Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 04.03.2020, Az.: 4 KN 390/17

Teilnahme; vertragsnaturschutzrechtliche Vereinbarung; Vogelschutzrichtlinie; öffentlichen Programm

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
04.03.2020
Aktenzeichen
4 KN 390/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 71770
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Es gibt keinen Rechtssatz, der besagt, dass Bewirtschaftungsbeschränkungen in einer Naturschutzgebietsverordnung unzulässig sind, wenn die Schutzwürdigkeit der Flächen, auf denen sie gelten, auf eine Extensivierung der Bodennutzung aufgrund vertragsnaturschutzrechtlicher Vereinbarungen oder einer Teilnahme an öffentlichen Programmen zur Bewirtschaftungsbeschränkung zurückzuführen ist.
2. Im übrigen würde eine Privilegierung einer landwirtschaftlichen Bodennutzung aufgrund von Bewirtschaftungsbeschränkungen während der Dauer von Vertragsnaturschutz oder der Teilnahme an öffentlichen Programmen zur Bewirtschaftungsbeschränkung ohnehin ausscheiden, wenn sich die rechtlichen Anforderungen an die Zulässigkeit der Bodennutzung zwischenzeitlich erhöht haben.

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.

Der Antragssteller kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht der Antragsgegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Antragsteller wendet sich gegen Art. 1 der Verordnung des Landkreises Verden über das Natur- und Landschaftsschutzgebiet „Untere Allerniederung im Landkreis Verden“ in der Stadt Verden und den Gemeinden Dörverden und Kirchlinteln.

Der Antragsteller ist Eigentümer zahlreicher Flurstücke in den Fluren F., G. und H. der Gemarkung Verden. Diese ca. 60 ha großen, überwiegend landwirtschaftlich genutzten Flächen liegen südwestlich von Verden und befinden sich im Naturschutzgebiet „Untere Allerniederung im Landkreis Verden“.

Der Antragsgegner erließ am 14. November 2016 die Verordnung des Landkreises Verden über das Natur- und Landschaftsschutzgebiet „Untere Allerniederung im Landkreis Verden“ in der Stadt Verden und den Gemeinden Dörverden und Kirchlinteln, die im Amtsblatt für den Landkreis Verden Nr. 48 vom 2. Dezember 2016 bekanntgemacht wurde. Art. 1 § 1 dieser Verordnung erklärt einen Teil des Niederungsbereichs der Aller zum Naturschutzgebiet „Untere Allerniederung im Landkreis Verden“. Dieses Gebiet erstreckt sich über ca. 22 km in Nord-Süd-Richtung zwischen Verden-Eissel und der Grenze zum Heidekreis und hat eine Größe von ca. 1.060 ha. Die genaue Abgrenzung des Naturschutzgebiets ergibt sich aus der maßgeblichen Karte im Maßstab 1:10.000 (Art. 1 § 1 Abs. 3 Satz 1 VO), die aus den Teilkarten Nord und Süd besteht und Bestandteil der Verordnung ist (Art. 1 § 1 Abs. 3 Satz 3 VO). Die ungefähre Lage des Gebiets ist aus der mitveröffentlichten Übersichtskarte im Maßstab 1:50.000 zu ersehen, die ebenfalls Bestandteil der Verordnung ist (Art. 1 § 1 Abs. 5 VO).

Der überwiegende Bereich des Naturschutzgebiets ist Teil des FFH-Gebiets Nr. 90 „Aller (mit Barnbruch), untere Leine, untere Oker“ und des Vogelschutzgebiets V 23 „Untere Allerniederung“. Das im Dezember 2004 von der Kommission der Europäischen Gemeinschaft in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung aufgenommene FFH-Gebiet Nr. 90 hat eine Größe von ca. 18.000 ha und weist eine Vielzahl von Lebensraumtypen nach Anhang I der FFH-Richtlinie auf. Das Vogelschutzgebiet V 23, das sich entlang der Aller zwischen Schwarmstedt und die Mündung in die Weser erstreckt, besitzt eine Größe von ca. 5.300 ha.

Allgemeiner Schutzzweck für das Naturschutzgebiet ist nach Art. 1 § 2 Abs. 1 VO die Erhaltung, Entwicklung und Wiederherstellung von Lebensstätten, Biotoptypen und Lebensgemeinschaften bestimmter wildlebender, schutzbedürftiger Tier- und Pflanzenarten und der Schutz von Natur- und Landschaft aus besonderen wissenschaftlichen, naturgeschichtlichen und landeskundlichen Gründen sowie aufgrund ihrer Seltenheit, besonderen Vielfalt, Ruhe und hervorragenden Schönheit. Die Erklärung zum Naturschutzgebiet bezweckt insbesondere

1. die Sicherung und Entwicklung einer naturnahen, von möglichst natürlicher Gewässerdynamik gekennzeichneten Niederungslandschaft …,

2. die Erhaltung, Pflege und Entwicklung von artenreichem Grünland, insbesondere Nass- und Feuchtgrünland sowie mesophilem Grünland auf höhergelegenen Standorten,

3. die Erhaltung und Entwicklung kleinflächiger naturnaher Laubwaldbestände …,

4. die Erhaltung und Entwicklung sonstiger naturnaher Lebensräume wie feuchter Hochstaudenfluren und natürlich eutropher Stillgewässer,

5. die Erhaltung und Pflege der Hecken, sowie die Erhaltung und naturnahe Entwicklung von Baumgruppen und Einzelbäumen,

6. den Schutz und die Förderung charakteristischer Tier- und Pflanzenarten der Allerniederung sowie ihrer Lebensgemeinschaften,

7. die Bewahrung der besonderen Eigenart und herausragenden Schönheit sowie der weitgehenden Ruhe und Ungestörtheit des Naturschutzgebiets bei gleichzeitiger Erhaltung und Verbesserung der Funktion als Naherholungsgebiet insbesondere zum Naturerleben und Naturbeobachten und

8. die Bewahrung des Landschaftsbildes einer weiten halboffenen, vielfältigen Natur- und Kulturlandschaft.

Erhaltungsziele des Naturschutzgebiets im FFH-Gebiet sind nach Art. 1 § 2 Abs. 3 VO die Erhaltung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes insbesondere der prioritären Lebensraumtyps 91E0 Auenwälder mit Erle und Esche, weiterer Lebensraumtypen, u. a. des Lebensraumtyps 6510 magere Flachland-Mähwiesen, sowie einer vitalen langfristig überlebensfähigen Population verschiedener, im Einzelnen bezeichneter Tierarten gemäß Anhang II der FFH-Richtlinie.

Erhaltungsziele des Naturschutzgebiets im Vogelschutzgebiet sind nach Art. 1 § 2 Abs. 4 VO die Erhaltung und Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes der wertbestimmenden Anhang I-Arten Schwarzmilan, Wachtelkönig, Weißstorch, Singschwan und Zwergschwan, der wertbestimmenden Zugvogelarten Braunkehlchen und Schafstelze sowie die Erhaltung und Förderung von weiteren 17 charakteristischen und sonstigen Brut- und Gastvogelarten.

Nach Art 1 § 3 Abs. 1 VO sind alle Handlungen verboten, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung des Naturschutzgebiets bzw. seiner Bestandteile oder zu einer nachhaltigen Störung führen können. Insbesondere werden von Art. 1 § 3 Abs. 3 VO zur Vermeidung von Störungen und Gefährdungen im Naturschutzgebiet folgende Handlungen untersagt:

1. Hunde unangeleint laufen und in Gewässern schwimmen zu lassen, soweit dies nicht zur ordnungsgemäßen Jagdausübung geschieht oder dem Herdenschutz dient,

2. wildlebende Tiere oder die Ruhe der Natur ohne vernünftigen Grund durch Lärm oder auf andere Weise zu stören,

3. die nicht dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Straßen, Wege und Plätze mit Kraftfahrzeugen zu befahren oder Kraftfahrzeuge dort abzustellen,

4. im Naturschutzgebiet und in einer Zone von 300 m Breite um das Naturschutzgebiet herum unbemannte Luftfahrzeuge zu starten und, abgesehen von Notfallsituationen, zu landen …,

5. organisierte Veranstaltungen ohne Zustimmung der zuständigen Naturschutzbehörde durchzuführen,

6. zu zelten und offenes Feuer zu entzünden,

7. Wasser aus Fließ- und Stillgewässern oder Grundwasser zu entnehmen sowie den Grund- und Oberflächenwasserspiegel nachteilig im Sinne der Schutzziele zu verändern …,

8. gentechnisch veränderte Organismen einzubringen,

9. nicht einheimische, gebietsfremde oder invasive Arten auszubringen oder anzusiedeln,

10. maschinelle Bohrungen aller Art niederzubringen,

11. Wegeraine bzw. Wegeseitenräume auf katastermäßig ausgewiesenen Wegeparzellen der Stadt Verden sowie der Gemeinden Kirchlinteln und Dörverden ackerbaulich zu nutzen oder auf sonstige Weise zu bewirtschaften …,

12. Vergrämungs- und Abwehrmaßnahmen durchzuführen, die das Gebiet als Teillebensraum der wertgebenden und charakteristischen Arten beeinträchtigen.

Des Weiteren bestimmt Art. 1 § 3 Abs. 4 VO, dass die Errichtung von Windkraftanlagen in einer Entfernung von bis zu 1.200 m von der Grenze des Naturschutzgebiets untersagt wird, die Errichtung baugenehmigungsfreier Windkraftanlagen, vertikaler Windrotoren und untergeordneter Kleinstanlagen außerhalb des Naturschutzgebiets jedoch freigestellt ist.

Nach Art. 1 § 3 Abs. 2 VO darf das Naturschutzgebiet nur auf öffentlichen Wegen oder Wirtschaftswegen sowie auf den in der maßgeblichen Karte ausgewiesenen Wander- und Radwanderwegen betreten oder auf sonstige Weise aufgesucht werden.

Art. 1 § 4 VO enthält eine Vielzahl von Freistellungen von den Verboten des Art. 1 § 3 VO. Freigestellt ist nach Art. 1 § 4 Abs. 2 Satz 1 VO die natur- und landschaftsverträgliche Bodennutzung nach guter fachlicher Praxis gemäß § 5 Abs. 2 BNatSchG und folgenden Vorgaben:

1. die ackerbauliche Nutzung der rechtmäßig bestehenden Ackerflächen unter bestimmten Maßgaben,

2. die Umwandlung von Acker in Grünland,

3. die Nutzung der Dauergrünlandflächen in den in der maßgeblichen Karte grau schraffiert dargestellten Bereichen

a) ohne Behandlung mit chemischen Pflanzenbehandlungsmitteln mit Ausnahme der horstweisen Bekämpfung von sogenannten Problemunkräutern oder bei anderen Schadbildern …, wenn andere Methoden zu keinem Erfolg geführt haben,

b) ohne Veränderung des Bodenreliefs, insbesondere durch Verfüllen von Bodensenken, -mulden und -rinnen und durch Einebnung und Planierung,

c) ohne Ausbringung von Jauche oder Gülle auf einem 10 m breiten Streifen parallel zur Böschungsoberkante der Aller bzw. auf den Eigentumsflächen der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, wenn diese breiter sind als 10 m, und auf 5 m breiten Streifen entlang von Altgewässern und Teichen,

d) ohne Ausbringung von Kot aus der Geflügelhaltung, Klärschlamm und Gärresten …,

e) ohne Umwandlung von Grünland in Acker,

f) ohne Erneuerung der Grasnarbe durch Umbruch; zulässig sind Über- oder Nachsaaten … sowie die Beseitigung von Wildschäden durch Fräsen oder Schlegeln und Neueinsaat der Schadstellen,

g) ohne Liegenlassung von Mähgut; hiervon ausgenommen ist das Mähgut einer Nachmahd nach Beweidung,

h) im Falle der Beweidung mit Errichtung viehkehrender Zäune an den Grenzen zu den Eigentumsflächen der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, wobei die Zäune das Gewässer auf mindestens 50 % der Länge einer Bewirtschaftungseinheit von der beweideten Fläche abtrennen müssen; die Allerinsel bei Verden und die jeweils gegenüberliegenden Grünlandflächen bleiben von der Pflicht der Einzäunung unberührt,

4. die Nutzung der Dauergrünlandflächen in den in der maßgeblichen Karte einfarbig grau dargestellten Bereichen (Feucht- und Nasswiesen, bewirtschaftete naturnahe regelmäßig überschwemmte Bereiche und öffentliche Flächen) wie unter 3. und zusätzlich

a) ohne Grünlanderneuerung,

b) ohne Nachsaaten außer zur Behebung von Wildschäden oder bei anderen Schadbildern …,

c) ohne maschinelle Bodenbearbeitung einschließlich Mahd vom 15. März bis zum 1. Juni eines Jahres,

d) unter Beachtung der im Einzelfall mitgeteilten Bewirtschaftungsauflagen gemäß § 30 BNatSchG,

5. die Nutzung der in der maßgeblichen Karte eng gepunktet dargestellten mageren Flachland-Mähwiesen sowie nach Unterschutzstellung entstandener Flachland-Mähwiesen wie unter Nr. 3 und Nr. 4 und zusätzlich

a) ohne Düngung, außer Entzugsdüngung (dabei maximale Rein-N-Gabe von 30 kg/ha jährlich ohne Jauche und Gülle),

b) unter Einhaltung einer Frist von zehn Wochen zwischen dem ersten und zweiten Mähtermin; entlang einer Längsseite jeder Fläche ist bis zum 15. Juli ein Randstreifen von 2,5 m stehen zu lassen,

c) unter Einhaltung einer Frist von zehn Wochen zwischen dem ersten Schnitt und einer Beweidung ohne Zufütterung der Tiere; die Beweidung mit Pferden ist nur mit Zustimmung der zuständigen Naturschutzbehörde zulässig.

Weiterhin bestimmt Art. 1 § 4 Abs. 2 Satz 2 VO, dass die Naturschutzbehörde auf Antrag Ausnahmen von den Regelungen der Nr. 3 bis 5 zulassen kann, sofern dies im Einzelfall aus betrieblichen Gründen erforderlich und eine Beeinträchtigung des Zustandes der Lebensraumtypen und Arten nicht zu befürchten ist.

Ferner regelt Art. 1 § 4 Abs. 3 bis 5 VO die Freistellung der natur- und landschaftsverträglichen ordnungsgemäßen Forstwirtschaft im Wald im Sinne des § 11 NWaldLG und des § 5 Abs. 3 BNatSchG, der den Schutzzielen angepassten ordnungsgemäßen, im Haupt- oder Nebenerwerb betriebenen Fischerei und sonstigen fischereilichen Nutzung sowie der ordnungsgemäßen Ausübung der Jagd.

Des Weiteren normiert Art. 1 § 8 VO, dass die zuständige Naturschutzbehörde von den Verboten dieser Verordnung nach Maßgabe des § 67 BNatSchG i.V.m. § 41 NAGBNatSchG Befreiung erteilen kann. Art. 1 § 9 VO enthält Regelungen zu Pflege-, Entwicklungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen, Art. 1 § 10 VO zu Ordnungswidrigkeiten.

Schließlich bestimmt Art. 2 § 1 Abs. 1 VO ein Gebiet von ca. 22 km Länge und einer Größe von ca. 770 ha zum Landschaftsschutzgebiet „Untere Allerniederung im Landkreis Verden“.

Gegen Art. 1 dieser Verordnung hat der Antragsteller am 27. November 2017 einen Normenkontrollantrag gestellt, zu dessen Begründung er vorträgt, dass die Verordnung ermessensfehlerhaft und damit unwirksam sei. Seine Flächen seien vom Antragsgegner in Gänze als Naturschutzgebiet ausgewiesen worden. Nach der Begründung und den Erläuterungen zur Verordnung soll es sich bei den unter Schutz gestellten Flächen um mesophiles Grünland (FFH-Lebensraumtyp 6510, magere Flachland-Mähwiesen) handeln. Außerdem sollen sich in dem Gebiet viele gesetzlich geschützte Biotope befinden. Diese Flächen habe der Antragsgegner jedoch nur deshalb als Naturschutzgebiet einstufen können, weil sie nachweislich seit 1990 extensiv bewirtschaftet worden seien. Anlass für die extensive Bewirtschaftung seien Bewirtschaftungsauflagen gewesen, die die Landwirte freiwillig befolgt hätten. So hätten die Landwirte I. J. und K. L. bereits am 28. März 1990 mit der unteren Naturschutzbehörde eine Vereinbarung geschlossen, mit der sie sich freiwillig zur Einhaltung von zahlreichen Bewirtschaftungseinschränkungen verpflichtet hätten. Diese Einschränkungen hätten u.a. das Verbot einer Grünlanderneuerung, das Verbot des Einsatzes von chemischen Pflanzenschutzmitteln, das Verbot einer Mahd vor dem 21. Juni und den Verzicht auf jedwede Düngung vorgesehen. In der Folgezeit hätten die Flächen weiteren vertraglichen Vereinbarungen unterlegen und teilweise an öffentlichen Programmen zur Bewirtschaftungsbeschränkung teilgenommen. Diese seinerzeit freiwillig eingegangenen Beschränkungen sehe die Schutzgebietsverordnung nun in Art. 1 § 4 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. Nrn. 3 und 4 vor. Bei der Unterschutzstellung habe der Antragsgegner den sich aus § 30 Abs. 5 BNatSchG ergebenden Gedanken, dass der Gesetzgeber eine freiwillig eingegangene Beschränkung des Eigentums nicht später im Verordnungswege manifestieren könne, unberücksichtigt gelassen. Es sei kontradiktorisch, dass er - der Antragsteller - mit Blick auf die bestehenden Biotope nach § 30 Abs. 5 BNatSchG die ehemalige Grünlandbewirtschaftung wiederaufnehmen könnte, ihm dies durch die Naturschutzgebietsverordnung aber untersagt werde. Soweit der Antragsgegner der Auffassung sei, dass die den FFH-Lebensraumtyp 6510 kennzeichnenden Pflanzenarten bereits vor den freiwillig eingegangenen Verpflichtungen vorgelegen hätten, und sich insoweit auf eine Biotopkartierung aus dem Jahre 1990 berufe, sei anzumerken, dass die dort getroffenen Feststellungen nicht deckungsgleich mit dem jetzt anzutreffenden Zustand seien. Zudem blieben Lage und Größe der im Rahmen der Kartierung erfassten Bereiche im Unklaren. Im Übrigen falle auf, dass der Antragsgegner in seiner Antragserwiderung ausgeführt habe, dass sämtliche Flächen, die in seinem Eigentum, dem Eigentum des Landes Niedersachsen und der Bundesrepublik Deutschland stehen, unter Naturschutz gestellt worden seien, auch wenn sich Teilräume davon bis heute noch nicht als naturschutzwürdig darstellten.

Der Antragsteller beantragt,

Art. 1 der Verordnung des Landkreises Verden über das Natur- und Landschaftsschutzgebiet „Untere Allerniederung im Landkreis Verden“ in der Stadt Verden und den Gemeinden Dörverden und Kirchlinteln vom 14. November 2016 für unwirksam zu erklären.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen,

und erwidert: Der Normenkontrollantrag sei unbegründet. Die Annahme des Antragstellers, er habe bei der Auswahl der Schutzgebietskategorien sein Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt, sei unzutreffend. Er habe die Allerniederung einer genauen Prüfung anhand der Kriterien Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit unterzogen und daraufhin 1.064 ha des insgesamt 1.837 ha großen Natura 2000-Gebiets unter Naturschutz und 773 ha unter Landschaftsschutz gestellt. Das Naturschutzgebiet habe er dabei in drei verschiedene Schutzgebietszonen mit jeweils unterschiedlichen Bewirtschaftungsvorgaben eingeteilt. Die Zonen seien nach naturschutzfachlichen Kriterien abgegrenzt worden. Die „schärfsten“ Nutzungsvorgaben hätten die Flächen mit dem Lebensraumtyp Flachland-Mähwiesen erhalten. Bei den Flächen des Antragstellers handele es sich um nach § 30 BNatSchG gesetzlich geschützte, naturnahe und regelmäßig überschwemmte Bereiche (mageres mesophiles Grünland) sowie um den Lebensraumtyp magere Flachland-Mähwiese. Zu der Kritik des Antragstellers, die Biotopflächen seien erst durch den Vertragsnaturschutz entstanden, werde auf den Schriftverkehr, der im Rahmen der Feststellung des gesetzlich geschützten Biotops mit dem Antragsteller geführt worden sei, verwiesen. Schon seinerzeit sei ausdrücklich begründet worden, dass das Biotop bereits vor der ersten Vereinbarung zur Bewirtschaftung ab dem 1. April 1990 bestanden habe. Soweit er in seiner Antragserwiderung ausgeführt habe, dass sämtliche Flächen, die im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland, des Landes Niedersachsen und des Landkreises Verden stehen, unter Naturschutz gestellt worden seien, auch wenn sich Teilräume hiervon bis heute noch nicht als schutzwürdig darstellten, habe er lediglich darauf hinweisen wollen, dass die Unterschutzstellung sich auch auf die Teilbereiche der im Eigentum der öffentlichen Hand stehenden Flächen erstreckt habe, die nicht wegen ihres gegenwärtigen Zustandes, aber wegen ihres Entwicklungspotentials schutzwürdig seien.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners (Beiakten 1 - 4) verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Der Normenkontrollantrag ist zulässig, aber unbegründet.

Der Antrag ist statthaft, weil Art. 1 der Verordnung des Landkreises Verden über das Natur- und Landschaftsschutzgebiet „Untere Allerniederung im Landkreis Verden“ in der Stadt Verden und den Gemeinden Dörverden und Kirchlinteln vom 14. November 2016 - VO - nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 75 NJG der Normenkontrolle durch das Oberverwaltungsgericht unterliegt.

Der Antrag erfüllt auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen. Er ist innerhalb der Antragsfrist des § 47 Abs. 1 Satz 2 VwGO und damit rechtzeitig gestellt worden. Außerdem ist der Antragsteller i.S.d. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt, weil er als Eigentümer von Grundstücken in dem unter Naturschutz gestellten Gebiet geltend machen kann, durch die Bestimmungen des Art. 1 VO oder deren Anwendung in eigenen Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden.

Der demnach zulässige Normenkontrollantrag ist jedoch unbegründet. Denn Art. 1 VO steht mit höherrangigem Recht im Einklang.

Formelle Mängel der Verordnung sind im vorliegenden Verfahren weder geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich.

Art. 1 VO ist auch materiell-rechtlich mit höherrangigem Recht vereinbar.

Der Antragsgegner ist befugt gewesen, das Gebiet der unteren Allerniederung im Landkreis Verden, dessen Grenze sich aus der maßgeblichen Karte im Maßstab 1:10.000 ergibt, zum Naturschutzgebiet zu erklären. Denn die dafür erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen haben vorgelegen und liegen weiterhin vor.

Nach § 16 Abs. 1 NAGBNatSchG kann die Naturschutzbehörde Gebiete im Sinne des § 23 Abs. 1 BNatSchG durch Verordnung als Naturschutzgebiete festsetzen. Nach § 23 Abs. 1 BNatSchG sind Naturschutzgebiete rechtsverbindlich festgesetzte Gebiete, in denen ein besonderer Schutz von Natur und Landschaft in ihrer Gesamtheit oder in einzelnen Teilen 1. zur Erhaltung und Entwicklung oder Wiederherstellung von Lebensstätten, Biotoptypen oder Lebensgemeinschaften bestimmter wildlebender Tier- und Pflanzenarten, 2. aus wissenschaftlichen, naturgeschichtlichen oder landeskundlichen Gründen oder 3. wegen ihrer Seltenheit, besonderen Eigenart oder hervorragenden Schönheit erforderlich ist.

Diese Voraussetzungen für die Festsetzung eines Naturschutzgebiets sind in Bezug auf den durch Art. 1 VO unter Schutz gestellten Bereich erfüllt. Denn dieser ist im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 3 BNatSchG schutzwürdig und schutzbedürftig.

Der zum Naturschutzgebiet erklärte Landschaftsteil ist fast vollständig Bestandteil des FFH-Gebiets Nr. 90. Ferner gehört der überwiegende Teil des Naturschutzgebiets zum Europäischen Vogelschutzgebiet V 23. Nur einzelne kleine Bereiche des Naturschutzgebiets gehören weder zum FFH-Gebiet Nr. 90 noch zum Vogelschutzgebiet V 23.

Das ca. 18.000 ha große FFH-Gebiet Nr. 90 dient ausweislich des Standarddatenbogens des Niedersächsischen Landesamts für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz dem Schutz des bedeutendsten Flussniederungskomplexes im Weser-Aller-Flachland und ist wichtig u. a. für die Repräsentanz von feuchten Hochstaudenfluren, eutrophen Seen, Hartholz-Auenwäldern, mageren Flachland-Mähwiesen, Otter, Biber, Mausohr und grüner Keiljungfer. Es weist ausweislich des Standarddatenbogens insgesamt 21 Lebensraumtypen nach Anhang I der FFH-Richtlinie sowie eine Vielzahl von Arten nach Anhang II der FFH-Richtlinie auf. Nach Art. 1 § 2 Abs. 3 VO sind neun dieser Lebensraumtypen - u. a. der prioritäre Lebensraumtyp 31E0 Auenwälder mit Erle und Esche sowie die Lebensraumtypen 6510 magere Flachland-Mähwiesen und 91F0 Hartholzauewälder mit Stieleiche, Ulme und Esche - im Naturschutzgebiet „Untere Allerniederung im Landkreis Verden“ anzutreffen. Entsprechendes gilt für 11 Tierarten nach Anhang II zur FFH-Richtlinie.

Das insgesamt 9.300 ha große Vogelschutzgebiet V 23 hat nach dem Standarddatenbogen des Niedersächsischen Landesamts für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz eine hohe Bedeutung als Brut- und Nahrungsgebiet für die Weißstorchpopulation und Vorkommen des Schwarzmilans und ist im Winter Rastgebiet für nordische Schwäne und Gänse. Es erstreckt sich zu 81 % auf Binnengewässer, Grünland- und Feuchtgrünlandkomplexe. Dort sind gemäß dem Standarddatenbogen Dutzende von Arten nach Anhang I der Vogelschutzrichtlinie und Zugvogelarten vorhanden. Nach Art 1 § 2 Abs. 4 VO sind zahlreiche dieser Arten auch im Naturschutzgebiet anzutreffen. Außerdem kommen dort weitere Brut- und Gastvogelarten vor.

Ausgehend davon sind sowohl die Bereiche des unter Naturschutz gestellten Gebiets, die zum FFH-Gebiet Nr. 90 und zum Vogelschutzgebiet V 23 gehören, als auch die Bereiche, die ausschließlich Bestandteile des FFH-Gebiets sind, im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG schutzwürdig. Denn auf diesen Flächen ist ein besonderer Schutz von Natur und Landschaft in ihrer Gesamtheit oder in einzelnen Bereichen zur Erhaltung, Entwicklung oder Wiederherstellung von Lebensstätten und Lebensgemeinschaften wildlebender Pflanzen- und Tierarten zweifelsohne erforderlich. Für die kleinen Bereiche des Naturschutzgebiets, die weder zum FFH-Gebiet noch zum Vogelschutzgebiet gehören, gilt nichts Anderes. Auch dort sind schutzwürdige Lebensstätten und Lebensgemeinschaften wildlebender Pflanzen- und Tierarten anzutreffen. Dass der Zustand einzelner Teilflächen des zum Naturschutzgebiet erklärten Landschaftsteils im Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung die Unterschutzstellung naturschutzfachlich noch nicht gerechtfertigt haben mag, steht der Rechtmäßigkeit der Einbeziehung auch dieser Teilflächen in das Naturschutzgebiet nicht entgegen. Denn nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG gehört auch die Entwicklung von Biotopen oder Lebensgemeinschaften bestimmter Tier- und Pflanzenarten zu den zulässigen Zwecken eines Naturschutzgebiets. Für „eine Entwicklung“ im Sinne dieser Vorschrift kommen alle Flächen in Betracht, die sich nicht oder nicht in gewünschtem Maß in einem schutzwürdigen Zustand befinden, sich dazu aber entwickeln bzw. entwickelt werden können (vgl. BVerwG, Urt. v. 5.2.2009 - 7 CN 1.08 -, NuR 2009, 346). Dass die hier unter Naturschutz gestellten Flächen, soweit sie sich in Teilbereichen noch nicht in dem gewünschten Maß in einem schutzwürdigen Zustand befinden, das zur Unterschutzstellung erforderliche Entwicklungspotential aufweisen, ist in Anbetracht des Umstandes, dass das Naturschutzgebiet fast vollständig Bestandteil des FFH-Gebiets Nr. 90 ist und überwiegend zum Europäischen Vogelschutzgebiet V 23 gehört, und der naturschutzfachlichen Qualität dieser Gebiete ohne Weiteres anzunehmen. Daher konnte der Antragsgegner auch die in seinem Eigentum, im Eigentum des Landes Niedersachsen und im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland stehenden Flächen, die in naturschutzfachlicher Hinsicht weiterentwickelt werden sollen, in das Naturschutzgebiet einbeziehen.

Des Weiteren ist davon auszugehen, dass der unter Naturschutz gestellte Bereich der unteren Allerniederung in weiten Teilen auch wegen seiner besonderen Eigenart und hervorragenden Schönheit im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG schutzwürdig ist. Schließlich ist eine Schutzwürdigkeit auch im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG aus wissenschaftlichen, naturgeschichtlichen und landeskundlichen Gründen zu bejahen, soweit es um den Schutz und die Neuentwicklung des Lebensraumtyps magere Flachland-Mähwiesen geht, da es sich bei mageren Flachland-Mähwiesen um Kulturbiotope handelt, die dem Grünland der vorindustriellen Landwirtschaft entsprechen, deren Pflanzenarten teilweise verschiedenen natürlichen Biotopen Mitteleuropas und Asiens entstammen, deren Existenz von einer bestimmten regelmäßigen Nutzung und Pflege der Flächen abhängt und deren Neuentwicklung komplex ist (vgl. dazu Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz, Vollzugshinweise zum Schutz der FFH-Lebensraumtypen sowie weiteren Biotoptypen mit landesweiter Bedeutung in Niedersachen, Magere Flachland-Mähwiesen [6510]).

Zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass auch in Bezug auf die im Eigentum des Antragstellers stehenden Flächen südwestlich von Verden keine Zweifel an deren Schutzwürdigkeit bestehen. Denn diese Flächen, bei denen es sich weitgehend um Grünland handelt, sind sowohl Bestandteil des FFH-Gebiets Nr. 90 als auch des Vogelschutzgebiets V 23. Wesentliche Teile der im Eigentum des Antragstellers stehenden Flächen weisen zudem den nach der FFH-Richtlinie schutzwürdigen Lebensraumtyp „magere Flachland-Mähwiesen“ auf. Dort befinden sich ferner verschiedene gesetzlich geschützte Biotope. Daher steht eine Schutzwürdigkeit dieser Flächen zumindest im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG außer Frage.

Der zum Naturschutzgebiet erklärte Landschaftsteil erweist sich des Weiteren als schutzbedürftig. Da eine Ausweisung als Naturschutzgebiet ihren Zweck nur dann erfüllen kann, wenn sie vorbeugend auch mögliche Gefahren ausschließt, genügt es für die Annahme einer Schutzbedürftigkeit, dass die Schutzgüter, die eine Ausweisung des Naturschutzgebiets rechtfertigen, ohne die Unterschutzstellung abstrakt gefährdet wären; einer konkreten Gefahrensituation bedarf es hingegen nicht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.6.1988 - 4 B 102.88 -, NVwZ 1988, 1020; Senatsurt. v. 19.4.2018 - 4 KN 343/15 -; Senatsurt. v. 19.7.2017 - 4 KN 29/15 -; Nds.OVG, Urt. v. 8.7.2004 - 8 KN 34/02 -). Eine danach ausreichende abstrakte Gefährdung ist hier zweifelsohne gegeben. Denn es liegt auf der Hand, dass u. a. die Qualität des Gebiets als Lebensstätte wildlebender Tier- und Pflanzenarten, sein besonderes Entwicklungspotential, die natürliche Eigenart der Landschaft und die Schönheit des Landschaftsbildes ohne eine Unterschutzstellung des Gebiets durch verschiedene Nutzung wie z. B. die uneingeschränkte Erholungs- und Freizeitnutzung, Landwirtschaft, Fischerei oder Jagd beeinträchtigt werden könnte.

Dass der Antragsgegner von der demnach bestehenden Möglichkeit, die untere Allerniederung in dem hier in Rede stehenden Bereich unter Naturschutz zu stellen, Gebrauch gemacht hat, ist ebenfalls nicht zu beanstanden.

Liegen - wie hier - die Voraussetzungen einer Unterschutzstellung für Teile von Natur und Landschaft vor, so hat die Naturschutzbehörde grundsätzlich einen Handlungsspielraum, ob und wie sie das schutzwürdige und schutzbedürftige Gebiet unter Schutz stellt (Senatsurt. v. 30.10.2017 - 4 KN 275/17 - m.w.N.; vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.1.2007 - 7 B 68.06 -). Dieser Grundsatz findet allerdings nach § 32 Abs. 2 BNatSchG hinsichtlich des „Ob“ einer Unterschutzstellung eine Einschränkung, wonach die in die Liste nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 3 der Richtlinie 92/43/EWG (FFH-Richtlinie) aufgenommenen Gebiete nach Maßgabe des Art. 4 Abs. 4 dieser Richtlinie und die nach Art. 4 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2009/147/EG (Vogelschutzrichtlinie) benannten Gebiete entsprechend den jeweiligen Erhaltungszielen zu geschützten Teilen von Natur und Landschaft im Sinne des § 20 Abs. 2 BNatSchG zu erklären sind. Soweit das hier in Rede stehende Gebiet als FFH-Gebiet Nr. 90 in die Liste nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 3 der FFH-Richtlinie aufgenommen worden ist und zum Vogelschutzgebiet V 23 erklärt worden ist, hat demzufolge eine Pflicht zu einer Unterschutzstellung bestanden (vgl. Senatsurt. v. 30.10.2017 - 4 KN 275/17 - m.w.N. u. v. 2.5.2017 - 4 KN 318/13 - u. - 4 KN 319/13 -). Bei der Entscheidung darüber, wie das das FFH-Gebiet Nr. 90 und das Vogelschutzgebiet V 23 nach nationalem Recht unter Schutz gestellt wird, ist der Naturschutzbehörde aber ein Handlungsspielraum verblieben, der in erster Linie durch eine nach Maßgabe des naturschutzrechtlichen Abwägungsgebots im Sinne des § 2 Abs. 3 BNatSchG erfolgende, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verpflichtete Würdigung der sich gegenüberstehenden Interessen des Naturschutzes auf der einen und der Nutzungsinteressen der Grundeigentümer und der übrigen Beteiligten auf der anderen Seite geprägt ist (Senatsurt. v. 30.10.2017 - 4 KN 275/17 -, v. 29.11.2016 - 4 KN 93/14 -, v. 20.1.2016 - 4 KN 15/14 - u. v. 1.4.2008 - 4 KN 57/07 -; Nds. OVG, Urt. v. 24.8.2001 - 8 KN 209/01 - u. Urt. v. 6.11.2002 - 8 KN 231/01 -, ferner BVerwG, Beschl. v. 20.12.2017 - 4 BN 8.17 -, BVerwG, Beschl. v. 29.1.2007 - 7 B 68/06 - u. Beschl. v. 16.6.1988 - 4 B 102/88 -, NVwZ 1988, 1020).

Eine solche Würdigung der sich gegenüberstehenden Interessen hat der Antragsgegner hier vorgenommen. Er hat sich ausweislich der Verwaltungsvorgänge eingehend mit den Nutzungsinteressen der Grundeigentümer sowie der übrigen Nutzungsberechtigten, insbesondere der Eigentümer landwirtschaftlich genutzter Grundstücke, auseinandergesetzt und diese in seine Erwägungen einbezogen. Dies verdeutlicht bereits die Prüfung und Auswertung der Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange sowie der Anregungen und Bedenken der betroffenen Grundeigentümer und sonstigen Nutzungsberechtigten, die aus den Beiakten ersichtlich ist. Dass den Naturschutzbelangen entgegenstehende Interessen von Grundeigentümern und sonstigen Nutzungsberechtigten Rechnung getragen worden ist, zeigt im Übrigen die Verordnung selbst. Denn diese enthält in Art. 1 § 4 zahlreiche Freistellungen von den Verboten des Art. 1 § 3 VO, u. a. in Art. 1 § 4 Abs. 2 VO auch zu Gunsten des Antragstellers.

Abgesehen davon hätte auch eine unzureichende Ermittlung und Zusammenstellung der bei der Abwägung zu berücksichtigenden Umstände nicht die Nichtigkeit von Art. 1 VO nach sich gezogen (vgl. Senatsurt. v. 30.10.2017 - 4 KN 275/17 -, v. 29.11.2016 - 4 KN 93/14 - u. v. 1.4.2008 - 4 KN 57/07 -; Senatsbeschl. v. 30.8.2016 - 4 LA 352/15 -; Nds. OVG, Urt. v. 25.9.2003 - 8 KN 2072/01 -, v. 24.8.2001 - 8 KN 209/01 - u. v. 14.12.2000 - 3 K 4802/99 -), da es bei der rechtlichen Überprüfung einer Schutzgebietsverordnung lediglich darauf ankommt, ob die aufgrund der Abwägung getroffene Entscheidung über die Unterschutzstellung des Gebiets im Ergebnis zu beanstanden ist (BVerwG, Beschl. v. 20.12.2017 - 4 BN 8.17 -; Senatsurt. v. 30.10.2017 - 4 KN 275/17 -, v. 29.11.2016 - 4 KN 93/14 - u. v. 1.4.2008 - 4 KN 57/07 -, Senatsbeschl. v. 30.8.2016 - 4 LA 352/15 -; Nds. OVG, Urt. v. 24.8.2001 - 8 KN 209/01 - u. Urt. v. 14.12.2000 - 3 K 4802/99 -), was ist hier nicht der Fall ist.

Die in Art. 1 § 3 VO geregelten Verbote sind ebenfalls mit höherrangigem Recht vereinbar.

Das in Art. 1 § 3 Abs. 1 VO enthaltene Verbot aller Handlungen, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung des Naturschutzgebiets bzw. seiner Bestandteile oder zu einer nachhaltigen Störung führen können, entspricht der gesetzlichen Vorgabe in § 23 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG. In dem von dieser Vorschrift gesetzten Rahmen halten sich auch die Verbote, die Art. 1 § 3 Abs. 3 und 4 VO normiert. Das Betretensverbot in Art. 1 § 3 Abs. 2 VO entspricht § 16 Abs. 2 NAGBNatSchG und ist daher ebenfalls nicht zu beanstanden.

Keinen Bedenken begegnen auch die Einschränkungen der landwirtschaftlichen Bodennutzung in dem unter Naturschutz gestellten Gebiet.

Da die landwirtschaftliche Bodennutzung zu einer Beschädigung oder Veränderung von Bestandteilen des Naturschutzgebiets führen kann, fällt sie unter den Verbotstatbestand des Art. 1 § 3 Abs. 1 VO. Davon stellt Art. 1 § 4 Abs. 2 VO allerdings die natur- und landschaftsverträgliche landwirtschaftliche Bodennutzung nach guter fachlicher Praxis gemäß § 5 Abs. 2 BNatSchG unter verschiedenen Vorgaben frei. So unterliegt die Nutzung der Dauergrünlandflächen in den in der maßgeblichen Karte einfarbig grau dargestellten Bereichen, zu denen die Flächen des Antragstellers größtenteils gehören, Einschränkungen bezüglich der Behandlung mit chemischen Pflanzenbehandlungsmitteln, der Veränderung des Bodenreliefs, der Ausbringung von Jauche oder Gülle, der Ausbringung von Kot aus der Geflügelhaltung, Klärschlamm und Gärresten, der Umwandlung von Grünland in Acker, der Erneuerung der Grasnarbe durch Umbruch, des Liegenlassens von Mähgut und der Errichtung viehverkehrender Zäune an der Grenze zu den Eigentumsflächen der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung im Falle der Beweidung (Art. 1 § 4 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a bis h VO) sowie der Grünlanderneuerung, der Nachsaaten, der maschinellen Bodenbearbeitung einschließlich Mahd und der Beachtung von Bewirtschaftungsauflagen gemäß § 30 BNatSchG (Art. 1 § 4 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. a bis d VO).

Diese Bewirtschaftungsbeschränkungen sind allerdings nicht zu beanstanden, da die Nutzung des Dauergrünlandes in dem in der Karte gekennzeichneten Bereich ohne diese zweifelsohne zu einer Beschädigung, Veränderung oder nachhaltigen Störung von Bestandteilen des Naturschutzgebiets führen könnte. Dieser Umstand allein rechtfertigt die vorstehenden Einschränkungen, weil Verbote in einem Naturschutzgebiet nach § 23 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG nicht voraussetzen, dass die untersagten Handlungen tatsächlich zu einer Beschädigung, Veränderung oder nachhaltigen Störung führen, sondern schon dann gerechtfertigt sind, wenn die bloße Möglichkeit besteht, dass die Handlungen derartige Nachteile zur Folge haben, solche also nicht gänzlich außerhalb des Möglichen liegen (vgl. Frenz/Müggenborg, BNatSchG, § 23 Rn. 37; Schlacke, GK-BNatSchG, § 23 Rn. 31).

Die Einschränkungen der landwirtschaftlichen Bodennutzung der in der maßgeblichen Karte eng gepunktet dargestellten mageren Flachland-Mähwiesen gemäß Art. 1 § 4 Abs. 2 Nr. 5 VO begegnet ebenfalls keinen durchgreifenden Bedenken. Danach unterliegt die Nutzung der mageren Flachland-Mähwiesen, deren günstiger Erhaltungszustand gemäß Art. 1 § 2 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. e VO erhalten oder wiederhergestellt werden soll, den Einschränkungen nach Art. 1 § 4 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VO sowie weiteren Einschränkungen, die die Düngung, die Einhaltung der Frist zwischen dem ersten und dem zweiten Mähtermin sowie die Einhaltung einer Frist zwischen dem ersten Schnitt und einer Beweidung betreffen. Auch diese Bewirtschaftungseinschränkungen sind rechtlich nicht zu beanstanden, weil die Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen ist, dass der FFH-Lebensraumtyp „magere Flachland-Mähwiese“ beschädigt oder verändert wird, wenn die Grünlandnutzung ohne die vorstehenden Einschränkungen erfolgt.

Die o. a. Bewirtschaftungseinschränkungen sind auch keineswegs unverhältnismäßig, weil sie sich auf das zum Schutz des Dauergrünlandes und des FFH-Lebensraumtyps Notwendige beschränken. Im Übrigen bestimmt Art. 1 § 4 Abs. 2 Satz 2 VO ausdrücklich, dass die Naturschutzbehörde auf Antrag Ausnahmen von den Regelungen der Nr. 3 bis 5 zulassen kann, sofern dies im Einzelfall aus betrieblichen Gründen erforderlich ist und eine Beeinträchtigung des günstigen Zustandes der Lebensraumtypen und Arten nicht zu befürchten ist. Damit kann in solchen Fällen besonderen Betriebserfordernissen angemessen Rechnung getragen werden.

Der Rechtmäßigkeit der vorstehenden Bewirtschaftungseinschränkungen kann der Antragsteller ferner nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass die Schutzwürdigkeit seiner Grünlandflächen darauf zurückzuführen sei, dass diese seit April 1990 auf der Grundlage freiwilliger Verpflichtungen extensiv bewirtschaftet worden seien, und der Antragsgegner den sich aus § 30 Abs. 5 BNatSchG ergebenden Gedanken, dass der Gesetzgeber eine freiwillig - dem Kooperationsprinzip folgend - eingegangene Beschränkung des Eigentums nicht später im Verordnungsweg manifestieren kann, nicht beachtet habe. Denn es gibt keinen Rechtssatz, der besagt, dass Bewirtschaftungsbeschränkungen in einer Naturschutzgebietsverordnung unzulässig sind, wenn die Schutzwürdigkeit der Flächen, auf denen sie gelten, auf eine Extensivierung der Bodennutzung aufgrund vertragsnaturschutzrechtlicher Vereinbarungen oder einer Teilnahme an öffentlichen Programmen zur Bewirtschaftungsbeschränkung zurückzuführen ist.

Der vom Antragsgegner insoweit in Bezug genommene § 30 Abs. 5 BNatSchG bestimmt, dass die in § 30 Abs. 2 BNatSchG vorgesehenen Verbote von Handlungen, die zu einer Zerstörung oder einer sonstigen erheblichen Beeinträchtigung der dort aufgeführten gesetzlich geschützten Biotope führen können, bei Biotopen, die während der Laufzeit einer vertraglichen Vereinbarung oder einer Teilnahme an öffentlichen Programmen zu Bewirtschaftungsbeschränkungen entstanden sind, nicht für die Wiederaufnahme einer zulässigen land-, forst-, oder fischereiwirtschaftlichen Nutzung innerhalb von 10 Jahren nach Beendigung der betreffenden vertraglichen Vereinbarung oder der Teilnahme an dem betreffenden öffentlichen Programm gelten. Damit hat der Gesetzgeber mit dem Ziel, den Naturschutz auf Zeit und damit den Vertragsnaturschutz zu stärken, für den Bereich des gesetzlichen Biotopschutzes eine Sonderregelung getroffen. Diese Sonderregelung schließt allerdings andere, insbesondere weitergehende Schutzbestimmungen nicht aus. § 30 Abs. 8 BNatSchG bestimmt ausdrücklich, dass weitergehende Schutzvorschriften einschließlich der Bestimmungen über Ausnahmen und Befreiungen unberührt bleiben. Weitergehende Schutzbestimmungen in diesem Sinne sind insbesondere solche, die den Erlass einer Naturschutzgebietsverordnung betreffen, sowie die Bestimmungen der Naturschutzgebietsverordnung selbst (vgl. Schlacke, GK-BNatSchG, § 30 Rn. 32; Frenz/Müggenborg, BNatSchG, § 30 Rn. 25). Das wird im Übrigen durch die Begründung des Gesetzentwurfs zu der o. a. Bestimmung bestätigt, in der es heißt, dass bei Vorliegen eines strengeren Schutzregimes, etwa wenn ein gesetzlich geschütztes Biotop in einem Schutzgebiet liegt, das dafür geltende Schutzregime unberührt bleibt (BT-Drs. 16/12274 S. 64). Folglich lässt sich aus § 30 Abs. 5 BNatSchG kein Rechtssatz des Inhalts herleiten, dass Bewirtschaftungsbeschränkungen in einer Naturschutzgebietsverordnung unzulässig sind, wenn die Schutzwürdigkeit der Flächen, auf denen sie gelten, auf eine Extensivierung der Bodennutzung aufgrund vertragsnaturschutzrechtlicher Vereinbarungen oder einer Teilnahme an öffentlichen Programmen zur Bewirtschaftungsbeschränkung zurückzuführen ist.

Es gibt auch keine anderen gesetzlichen Bestimmungen, aus denen ein solcher Rechtssatz abzuleiten wäre. Zwar privilegiert auch § 14 Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG die landwirtschaftliche Bodennutzung aufgrund von Bewirtschaftungsbeschränkungen während der Dauer von Vertragsnaturschutz oder der Teilnahme an öffentlichen Programmen zur Bewirtschaftungsbeschränkung, indem er regelt, dass die Wiederaufnahme einer land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Bodennutzung nicht als Eingriff gilt, wenn sie zeitweise aufgrund vertraglicher Vereinbarungen oder aufgrund der Teilnahme an öffentlichen Programmen zur Bewirtschaftungsbeschränkung eingeschränkt oder unterbrochen war und die Wiederaufnahme innerhalb von 10 Jahren nach dem Auslaufen der Einschränkung oder Unterbrechung erfolgt. Diese Bestimmung, die auch dem Ziel dient, den Naturschutz auf Zeit und damit den Vertragsnaturschutz zu stärken, (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 13.6.2019 - 4 C 4.18 -, NVwZ-RR 2019, 896), lässt allerdings - ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs - andere Regelungen, die die Wiederaufnahme des uneingeschränkten Bodennutzung einschränken, ebenfalls unberührt (BT-Drs. 16, 12274, S. 57; Frenz/Müggenborg, BNatSchG, § 14 Rn. 68) und stellt daher eine auf die Eingriffsregelung beschränkte Sonderregelung dar.

Im Übrigen würde eine Privilegierung einer landwirtschaftlichen Bodennutzung aufgrund von Bewirtschaftungsbeschränkungen während der Dauer von Vertragsnaturschutz oder der Teilnahme an öffentlichen Programmen zur Bewirtschaftungsbeschränkung ohnehin ausscheiden, wenn sich die rechtlichen Anforderungen an die Zulässigkeit der Bodennutzung zwischenzeitlich erhöht haben, weil derjenige, der die Bodennutzung aufgrund vertragsnaturschutzrechtlicher Vereinbarungen oder der Teilnahme an öffentlichen Programmen zur Bewirtschaftungsbeschränkung eingeschränkt hat, insoweit nicht besser gestellt sein kann als derjenige, der die jeweilige Nutzung uneingeschränkt fortgeführt hat (vgl. Frenz/Müggenborg, BNatSchG, § 14 Rn. 68). Ein solcher Fall liegt hier vor. Denn die rechtlichen Anforderungen an die Nutzung des hier in Rede stehenden Gebiets haben sich seit der Aufnahme des Vertragsnaturschutzes bzw. der Teilnahme an öffentlichen Programmen zur Bewirtschaftungsbeschränkung erhöht, weil der Bereich des jetzigen FFH-Gebiets Nr. 90 in der nationalen Liste, die der Europäischen Kommission im Jahr 2000 nach Art. 4 Abs. 1 der FFH-Richtlinie übermittelt worden ist, aufgeführt gewesen ist, die Europäische Kommission dieses Gebiet im Dezember 2004 in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung gemäß Art. 4 Abs. 2 der FFH-Richtlinie aufgenommen hat und die im Eigentum des Antragstellers stehenden Flächen Teile des im Juni 2001 gemeldeten Europäischen Vogelschutzgebiets V 23 geworden sind.

Mit der Meldung des Gebiets an die Kommission entstand die Verpflichtung, geeignete Schutzmaßnahmen zur Wahrung der ökologischen Merkmale des Gebiets zu ergreifen und keine Eingriffe zuzulassen, die diese Merkmale ernsthaft gefährden könnten (EuGH, Urt. v. 14.9.2006 - C-244/05 -, Rn. 44, 46, 47). Die Aufnahme des Gebiets in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung hatte sodann nach Art. 4 Abs. 5 i.V.m. Art. 6 Abs. 2 der FFH-Richtlinie die Verpflichtung zur Folge, die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie Störungen von Arten, für die das Gebiet ausgewiesen worden ist, zu vermeiden, sofern solche Störungen sich im Hinblick auf die Ziele der FFH-Richtlinie erheblich auswirken könnten. Schließlich begründete die Bestimmung des Gebiets zum Europäischen Vogelschutzgebiet V 23 nach Art. 4 Abs. 4 Satz 1 der Vogelschutzrichtlinie die Pflicht, geeignete Maßnahmen zu treffen, um die Verschmutzung oder Beeinträchtigung der Lebensräume sowie die Belästigung der Vögel, sofern sie sich auf die Zielsetzung des Art. 4 der FFH-Richtlinie erheblich auswirken, in dem Vogelschutzgebiet zu vermeiden. Außerdem ergab sich für die Naturschutzbehörde zunächst nach § 33 Abs. 2 BNatSchG i.d.F. vom 25. März 2002 und später nach § 32 Abs. 2 BNatSchG i.d.F. vom 29. Juli 2009 die Pflicht, das FFH-Gebiet und das Vogelschutzgebiet entsprechend den Erhaltungszielen zu einem geschützten Teil von Natur und Landschaft i.S.d. § 22 Abs. 1 BNatSchG i.d.F. vom 25. März 2002 bzw. § 20 Abs. 2 BNatSchG i.d.F. vom 29. Juli 2009 zu erklären. Damit stand die Unterschutzstellung des FFH-Gebiets und des Vogelschutzgebiets auch nationalrechtlich nicht mehr im pflichtgemäßen Ermessen der Naturschutzbehörde, vielmehr entstand auch nach Bundesrecht eine Pflicht zur Unterschutzstellung, bei der den Erhaltungszielen des FFH-Gebiets Nr. 90 und des Europäischen Vogelschutzgebiets V 23 Rechnung zu tragen war.

Folglich sind die rechtlichen Anforderungen an die Zulässigkeit der Bodennutzung in dem unter Schutz gestellten Gebiet seit der Aufnahme des Vertragsnaturschutzes bzw. der Teilnahme an öffentlichen Programmen zur Bewirtschaftungsbeschränkung deutlich gestiegen. Dieser Umstand schließt eine Privilegierung der landwirtschaftlichen Bodennutzung aufgrund von Bewirtschaftungsbeschränkungen während des Vertragsnaturschutzes oder der Teilnahme an öffentlichen Programmen zur Bewirtschaftungsbeschränkung in jedem Fall aus.

Im Übrigen zeigen die vorstehenden Ausführungen, dass ein nationalrechtlicher Rechtssatz des Inhalts, dass Bewirtschaftungsbeschränkungen in einer Naturschutzgebietsverordnung unzulässig sind, wenn die Schutzwürdigkeit der Flächen, auf denen sie gelten, auf eine Extensivierung der Bodennutzung aufgrund vertragsnaturschutzrechtlicher Vereinbarungen oder einer Teilnahme an öffentlichen Programmen zur Bewirtschaftungsbeschränkung zurückzuführen ist, mit den Bestimmungen der FFH-Richtlinie und der Vogelschutzrichtlinie nicht vereinbar und damit nicht anwendbar wäre. Denn die durch diese begründeten Verpflichtungen, die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten zu vermeiden und die Beeinträchtigung der Lebensräume sowie die Belästigung der Vögel, sofern sie sich auf die Zielsetzung des Art. 4 der FFH-Richtlinie erheblich auswirken, zu vermeiden, bestehen unabhängig davon, ob sich die Lebensräume und Habitate ohne menschlichen Einwirkungen oder unter menschlichem Einfluss entwickelt haben.

Abgesehen davon belegt die im Mai, Juli und August 1990 zur Erfassung der für den Naturschutz wertvollen Bereiche in Niedersachsen durchgeführte Kartierung in dem Gebiet Nr. 19 westlich und südwestlich von Verden nicht nur das Vorkommen von nährstoffreichen Stillgewässern, Feuchtgebieten, Uferstaudenfluren, Niedermooren/Sümpfen, mesophilem Grünland und Feuchtgrünland, sondern auch die Existenz einer Vielzahl kennzeichnender, teilweise gefährdeter Pflanzenarten. Da dieses damals kartierte Gebiet jedenfalls mit einem Teil der Flächen des Antragstellers identisch ist, ist davon auszugehen, dass diese Teilflächen schon vor der Extensivierung der Bewirtschaftung im Jahr 1990 schutzwürdig gewesen sind. Daher kann keine Rede davon sein, dass diese Flächen erst aufgrund der Extensivierung der Bewirtschaftung im Rahmen des Vertragsnaturschutzes einen schutzwürdigen Zustand erreicht haben. Folglich ist der o. a. Einwand des Antragstellers auch insoweit unbegründet.

Der Naturschutzgebietsverordnung lässt sich des Weiteren auch nicht entgegenhalten, dass der Antragsgegner den zum Naturschutzgebiet erklärten Landschaftsteil nur als Landschaftsschutzgebiet hätte ausweisen dürfen. Zwar ist für die Ausweisung einer höheren Schutzkategorie mit weiterreichenden Verboten kein Raum, wenn die Erklärung zu einem Schutzgebiet mit niederem Schutzstatus als weniger einschneidende Maßnahme ausreichend ist (vgl. Senatsurt. v. 29.11.2016 - 4 KN 93/14 -, NuR 2017, 183 m.w.N.). Eine Erklärung des hier in Rede stehenden Gebiets zum Landschaftsschutzgebiet wäre aber unzureichend gewesen, weil in einem Landschaftsschutzgebiet nach § 26 Abs. 2 BNatSchG nur die Handlungen, die den Charakter des Gebiets verändern oder dem besonderen Schutzzweck zuwiderlaufen, verboten werden können, was für einen effektiven Schutz der dort anzutreffenden Lebensraumtypen und Arten nicht genügt hätte. Ein effektiver Schutz der in dem Naturschutzgebiet „Untere Allerniederung“ vorhandenen, in Art 1 § 2 Abs. 3 und 4 VO in Einzelnen aufgeführten Lebensraumtypen, Tierarten nach dem Anhang II der FFH-Richtlinie, wertbestimmenden Vogelarten nach Art. 4 der Vogelschutzrichtlinie und charakteristischen Brut- und Gastvogelarten setzt nämlich voraus, dass auch Handlungen, die zu einer Zerstörung, Beschädigung, Veränderung oder nachhaltigen Störung des Naturschutzgebiets oder seiner Bestandteile führen können, bei denen also nur die Möglichkeit solcher Nachteile besteht, untersagt werden, was nur durch eine Naturschutzgebietsverordnung erfolgen kann (vgl. § 23 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG).

Schließlich verstoßen die hier in Rede stehenden Einschränkungen der landwirtschaftlichen Bodennutzung auch nicht gegen Art. 14 GG, da sie sich als verfassungsrechtlich unbedenkliche Bestimmungen von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG erweisen. Wenn die natürlichen oder landschaftsräumlichen Gegebenheiten im Interesse der Allgemeinheit erhaltenswert sind und des Schutzes bedürfen, so ergeben sich daraus immanente, dem Grundstück selbst anhaftende Beschränkungen der Eigentümerbefugnisse, die durch natur- und landschaftsschutzrechtliche Regelungen - wie die Verordnung des Antragsgegners - lediglich nachgezeichnet werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.6.1993 - 7 C 26.92 -, NJW 1993, 2949 m.w.N.). Naturschutzrechtliche Bestimmungen, die die Nutzung von Grundstücken aus Gründen des Natur- und Landschaftsschutzes beschränken, sind daher keine Enteignungen im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG, sondern Bestimmungen von Inhalt und Schranken des Eigentums, die als Ausdruck der Sozialpflichtigkeit des Eigentums grundsätzlich hinzunehmen sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.1.2001 - 6 CN 2.00 -, NuR 2001, 351 [OVG Schleswig-Holstein 06.12.1999 - 2 M 52/99]; Beschl. v. 18. 7.1997 - 4 BN 5.97 -, Buchholz 406 401 § 13 BNatSchG Nr. 3 = NuR 1998, 37). Als unzumutbare Beschränkungen der Eigentümerbefugnisse erweisen sie sich erst dann, wenn nicht genügend Raum für einen privatnützigen Gebrauch des Eigentums oder eine Verfügung über den Eigentumsgegenstand verbleibt oder wenn eine Nutzung, die bisher ausgeübt worden ist oder sich nach der Lage der Dinge objektiv anbietet, ohne jeglichen Ausgleich unterbunden wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 17.1.2000 - 6 BN 2.99 -, NVwZ-RR 2000, 339; Beschl. v. 18. 7.1997, a.a.O.). Dies ist hier jedoch nicht der Fall, so dass von einer verfassungsrechtlich unzulässigen Beschränkung der Befugnisse des Antragstellers keine Rede sein kann. Das gilt umso mehr, als nach Art. 1 § 8 VO unter den Voraussetzungen des § 67 BNatSchG i.V.m. § 41 NAGBNatSchG eine Befreiung von den Verboten der Naturschutzgebietsverordnung erteilen werden kann und - sofern eine Befreiung im Einzelfall nicht in Betracht kommt - unter den Voraussetzungen des § 68 Abs. 1 BNatSchG eine Entschädigung in Geld zu leisten ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über deren vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.