Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 31.03.2020, Az.: 10 ME 69/20

Abweichung; Attest; Eingliederungshilfe; Schule; seelische Behinderung; seelische Gesundheit; Teilhabebeeinträchtigung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
31.03.2020
Aktenzeichen
10 ME 69/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 71681
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 20.02.2020 - AZ: 4 B 5/20

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 4. Kammer - vom 20. Februar 2020 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die Beschwerde des am D. geborenen Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts hat keinen Erfolg.

Aus den vom Antragsteller zur Begründung seiner Beschwerde dargelegten Gründen, auf deren Prüfung der Senat sich gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, ergeben sich keine Zweifel an der Richtigkeit des Beschlusses des Verwaltungsgerichts, mit dem dieses seinen Antrag, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII in Form der Übernahme der Kosten für seine Unterbringung im Internat E. zu gewähren, zu Recht abgelehnt hat.

Die Gewährung der hier begehrten Eingliederungshilfe hängt nach § 35a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII von zwei Voraussetzungen ab. Der Antragsteller hat nach dem vorliegenden Sachverhalt beide Voraussetzungen nicht glaubhaft gemacht.

Die erste Voraussetzung ist nach § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII, dass die seelische Gesundheit des Kindes oder Jugendlichen mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für sein Lebensalter typischen Zustand abweicht. Diesbezüglich hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach § 35a Abs. 1a Satz 1 SGB VIII die Stellungnahme eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie (Nr. 1), eines Kinder- und Jugendpsychotherapeuten (Nr. 2) oder eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt (Nr. 3), einzuholen. Die Stellungnahme ist nach § 35a Abs. 1a Satz 2 SGB VIII auf der Grundlage der internationalen Klassifikation der Krankheiten zu erstellen und in ihr ist nach § 35a Abs. 1a Satz 3 SGB VIII darzulegen, ob die Abweichung Krankheitswert hat oder auf einer Krankheit beruht.

Hier sind beide vom Antragsteller vorgelegten, hinsichtlich der gestellten Diagnosen aber weder vom Antragsgegner noch vom Verwaltungsgericht hinterfragten Stellungnahmen nicht hinreichend substantiiert und belegen daher schon nicht, dass seine seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für sein Lebensalter typischen Zustand abweicht:

Die psychologische Stellungnahme der Diplom-Psychologin und psychologischen Psychotherapeutin F. vom 20. Juni 2019 diagnostiziert im Hinblick auf die seelische Gesundheit des Antragstellers bei diesem „kombinierte Störungen schulischer Fertigkeiten“ (F 81.3), die nach der ICD-10 (Version 2020) eine deutliche Beeinträchtigung der schulischen Fertigkeiten, die nicht allein durch eine allgemeine Intelligenzminderung oder eine unangemessene Beschulung erklärbar ist, voraussetzen, „sonstige Störungen des Sozialverhaltens und der Emotionen“ (F 92.8), die nach der ICD-10 eine Störung des Sozialverhaltens mit andauernden und deutlichen emotionalen Symptomen wie Angst, Zwangsgedanken oder Zwangshandlungen etc. verlangt, und „sonstige abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle (Mediensucht)“ (F 63.8), die nach der ICD-10 ein sich dauernd wiederholendes unangepasstes Verhalten voraussetzen, bei denen der Betroffene den Impulsen, das pathologische Verhalten auszuführen, nicht widerstehen kann. Es fehlt jedoch eine nachvollziehbare Begründung für diese Diagnosen und die Darlegung, ob und inwieweit die festgestellten Abweichungen Krankheitswert haben oder auf einer Krankheit beruhen.

Auf Seite 2 der Stellungnahme wird der „Schweregrad (globale Einschätzung)“ als „deutliche soziale Beeinträchtigung in mindestens einem oder zwei Bereichen“ beschrieben, was ersichtlich keine Begründung der genannten Diagnosen darstellt. Auf Seite 3 der Stellungnahme wird schließlich unter „Ergebnisse“ ausgeführt: „Die Lehrerin beschreibt ihn als lustlos aber hilfsbereit, höflich und sozial. Es gibt nur wenig was ihm Freude macht. Auch sieht sie ihn unter seinen Möglichkeiten etwas zu leisten. Der Elternfragebogen wurde von der Mutter ausgefüllt. Auch sie findet ihn als mitfühlend und harmoniebedürftig, sieht aber auch seine Verweigerung sich den Anforderungen der Schule zu stellen, was bereits in der Grundschule begann. Große Sorge macht ihr sein Medienkonsum. beschreibt sich als sorgenfrei und findet an sich alles gut.“ Aus diesen Ausführungen, die offenbar nicht auf den eingangs der Stellungnahme erwähnten „persönlichen Untersuchungen“ der Psychotherapeutin beruhen, ergeben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine seelische Behinderung des Antragstellers, die die gestellten Diagnosen stützen könnten. Vielmehr zeigt der Antragsteller danach lediglich in manchen Bereichen problematische Verhaltensweisen, wie sie für Jungen in diesem Alter typisch sein können (keine ausreichende schulische Motivation und gesteigerter Medienkonsum), aber keine Abweichungen seiner seelischen Gesundheit mit Krankheitswert. Die den genannten Ausführungen folgende Feststellung, „es handelt sich somit aus psychologischer Sicht um eine (mit hoher Wahrscheinlichkeit) seelische Behinderung“, beruht daher auf keiner tragfähigen Begründung.

Dies gilt auch für die ärztliche Stellungnahme des Sozialpädiatrischen Zentrums A-Stadt vom 5. November 2019, auf die der Antragsteller zur Begründung seiner Beschwerde hingewiesen hat. Die in dieser Stellungnahme gestellten Diagnosen stimmen im Hinblick auf eine mögliche seelische Störung des Antragstellers im Wesentlichen mit den Diagnosen in der Stellungnahme der Psychotherapeutin vom 20. Juni 2019 überein. Aber auch diese Stellungnahme enthält keine nachvollziehbare und tragfähige, auf eigenen Untersuchungen bzw. Beobachtungen beruhende Begründung dieser Diagnosen. Auf Seite 2 der Stellungnahme wird lediglich wiedergegeben, was in einem Erstgespräch mit dem Antragsteller und seiner Mutter im Juli 2019 und in einem Elterngespräch am 5. November 2019 „berichtet“ worden sei: „Berichtet werden langjährige, den familiären Alltag stark belastende Verhaltensprobleme wie Verweigerungs- und Rückzugsverhalten, geringe Leistungsmotivation und verminderte Frustrationstoleranz. Zu Hause gebe es nach wie vor täglich viele Konflikte, v. a. mit der Mutter. Jeden Morgen sei es ein Kampf bis endlich aus dem Bett komme und sich auf den Schulweg mache. … Insbesondere Toms ausgeprägter Medienkonsum sei schwer zu regulieren. Eine Mediensucht lässt sich aktuell nicht sicher ausschließen.“ Auch im Übrigen ist dieser Stellungnahme lediglich zu entnehmen, dass die „mitgebrachten Unterlagen“ ausgewertet worden seien. Daraus und aus den Gesprächen hätten sich keine neuen ambulanten Behandlungsansätze ergeben. Die Therapie-, Förderungs- und Unterstützungskonzepte der bisher besuchten ambulanten und stationären Institutionen hätten nicht „zu einer anhaltenden Verhaltensänderung bzw. positiven Persönlichkeitsentwicklung bei geführt“. Auch diese Stellungnahme enthält daher keine konkrete Begründung der gestellten Diagnosen und inwiefern konkret die Verhaltensabweichungen des Antragstellers Krankheitswert haben sollen. Auf die gestellten Diagnosen geht die Stellungnahme überhaupt nur insoweit ein, als festgestellt wird, dass eine Mediensucht „sich aktuell nicht sicher ausschließen“ lässt. Wenn aber eine Mediensucht lediglich nicht sicher ausgeschlossen werden kann, ist unverständlich, warum in dieser Stellungnahme „sonstige abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle (Mediensucht)“ diagnostiziert werden.

Unabhängig davon, dass bereits danach die Voraussetzungen für die Gewährung von Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII nicht vorliegen, bestehen diese auch deshalb nicht, weil der Antragsgegner und ihm folgend das Verwaltungsgericht zu Recht eine Teilhabebeeinträchtigung im Sinne des § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII verneint haben.

Die Gewährung von Eingliederungshilfe verlangt nach § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII ferner, dass die Teilhabe des Kindes am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist. Das Vorliegen dieser Voraussetzung haben die Fachkräfte des Jugendamts selbst zu prüfen und festzustellen. Sie haben also aufgrund ihrer umfassenden Kenntnis des sozialen Umfelds des betroffenen Kindes oder Jugendlichen und ihres sozialpädagogischen und gegebenenfalls psychologischen Sachverstands zu beurteilen, wie sich die Funktionsbeeinträchtigung im Hinblick auf die Teilhabe des Kindes oder Jugendlichen am Leben in der Gesellschaft auswirkt, ohne dass insoweit eine fachärztliche oder psychotherapeutische Stellungnahme erforderlich ist (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. etwa Beschlüsse vom 12.02.2020 – 10 ME 36/20 –, juris Rn. 6, vom 15.01.2020 – 10 ME 252/19 – und vom 27.09.2018 – 10 ME 357/18 –, juris Rn. 5; vgl. auch Niedersächsisches OVG, Urteil vom 04.02.2009 – 4 LC 514/07 –, juris Rn. 45, und Beschluss vom 11.06.2008 - 4 ME 184/08 -, juris 2. Leitsatz und Rn. 8 m.w.N.). Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine solche Stellungnahme für die Beurteilung der Beeinträchtigung der Fähigkeit zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft für das Jugendamt und im gerichtlichen Verfahren unerheblich wäre. Dieser kann vielmehr auch insoweit eine sowohl vom Jugendamt als auch vom Verwaltungsgericht – schon aufgrund der ihm obliegenden Aufklärung des Sachverhalts nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO – bei seiner Entscheidung zu berücksichtigende beachtliche Aussagekraft zukommen, wenn sie gut nachvollziehbare und überzeugende Ausführungen (auch) zu der Frage, ob eine Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vorliegt oder zu erwarten ist, enthält (Senatsbeschluss vom 12.02.2020 – 10 ME 36/20 –, juris Rn. 6; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 04.02.2009 – 4 LC 514/07 –, juris Rn. 45; vgl. Senatsbeschluss vom 27.09.2018 – 10 ME 357/18 –, juris Rn. 5).

Eine Teilhabebeeinträchtigung im Sinne des § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII liegt aber nur vor, wenn die festgestellte seelische Störung nach Breite, Tiefe und Dauer so intensiv ist, dass sie die Fähigkeit des Kindes oder Jugendlichen zur Eingliederung in die Gesellschaft beeinträchtigt oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist (BVerwG, Urteil vom 28.09.2000 – 5 C 29.99 –, juris Rn. 19, und vom 26.11.1998 – 5 C 38.97 –, juris Rn. 15; ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 12.02.2020 – 10 ME 36/20 –, juris Rn. 7, vom 15.01.2020 – 10 ME 252/19 – und vom 27.09.2018 – 10 ME 357/18 –, juris Rn. 6; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.06.2019 – 12 A 2468/16 –, juris Rn. 58; Nds. OVG, Beschluss vom 04.02.2009 – 4 LC 514/07 –, juris Rn. 34; Kepert/Dexheimer in Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 7. Auflage 2018, § 35a Rn. 19). Dabei ist der Begriff der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft im Sinne der Partizipation gekennzeichnet durch die aktive, selbstbestimmte und altersgemäße Ausübung sozialer Funktionen und Rollen in den das Kind oder den Jugendlichen betreffenden Lebensbereichen wie Familie, Verwandtschafts- und Freundeskreis, Schule und außerschulische Betätigungsfelder (Wiesner in Wiesner, SGB VIII, 5. Auflage 2015, § 35a Rn. 19). Die Beeinträchtigung der Teilhabe ist grundsätzlich nach der Intensität der Auswirkungen auf das gesamte Leben in der Gemeinschaft zu beurteilen und von regelmäßig bzw. häufiger auftretenden Problemen abzugrenzen (von Boetticher/Meysen in Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, 8. Auflage 2019, § 35a Rn. 42). Eine Beeinträchtigung der Teilhabe kann aber auch bereits dann vorliegen, wenn sich die Störung in einem der Lebensbereiche – wie beispielsweise dem Bereich der schulischen Betätigung – mit der erforderlichen Intensität auswirkt (Kepert/Dexheimer in Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 7. Auflage 2018, § 35a Rn. 19; Wiesner in Wiesner, SGB VIII, 5. Auflage 2015, § 35a Rn. 19; vgl. auch von Boetticher/Meysen in Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, 8. Auflage 2019, § 35a Rn. 42). Bloße Schulprobleme und Schulängste, die andere Kinder teilen, weisen diese Intensität allerdings nicht auf und reichen damit für die Annahme einer behinderungsrelevanten seelischen Störung nicht aus. Eine solche ist aber bei einer auf Schulversagensängsten beruhenden Schulphobie, einer totalen Schul- und Lernverweigerung oder einem Rückzug aus jedem sozialen Kontakt und der Vereinzelung in der Schule zu bejahen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.11.1998 – 5 C 38.97 –, juris Rn. 15; Senatsbeschlüsse vom 12.02.2020 – 10 ME 36/20 –, juris Rn. 7, vom 15.01.2020 – 10 ME 252/19 – und vom 19.08.2019 – 10 ME 126/19 –; Niedersächsisches OVG, Beschlüsse vom 29.09.2015 – 4 LA 165/15 – und vom 04.02.2009 – 4 LC 514/07 –, juris Rn. 34; von Boetticher/Meysen in Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, 8. Auflage 2019, § 35a Rn. 42; Kepert/Dexheimer in Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, Kommentar, 7. Aufl. 2018, § 35a Rn. 19). Seelische Behinderungen im Sinne des § 35a Abs. 1 Nr. 2, Satz 2 SGB VIII sind demnach erst chronische Störungen, die die soziale Integration des Kindes nachhaltig beeinträchtigen (Senatsbeschlüsse vom 12.02.2020 – 10 ME 36/20 –, juris Rn. 7, vom 15.01.2020 – 10 ME 252/19 – und vom 27.09.2018 - 10 ME 357/18 -, juris Rn. 6; Kepert/Dexheimer in Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, Kommentar, 7. Aufl. 2018, § 35a Rn. 19; vgl. auch von Boetticher/Meysen in Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, 8. Auflage 2019, § 35a Rn. 34).

Hier haben die für die Beurteilung der Teilhabebeeinträchtigung zuständigen Fachkräfte des Jugendamts des Antragsgegners im mit der Klage angefochtenen Bescheid vom 2. September 2019 und in der Klageerwiderung vom 24. Oktober 2019 gut nachvollziehbar ausgeführt, dass nach Auswertung der Elternfragebögen, des Schulberichts und weiterer Berichte und Stellungnahmen bei in keinem der überprüften Bereiche eine schwerwiegende Teilhabebeeinträchtigung vorliege. Im Bereich Interaktion/Beziehungsqualität/Kommunikation zeige sich, dass grundsätzlich in der Lage sei, mit anderen Personen in Interaktion zu treten, zu kommunizieren und seine Bedürfnisse zu äußern. Er benenne offen und ehrlich die Probleme im häuslichen Umwelt und die Spannungen zwischen ihm und seiner Mutter. Der Bereich Integration zeige, dass gern selbst die Regeln und seine Freizeitgestaltung bestimmen möchte und eine zum Teil auch alterstypische Antriebslosigkeit deutlich werde. Auf der anderen Seite könne er sich in Gruppen altersentsprechend bewegen und sei in seinen Klassenverband integriert. Im vergangenen Schuljahr sei er sogar Klassensprecher gewesen. Im Bereich Selbstfürsorge/Alltagsbewältigung weise eine altersentsprechende Entwicklung und Selbstständigkeit auf. Im Bereich Schule zeige er Lerndefizite. Es sei bei ihm ein sonderpädagogischer Förderbedarf im Bereich Lernen festgestellt worden. Er besuche eine Förderschule mit diesem Schwerpunkt. Tendenzen zu einer Schulverweigerung zeige, der die Schule regelmäßig besuche, nicht.

Dem ist das Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss gefolgt und hat festgestellt, dass der Antragsteller in seiner Förderschule gut integriert sei, Freunde habe und insgesamt befriedigende Leistungen erziele. Im häuslichen Umfeld stellten sich die Probleme so dar, dass es ihm extrem schwerfalle, aufzustehen, sich zu motivieren, Hausaufgaben zu machen oder sich neben den Computerspielen für etwas zu begeistern. Dieses Verhalten stelle sich aber wohl noch als alterstypisch dar. Auch bei anderen 15-jährigen lasse sich eine derartige Antriebslosigkeit feststellen. Dies rechtfertige aber jedenfalls nicht die Annahme einer Beeinträchtigung der Eingliederung in die Gesellschaft. Der Hilfebedarf habe hier seine Ursache wohl auch eher im innerfamiliären Bereich, weil die Kindesmutter für den Antragsteller eine begleitete Tagesstruktur wünsche, bei der jemand ihren Sohn überwache.

Dagegen hat der Antragsteller lediglich eingewandt, dass das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidungsfindung die fachärztliche Stellungnahme vom 5. November 2019 völlig außer Acht gelassen habe, nach der davon ausgegangen werden müsse, dass seine soziale Funktionsfähigkeit sowohl im schulischen als auch im familiären Bereich nachhaltig beeinträchtigt sei. Damit verkennt der Antragsteller jedoch bereits, dass die Feststellung der Teilhabebeeinträchtigung den Fachkräften des Jugendamts und nicht den ihn behandelnden Ärzten obliegt. Auch insoweit kann einer ärztlichen Stellungnahme nach dem oben Gesagten zwar eine beachtliche und in diesem Falle bei der Feststellung der Teilhabebeeinträchtigung zu berücksichtigende Aussagekraft zukommen, wenn sie gut nachvollziehbare und überzeugende Ausführungen (auch) zu der Frage enthält, ob eine Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vorliegt oder zu erwarten ist. Die ärztliche Stellungnahme vom 5. November 2019 enthält jedoch nach den obigen Feststellungen bereits keine hinreichende Begründung der darin gestellten Diagnosen und erst recht keine ausreichende Begründung einer möglichen Teilhabebeeinträchtigung des Antragstellers, soweit darin – ohne weitere Begründung – ausgeführt wird: „Auch nach Einschätzung des SPZ A-Stadt bedarf intensiver pädagogischer Unterstützung, die nach unzureichender Wirkung der bisherigen Konzepte jetzt im Sinne einer außerhäuslichen Unterbringung unter der Woche umgesetzt werden soll, um einer drohenden Gefährdung von D. weiterer Entwicklung entgegenzuwirken und ihm eine altersentsprechende Teilhabe zu ermöglichen. Aus sozialpädiatrischer, psychiatrischer und psychologisch-psychotherapeutischer Sicht besteht bei dem Jugendlichen eine Teilhabegefährdung nach § 35a SGB VIII, wenn nicht geeignete Hilfen greifen.“ Es fehlt insoweit eine Begründung, worin konkret die Teilhabebeeinträchtigung im Falle des Antragstellers bestehen soll. Diese ärztliche Stellungnahme vermag daher die Einschätzung des Antragsgegners zur Teilhabebeeinträchtigung unter keinem Gesichtspunkt in Frage zu stellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 188 VwGO nicht erhoben.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).