Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 15.01.2024, Az.: 14 ME 119/23

Einstweilige Anordnung bzgl. der Zuweisung eines Platzes in einer Kindertagesstätte

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
15.01.2024
Aktenzeichen
14 ME 119/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 10052
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2024:0115.14ME119.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Braunschweig - 27.10.2023 - AZ: 3 B 239/23

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 3. Kammer - vom 27. Oktober 2023 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die fristgerecht eingelegte und begründete Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 27. Oktober 2023 bleibt ohne Erfolg.

1. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm ab dem 1. November 2023 bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, längstens bis zum 31. Juli seines Schuleintrittsjahres einen Platz in der Kindertagesstätte "C. Kindergarten" in A-Stadt, Ortsteil D. (E), zuzuweisen, abgelehnt.

Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht unter anderem ausgeführt: Der Anspruch aus § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII auf Förderung in einer Tageseinrichtung richte sich nicht auf die Bereitstellung eines konkreten Platzes in einer bestimmten Einrichtung. Auch das Wunsch- und Wahlrecht des Leistungsberechtigten nach § 5 SGB VIII führe nicht dazu, dass in jedem Fall freie Plätze in der von den Eltern des Kindes konkret gewünschten Einrichtung vorgehalten und gegebenenfalls im Wege einer Kapazitätserweiterung geschaffen werden müssten. Denn dieses Recht finde seine Grenze, wenn keine Plätze in der gewünschten Einrichtung mehr vorhanden oder verfügbar seien.

Der Antragsteller habe zwar einen Anspruch auf Nachweis eines bedarfsgerechten Platzes in einer Kindertageseinrichtung glaubhaft gemacht. Dieser sei vom Antragsgegner durch das Angebot eines Betreuungsplatzes in der Kindertagesstätte "F." in A-Stadt, Ortsteil G. (H.), jedoch bereits erfüllt worden. Dieser Platz liege insbesondere in zumutbarer Entfernung, d.h. "ortsnah" i.S.d. § 20 Abs. 1 Satz 3 des Niedersächsischen Gesetzes über Tageseinrichtungen für Kinder (NKiTaG) vom 7. Juli 2021, zuletzt geändert am 3. Mai 2023 (Nds. GVBl. S. 80). Welche Entfernung zwischen Wohnort und Tagesstätte noch zumutbar sei, lasse sich nicht abstrakt generell festlegen, sondern hänge von den Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles ab. Ohne Besonderheiten des Einzelfalls könne eine Entfernung von 30 Minuten pro Weg (insgesamt also eine Stunde Fahrtzeit) noch als zumutbar angesehen werden, stelle also die Grenze der Zumutbarkeit dar und sei damit eine Richtschnur für deren Beurteilung. Vorliegend habe der Antragsteller vorgetragen, dass die Fahrzeit zur zugewiesenen Kindertagesstätte acht Minuten und die Fahrzeit zum Arbeitsplatz der Mutter weitere 18 Minuten, mithin insgesamt 26 Minuten betrage. Dabei handele es sich auch unter Berücksichtigung des Alters des Antragstellers und des Vorhandenseins zweier Pkw der Eltern somit um einen zumutbar zu bewältigenden Weg. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass die Fahrt über die vorgetragene Ausweichroute in Fällen von extremen Schlechtwetterereignissen 32 Minuten dauere. Diese Fahrzeit liege auch im Rahmen des Zumutbaren. Überdies dürften derartige Extremlagen, die eine längere Fahrzeit bedeuteten, in Einzelfällen unterschiedslos für alle Eltern hinzunehmen seien.

Es sei auch keine Diskriminierung des Antragstellers oder der Eltern aufgrund ihrer vorgetragenen Behinderungen ersichtlich. Für den Antragsteller sei kein besonderer Förderbedarf vorgetragen oder ersichtlich. Auch hätten die Eltern nicht dargelegt, dass der Mutter die - im Vergleich zur derzeitigen Fahrzeit zur Tagespflegeperson von A-Stadt - um insgesamt sieben Minuten längere Fahrzeit aufgrund ihrer Hörbehinderung nicht möglich sei.

Dem Antragsteller drohe durch die Inanspruchnahme des zugewiesenen Platzes in der Kindertagesstätte "F." im Ortsteil G. auch keine Gefährdung seines Kindeswohls. Zwar bestimme § 20 Abs. 1 Satz 4 NKiTaG, dass die örtlichen Träger sicherstellen sollen, dass sich die Vergabe von Plätzen (u.a.) in Kindertagesstätten auch am Wohl der Kinder ausrichtet. Eine Gefährdung in Form einer drohenden "sozialen Isolation" sei jedoch nicht ersichtlich. Es sei nicht erkennbar, dass die in der zugewiesenen, ca. 6,8 Kilometer von seinem Wohnort entfernten Kindertagesstätte geknüpften Kontakte nicht in der Freizeit weiter gepflegt werden können. Der Antragsteller könne zudem mittels privater Vereine oder Spielkreise etc. auch Kontakte zu Kindern aus seinem Ortsteil knüpfen und diese bis in die Grundschulzeit pflegen.

2. Die Beschwerde ist unbegründet.

Nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO ist der Prüfungsumfang des Beschwerdegerichts bei Beschwerden gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts im vorläufigen Rechtsschutz beschränkt. Danach prüft der Senat grundsätzlich nur die in der Beschwerdebegründung innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegten Gründe. § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO erfordert, dass die Begründung im Einzelnen darstellen muss, weshalb die Entscheidung unrichtig sein soll, und dass sie sich dabei mit der Entscheidung konkret auseinandersetzt. Der Begriff des Darlegens erfordert eine substanzielle Erörterung des relevanten Streitstoffs, wobei Maßstab und Bezugspunkt immer die angefochtene Entscheidung ist. Zu leisten ist eine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs und somit eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses. Der Beschwerdeführer darf sich nicht darauf beschränken, die Punkte zu benennen, in denen der Beschluss angegriffen werden soll. Er muss vielmehr zusätzlich darlegen, aus welchen Gründen er die Entscheidung in diesen Punkten für unrichtig hält (vgl. Rudisile, Rechtsprechung zum Beschwerderecht der VwGO, NVwZ 2019, S. 1, 8 ff.; Happ, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 146 Rn. 22b; Guckelberger, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 146 Rn. 71 ff.).

Ausgehend hiervon zeigt die Beschwerdebegründung nicht auf, dass der Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern wäre.

a) Der Antragsteller macht mit seiner Beschwerde geltend, der ihm angebotene Platz in der Kindertagesstätte "F." im Ortsteil G. sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht "ortsnah" i.S.d. § 20 Abs. 1 Satz 3 NKiTaG. Dabei handele es sich bei den in der Rechtsprechung vertretenen 30 Minuten nicht um eine starre Grenze. Es seien verschiedene weitere Kriterien heranzuziehen, insbesondere das Alter des zu transportierenden Kindes, die zur Verfügung stehenden Transportmittel sowie Nahverkehrsmittel, Arbeitsplätze und Arbeitszeiten der Eltern, die nähere Lage (des Wunschplatzes) am Wohnsitz, die bessere Erreichbarkeit (des Wunschplatzes) auf dem Weg zur Arbeit, der Kontakt mit vor Ort wohnenden Kindern, die per Fahrrad zu erreichen seien und die Erleichterung der Erwerbstätigkeit in Verbindung mit der Kindererziehung (durch den Wunschplatz). Die Kindertagesstätte "F." im Ortsteil G. liege nicht auf dem Weg zum Arbeitsplatz seiner Mutter, sondern in die entgegengesetzte Richtung, weit in den I. hinein. Sie liege auf der kürzesten Strecke 6,7 km von seinem Wohnort entfernt. Im Vergleich zu den anderen Kindertagesstätten, die in Betracht kämen, sei diese somit am weitesten entfernt und liege zudem nicht in Richtung des Arbeitsweges seiner Mutter.

Hier seien zudem die Behinderungen seiner Eltern zu berücksichtigen. Dann könne vorliegend allenfalls eine Fahrzeit von 15 Minuten als noch angemessen angesehen werden.

Schließlich sei die Strecke zwischen D. und G. von besonderer Gefährlichkeit. Die Streckenverhältnisse führten insbesondere im Winter zu erheblichen Problemen. Es seien 200 Höhenmeter zu bewältigen, die Straße schlängele sich in Serpentinen den Berg hoch und führe auf der anderen Seite in einer sehr langen sehr steilen Rampe nach unten. Eine solche Anfahrt zur Kindertagesstätte sei ihm (und seinen Eltern) nicht zumutbar.

Davon abgesehen müsse grundsätzlich die Möglichkeit der fußläufigen Erreichbarkeit zur Kindertagesstätte gewährleistet sein. Darauf sei bereits in der Gesetzesbegründung zum Entwurf des Gesetzes über Tageseinrichtungen für Kinder (KiTaG) aus dem Jahre 1992 hingewiesen worden (Nds. LT-Drs. 12/3280 S. 27/28). Der angebotene Kita-Platz im Ortsteil G. sei jedoch nicht fußläufig zu erreichen.

Die Stadt A-Stadt habe zudem innerhalb des Ortsteils D. für eine ortsnahe Versorgung zu sorgen und nicht über das gesamte Gemeindegebiet. Sie könne sich auch nicht auf fehlende finanzielle Mittel berufen.

Unabhängig davon sei der zugewiesene Platz nicht am Kindeswohl ausgerichtet. Dem Wohl des Kindes entspreche es nicht, dass ein Besuch bei seinen Freunden aus der Kita nur möglich sei, wenn seine Eltern ihn führen. Soweit auf Möglichkeiten der Freizeitgestaltung im Ortsteil D. hingewiesen werde, habe dies nichts mit den Kontaktmöglichkeiten zu seinen Freunden in der Kita zu tun.

Schließlich sei eine Fahrstrecke der vorgeschlagenen Länge - von mindestens einer Stunde Fahrzeit pro Tag - im Hinblick auf die Maßgaben des Klimaschutzgesetzes nicht mehr zeitgemäß und zulässig.

b) Mit diesem Vorbringen dringt die Beschwerde nicht durch.

Einstweilige Anordnungen sind nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete streitige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO.

Grundsätzlich dient die einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO der vorläufigen Regelung eines Rechtsverhältnisses. Mit der vom Antragsteller begehrten Entscheidung wird die Hauptsache aber in zeitlicher Hinsicht vorweggenommen. In einem solchen Fall sind an die Prüfung von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch qualifizierte Anforderungen zu stellen, d.h. der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt nur in Betracht, wenn ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache jedenfalls dem Grunde nach spricht und der Antragsteller ohne die einstweilige Anordnung unzumutbaren Nachteilen ausgesetzt wäre (vgl. Senatsbeschl. v. 15.12.2023 - 14 ME 124/23 -, juris Rn. 22 m.w.N.).

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist der Eilantrag unbegründet, da jedenfalls das Bestehen eines Anordnungsanspruchs nicht glaubhaft gemacht wurde (§ 123 Abs. 1, 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

aa) Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Zuweisung eines Betreuungsplatzes in der Kindertagesstätte "C. Kindergarten", E. in A-Stadt. (Ortsteil D.) glaubhaft gemacht.

Ein solcher Anspruch gegen den Antragsgegner ergibt sich nicht aus § 24 Abs. 3 SGB VIII in Verbindung mit dem Wunsch- und Wahlrecht nach § 5 Abs. 2 SGB VIII. Inhalt des Anspruchs aus § 24 Abs. 3 SGB VIII ist der Nachweis eines dem individuellen Bedarf entsprechenden Betreuungsplatzes in einer Tageseinrichtung. Ein Anspruch auf einen Platz in einer bestimmten Einrichtung besteht nicht (NdsOVG, Beschl. v. 19.12.2018 - 10 ME 395/18 -, juris Rn. 15; OVG NRW, Beschl. v. 13.8.2013 - 12 A 55/13 -, juris Rn. 5 ff. m.w.N.; Winkler, in: Rolfs/Giesen/Meßling/Udsching, BeckOK Sozialrecht, 71. Edition Stand: 1.12.2023, § 24 SGB VIII Rn. 42). Das Wunsch- und Wahlrecht gemäß § 5 SGB VIII erstreckt sich nur auf vorhandene Einrichtungen und Dienste und nur auf tatsächlich zur Verfügung stehende Plätze, gibt aber keinen Anspruch darauf, ein bestimmtes (Platz-)Angebot zu schaffen oder zu erhalten (BVerwG, Urt. v. 26.10.2017 - 5 C 19/16 -, juris Rn. 38 ff.; OVG Berl.-Bbg., Beschl. v. 8.5.2023 - OVG 6 S 14/23 -, juris Rn. 12; Struck/Schweigler in: Wiesner/Wapler, SGB VIII, 6. Aufl. 2022, § 24 Rn. 45). Nach welchen Auswahlkriterien vorhandene Plätze vergeben werden, liegt wiederum im Ermessen des Einrichtungsträgers (OVG Berl.-Bbg., Beschl. v. 8.5.2023 - OVG 6 S 14/23 -, juris Rn. 12). Der Antragsgegner hat glaubhaft gemacht, dass zum 1. November 2023 kein freier Platz in der Einrichtung "C. Kindergarten" zur Verfügung stand. Der Antragsteller steht daher auf der Warteliste. Dies ist auch vom Antragsteller nicht in Zweifel gezogen worden.

bb) Auch soweit im Antrag des Antragstellers das Begehren enthalten ist, ihm einen Betreuungsplatz in einer zumutbaren ortsnahen Kindertageseinrichtung zuzuweisen, hat das Verwaltungsgericht seinen Antrag zu Recht abgelehnt.

Der Antragsteller hat zwar einen Anspruch auf Nachweis eines bedarfsgerechten Platzes in einer Kindertageseinrichtung glaubhaft gemacht. Nach § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII hat ein Kind, das - wie der Antragsteller - das dritte Lebensjahr vollendet hat, bis zum Schuleintritt Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung. Dieser Anspruch wurde vom Antragsgegner jedoch bereits erfüllt. Dem Antragsteller wurde ein bedarfserfüllender Betreuungsplatz in der Kindertageseinrichtung "F." im Ortsteil G. zugewiesen. Gegen diese - auch vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegte - Sichtweise und Prüfungsreihenfolge ist rechtlich nichts zu erinnern.

Dieser Platz liegt insbesondere - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - in einer der Familie des Antragstellers zumutbaren Entfernung.

Gemäß § 20 Abs. 1 Satz 3 NKitaG ist der Anspruch aus § 24 SGB VIII möglichst ortsnah zu erfüllen. Welche Entfernung zwischen Wohnort und Kindertagesstätte dabei noch zumutbar ist, lässt sich nicht abstrakt-generell festlegen (NdsOVG, Beschl. v. 24.7.2019 - 10 ME 154/19 -, juris Rn. 9; BayVGH, Urt. v. 22.7.2016 - 12 BV 15.719 -, juris 7. Leitsatz und Rn. 48), hängt also von den Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls ab. Insofern sind neben der Entfernung das Alter des zu transportierenden Kindes, die zur Verfügung stehenden Transportmittel und Nahverkehrsanbindungen, die Aufgabenteilung in der Familie sowie die Arbeitsplätze und Arbeitszeiten der Eltern zu berücksichtigen (NdsOVG, Beschl. v. 24.7.2019 - 10 ME 154/19 -, juris Rn. 9; VGH BW, Urt. v. 8.12.2016 - 12 S 1782/15 -, juris Rn. 42).

Im Rahmen der gebotenen individuellen Betrachtungsweise kann nicht abstrakt auf die Entfernung der Kindertagesstätte zum Wohn- oder Arbeitsplatz abgestellt werden. Außer den konkreten örtlichen Verhältnissen ist neben allgemeinen und individuellen kind- und/oder elternbezogenen Bedarfsgesichtspunkten (etwa ob und inwieweit nicht berufstätige Hilfspersonen Unterstützung leisten) in die Prüfung einzubeziehen, ob und aus welchen sachlich gerechtfertigten Gründen das Kind zu Fuß, mit dem Auto oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Betreuungsort gebracht werden soll. Damit können sich je nach Art der Transportnotwendigkeit unterschiedliche Höchstgrenzen für die noch zumutbare Entfernung und den noch zumutbaren Zeitaufwand ergeben (Struck/Schweigler, in: Wiesner/Wapler, SGB VIII, 6. Aufl. 2022, § 24 Rn. 41). Auch wenn es wünschenswert ist, dass der Betreuungsplatz zu Fuß erreichbar ist, ist es den Kindern und damit auch ihren Eltern relegmäßig zumutbar, für den Weg zur Tageseinrichtung öffentliche Verkehrsmittel bzw. ihren privaten Pkw oder das Fahrrad zu benutzen, wenn diese Fortbewegungsmittel von den Eltern üblicherweise benutzt werden (vgl. VGH BW, Beschl. v. 8.9.2023 - 12 S 790/23 -, juris Rn. 8 m.w.N.). Bei der Prüfung der angemessenen Erreichbarkeit sind auch die jeweiligen örtlichen Gegebenheiten zu berücksichtigen. Die Verhältnisse in einer Großstadt gestalten sich insoweit anders als in einem ländlich strukturierten Gebiet mit überwiegend kleinen Gemeinden (Struck/Schweigler, in: Wiesner/Wapler, SGB VIII, 6. Aufl. 2022, § 24 Rn. 41). In ländlichen Räumen sind die Wege oftmals länger, können jedoch meist in relativ kurzer Zeit zurückgelegt werden, sofern ein Pkw zur Verfügung steht. Gerade in ländlichen Räumen bedeutet "ortsnah" auch nicht zwingend, dass ein Betreuungsplatz in der Wohnortgemeinde selbst oder auch nur einer unmittelbaren Nachbargemeinde zur Verfügung gestellt werden muss (vgl. auch bereits Senatsbeschl. v. 17.3.2023 - 14 ME 27/23 -, V.n.b.). In städtischen Ballungsräumen braucht man unter Umständen für sehr viel weniger Strecke mindestens dieselbe Zeit, wobei der Zeitaufwand je nach zur Verfügung stehendem Fortbewegungsmittel oder der möglichen Streckenführung wiederum sehr unterschiedlich sein kann.

In der Rechtsprechung hat sich für die Zumutbarkeit ein Richtwert von 30 Minuten Wegezeit von der Wohnung zur Kindertagesstätte etabliert (insgesamt also eine Stunde Fahrzeit, vgl. NdsOVG, Beschl. v. 24.7.2019 - 10 ME 154/19 -, juris Rn. 9; VGH BW, Urt. v. 8.12.2016 - 12 S 1782/15 -, juris Rn. 42 m.w.N.; Struck/Schweigler, in: Wiesner/Wapler, SGB VIII, 6. Aufl. 2022, § 24 Rn. 42; Kaiser, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 8. Aufl. 2022, § 24 Rn. 18), eine starre Zumutbarkeitsgrenze liegt darin aber nicht (vgl. VGH BW, Beschl. v. 8.9.2023 - 12 S 790/23 -, juris Rn. 8 m.w.N.; OVG SH, Beschl. v. 4.2.2020 - 3 MB 38/19 -, juris Rn. 5).

Im Hinblick auf § 22 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII, wonach die Tageseinrichtungen den Eltern dabei helfen sollen, Erwerbstätigkeit und Kindererziehung besser miteinander vereinbaren zu können, ist jedoch auch die Entfernung zur Arbeitsstätte und der damit verbundene gesamte zeitliche Aufwand für die Eltern zu berücksichtigen, wobei allerdings eine besonders lange Fahrzeit zur Arbeitsstätte nicht dazu führen kann, eine - für sich gesehen - wohnortnahe Einrichtung wegen der insgesamt hohen Fahrzeit als unzumutbar anzusehen (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 24.7.2019 - 10 ME 154/19 -, juris Rn. 11 m.w.N.).

Dies zugrunde gelegt liegt die vom Antragsgegner angebotene Kindertagesstätte in einer ohne weiteres zumutbaren Entfernung zu dem Wohnort des Antragstellers. Denn nach den zutreffenden, mithilfe eines Routenplaners getroffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts, denen auch der Antragsteller nicht widersprochen hat, liegt die Einrichtung "F." im Ortsteil G. 6,7 km vom Wohnort des Antragstellers entfernt und die Fahrzeit mit dem Auto - die Eltern des Antragstellers verfügen über zwei Autos und nutzen diese auch regelmäßig - beträgt lediglich ca. acht Minuten. Dieser Zeitaufwand bleibt erheblich hinter dem in der Rechtsprechung zugrunde gelegten Richtwert von 30 Minuten zurück. Auch wenn man berücksichtigt, dass die Kindertagesstätte "F." in der entgegengesetzten Richtung zur Arbeitsstätte der Mutter des Antragstellers liegt, ist die dadurch entstehende Fahrtzeitverlängerung des Arbeitsweges von nur ca. 16 Minuten pro Wegstrecke als angemessen und zumutbar anzusehen. Dabei ist hier auch zu berücksichtigen, dass die Mutter von ihrem Wohnort zur Arbeitsstätte (K. in B-Stadt) ausweislich des Routenplaners von Google Maps 9,7 km bzw. ca. 9 Minuten - das mag sich im Berufsverkehr auch mal um ein paar Minuten verlängern (vgl. den entsprechenden Routenplaner-Ausdruck des Antragstellers) - fährt. Insgesamt benötigt sie daher für den Weg von ihrem Wohnort über die Kindertagesstätte bis zu ihrer Arbeitsstätte sowie entsprechend für den Heimweg nur etwa eine halbe Stunde. Dies ist auch unter dem Gesichtspunkt der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Kindererziehung jedenfalls hinzunehmen. Dabei ist einzustellen, dass der Antragsteller mit seinen Eltern in einer Kleinstadt im eher ländlichen Raum wohnt - A-Stadt. hat 12.636 Einwohner -, wo grundsätzlich weitere Fahrtwege und die Benutzung des eigenen Kraftfahrzeugs zumutbar sind. Der Antragsteller verkennt offenbar, dass der in der Rechtsprechung entwickelte Richtwert von 30 Minuten sich nicht auf die Gesamtstrecke vom Wohnort über die Kindertagesstätte zum Arbeitsplatz bezieht, sondern lediglich auf die Entfernung vom Wohnort zur Kindertagesstätte. Auf die Ausführungen in der Beschwerdebegründung, aus der Rechtsprechung ergebe sich eine "maximale Obergrenze" von 30 Minuten kommt es somit nicht an. Mit Blick auf das Beschwerdevorbringen weist der Senat darauf hin, dass in diese Betrachtung der Zumutbarkeit die Gesichtspunkte des Alters des zu transportierenden Kindes, die zur Verfügung stehenden Transportmittel sowie Nahverkehrsmittel, die Arbeitsplätze und Arbeitszeiten der Eltern und die Erleichterung von deren Erwerbstätigkeit durchaus einzustellen sind, hier aber keine andere Entscheidung rechtfertigen.

Unerheblich ist, dass die Strecke möglicherweise bei (seltenen) Extremwetterereignissen - starke Schneeverwehungen, Lawinen oder Eisregen - vorübergehend nicht befahrbar sein kann. Eine kurzzeitige Streckensperrung aufgrund von (seltenen) Extremwetterereignissen ist grundsätzlich überall möglich und bleibt ohne Einfluss auf die Zumutbarkeit der Wegstrecke. Es ist auch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die maßgebliche Strecke überdurchschnittlich häufig gesperrt wäre. Der Antragsgegner hat unter Bezugnahme auf eine Anfrage bei der Straßenmeisterei Seesen mitgeteilt, dass es dort in den letzten Jahren zu keinen Abgängen von Lawinen gekommen sei. Auch ist für diese Einzelfälle die ggf. erforderliche Umfahrung noch angemessen, wie bereits das Verwaltungsgericht nachvollziehbar ausgeführt hat. Dass auf der Strecke zur Kindertagestätte "F." 200 Höhenmeter und Serpentinen zu bewältigen seien, wie der Antragsteller geltend macht, führt ebenfalls nicht zur Unzumutbarkeit, sondern ist dem - von den Eltern selbst gewählten - Wohnort des Antragstellers im Ortsteil D. im I. geschuldet. Dies gilt ebenso für die Witterungsbedingungen im Winter. Es handelt sich um dem öffentlichen Verkehr gewidmete Straßen, die grundsätzlich das ganze Jahr über befahrbar sind und im Übrigen auch vom öffentlichen Personennahverkehr genutzt werden.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den geltend gemachten Behinderungen der Eltern des Antragstellers. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass nicht dargelegt und nicht ersichtlich ist, dass die Behinderungen Auswirkungen auf die Tauglichkeit der Eltern als Fahrzeugführer haben. Auch mit der Beschwerdebegründung wird dazu nichts vorgetragen. Ein Anspruch auf eine pauschale Kompensation, wie es dem Antragsteller offenbar vorschwebt, bei in Bezug auf die hier gegebene Sachlage (Fahrt zur Kindertagesstätte) nicht vorgetragenen behinderungsbedingten Beeinträchtigungen besteht nicht. Soweit der Vater unter Nachtblindheit leiden soll, übernimmt ohnedies die Mutter den Transport des Antragstellers zur Kindertagesstätte und zurück.

Der zugewiesene Platz in der Kindertagesstätte "F." führt für den Antragsteller auch nicht zu einer Gefährdung des Kindeswohls. Eine soziale Isolation des Antragstellers wird nicht nachvollziehbar geltend gemacht und ist auch sonst nicht ersichtlich. Es ist ihm sowohl zumutbar, die anderen Kinder der Kindertagesstätte "F." privat zu besuchen als auch bei seiner späteren Einschulung im Ortsteil D. zu seinen ihm dann möglicherweise noch nicht bekannten Mitschülerinnen und Mitschülern neue soziale Kontakte aufzubauen. Davon abgesehen können Kinder bereits in ihrem Vorschulleben durchaus häufiger von einem Wechsel der Tagesbetreuungsperson bzw. der Kindertageseinrichtung betroffen sein, sei es beispielsweise durch einen Umzug der Familie oder einen Wechsel von der Kindertagespflege in eine Kinderkrippe oder von einer Kinderkrippe in einen Kindergarten.

Dass tatsächlich freie Plätze in wohnortnäheren Kindertagesstätten zur Verfügung stehen, die der Antragsgegner ihm aus sachwidrigen Gründen nicht zuweist, trägt der Antragsteller nicht vor.

Der Hinweis des Antragstellers auf die Maßgaben des Klimaschutzgesetzes vermag hier schon im Ansatz keine andere Beurteilung zu rechtfertigen. Es wäre in diesem Zusammenhang schon nicht zwingend eine Fahrzeit von einer Stunde pro Tag einem Fußweg - also gar keiner Fahrzeit - gegenüberzustellen. Denn zunächst ist in der angesetzten einstündigen Fahrzeit die Zeit enthalten, die die Mutter des Antragstellers zur Arbeitsstätte zurücklegt. Dieser Fahrweg fällt jedenfalls an. Darüber hinaus wäre eine Anspruchserfüllung - wie sich aus den obigen Darlegungen ergibt - nicht lediglich durch die Zuweisung eines Platzes in einer Kindertagesstätte möglich, die fußläufig zu erreichen ist.

c) Eine mit Schriftsatz vom 3. Januar 2024 für die 2. Kalenderwoche 2024 noch angekündigte weitere Stellungnahme des Antragstellers ist nicht eingegangen. Die Beschwerdebegründungsfrist ist ohnedies bereits am 27. November 2023 abgelaufen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 188 Satz 2 VwGO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).