auf der Grundlage des dem Verwaltungsgericht unterbreiteten Sachverhalts zu einem anderen Ergebnis führen müssen.

Keine Grundsatzbedeutung hat die Frage,

ob die Härtefallregelung des § 9 Abs. 2 Satz 4 AufenthG für die Beurteilung des Erwerbs der Sprachkenntnisse auf den Zeitpunkt der Ersteinreise abstellt und ab diesem Zeitpunkt die Bemühungen beurteilt.

Wie (1.) oben ausgeführt, ist auf alle Umstände bei und nach der Einreise abzustellen; Teil dessen sind die Bemühungen um den Spracherwerb. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass sich das aus der Begründung des Gesetzentwurfs ergibt. Diese erwähnt ausdrücklich verstärkte Bemühungen und den Umstand, dass der Betroffene alles unternommen hat, was ihm möglich war, um die Kenntnisse zu erwerben. Das setzt die rechtliche Erheblichkeit des auch nach der Einreise genossenen Sprachunterrichts voraus.

Ebenfalls keine Grundsatzbedeutung hat die Frage,

ob der Wille maßgeblich ist oder eine subjektive oder objektive Unmöglichkeit verlangt wird.

Eine Härte setzt keine Unmöglichkeit voraus, sondern eine angesichts des mit dem Spracherfordernis verfolgten Zwecks, den dauerhaften Aufenthalt an eine der Integration dienliche Sprachkompetenz zu knüpfen, unzumutbare Belastung durch den Spracherwerb. Diese kann je nach den Umständen gegeben sein, wenn Betroffene alles unternommen haben, was ihnen möglich war, um die geforderten Kenntnisse zu erwerben. Allein der vorhandene Wille zum Spracherwerb hilft hingegen nicht. Auch das ist aus der Gesetzesbegründung ableitbar.

Dasselbe gilt für die Frage,

ob die beruflichen und körperlichen Defizite eine tragende Rolle spielen.

Dass körperliche Defizite einen Härtefall begründen können, ist angesichts der Funktion des § 9 Abs. 2 Satz 4 AufenthG selbstverständlich. Bei der beruflichen Belastung kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Eine Berücksichtigung ist nicht von vornherein ausgeschlossen. Auch das ist Gesetzestext und -begründung ohne Weiteres zu entnehmen.

Grundsatzbedeutung hat auch nicht die Frage,

ob die Regelung insbesondere mit dem gesteigerten Alter von deutlich über 50 Jahren verfassungsrechtlich dahin auszulegen ist, dass an die Anstrengungen zum Erwerb eines Sprachkurses auf B1 Niveau sowie des Besuches eines Integrationskurses keine allzu hohen Erwartungen gestellt werden dürfen, diese in jedem Fall durch eine Prüfung zu bestehen.

Insofern ist schon keine klare Rechtsfrage dargelegt. Der Antrag auf Zulassung der Berufung führt Sachverhaltselemente an, die vermeintlich im vorliegenden Fall den Ausschlag geben sollten. Die Formulierung ist auch widersprüchlich, denn wenn gefordert würde, die Prüfung müsse in jedem Fall bestanden sein, wäre der Tatbestand des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 AufenthG erfüllt und ein Absehen von dem Spracherfordernis wäre nicht erforderlich. Was mit „allzu hohen Erwartungen“ gemeint sein soll und inwieweit ein verallgemeinerungsfähiger Begriff vorliegen könnte, ist nicht ersichtlich. Im Übrigen ergibt sich aus dem Gesetzestext, dass keine besondere oder außergewöhnliche Härte erforderlich ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG und Nr. 8.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11; vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 1.11.2011 - 11 OA 324/11 -, InfAuslR 2012, 20, juris Rn. 3).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).