Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 04.03.2020, Az.: 1 KN 23/18
Antragsbefugnis; beschleunigtes Verfahren; Fläche, überbaubare; Normenkontrollverfahren; Schwellenwert
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 04.03.2020
- Aktenzeichen
- 1 KN 23/18
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2020, 72144
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 13a Abs 1 S 2 BauGB
- § 47 Abs 2 S 1 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Für die Prüfung, ob die in § 13a Abs. 1 Satz 2 BauGB für die Durchführung des beschleunigten Verfahrens festgelegten Schwellenwerte eingehalten werden, ist auf die in dem Bebauungsplan festgesetzte Grundfläche i.S.d. § 19 Abs. 2 BauNVO und damit auf die gesamte überbaubare Fläche abzustellen. Zulässige Grundfläche i.S.v. § 13a Abs. 1 Satz 2 BauGB ist nicht nur die durch die Planung erstmalig überbaubare Grundfläche.
Tatbestand:
Die Antragstellerin begehrt die Unwirksamkeitserklärung des Bebauungsplans D. E. der Antragsgegnerin.
Die Antragstellerin ist Eigentümerin des im Gebiet der Antragsgegnerin gelegenen, mit einem von ihr selbst bewohnten Einfamilienhaus bebauten Grundstücks „A-Straße“ (Gemarkung A-Stadt F. G.). Das Grundstück der Antragstellerin liegt südlich der an dieser Stelle in West-Ost-Richtung verlaufenden H. }straße. Mit seiner Ostseite grenzt das Grundstück an ein anderes Wohngrundstück an. An seine Südseite schließen im Eigentum der Antragsgegnerin stehende Flächen an, die sich weit nach Westen ausdehnen. Die verkehrliche Erschließung dieser Grundstücke, auf denen sich neben einem Sportplatz die gemeindliche Mehrzweckhalle befindet, erfolgt über eine von der H. }straße nach Süden abzweigende Stichstraße, die an der Westseite des Grundstücks der Antragstellerin vorbeiführt.
Der im vorliegenden Verfahren streitgegenständliche Bebauungsplan D. E. mit örtlicher Bauvorschrift wurde vom Rat der Antragsgegnerin einschließlich seiner Begründung am 20. Januar 2016 beschlossen und am 16. Februar 2017 im Amtsblatt für den Landkreis I. bekannt gemacht. Der Bebauungsplan geht auf einen Ratsbeschluss vom 2. April 2003 über die Aufstellung des Bebauungsplans D. „J. straße/H. }straße“ zurück. Der räumliche Geltungsbereich des damaligen Planentwurfs umfasste allerdings nur ein östlich durch die J. straße, nördlich durch die Feldstraße und westlich durch die K. straße begrenztes sowie südlich über diese etwas hinausgehendes Gebiet. Durch Ratsbeschluss vom 14. November 2012 erfolgte eine Ausweitung des Geltungsbereichs des Bebauungsplans auf den gesamten bis dahin nicht überplanten Innenbereich der Antragsgegnerin. Mit Ratsbeschluss vom 25. Februar 2015 wurde der am südöstlichen Rand des damaligen Planentwurfs liegende Bereich zwischen J. straße, L. weg und M. aus dem Geltungsbereich des zwischenzeitlich in E. umbenannten Bebauungsplans D. wieder herausgenommen; für ihn wurde der Bebauungsplan Nr. 18 „J. straße/L. weg“ aufgestellt. Der Bebauungsplan D. E. umfasst nunmehr eine Gesamtfläche von 25,89 ha (Planbegründung S. 40). Ziel und Zweck seiner Aufstellung sind nach der Aufstellungsbekanntmachung vom 26. Februar 2015 die Schaffung der planungsrechtlichen Voraussetzungen zur Verhinderung von Fehlentwicklungen und Nutzungskonflikten unter Berücksichtigung der Belange von Natur, Landschaft und Immissionen sowie die Festsetzung örtlicher Bauvorschriften in Abstimmung mit den Zielen der Dorferneuerung.
Sowohl das Grundstück der Antragstellerin als auch die an es südlich und südwestlich angrenzenden gemeindlichen Flächen liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans D. E.. Zuvor gehörten sie dem unbeplanten Innenbereich an. Für den südwestlichsten Teil der im Eigentum der Antragsgegnerin stehenden Grundstücke setzt der Bebauungsplan D. E. eine ‚Öffentliche Fläche (Sportplatz)‘ fest. Für den näher zum Grundstück der Antragstellerin hin liegenden Bereich bestimmt er ‚Fläche für den Gemeinbedarf‘ mit den Planzeichen Dorfgemeinschaft/Mehrzweckhalle sowie Sportlichen bzw. Kulturellen Zwecken dienende Gebäude und Einrichtungen. Nach der Planbegründung erfolgte die Aufnahme der Sportplatz- und Mehrzweckhallenflächen in den Geltungsbereich des Bebauungsplans, um den Bestand langfristig zu sichern, die Mehrzweckhalle angemessen zu erweitern und den Standort damit zu stärken (S. 9). Innerhalb der Gemeinbedarfsfläche sei die Erweiterung der Parkplatzflächen beabsichtigt (S. 20). Für das Grundstück der Antragstellerin gilt (u.a.) die Textliche Festsetzung Nr. 1 des Bebauungsplans D. E., die wie folgt lautet:
„1. Art und Maß der baulichen Nutzung, Einfügegebot
Bauliche Maßnahmen und sonstige Vorhaben müssen sich gemäß § 34 Baugesetzbuch (BauGB) nach Art und Maß der baulichen Nutzung in die nähere Umgebung einfügen. Spiel- und Vergnügungsstätten sind im Geltungsbereich des Bebauungsplans nicht zulässig. Zulässig sind u.a. Schank- und Speisewirtschaften und Betriebe des Beherbergungsgewerbes. Die Anzahl der maximal zulässigen Vollgeschosse wird als Höchstmaß auf eins (I) begrenzt. Bereiche, in denen die Anzahl der maximal zulässigen Vollgeschosse auf ein Höchstmaß von zwei (II) festgesetzt werden, sind in der Planzeichnung gesondert festgesetzt. Im Geltungsbereich gilt die Grundflächenzahl (GRZ) von 0,4.“
Eine gesonderte Geschossfestsetzung ist für das Grundstück der Antragstellerin nicht ausgewiesen.
In seinen Sitzungen vom 22. April 2015 und vom 24. Juni 2015 hatte der Rat der Antragsgegnerin beschlossen, den Bebauungsplan D. E. im beschleunigten Verfahren nach § 13a BauGB ohne Durchführung einer Umweltprüfung nach § 2 Abs. 4 BauGB aufzustellen. In der Planbegründung wird hierzu ausgeführt, dass es sich trotz der Gesamtgröße des Geltungsbereichs um einen Bebauungsplan der Innenentwicklung handele. Denn die überbaubaren Grundflächen, die zum Bestand hinzukämen, betrügen weniger als 20.000 qm Grundfläche (S. 7). In der Begründung des Bebauungsplans heißt es allerdings weiter, dass aufgrund der Komplexität der Planung und der Größe des Geltungsbereichs auf die Durchführung eines beschleunigten Verfahrens verzichtet werde (S. 8). Eine gleichlautende Aussage findet sich u.a. in der Auslegungsbekanntmachung der Antragsgegnerin vom 17. August 2015.
Bereits durch Bürgerversammlung am 15. Juli 2014 war eine frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1, 2 BauGB und mit Schreiben vom 26. August 2014 war eine frühzeitige Behördenbeteiligung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BauGB eingeleitet worden. Über die hierbei eingegangenen Stellungnahmen hatte der Rat der Antragsgegnerin in seiner Sitzung vom 22. April 2015 beschlossen.
In der Zeit vom 26. August bis zum 28. September 2015 führte die Antragsgegnerin eine Beteiligung der Öffentlichkeit nach § 3 Abs. 2 BauGB und eine Behördenbeteiligung nach § 4 Abs. 2 BauGB durch. Die Antragstellerin erhob am 14. September 2015 Einwendungen. Zur Begründung vertrat sie die Auffassung, dass die Textliche Festsetzung Nr. 1 mit dem Baugesetzbuch und der Baunutzungsverordnung nicht in Einklang stehe. Darüber hinaus beanstandete sie insbesondere die für den südlich und südwestlich ihres Grundstücks gelegenen Bereich der Flächen der Antragsgegnerin erfolgte Festsetzung ‚Fläche für den Gemeinbedarf‘. Die damit verbundene Erweiterung der der Mehrzweckhalle zugeordneten Parkplatzflächen werde ihre Wohnruhe unzumutbar beeinträchtigen. Die daraufhin von der Antragsgegnerin eingeholte Schalltechnische Beurteilung zur Erweiterung der Stellplatzanlage am Dorfgemeinschaftshaus vom 8. Januar 2016, bei der die Errichtung einer neuen Anlage mit 20 Pkw-Stellplätzen südlich des Grundstücks der Antragstellerin zugrunde gelegt wurde, kam zu dem Ergebnis, dass die geplante Stellplatzerweiterung aus schalltechnischer Sicht als verträglich anzusehen sei. In seiner der Beschlussfassung vom 20. Januar 2016 vorhergehenden Abwägung ließ der Rat der Antragsgegnerin die Einwendungen der Antragstellerin nicht durchgreifen.
Die Antragstellerin hat am 14. Februar 2018 den vorliegenden Normenkontrollantrag gestellt. Sie hält weiterhin die Textliche Festsetzung Nr. 1 für rechtlich fehlerhaft und die Errichtung der neuen Stellplatzanlage südlich ihres Grundstücks unter Angriffen gegen die Überzeugungskraft der Schalltechnischen Beurteilung vom 8. Januar 2016 für unzumutbar. Die Antragstellerin erhebt zudem - unter dem 16. Februar 2018 direkt gegenüber der Antragsgegnerin geltend gemachte - weitere Rügen. Insbesondere vertritt sie die Ansicht, dass das Planaufstellungsverfahren nicht nach § 13a BauGB habe betrieben werden dürfen. Die Größe der festgesetzten Grundfläche überschreite das gesetzlich zulässige Maß, weil es entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin auf die insgesamt festgesetzte Grundfläche, nicht lediglich auf die „zusätzlich geschaffene“ überbaubare Grundfläche ankomme. Vor diesem Hintergrund habe es einer Umweltprüfung bedurft, die allerdings nicht stattgefunden habe. Es sei pflichtwidrig kein Umweltbericht erstellt worden, ein solcher sei fehlerhaft auch nicht der Planbegründung beigefügt. Aus der Auslegungsbekanntmachung vom 17. August 2015 ergebe sich zwar, dass sich die Antragsgegnerin gegen die Durchführung eines beschleunigten Verfahrens entschieden habe; welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar seien, könne ihr aber nicht entnommen werden.
Die Antragstellerin beantragt schriftsätzlich,
den vom Rat der Antragsgegnerin am 20. Januar 2016 als Satzung beschlossenen, am 16. Februar 2017 im Amtsblatt des Landkreises I. bekannt gemachten Bebauungsplan D. E. für unwirksam zu erklären.
Die Antragsgegnerin beantragt schriftsätzlich,
den Normenkontrollantrag abzulehnen.
Die Antragsgegnerin hat den angegriffenen Bebauungsplan - in dem von der Antragstellerin zudem angestrengten Normenkontrolleilverfahren N. - verteidigt. Ihrer Ansicht nach ist insbesondere die Wahl des beschleunigten Verfahrens gemäß § 13a BauGB nicht zu beanstanden. Für eine Nachverdichtung kämen lediglich drei Planbereiche (Bereiche P1 bis P3) mit insgesamt etwa 12.000 qm in Betracht. Da maßgeblich allein die neu hinzukommenden überbaubaren Flächen seien, werde die Grenze von 20.000 qm gemäß § 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BauGB deutlich unterschritten. Die vorhandene Bebauung sei nicht mitzurechnen. Denn erkennbares Ziel des § 13a BauGB sei es, nur Bebauungspläne der Innenentwicklung zu erfassen, mit denen keine signifikanten neuen Bebauungsmöglichkeiten gemäß § 30 BauGB geschaffen würden.
Durch Beschluss vom 1. Juli 2019 (N.) hat der Senat den Bebauungsplan D. E. vorläufig - bis zur Entscheidung über den vorliegenden Normenkontrollantrag - außer Vollzug gesetzt. Der Normenkontrolleilantrag der Antragstellerin sei zulässig und begründet. Der Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung sei aus wichtigen Gründen dringend geboten. Denn der Normenkontrollantrag werde mit großer Wahrscheinlichkeit Erfolg haben. Die Antragsgegnerin habe das Planaufstellungsverfahren als beschleunigtes Verfahren gemäß § 13a BauGB betrieben, ohne dass die Voraussetzungen hierfür vorgelegen hätten. Dies bringe Mängel mit sich, die zur Unwirksamkeit des Planes führten.
Mit Schriftsätzen vom 8. bzw. 3. Januar 2020 haben Antragstellerin und Antragsgegnerin einer Entscheidung des Senats im schriftlichen Verfahren zugestimmt. Der Vorgang über die Aufstellung des Bebauungsplans D. E. hat vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Im Einverständnis der Beteiligten kann der Senat gemäß § 101 Abs. 2 VwGO, der auch im Normenkontrollverfahren Anwendung findet (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 47 Rn. 140), durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Der Normenkontrollantrag ist zulässig und begründet. Auf den Antrag der Antragstellerin ist der vom Rat der Antragsgegnerin am 20. Januar 2016 als Satzung beschlossene, am 16. Februar 2017 im Amtsblatt des Landkreises I. bekannt gemachte Bebauungsplan D. E. gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO für unwirksam zu erklären.
Die Zulässigkeit des Normenkontrollantrags ist keinen Bedenken ausgesetzt; solche hat die Antragsgegnerin auch nicht geltend gemacht. Insbesondere steht der Antragstellerin die nach § 47 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 VwGO erforderliche Antragsbefugnis zur Seite. Eine Antragsbefugnis der Antragstellerin ergibt sich schon daraus, dass die Textliche Festsetzung Nr. 1 des Bebauungsplans D. E., deren Rechtmäßigkeit sie substantiiert angreift, das in ihrem Eigentum stehende Grundstück unmittelbar betrifft (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.3.1998 - 4 CN 6.97 -, juris Leitsatz 1 und Rn. 10 ff.). Denn hierdurch wird für das bislang unbeplante Grundstück eine Grundflächenzahl von 0,4 und eine Höchstzahl von einem Vollgeschoss festgesetzt. Darüber hinaus ist nicht offensichtlich ausgeschlossen, dass die Antragstellerin in dem in § 1 Abs. 7 BauGB verankerten Recht auf gerechte Abwägung verletzt sein könnte (vgl. BVerwG, Beschl. v. 8.6.2011 - 4 BN 42.10 -, juris Rn. 3). Mit ihrem Interesse, von dem von der mit der Erweiterung der Mehrzweckhalle verbundenen Errichtung neuer Stellplatzflächen südlich ihres Grundstücks ausgehenden Kraftfahrzeuglärm verschont zu bleiben, kann die Antragstellerin einen abwägungserheblichen Belang für sich in Anspruch nehmen. Ob die Antragsgegnerin diesen Belang bei ihrer Abwägung korrekt berücksichtigt hat, bedarf angesichts der von der Antragstellerin gegen die Schalltechnische Beurteilung vom 8. Januar 2016 erhobenen Einwände näherer Prüfung.
Der Normenkontrollantrag ist auch begründet. Dabei kann - wie schon im einstweiligen Anordnungsverfahren N. - offenbleiben, ob die Angriffe der Antragstellerin gegen die materielle Rechtmäßigkeit des Bebauungsplans D. E. durchgreifen. Denn es trifft bereits ihre noch rechtzeitige Rüge eines beachtlichen Verfahrensfehlers zu. Die Antragsgegnerin hat das Planaufstellungsverfahren als beschleunigtes Verfahren gemäß § 13a BauGB betrieben, ohne dass die Voraussetzungen hierfür vorgelegen haben; daraus ergibt sich die Unwirksamkeit des Bebauungsplans D. E..
Entgegen den Angaben in der Planbegründung und in der Auslegungsbekanntmachung vom 17. August 2015 hat die Antragsgegnerin nicht etwa auf die Durchführung des von ihrem Rat in seinen Sitzungen vom 22. April 2015 und 24. Juni 2015 beschlossenen beschleunigten Verfahrens verzichtet. Wie es zu diesen zur Beschlusslage in Widerspruch stehenden Aussagen gekommen ist, lässt sich dem Planaufstellungsvorgang nicht entnehmen. Möglicherweise ist mit ihnen auch nur gemeint, dass von der nach § 13a Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 13 Abs. 2 Nr. 1 BauGB gegebenen Möglichkeit, von einer frühzeitigen Beteiligung der Öffentlichkeit und einer frühzeitigen Behördenbeteiligung abzusehen, kein Gebrauch gemacht worden ist und auch die Beteiligung der Öffentlichkeit nach § 3 Abs. 2 BauGB und die Behördenbeteiligung nach § 4 Abs. 2 BauGB regulär durchgeführt worden sind. Jedenfalls aber hat die Antragsgegnerin im Planaufstellungsverfahren die Erleichterungen des § 13a Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 13 Abs. 3 Satz 1 BauGB in Anspruch genommen. Weder hat eine Umweltprüfung nach § 2 Abs. 4 BauGB stattgefunden noch ist als gesonderter Teil der Planbegründung ein Umweltbericht nach § 2a BauGB erstellt worden (siehe dazu Planbegründung S. 23) noch enthält die Bekanntmachung vom 17. August 2015 Angaben nach § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB dazu, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind. Den entsprechenden Vorhalten der Antragstellerin hat die Antragsgegnerin auch nichts entgegengesetzt. Sie macht allein geltend, dass sie zur Durchführung des beschleunigten Verfahrens gesetzlich berechtigt war. Diese Auffassung trifft indes nicht zu.
Nach Absatz 1 Satz 2 des die Bebauungspläne der Innenentwicklung betreffenden § 13a BauGB darf der Bebauungsplan im beschleunigten Verfahren nur aufgestellt werden, wenn in ihm eine zulässige Grundfläche im Sinne des § 19 Abs. 2 der Baunutzungsverordnung oder eine Größe der Grundfläche festgesetzt wird von insgesamt entweder weniger als 20.000 qm, wobei die Grundflächen mehrerer Bebauungspläne, die in einem engen sachlichen, räumlichen und zeitlichen Zusammenhang aufgestellt werden, mitzurechnen sind, oder 20.000 qm bis weniger als 70.000 qm, wenn auf Grund einer überschlägigen Prüfung unter Berücksichtigung der in Anlage 2 des Baugesetzbuches genannten Kriterien die Einschätzung erlangt wird, dass der Bebauungsplan voraussichtlich keine erheblichen Umweltauswirkungen hat, die nach § 2 Abs. 4 Satz 4 BauGB in der Abwägung zu berücksichtigen wären (Vorprüfung des Einzelfalls); die Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange, deren Aufgabenbereiche durch die Planung berührt werden können, sind an der Vorprüfung des Einzelfalls zu beteiligen.
Die Auffassung der Antragsgegnerin, im Falle des Bebauungsplans D. E. seien die Voraussetzungen des § 13a Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BauGB erfüllt, die dort bestimmte Grenze von 20.000 qm Grundfläche sei sogar deutlich unterschritten, überzeugt nicht. Zwar ist richtig, dass der Bebauungsplan drei Bereiche - P1, P2 und P3 - gesondert als potentielle Bauflächen ausweist. Es handelt sich um innerörtliche Freiflächen, auf denen sich nur Nebengebäude ehemaliger landwirtschaftlicher Betriebe befinden bzw. die als Pferdeweiden genutzt werden (Planbegründung S. 9 bis 12). Die Größe dieser drei Einzelflächen beträgt 4.165 qm, 3.965 qm bzw. 3.910 qm (Planbegründung S. 40), so dass sich bei Zugrundelegung der durch die Textliche Festsetzung Nr. 1 bestimmten Grundflächenzahl von 0,4 eine zulässige Grundfläche nach § 19 Abs. 2 BauNVO von lediglich 4.816 qm ergeben würde. Der Geltungsbereich des Bebauungsplans D. E. beschränkt sich allerdings nicht auf diese drei Flächen, sondern umfasst seinem Namen entsprechend den gesamten Ortskern der Antragsgegnerin mit einer Gesamtfläche von 25,89 ha, exakt 258.870 qm (Planbegründung S. 40). Das stellt auch die Antragsgegnerin nicht in Abrede. Ihr Argument geht vielmehr dahin, dass die sonstigen im Plangebiet liegenden überbaubaren Flächen bei der Berechnung der zulässigen Grundfläche i.S.v. § 13a Abs. 1 Satz 2 BauGB außer Acht zu lassen seien, weil auf ihnen wegen bereits vorhandener Bebauung keine signifikant neuen Bebauungsmöglichkeiten geschaffen würden. Diese von der Antragsgegnerin propagierte differenzierende Betrachtung der Bebauungsplanflächen, die - soweit ersichtlich - auch keine Unterstützung in Rechtsprechung und/oder Literatur erfährt, geht jedoch fehl.
Dem als Auslegungskriterium zuvörderst maßgeblichen Wortlaut der Vorschrift lässt sich eine Begrenzung auf die durch die Planung erstmalig überbaubare Grundfläche nicht entnehmen. § 13a Abs. 1 Satz 2 BauGB stellt ganz generell auf die in dem Bebauungsplan festgesetzte Grundfläche im Sinne des § 19 Abs. 2 BauNVO und damit auf die gesamte überbaubare Fläche (vgl. BVerwG, Urt. v. 8.12.2016 - 4 CN 4.16 -, juris Rn. 16) ab. Ebenso bezieht sich die in der durch § 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Halbs. 2 BauGB zu in einem engen sachlichen, räumlichen und zeitlichen Zusammenhang aufgestellten Bebauungsplänen bestimmte „Mitzurechnungsregel“ ohne Einschränkung auf „die Grundflächen“ dieser Bebauungspläne. Eine historische Auslegung führt ebenfalls nicht zu einer einschränkenden Lesart. Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/2496, S. 13, li. Sp. unten) handelt es sich bei Bebauungsplänen gemäß § 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BauGB um solche im Sinne von Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2011 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (ABl. L 197/30 v. 21.7.2001). Diese Regelung betrifft „Pläne und Programme, die die Nutzung kleiner Gebiete auf lokaler Ebene festlegen“, stellt mithin auf den gesamten Planumgriff, nicht auf die Größe von durch die Planung erstmalig überbaubaren Flächen ab. Demgegenüber verfängt das von der Antragsgegnerin angeführte teleologische Argument nicht. Stellte man für die Berechnung, ob der von § 13 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BauGB bestimmte Schwellenwert eingehalten ist, lediglich auf die durch die Planung erstmalig überbaubare Grundstücksfläche ab, ergäbe sich das Erfordernis, zunächst das gesamte Plangebiet daraufhin zu untersuchen, inwieweit bereits durch den vorhandenen Bestand die durch die Festsetzungen des Bebauungsplans eröffneten Bebauungsmöglichkeiten ausgeschöpft werden. Ein solcher Verwaltungsaufwand stünde mit der Absicht des Gesetzgebers, Verfahrenserleichterungen für Bebauungspläne der Innenentwicklung zu gewähren, gerade nicht in Einklang. Insoweit ist auch anzumerken, dass die Antragsgegnerin nicht im Einzelnen festgestellt hat, inwieweit die Festsetzungen des Bebauungsplans D. E. außerhalb der drei gesondert betrachteten Bereiche P1, P2 und P3 eine Nachverdichtung ermöglichen. Auch im übrigen Plangebiet finden sich Grundstücke, bei denen die durch die Textliche Festsetzung Nr. 1 des Bebauungsplans festlegte Grundflächenzahl 0,4 durch die bereits vorhandene Bebauung bei weitem nicht ausgeschöpft wird.
Es ist auch weder von der Antragsgegnerin dargelegt noch ersichtlich, dass sich bei Zugrundelegung der gesamten überbaubaren Fläche die Durchführung des beschleunigten Verfahrens auf § 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BauGB stützen ließe. Schon die Größe der durch den Bebauungsplan D. E. festgesetzten Grundfläche liegt deutlich über 70.000 qm. Ausgehend von einer überbaubaren Grundstücksfläche von 70.000 qm und einer sich auf den gesamten Geltungsbereich des Bebauungsplans beziehenden (Planbegründung S. 18) Grundflächenzahl von 0,4 ergäbe sich eine Ausgangsfläche von 175.000 qm. Die Differenz zur Gesamtfläche des Plangebiets von 258.870 qm beträgt hiernach 83.870 qm, was fast ein Drittel (32,39 %) des Geltungsbereichs des Bebauungsplans ausmacht. Von einer Unterschreitung des von § 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BauGB bestimmten Schwellenwertes ließe sich daher nur dann ausgehen, wenn etwa ein Drittel des Plangebiets als Grün-, Wald- oder Verkehrsflächen festgesetzt wären. Dies ist ausweislich der Planurkunde aber nicht der Fall. Ungeachtet dessen fehlt es für die Anwendung von § 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BauGB auch an der zudem erforderlichen Vorprüfung des Einzelfalls.
Aus der fehlerhafter Wahl des beschleunigten Verfahrens ergibt sich ein nach § 214 Abs. 1 Nr. 3 BauGB beachtlicher und wegen seiner noch rechtzeitig erfolgten Geltendmachung auch nicht nach § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB unbeachtlich gewordener Verfahrensfehler und damit die Unwirksamkeit des Bebauungsplans D. E.. Nach § 214 Abs. 1 Nr. 3 BauGB ist eine Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften u.a. beachtlich, wenn die Vorschriften über die Begründung der Satzungen sowie ihrer Entwürfe nach § 2a, § 3 Abs. 2 und § 9 Abs. 8 BauGB verletzt worden sind. Das ist wegen des fehlenden Umweltberichts als Teil der Begründung des Bebauungsplans (§ 2a Satz 3, § 9 Abs. 8 BauGB) hier der Fall. Interne Unbeachtlichkeitsvorschriften greifen nicht ein. Weder ist die Regelung im letzten Teilsatz des § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB einschlägig noch kann die frühere Unbeachtlichkeitsklausel des § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 2 BauGB in der zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses noch geltenden Fassung des Gesetzes vom 11. Juni 2013 (BGBl. I S. 1548, vgl. insoweit § 233 Abs. 2 Satz 2 BauGB) entsprechend angewandt werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 4.11.2015 - 4 CN 9.14 -, juris Rn. 30).