Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 31.01.2024, Az.: 11 KN 284/21

Normenkontrollantrag auf Feststellung bzw. Erklärung der Unwirksamkeit der Verordnung über das Verbot der Prostitution in Teilen Braunschweigs; Ermessensausübung bei Erlass einer Verordnung zur Erhöhung der Schutzmaßnahmen im Falle eines ständig steigenden Gefahrenniveaus

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
31.01.2024
Aktenzeichen
11 KN 284/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 11352
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2024:0131.11KN284.21.00

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Der Verordnungsgeber kann auch ohne veränderte tatsächliche Umstände sein Verordnungsermessen dahin ausüben, für die Zukunft ein höheres Schutzniveau für die Schutzgüter des Art. 297 Abs. 1 EGStGB anzustreben; denn auch das liegt innerhalb des Normzwecks des Art. 297 Abs. 1 EGStGB.

  2. 2.

    Es überschreitet die Grenzen der dem Verordnungsgeber zuzubilligenden Typisierungsbefugnis, wenn er auch bei Misch- und Kerngebieten sowie entsprechenden unbeplanten Gebieten im Innenbereich jeweils bezüglich des gesamten Gebiets pauschal und ohne Prüfung und konkrete Feststellungen im Einzelfall von einer besonderen Schutzbedürftigkeit und Sensibilität ausgeht, wie sie für die Annahme einer abstrakten Gefahr im Hinblick auf die Schutzgüter des Art. 297 Abs. 1 EGStGB erforderlich ist.

Tenor:

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Antragstellerin ihren Antrag zurückgenommen hat.

§ 2 Abs. 1 Satz 1, soweit er die Bordellprostitution gemäß § 1 Abs. 6 b) betrifft, und § 3 der Verordnung über das Verbot der Prostitution im Teilgebiet B-Stadt des Bezirks der Polizeidirektion Braunschweig, bekannt gemacht am 15. August 2022 (Nds. MBl. S. 1215), werden für unwirksam erklärt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Antragsgegner kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages, wenn nicht die Antragstellerin vor der Vollstreckung Sicherheit leistet in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Antragstellerin ist Eigentümerin eines Grundstücks im Gebiet der Stadt Braunschweig, auf dem sie die Errichtung und den Betrieb eines Bordells beabsichtigt. Sie wendet sich im Wege der Normenkontrolle gegen die Verordnung über das Verbot der Prostitution im Teilgebiet B-Stadt des Bezirks der Polizeidirektion Braunschweig (im Folgenden: Sperrbezirksverordnung), die - von der in der Innenstadt gelegenen Bruchstraße abgesehen - im Stadtgebiet die Straßenprostitution, die Bordellprostitution und die Prostitution in Prostitutionsfahrzeugen verbietet und vom Verbot der Bordellprostitution fünf im Einzelnen bestimmte Toleranzzonen sowie Bestandsbetriebe ausgenommen hat. Diese Sperrbezirksverordnung löst die bis dahin geltende Sperrbezirksverordnung vom 6. Dezember 2005 ab, die lediglich ein begrenztes Verbot der Straßenprostitution enthielt.

Anlass für die Neufassung der Sperrbezirksverordnung war eine Anfrage der Stadt Braunschweig bei dem Antragsgegner. Diese bat um Prüfung, ob die bestehende Sperrbezirksverordnung aus dem Jahr 2005 aktualisiert werden könne. Hintergrund war der Ansiedlungswunsch eines anderen Bordellbetriebs - der Antragstellerin im ebenfalls gegen die Sperrbezirksverordnung gerichteten Verfahren 11 KN 353/21 - im Gebiet der Stadt Braunschweig, das in der Bevölkerung auf erheblichen Widerstand stieß, und für das die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit bereits durch einen positiven Bauvorbescheid vom 13. Juni 2019 festgestellt worden war.

Nach Eingang der Anfrage der Stadt Braunschweig trat der Antragsgegner in eine Prüfung ein. Er recherchierte und analysierte Rechtsprechung zur Thematik, führte Besprechungen mit der Stadt Braunschweig durch und holte Stellungnahmen verschiedener öffentlicher Stellen ein. Im November 2020 hatte der Antragsgegner ausweislich seines Vermerks vom 19. November 2020 einen ersten Entwurf der Sperrbezirksverordnung ausgearbeitet (vgl. Vermerk vom 19. November 2020, Bl. 254 Beiakte 002). Bereits nach diesem Entwurf sollten die Straßenprostitution und die Bordellprostitution im gesamten Stadtgebiet der Stadt Braunschweig verboten werden, während die Wohnungsprostitution nicht beschränkt werden sollte. Im Vermerk wurde erläutert, dieses Vorgehen [das umfassende Verbot der Bordellprostitution] sei "rechtlich unkritisch", sofern für die Bordellprostitution genügend Toleranzzonen ausgewiesen würden. Die einzelnen Toleranzzonen könnten erst nach Zulieferung einer ergänzten Stadtkarte durch die Stadt Braunschweig identifiziert werden. Die Stadt Braunschweig habe zugesichert, eine Karte des Stadtgebiets B-Stadt auszuarbeiten, die sowohl den Charakter der jeweiligen Gebiete als auch vorhandene soziale Einrichtungen (Schulen, Kitas, Kirchen, Krankenhäuser etc.) ausweise.

Nach Übersendung des Kartenmaterials durch die Stadt Braunschweig ermittelte der Antragsgegner fünf Toleranzzonen, in denen die Bordellprostitution zulässig sein sollte (Toleranzzone 1: Hansestraße, Toleranzzone 2: Hafen, Toleranzzone 3: Gebiet zwischen Ernst-Böhme-Straße/Hansestraße/Benzstraße/A2, Toleranzzonen 4 und 5: Friedrich-Seele-Straße), und stimmte diese mit der Stadt Braunschweig ab (vgl. Schreiben vom 2. Februar 2021, Bl. 236 Beiakte 002).

Unter dem 1. April 2021 übersandte der Antragsgegner der Stadt Braunschweig einen nochmals überarbeiteten Entwurf der Sperrbezirksverordnung mit dem schon zuvor skizzierten Inhalt - stadtweites Verbot der Straßen- und Bordellprostitution und der Prostitution in Fahrzeugen mit Toleranzzonen für Bordellbetriebe und Regelungen zum Bestandsschutz für legale Bordellbetriebe - einschließlich einer Begründung (s. Bl. 19 f. Beiakte 001 sowie Bl. 226 Beiakte 002). In der Begründung wurde ausgeführt: Der vorgelegte Entwurf sehe vor, die Straßen- und Bordellprostitution sowie die Prostitution in Fahrzeugen im gesamten Stadtgebiet zu verbieten. Dieses pauschale Verbot sei restriktiver als vom Gesetzgeber vorgesehen, da in der Regel Prostitution nur in gewissen Stadtgebieten mittels sog. Verbotszonen untersagt werde und darüber hinaus zur Wahrung von Art. 12 GG erlaubt bleiben solle. Die seitens des Antragsgegners gewählte restriktivere Vorgehensweise, das ganze Stadtgebiet als Verbotszone und nur sogenannte Toleranzzonen auszuweisen, sei jedoch unschädlich, solange mittels genügend ausgewiesener Toleranzzonen die Ausübung der Prostitution in Bordellen grundsätzlich möglich bleibe. Die ausgewählten Toleranzzonen seien in § 3 des Entwurfs abschließend geregelt. Zur Ermittlung der Toleranzzonen sei das gesamte Stadtgebiet der Stadt Braunschweig auf die theoretisch denkbare Ausübung von Prostitution in ihren verschiedenen Erscheinungsformen hinsichtlich möglicher milieutypischer Unruhen und deren Auswirkungen auf die Jugend und den öffentlichen Anstand überprüft und rechtlich bewertet worden. Dabei seien kriminalpolizeiliche Erfahrungen und Erkenntnisse in Bezug auf milieutypische Unruhen und deren Auswirkungen auf die Öffentlichkeit, der nähere Umkreis zu sozialen Einrichtungen (im Besonderen: Schulen, Schulwege, Kindergärten, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Krankenhäuser, Kirchen, Moscheen etc.) ebenso wie die Belange der städtischen Fachbereiche mitbeachtet und gewürdigt worden. Nach Auswertung dieser Datenlage sei eine Checkliste mit Merkmalen, die dem Schutz der Jugend und der Öffentlichkeit dienten, erarbeitet und über alle Gewerbe- und Industriegebiete gelegt worden. Es handele sich um folgende Kriterien: Angrenzendes Wohngebiet, Schule inklusive 500 Meter Umkreis, Schulweg, Kitas inklusive 200 Meter Umkreis, Krippe inklusive 200 Meter Umkreis, Kinder- und Teeny-Klub inklusive 200 Meter Umkreis, Familienzentrum inklusive 200 Meter Umkreis, Krankenhaus, Kirchen/Moscheen, Reha-Zentren, Lebenshilfe sowie weitere soziale Einrichtungen insbesondere der Caritas, Johanniter und des Deutschen Roten Kreuzes. Alle Gebiete, die in ihrer näheren Umgebung Merkmale der Checkliste aufgewiesen hätten, seien als Toleranzzone verworfen worden. Ferner sei bei der Auswahl der Toleranzzonen darauf geachtet worden, dass diese nicht unmittelbar an Wohngebiete angrenzten. Damit sollte etwaiges Konfliktpotential mit den B-Stadter Bürgerinnen und Bürgern von vornherein auf ein Minimum reduziert werden. Die letztlich ausgewählten fünf Toleranzzonen seien mithilfe von google earth betrachtet und persönlich in Augenschein genommen worden, so dass auch die örtlichen Gegebenheiten mit bewertet worden seien. § 4 der Verordnung enthalte eine Regelung zur Bestandskraft. Bereits genehmigte und legal betriebene Prostitutionsstätten sollten ihr Gewerbe weiterhin ausüben können.

Mit Schreiben vom 12. Mai 2021 nahm die Stadt Braunschweig gegenüber dem Antragsgegner zu dem Entwurf der Sperrbezirksverordnung Stellung. Sie befürwortete in ihrer Stellungnahme, die durch den Rat der Stadt Braunschweig am 11. Mai 2021 (s. Bl 2, 9 Beiakte 001) gebilligt worden war, den Entwurf der Sperrbezirksverordnung einschließlich der von dem Antragsgegner angewandten Kriterien vollumfänglich. Zustimmung verdiene der Entwurf auch, soweit in der Toleranzzone 3 nach den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans u.a. Bordelle ausgeschlossen seien. Da die Regelungen der verschiedenen Rechtsbereiche unterschiedlichen Zielen dienten, sei das Nebeneinander von polizeilicher Sperrbezirksverordnung und Bauleitplan aber nicht ungewöhnlich und hinzunehmen.

Daraufhin beschloss der Antragsgegner die Sperrbezirksverordnung am 28. Mai 2021. Am 9. Juni 2021 wurde die Sperrbezirksverordnung im Nds. Ministerialblatt (Nds. MBl. Nr. 21/2021 S. 1007) bekannt gemacht und trat einen Tag nach ihrer Bekanntmachung am 10. Juni 2021 in Kraft.

Am 8. September 2021 hat die Antragstellerin den vorliegenden Normenkontrollantrag mit dem Ziel gestellt, die Sperrbezirksverordnung vom 28. Mai 2021 für nichtig zu erklären. Die Antragstellerin im Verfahren 11 KN 353/21 suchte am 15. November 2021 um entsprechenden Rechtsschutz nach und machte dabei u.a. geltend gemacht, die Sperrbezirksverordnung in der Fassung vom 28. Mai 2021 sei nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden und nicht hinreichend bestimmt. Mit Wirkung vom 15. August 2022 setzte der Antragsgegner daraufhin die Verordnung über das Verbot der Prostitution im Teilgebiet B-Stadt des Bezirks der Polizeidirektion Braunschweig vom 28. Mai 2021 außer Kraft und machte zugleich die Verordnung über das Verbot der Prostitution im Teilgebiet B-Stadt des Bezirks der Polizeidirektion Braunschweig vom 15. August 2022 (Nds. MBl. 35/2022 S. 1215) neu bekannt. Der Wortlaut der Sperrbezirksverordnung blieb im Wesentlichen unverändert. Verändert wurde jedoch das der Sperrbezirksverordnung beigefügte Kartenmaterial. Die Karten, aus denen sich der Umgriff der Toleranzzonen ergibt, wurde nunmehr im Maßstab 1:1000 angefertigt. Ferner wurde eine Begründung erstellt, die dem Senat als Beiakte 006 vorliegt.

Die Sperrbezirksverordnung vom 15. August 2022 hat folgenden Inhalt:

"§ 1

Begriffsbestimmungen

(1) Prostitution im Sinne dieser Verordnung ist die Erbringung einer sexuellen Dienstleistung gegen Entgelt.

(2) Prostitutionsstätten sind Gebäude, Räume und sonstige ortsfeste Anlagen, die als Betriebsstätte zur Erbringung sexueller Dienstleistungen genutzt werden.

(3) Eine sexuelle Dienstleistung ist eine sexuelle Handlung mindestens einer Person an oder vor mindestens einer anderen unmittelbar anwesenden Person gegen Entgelt oder das Zulassen einer sexuellen Handlung an oder vor der eigenen Person gegen Entgelt. Keine sexuellen Dienstleistungen sind Vorführungen mit ausschließlich darstellerischem Charakter, bei denen keine weitere der anwesenden Personen sexuell aktiv einbezogen ist.

(4) Prostituierte im Sinne dieser Verordnung sind Personen, die sexuelle Dienstleistungen gegen Entgelt erbringen.

(5) Anbahnung ist die unmittelbare Werbung oder Vermittlung der sexuellen Dienstleistung.

(6) Prostitution im Sinne des Absatzes 1 umfasst insbesondere folgende Prostitutionsarten:

a) Straßenprostitution ist die Anbahnung und das Nachgehen der Prostitution auf öffentlichen Straßen, Wegen, Plätzen, Anlagen und an sonstigen Orten, die von dort eingesehen werden können.

b) Bordellprostitution umfasst die Prostitution und deren Anbahnung in Prostituiertenunterkünften und sonstigen überwiegend von mehreren Prostituierten genutzten Gebäuden, Gebäudeteilen und Einrichtungen sowie vergleichbare Erscheinungsformen, wie zum Beispiel sogenannte Massagesalons, in denen auch sexuelle Dienstleistungen gegen Entgelt angeboten werden.

c) Wohnungsprostitution ist die Prostitution und deren Anbahnung in der von einer/einem oder mehreren Prostituierten überwiegend zum Wohnen genutzten Wohnung sowie vergleichbare Erscheinungsformen.

d) Prostitutionsfahrzeuge sind Kraftfahrzeuge, Fahrzeuganhänger und andere mobile Anlagen, die zur Erbringung sexueller Dienstleistungen bereitgestellt werden.

§ 2

Sperrbezirk

(1) Zum Schutze der Jugend und des öffentlichen Anstands wird für das gesamte Stadtgebiet der Stadt Braunschweig die Straßenprostitution nach § 1 Abs. 6 a) dieser Verordnung, Bordellprostitution nach § 1 Abs. 6 b) dieser Verordnung und Prostitution in Prostitutionsfahrzeugen nach § 1 Abs. 6 d) dieser Verordnung sowie jeweils deren Anbahnung verboten.

Das Stadtgebiet entspricht der Festlegung der Grenzen des Stadtgebiets nach der amtlichen Karte, die als Anlage 1 dieser Verordnung beigefügt ist.

(2) Aufgrund der historischen und städtebaulichen Besonderheiten und zum Erhalt der in sich geschlossenen Bruchstraße, finden die allgemeinen Bestimmungen dieser Sperrbezirksverordnung zur Regelung der Prostitutionsausübung in Prostitutionsstätten auf der Bruchstraße keine Anwendung (Anlage 2).

§ 3

Ausnahmen

Von dem Verbot des § 2 dieser Verordnung sind die nachfolgenden Zonen (Toleranzzonen) der Stadt Braunschweig hinsichtlich Bordellprostitution ausgenommen:

a) Toleranzzone 1: Gebiet Hansestraße West

Die Toleranzzone 1 entspricht der Festlegung der Grenzen der als Anlage 3 dieser Verordnung beigefügten Stadtkarte, bestehend aus 49 Einzelkarten.

b) Toleranzzone 2: Gebiet Hafen

Die Toleranzzone 2 entspricht der Festlegung der Grenzen der als Anlage 3 dieser Verordnung beigefügten Stadtkarte, bestehend aus 49 Einzelkarten.

c) Toleranzzone 3: Gebiet Hansestraße Ost

Die Toleranzzone 3 entspricht der Festlegung der Grenzen der als Anlage 4 dieser Verordnung beigefügten Stadtkarte, bestehend aus 8 Einzelkarten.

d) Toleranzzone 4: Friedrich-Seele-Straße West

Die Toleranzzone 4 entspricht der Festlegung der Grenzen der als Anlage 5 dieser Verordnung beigefügten Stadtkarte, bestehend aus 12 Einzelkarten.

e) Toleranzzone 5: Gebiet Friedrich-Seele-Straße Ost

Die Toleranzzone 5 entspricht der Festlegung der Grenzen der als Anlage 5 dieser Verordnung beigefügten Stadtkarte, bestehend aus 12 Einzelkarten.

§4

Bestandskraft

Ausgenommen von dem Verbot des § 2 dieser Verordnung bleibt die Ausübung der Prostitution in den Räumlichkeiten der vor Inkrafttreten dieser Verordnung von der zuständigen Behörde nach dem Prostituiertenschutzgesetz erlaubten Prostitutionsstätten, soweit die Nutzung baurechtlich zulässig ist."

§ 5 enthält Hinweise auf § 120 OWiG und § 184 f und § 184 g StGB. Durch § 6 der Sperrbezirksverordnung wird die Sperrbezirksverordnung vom 28. Mai 2021 außer Kraft gesetzt.

Das Grundstück (postalische Adresse: {H.} 2) der Antragstellerin liegt in einem Bereich, in dem die Ausübung der Bordellprostitution gemäß § 2 Abs. 1 der Sperrbezirksverordnung vom 28. Mai 2021 bzw. 15. August 2022 verboten ist. Aufgrund seiner Lage im unbeplanten Innenbereich der Stadt Braunschweig ist es bzw. das umliegende Gebiet von dem Antragsgegner nicht anhand der Checkliste geprüft worden. Es handelt sich um ein Eckgrundstück. Im Norden grenzt es an die {I.}, östlich verläuft die {H.}. Auf der dem Grundstück gegenüberliegenden Seite der {I.} schließt sich ein durch die A 39 und die {H.} begrenztes Quartier an, in dem im Wesentlichen zwei Autohäuser untergebracht sind. Aktuell sind in der Liegenschaft der Antragstellerin im Untergeschoss ein vietnamesischer Schnellimbiss sowie eine Spielhalle untergebracht.

Die Antragstellerin will in den dort ebenfalls befindlichen Wohnungen eine Prostitutionsstätte betreiben.

Zu diesem Zweck hatte sie bereits mit Schreiben vom 18. August 2021, also nach Inkrafttreten der Sperrbezirksverordnung vom 28. Mai 2021, zunächst eine Bauvoranfrage an die Stadt Braunschweig gerichtet. Sie wollte geklärt wissen, ob die geplante Umnutzung von Wohnungen zur Betriebsstätte zur Erbringung entgeltlicher sexueller Dienstleistungen bauplanungsrechtlich genehmigungsfähig sei. Mit Bescheid vom 3. Dezember 2021 lehnte die Stadt Braunschweig die Erteilung des Bauvorbescheids ab (Bl. 41, 82 Gerichtsakte). Zur Begründung führte die Stadt Braunschweig aus: Die Eigenart der näheren Umgebung entspreche einem allgemeinen Wohngebiet. Das Vorhaben der Antragstellerin sei als ein für ein allgemeines Wohngebiet störender Gewerbebetrieb einzustufen. So bezeichne die Antragstellerin ihr Vorhaben zwar als "Wohnungsprostitution". Um eine solche handele es sich aber nicht, weil das Vorhaben der Antragstellerin ausweislich der Betriebsbeschreibung darauf angelegt sei, die Räumlichkeiten vorübergehend, typischerweise nur wenige Tage oder eine Woche wechselnden Prostituierten anzubieten. Es fehle insofern an einer auf Dauer angelegten Häuslichkeit. Räumlichkeiten, die einem ständig wechselnden Personenkreis angeboten würden, wiesen kein wohnähnliches Erscheinungsbild auf. Das Vorhaben entspreche deshalb nicht den Vorgaben des § 34 BauGB. Ferner wies die Stadt Braunschweig in dem Bescheid darauf hin, dass der Antragstellerin das für die Durchführung eines Baugenehmigungsverfahrens erforderliche Sachbescheidungsinteresse fehle, weil ihr Vorhaben aufgrund der Regelungen der Sperrbezirksverordnung ohnehin verboten sei.

Nachdem der Antragsgegner die Verordnung über das Verbot der Prostitution im Teilgebiet B-Stadt des Bezirks der Polizeidirektion Braunschweig vom 28. Mai 2021 daraufhin außer Kraft gesetzt und zugleich die Verordnung über das Verbot der Prostitution im Teilgebiet B-Stadt im Bezirk der Polizeidirektion Braunschweig vom 15. August 2022 (Nds. MBl. 35/2022 S. 1215) mit Wirkung vom 15. August 2022 neu bekannt gemacht hatte, hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 12. Oktober 2022 mitgeteilt, ihr schon am 8. September 2021 erhobener Normenkontrollantrag richte sich nunmehr gegen die am 15. August 2022 neu bekanntgemachte Sperrbezirksverordnung. Mit dieser Verordnung werde der bisherige Regelungsumfang uneingeschränkt fortgeschrieben, allein das Anlagenmaterial sei um Einzelkarten ergänzt worden. Wegen der Identität des Prozessstoffs werde beantragt, die ursprüngliche Normenkontrolle auf der Grundlage der neuen Sperrbezirksverordnung fortzusetzen. Zur Begründung ihres Normenkontrollantrags trägt die Antragstellerin vor: Sie sei antragsbefugt. Bereits der gegen den von ihr beantragten Bauvorbescheid erhobene Einwand eines fehlenden Sachbescheidungsinteresses wegen der angefochtenen Sperrbezirksverordnung begründe ihre Antragsbefugnis. Im Übrigen sei die von der Bauaufsicht vorgenommene Beurteilung angreifbar und werde angegriffen. Die überwiegende Wahrscheinlichkeit spreche dafür, dass das Vorhaben bauplanungsrechtlich zulässig sei und nur die Sperrbezirksverordnung der Umsetzung entgegenstehe. Auch daraus folge ihre Antragsbefugnis. Die angefochtene Verordnung sei materiell rechtswidrig. Ein rechtmäßiger Abwägungsvorgang über eine Sperrbezirksverordnung setze eine Bestandsaufnahme über die örtlichen Gegebenheiten und die Wechselwirkung des Jugendschutzes und des öffentlichen Anstands innerhalb der Stadt Braunschweig voraus. Konkret bedürfe es insoweit der tatsächlichen Feststellung der Sichtbarkeit der Prostitution und zumindest einer verlässlichen Prognose über die Auswirkungen auf die Einwohner der Stadt. Insbesondere bedürfe die Analyse einer abstrakten Gefahr Feststellungen darüber, ob die Sichtbarkeit der Prostitution und die Verflechtungen mit sonstigen Vergnügungsstätten Jugendliche in besonderem Maße anziehe, sich etwa wegen der in der Nähe gelegenen Schulen sowie sozialer und kirchlicher Einrichtungen auf deren Besucher auswirke oder geeignet sei, Personen, die mit dem Betriebszweck nicht in Berührung kommen wollten, rechtzeitig von einem Besuch abzuhalten. Dabei müsse eine Konkretisierung der abstrakten Gefahr für die Rechtsgüter Schutz der Jugend und des öffentlichen Anstandes absehbar und konkret möglich sein. Die angegriffene Sperrbezirksverordnung diene weder dem Schutz der Jugend noch dem öffentlichen Anstand. Es sei schon nicht ersichtlich, welche Umstände aus der Vergangenheit auf eine Beeinträchtigung der genannten Schutzgüter schließen ließen. Anlass sei der erteilte Bauvorbescheid zugunsten eines bordellähnlichen Betriebs Ecke {J.}/{K.}, der den Widerstand der Bevölkerung und Gewerbetreibender ausgelöst habe. Insofern stelle sich die Sperrbezirksverordnung als Einzelfallentscheidung zur Verhinderung der Realisierung einer mit dem öffentlichen Baurecht ausgestatteten Prostitutionsstätte mit ordnungsrechtlichen Mitteln dar. Das Erkenntnisverfahren habe zu der Feststellung geführt, dass sich die maßgebliche Gefährdungssituation durch die bestehenden Prostitutionsstätten nicht nachteilig verschoben habe. Die Regelung zum Bestandsschutz in § 4 der Sperrbezirksverordnung, also die unveränderte Beibehaltung der Anzahl und des Bestandes von Prostitutionsstätten, werde ausdrücklich damit begründet, dass sich die Gefahrenlage nicht verändert habe. Der vorgesehene Bestandsschutz für bestehende Prostitutionsstätten widerspreche dem Charakter einer Sperrbezirksverordnung als Mittel der Gefahrenabwehr. Erkenne der Verordnungsgeber eine Gefahr, könne er keine entsprechende Ausnahme machen. Dies lege die Annahme nahe, dass die Verordnung eine dem Bauplanungsrecht vorbehaltene Steuerung der Anzahl der Prostitutionsstätten zum Gegenstand habe. Die ausgewiesenen Toleranzzonen seien aus tatsächlichen und teilweise auch aus rechtlichen Gründen nicht geeignet, das Prostitutionswesen in B-Stadt weiter aufzunehmen. Sie seien vielmehr überwiegend oder vollständig belegt oder nicht zu diesem Zwecke nutzbar. Die angegriffene Verordnung genüge damit nicht den in der Ermächtigungsgrundlage enthaltenen Anforderungen an die räumliche Ausdehnung des Sperrgebiets und verstoße damit auch unter Berücksichtigung der Bestandsregelung in § 4 der Verordnung gegen das Kasernierungsverbot des Art. 297 Abs. 3 EGStGB. Sie führe zu einem faktischen Verbot der Prostitutionsausübung im gesamten Stadtgebiet.

Die Antragstellerin beantragt nunmehr,

die Verordnung über das Verbot der Prostitution im Teilgebiet B-Stadt des Bezirks der Polizeidirektion Braunschweig, bekannt gemacht am 15. August 2022, für unwirksam zu erklären, soweit sie ein Verbot der Bordellprostitution enthält.

Der Antragsgegner beantragt,

den Normenkontrollantrag abzulehnen.

Er vertritt die Auffassung, der Antragstellerin fehle die Antragsbefugnis, jedenfalls aber das Rechtsschutzinteresse. Der Betrieb einer Prostitutionsstätte auf der Liegenschaft {H.} 2 sei bereits aus anderen Gründen als der hier in Rede stehenden Verordnung rechtlich unzulässig. Entweder handele es sich um eine Prostitutionsstätte in der Betriebsform eines Bordells, die als Gewerbebetrieb in einem allgemeinen Wohngebiet unzulässig sei, oder es handele sich um eine Prostitutionsstätte in der Betriebsform der Wohnungsprostitution, die vom Regelungsbereich der Sperrbezirksverordnung nicht erfasst werde. Damit fehle es an der nötigen Kausalität zwischen Norm und Rechtsverletzung. Hilfsweise sei der Normenkontrollantrag unbegründet. Die Sperrbezirksverordnung sei materiell rechtmäßig. Nach Art. 297 Abs. 1 Satz 1 EGStGB könne zum Schutz der Jugend oder des öffentlichen Anstandes für Teile des Gebiets einer Gemeinde über 20.000 Einwohner oder eines gemeindefreien Gebietes, bzw. unabhängig von der Zahl der Einwohner für öffentliche Straßen, Wege, Plätze, Anlagen und für sonstige Orte, die von dort aus eingesehen werden können, im ganzen Gebiet oder in Teilen des Gebiets einer Gemeinde oder eines gemeindefreien Gebiets durch Rechtsverordnung verboten werden, der Prostitution nachzugehen. Für den Erlass einer solchen Verordnung genüge eine abstrakte Gefährdung. Die Verordnung sei rechtmäßig, wenn ein Bezug auf die gesetzliche Zweckbestimmung erkennbar vorliege und die Norm geeignet erscheine, dem mit der Ermächtigung verfolgten Zweck zu dienen. Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt. Er habe anhand sachgerechter Kriterien im Detail alle in Betracht kommenden (Gewerbe- und Industrie-)Gebiete daraufhin überprüft, ob dort der Betrieb einer Prostitutionsstätte in der Form eines Bordells in Betracht komme. Im Einzelnen sei er wie folgt vorgegangen: Zunächst habe er in einem umfangreichen Verfahren geprüft, ob er das konkrete Vorhaben der Antragstellerin im Verfahren 11 KN 353/21 zum Anlass für die Neufassung einer solchen Verordnung auf der Grundlage des Art. 297 EGStGB nehmen wolle. Nach entsprechender Prüfung habe er sich dafür entschieden, im gesamten Gebiet der Stadt Braunschweig die Straßenprostitution, die Ausübung der Prostitution in Bordellen und in Prostitutionsfahrzeugen zu verbieten. Dabei sollten mindestens drei sogenannte Toleranzzonen geschaffen werden, in welchen die Ausübung der Prostitution in Bordellen zulässig sein solle. Sodann habe er sich von der Stadt Braunschweig alle festgesetzten und faktischen Gewerbe- und Industriegebiete mitteilen lassen, die für eine Ansiedlung von Prostitutionsstätten in der Betriebsform eines Bordells in Betracht gekommen seien. Daneben habe er Kriterien erarbeitet und mit der Stadt abgestimmt, die der Ermittlung dienten, wo die eben genannten Betriebe eingerichtet werden könnten, ohne gegen den Schutz der Jugend oder des öffentlichen Anstandes zu verstoßen. Dabei hätten möglichst auch Konflikte mit der Wohnbevölkerung vermieden werden sollen, weshalb die Checkliste Parameter wie "angrenzendes Wohngebiet", "Schule inklusive 500 m Umkreis", "Schulwege" etc. beinhaltet habe. Hinsichtlich des Schutzabstandes zu Schulen (500 m) habe vermieden werden sollen, dass Kinder und Jugendliche im Umfeld ihrer Schule bzw. in Sichtnähe in Kontakt mit der milieutypischen Unruhe kämen. Dem liege die Erkenntnis zugrunde, dass sich die Kinder und Jugendlichen nicht an die empfohlenen Schulwege hielten, so dass es sachgerecht gewesen sei, einen Umkreis um die Schulen zu ziehen. Für Kindertageseinrichtungen sei ein geringerer Abstand (200 m) zugrundgelegt worden, da der Bewegungsradius von Kindern dieser Altersgruppe geringer sei. Er habe dann insgesamt 20 in Betracht kommende Gebiete im Einzelnen anhand der obigen Kriterien und nach Inaugenscheinnahme vor Ort geprüft. Dabei habe er auch die jeweiligen Besonderheiten der Umgebung dieser Gebiete in den Blick genommen und, ob sich in den betreffenden Gebieten Bordelle rechtlich wie tatsächlich realisieren ließen. Ein "Zuschneiden" der Gewerbegebiete habe ausdrücklich nicht erfolgen sollen. Im Ergebnis seien fünf Flächen verblieben, die er in der angegriffenen Verordnung als sogenannte Toleranzzonen ausgewiesen habe. In Abwägung der berechtigten Interessen von Betreibern der bestehenden (sechs) Bordelle und der dort tätigen Prostituierten, habe er sich dafür entschieden, diese von dem Verbot der Bordellprostitution im gesamten Stadtgebiet auszunehmen. Hierfür habe gesprochen, dass es in der Vergangenheit keine erheblichen Konflikte im Zusammenhang mit diesen Prostitutionsstätten gegeben habe, was aber wohl auch damit zusammenhänge, dass es "größere" Bordelle in dem Stadtgebiet bislang nicht gegeben habe. Auch die Festlegung der einzelnen Tabuzonen begegne keinen Bedenken. Ein Verstoß gegen das Kasernierungsverbot sei nicht festzustellen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten, einschließlich der Gerichtsakten im Verfahren 11 KN 353/21, sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Entscheidungsgründe

A. Der ausweislich seiner unbeschränkten Formulierung ursprünglich auch auf die Aufhebung des Verbots der Straßenprostitution und der Prostitution in Prostitutionsfahrzeugen gerichtete Antrag der Antragstellerin ist insoweit in der mündlichen Verhandlung nicht aufrechterhalten und stattdessen darauf beschränkt worden, das Verbot der Bordellprostitution aufzuheben. Auf die in dieser Beschränkung liegenden Rücknahme des Antrags der Antragstellerin hin ist das Verfahren insoweit nach § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

B. Der nunmehr nur noch gegen das Verbot der Bordellprostitution gerichtete Normenkontrollantrag der Antragstellerin hat Erfolg. Er ist zulässigerweise gegen die Sperrbezirksverordnung in der am 15. August 2022 (Nds. MBl. 35/2022 S. 1215) bekannt gemachten Fassung gerichtet (I.) und auch im Übrigen zulässig (II.) und begründet (III.).

I. Gegenstand des Normenkontrollantrags ist das Verbot der Bordellprostitution durch die Sperrbezirksverordnung in der am 15. August 2022 (Nds. MBl. 35/2022 S. 1215) neu bekannt gemachten Fassung. Soweit der Antrag ursprünglich gegen die Sperrbezirksverordnung vom 28. Mai 2021 gerichtet war, liegt in der entsprechenden Umstellung des Normenkontrollantrags auf die neu bekannt gemachte Fassung der Sperrbezirksverordnung durch Schriftsatz der Antragstellerin vom 12. Oktober 2022 eine Antragsänderung, weil der ursprüngliche Gegenstand des Normenkontrollantrags durch einen neuen ersetzt wurde. Die Antragsänderung ist entsprechend § 91 Abs. 1 Alt. 2 VwGO zulässig. Sie ist sachdienlich im Sinne der zitierten Vorschrift, weil sie der endgültigen Ausräumung des sachlichen Streitstoffs zwischen den Beteiligten im laufenden Verfahren dient. Denn durch die Neubekanntmachung der Sperrgebietsverordnung wurde deren Inhalt nicht maßgeblich verändert, so dass der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt. Die Antragsänderung fördert darum die endgültige Beilegung des Streites zwischen den Beteiligten.

II. Der Normenkontrollantrag ist zulässig.

1. Die Normenkontrolle ist gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO statthaft. Bei der angegriffenen Verordnung handelt es sich um eine im Rang unter dem Landesgesetz stehende niedersächsische Rechtsvorschrift i.S.v. § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO und § 75 NJG, die im Sinn letztgenannter Vorschrift der Gerichtsbarkeit des Oberverwaltungsgerichts unterliegt. Die mit der Normenkontrolle angegriffene Sperrbezirksverordnung ist eine Norm des öffentlichen Rechts (Senatsurt. v. 24.10.2002 - 11 KN 4073/01 - juris Rn. 30; Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 47 Rn. 59, jew. m.w.N.).

2. Der von der Antragstellerin gegen die Polizeidirektion Braunschweig gerichtete Antrag war von Amts wegen auf den im Rubrum bezeichneten richtigen Antragsgegner umzustellen. Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 2 VwGO ist ein Normenkontrollantrag gegen die Körperschaft zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Diese Vorschrift beruht auf dem Rechtsträgerprinzip, d.h. der Antrag ist gegen den Rechtsträger des Organs zu richten, das die zur Prüfung stehende Norm erlassen hat. Eine Behörde kann nicht Antragsgegner sein. Dies ist auch nicht durch landesrechtliche Bestimmungen abdingbar (Giesberts, in: Posser/Wolff/Decker, BeckOK VwGO, Stand: 1.1.2023, § 47 Rn. 57). Danach ist hier richtiger Antragsgegner das Land Niedersachsen als Rechtsträger der für den Erlass der angegriffenen Sperrbezirksverordnung zuständigen Behörde, der Polizeidirektion Braunschweig. Das Rubrum war entsprechend anzupassen.

3. Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Sie kann gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 VwGO geltend machen, durch das in §§ 2 Abs. 1 Satz 1, 3 der Sperrbezirksverordnung geregelte, weitgehende Verbot der Bordellprostitution i.S.d. § 1 Abs. 6 b) der Verordnung in ihren Rechten verletzt zu sein.

Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks unter der postalischen Adresse {H.} 2. Das Grundstück liegt im Gebiet der Stadt Braunschweig und außerhalb einer Toleranzzone, so dass dort die Ausübung der Prostitution mit Ausnahme der Wohnungsprostitution nach Maßgabe des § 2 Abs. 1 Satz 1 Sperrbezirksverordnung verboten ist. Die Antragstellerin ist somit durch diese Regelung der Sperrbezirksverordnung in der Nutzung ihres Grundstücks zu Zwecken der Prostitution eingeschränkt. Ob schon die durch eine abstrakte Beschränkung der Nutzbarkeit eines Grundstücks ausgelöste Betroffenheit für die Antragsbefugnis eines Grundstückseigentümers ausreichen würde, kann dahinstehen. Denn die Antragstellerin beabsichtigt konkret, auf dem Grundstück eine Prostitutionsstätte zu betreiben und hat dies durch Beantragung eines entsprechenden Bauvorbescheids manifestiert. Insofern wird die Antragstellerin durch das in §§ 2 Abs. 1 Satz 1, 3 der Sperrbezirksverordnung geregelte, weitgehende Verbot der Bordellprostitution i.S.d. § 1 Abs. 6 b) der Verordnung in eigenen Rechten betroffen. Denn insoweit besteht ein die Antragstellerin tatbestandlich betreffendes Verbot (vgl. W.-R. Schenke/R.P. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 29. Aufl. 2023, § 47 Rn. 47). Soweit der Antragsgegner einwendet, der Antragstellerin fehle die Antragsbefugnis, weil sie nach ihrem eigenen Verständnis beabsichtige, Wohnungsprostitution zu betreiben und diese den Verboten der Sperrbezirksverordnung nicht unterfalle, ist dem entgegenzuhalten, dass die zuständige Bauaufsichtsbehörde der Stadt Braunschweig ihre Annahme, dass es sich bei der von der Antragstellerin zur Genehmigung gestellten Prostitutionsstätte nicht um einen Fall der Wohnungsprostitution, sondern um einen Bordellbetrieb handelt, mit überzeugenden Argumenten begründet hat.

Die Antragstellerin greift zu Recht die Sperrbezirksverordnung insoweit nicht weiter an, als diese die Prostitutionsarten Straßenprostitution sowie Prostitution in Prostitutionsfahrzeugen verbietet. Diese Verbote tangieren die Antragstellerin weder als Eigentümerin des Grundstücks in der {H.}, weil Straßenprostitution und Prostitution in Prostitutionsfahrzeugen den öffentlichen Raum und nicht private Grundstücke betreffen, noch als in der Prostitution tätigen Gewerbebetrieb. Denn es ist nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen, dass die Antragstellerin derartigen Prostitutionsformen nachgehen möchte. Die Antragsbefugnis reicht grundsätzlich nur soweit, wie der Antragsteller durch die Norm oder deren Anwendung möglicherweise in seinen Rechten verletzt wird oder in absehbarer Zeit verletzt werden kann. Nur solche Normen, hinsichtlich derer unter dem Gesichtspunkt des entsprechend anwendbaren § 139 BGB die Frage der Gültigkeit nur einheitlich beantwortet werden kann, können auch über eine eigene Rechtsverletzung hinaus zusammen angegriffen werden (W.-R. Schenke/R.P. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 29. Aufl. 2023, § 47 Rn. 51). Es kommt darauf an, ob - erstens - die Beschränkung der Nichtigkeit eine mit höherrangigem Recht vereinbare sinnvolle (Rest-)Regelung des Lebenssachverhalts belässt und ob - zweitens - hinreichend sicher ein entsprechender hypothetischer Wille des Normgebers angenommen werden kann (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. BVerwG, Beschl. v. 24.2.2012 - 9 B 80/11 - juris Rn. 11; Beschl. v. 28.8.2008 - 9 B 40/08 - juris Rn. 13; VGH BW, Urt. v. 27.2.2018 - 3 S 963/16 - juris Rn. 56).

Die Regelungen zum Verbot der Straßenprostitution und das Verbot der Prostitution in Prostitutionsfahrzeugen sind nach dieser Maßgabe von dem die Antragstellerin allein betreffenden Verbot der Bordellprostitution teilbar. Sie sind einer unabhängigen rechtlichen Betrachtung zugänglich und haben insoweit einen selbstständigen Charakter. Es ist davon auszugehen, dass der Antragsgegner auch bei Wissen um eine Unwirksamkeit der von der Antragstellerin beanstandeten Bestimmungen der Sperrbezirksverordnung einen Regelungswillen für ein Verbot jedenfalls der Straßenprostitution, wozu der Senat auch Prostitution in Fahrzeugen zählt, gehabt hätte. Im konkreten Regelungszusammenhang ergeben sich zudem bereits aus Art. 297 Abs. 1 Nr. 1 bzw. 2 und Nr. 3 EGStGB unterschiedliche Anforderungen und Vorgaben für die Beschränkungen einerseits von Bordellen und andererseits der sogenannten Straßenprostitution (OVG Saarland, Urt. v. 30.6.2020 - 2 C 252/19 - juris Rn. 17). Die Bordell- und die Straßenprostitution stehen auch nicht in einem solchen inneren Zusammenhang, dass die Reglementierung des einen Bereichs den Verordnungsgeber zugleich zu einer bestimmten Regelung auch in dem anderen Bereich zwingen würde (Senatsurt. v. 24.10.2002 - 11 KN 4073/01 - juris Rn. 49). Insofern ist auch nicht zu erkennen, dass die verschiedenen Regelungen aus Gründen der Gleichbehandlung nur gemeinsam angegriffen werden könnten.

Die Antragsbefugnis der Antragstellerin ist aufgrund der Regelungsart der Sperrbezirksverordnung in räumlicher Hinsicht nicht auf ihr Grundstück bzw. das zugehörige Gebiet begrenzt. Denn nach der Sperrbezirksverordnung ist die Bordellprostitution grundsätzlich im gesamten Stadtgebiet ausgeschlossen. Unter dieses Verbot fällt auch das Grundstück der Antragstellerin. Das Verbot der Bordellprostitution ist angesichts seines Bezugs auf das gesamte Stadtgebiet in räumlicher Hinsicht nicht teilbar (vgl. zu einer etwaigen Beschränkung der Antragsbefugnis auf einen räumlich beschwerenden Teil einer Verordnung VGH BW, Urt. v. 15.12.2008 - 1 S 2256/07 - juris Rn. 51; Senatsurt. v. 24.10.2002 - 11 KN 4073/01 - juris Rn. 28).

4. Die Antragstellerin hat auch das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.

Nach § 47 Abs. 2 VwGO kommt es für die Zulässigkeit eines Normenkontrollantrags maßgeblich darauf an, ob der Antragsteller geltend machen kann, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in seinen Rechten verletzt zu sein oder verletzt zu werden. Wird - wie hier - diese Hürde genommen, so ist regelmäßig auch das erforderliche Rechtsschutzinteresse gegeben. Mit dem Erfordernis des Vorliegens eines allgemeinen Rechtsschutzinteresses neben der Antragsbefugnis soll nur vermieden werden, dass die Gerichte in eine Normprüfung eintreten müssen, deren Ergebnis für den Antragsteller wertlos ist. Zu fragen ist somit, ob der Antragsteller durch die von ihm angestrebte Nichtigerklärung der Rechtsnorm seine Rechtsstellung verbessern kann (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. BVerwG, Beschl. v. 29.9.1992 - 4 BN 25/15 - juris Rn. 6; VGH BW, Urt. v. 27.2.2018 - 3 S 963/16 - juris Rn. 54). Insoweit genügt es zur Bejahung des Rechtsschutzinteresses, dass sich die Rechtsstellung des Antragstellers aktuell verbessern kann, dass also die begehrte Entscheidung im Hinblick auf das angestrebte eigentliche Ziel nicht offensichtlich nutzlos ist (BVerwG, Beschl. v. 17.12.1992 - 4 N 2/91 - juris Rn. 14).

Danach ist hier das Rechtsschutzbedürfnis zu bejahen. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners ist eine Verbesserung der Rechtsstellung der Antragstellerin nicht im Hinblick darauf ausgeschlossen, dass ihrem Vorhaben zur Errichtung eines Bordellbetriebs - ausweislich des ablehnenden Bauvorbescheids vom 3. Dezember 2021- nicht nur das in §§ 2 Abs. 1 Satz 1, 3 der Sperrbezirksverordnung geregelte, weitgehende Verbot der Bordellprostitution i.S.d. § 1 Abs. 6 b) der Verordnung, sondern auch baurechtliche Vorschriften entgegengehalten werden.

Die Rechtsstellung der Antragstellerin wird durch die Nichtigerklärung des in § 2 Abs. 1 Satz 1 und § 3 der Sperrbezirksverordnung geregelten, weitgehenden Verbots der Bordellprostitution i.S.d. § 1 Abs. 6 b) der Verordnung verbessert. Denn ob und inwiefern ihrem Vorhaben tatsächlich auch baurechtliche Vorgaben entgegenstehen, bräuchte nicht geklärt zu werden, wenn das Vorhaben schon aufgrund der Sperrbezirksverordnung unzulässig wäre. In diesem Fall müsste das Sachbescheidungsinteresse der Antragstellerin für ihren Bauantrag verneint werden, weil sich das Vorhaben offensichtlich schon wegen der Sperrbezirksverordnung nicht verwirklichen ließe, so dass die Erteilung der Baugenehmigung für die Antragstellerin ersichtlich nutzlos wäre (vgl. zum fehlenden Sachbescheidungsinteresse wegen entgegenstehender privatrechtlichen Verhältnisse teilweise (BVerwG, Beschl. v. 10.2.1988 - 4 B 11/88 - juris Rn. 4).

Im Hinblick darauf könnte das Rechtsschutzbedürfnis für den Normenkontrollantrag der Antragstellerin allenfalls dann verneint werden, wenn die baurechtliche Unzulässigkeit ihres Vorhabens offensichtlich wäre. Davon kann hier aber nicht die Rede sein. Insbesondere erscheint angesichts der Prägung des Grundstücks der Antragstellerin durch die aktuellen Nutzungen fraglich, ob die Eigenart der näheren Umgebung ihres Grundstücks tatsächlich, wie von der zuständigen Bauaufsichtsbehörde angenommen (s. ablehnender Bauvorbescheid vom 3.12.2021, Bl. 82 Gerichtsakte), einem allgemeinen Wohngebiet entspricht, in dem ein Bordellbetrieb unzulässig wäre. Denn das Vorhabengrundstück dürfte auch von der dort derzeit ausweislich der Angaben bei google maps befindlichen Spielhalle geprägt werden; überdies erscheint es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass sich auch das Autohaus auf der anderen Straßenseite der {I.} auf das Vorhabengrundstück auswirkt, so dass die Annahme, die Eigenart der näheren Umgebung entspreche einem allgemeinen Wohngebiet, zumindest in Frage gestellt werden kann. Diese - offenen - Fragen bräuchten indes in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht mehr geprüft zu werden, würde das Vorhaben der Antragstellerin bereits an dem in §§ 2 Abs. 1 Satz 1, 3 der Sperrbezirksverordnung geregelten, weitgehenden Verbot der Bordellprostitution i.S.d. § 1 Abs. 6 b) der Verordnung scheitern.

Das bestehende Rechtsschutzinteresse wird hier zudem allein dadurch begründet, dass die Bauaufsichtsbehörde selbst in dem die Erteilung eines Bauvorbescheids ablehnenden Bescheid vom Bauvorbescheids vom 3. Dezember 2021 darauf hingewiesen hat, ihr würde für die Durchführung eines Baugenehmigungsverfahrens die notwendige Sachbescheidungsbefugnis fehlen, weil ihr Vorhaben schon aufgrund der Sperrbezirksverordnung ersichtlich unzulässig sei. Insofern kann die Antragstellerin eine Überprüfung ihres Vorhabens anhand bauplanungsrechtlicher Vorschriften nur erreichen, wenn das in §§ 2 Abs. 1 Satz 1, 3 der Sperrbezirksverordnung geregelte, weitgehende Verbot der Bordellprostitution i.S.d. § 1 Abs. 6 b) der Verordnung aufgehoben wird.

III. Der Normenkontrollantrag ist auch begründet. Das in §§ 2 Abs. 1 Satz 1, 3 der Sperrbezirksverordnung geregelte, weitgehende Verbot der Bordellprostitution i.S.d. § 1 Abs. 6 b) der Verordnung ist rechtswidrig und deshalb unwirksam.

Rechtsgrundlage für die Sperrbezirksverordnung ist Art. 297 Abs. 1 EGStGB. Danach kann die Landesregierung zum Schutze der Jugend oder des öffentlichen Anstands für das ganze Gebiet einer Gemeinde bis zu fünfzigtausend Einwohnern (Art. 297 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EGStGB) bzw. für Teile des Gebiets einer Gemeinde über zwanzigtausend Einwohner (Art. 297 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EGStGB) durch Rechtsverordnung verbieten, der Prostitution nachzugehen; darüber hinaus ist nach Art. 297 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGStGB das Verbot der Straßenprostitution für das gesamte Gemeindegebiet unabhängig von der Einwohnerzahl möglich. Gemäß Art. 297 Abs. 2 EGStGB kann die Landesregierung diese Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf eine oberste Landesbehörde oder andere Behörden übertragen.

1. In formeller Hinsicht entspricht die angegriffene Sperrbezirksverordnung zwar der zitierten Rechtsgrundlage.

a) Die Sperrbezirksverordnung wurde von der Polizeidirektion Braunschweig als der - gemäß Art. 297 Abs. 2 EGStGB i.V.m. § 7 Satz 1 Nr. 1 Subdelegationsverordnung in der bis zum 29. Juni 2023 geltenden Fassung - zum Erlass der Sperrbezirksverordnung zuständigen Behörde erlassen.

b) Die Antragstellerin hat gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Sperrbezirksverordnung nichts eingewendet. Auch der Senat hat bezüglich der formellen Rechtmäßigkeit der hier streitgegenständlichen Sperrbezirksverordnung keine Bedenken.

2. §§ 2 Abs. 1 Satz 1, 3 der Sperrbezirksverordnung sind jedoch materiell rechtswidrig. Sie halten sich in räumlicher Hinsicht nicht im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage des Art. 297 Abs. 1 EGStGB. Im Einzelnen:

Bei der Verordnungsermächtigung des Art. 297 EGStGB handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung um eine Norm auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr, die dazu dient, das Zusammenleben der Menschen zu ordnen, soweit ihr Verhalten sozialrelevant ist, nach Außen in Erscheinung treten und das Allgemeinwohl beeinträchtigen kann (OVG NRW, Urt. v. 11.8.2015 - 5 A 1188/13 - juris Rn. 48 f. m.w.N.). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen ein solches Verständnis der Norm bestehen nicht (BVerfG, Beschl. v. 28.4.2009 - 1 BvR 224/07 - juris Rn. 16; Senatsurt. v. 24.10.2002 - 11 KN 4073/01 - juris Rn. 37; OVG NRW, Urt. v. 11.8.2015 - 5 A 1188/13 - juris Rn. 50).

Dem Verordnungsgeber sind in der Ermächtigung nach Art. 297 Abs. 1 EGStGB selbst sachliche und räumliche Grenzen gesetzt (vgl. bereits Senatsurt. v. 24.10.2002 - 11 KN 4073/01 - juris Rn. 42).

In sachlicher Hinsicht ist der Normgeber dadurch beschränkt, dass er zum Zwecke des Schutzes der Jugend oder des öffentlichen Anstands tätig werden muss. Diese Vorgabe wirkt sich sowohl im Rahmen des Entschließungsermessens aus, also bei der Entscheidung, ob überhaupt eine Sperrbezirksverordnung erlassen werden soll, als auch auf Ebene des Auswahlermessens, d.h. bei der Frage, wie weit in räumlicher und sachlicher Hinsicht die Prostitution bzw. die verschiedenen Prostitutionsarten beschränkt werden sollen, etwa, ob einer geringeren öffentlichen Sichtbarkeit der Wohnungsprostitution Rechnung getragen werden soll (vgl. BVerfG, Beschl. v. 28.4.2009 - 1 BvR 224/07 - juris Rn. 27).

Im räumlicher Hinsicht ist zu beachten, dass sich die dem Verordnungsgeber grundsätzlich zur Verfügung stehenden Regelungsmöglichkeiten bei der Regulierung der Prostitution nach der Zahl der Einwohner der betroffenen Gemeinde richten. Für das ganze Gemeindegebiet darf die Prostitution nur in einer Gemeinde bis zu 50.000 Einwohner verboten werden (Art. 297 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EGStGB). Ab einer Einwohnerzahl von mehr als 20.000 Einwohnern darf die Prostitution (auch) für Teile des Gemeindegebietes verboten werden (Art. 297 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EGStGB). Dabei ist das sog. Kasernierungsverbot des Art. 297 Abs. 3 EGStGB zu beachten, wonach "Wohnungsbeschränkungen" auf bestimmte Straßen oder Häuserblocks zum Zwecke der Ausübung der Prostitution (Kasernierungen) verboten sind.

Nur in Gemeinden mit einer Einwohnerzahl zwischen 20.000 und 50.000 Einwohnern ist somit sowohl ein gemeindeweites als auch ein nur auf Teile des Gemeindegebiets bezogenes Verbot zulässig. In Gemeinden, die - wie die hier betroffene Stadt Braunschweig - mehr als 50.000 Einwohner haben, ist ein Verbot für das Gemeindegebiet insgesamt gemäß Art. 297 Abs. 1 Nr. 1 EGStGB hingegen nicht möglich. Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass die Prostitution in Städten dieser Größenordnung als unvermeidlich anzusehen ist und dass deren Abgleiten in die Illegalität vermieden werden soll (OVG Saarland, Urt. v. 30.6.2020 - 2 C 252/19 - juris Rn. 27, 36; BayVGH, Urt. v. 24.6.1998 - 24 N 97.665 - juris Rn. 29). Unzulässig sind danach insbesondere Anordnungen, die im Ergebnis darauf zielen, dass praktisch im gesamten Gebiet einer Gemeinde von mehr als 50.000 Einwohnern die Prostitution untersagt wird. Andererseits macht Art. 297 Abs. 1 EGStGB keine Vorgaben zur absoluten oder relativen Größe der Sperrbezirke. Diese können deshalb unter den genannten Voraussetzungen so umfassend sein, dass das weit überwiegende Gebiet einer Gemeinde umfasst ist. Dies setzt allerdings voraus, dass nach der Struktur der Gemeinde und den besonderen Erscheinungsformen der Prostitution auf andere Weise der Normzweck nicht zu erreichen ist (Senatsurt. v. 24.10.2002 - 11 KN 4073/01 - juris Rn. 42). Unabhängig von der Anzahl der Einwohner darf gemäß Art. 297 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGStGB nur die Straßenprostitution verboten werden.

Ferner sind dem Verordnungsgeber durch das Übermaßverbot Grenzen gesetzt. Ein Prostitutionsverbot auf Grundlage des Art. 297 Abs. 1 EGStGB muss dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen, weil die Betätigungsmöglichkeiten der Prostituierten durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützt sind (BVerfG, Beschl. v. 28.4.2009 - 1 BvR 224/07 - juris Rn. 22 und 27; BVerwG, Beschl. v. 22.3.2016 - 6 B 42/15 - juris Rn. 11). Ein Verbot der Prostitution setzt daher voraus, dass es zur Abwehr abstrakter Gefahren für die in Art. 297 Abs. 1 EGStGB genannten Schutzgüter geeignet, erforderlich und angemessen ist. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist auch bei der räumlichen Abgrenzung der Verbotsbereiche zu berücksichtigen. Ihm ist nicht genüge getan, wenn nach den örtlichen Verhältnissen ein räumlich begrenzteres Verbot als milderes Mittel zur wirkungsvollen Gefahrenabwehr ausreicht. Das Verbot ist nur in dem räumlichen Umgriff zulässig, wie es zum Schutze der Jugend und des öffentlichen Anstands erforderlich ist (vgl. im Hinblick auf die Zulässigkeit eines gemeindeweiten Verbots BVerwG, Beschl. v. 22.3.2016 - 6 B 42/15 - juris Rn. 11; dass. Urt. v. 17.12.2014 - 6 C 28/13 - juris Rn. 18; Senatsurt. v. 24.10.2002 - 11 KN 4073/01 - juris Rn. 42).

Bei Erlass einer Sperrbezirksverordnung hat der Normgeber zunächst zu prüfen, ob die Norm hinsichtlich der in Rede stehenden Gebiete dem Schutz der Jugend und des öffentlichen Anstands dient. Eine konkrete Gefährdung oder Störung der zu schützenden Rechtsgüter ist hierbei - wie auch sonst bei dem Erlass polizeirechtlicher Verordnungen - nicht erforderlich. Es genügt vielmehr, dass sich die Verordnung gegen Gefahren richtet, die nach den Erfahrungen des täglichen Lebens aus Handlungen oder Zuständen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit entstehen und fortdauern. Insoweit ist in der Rechtsprechung bezüglich Sperrbezirksverordnungen geklärt, dass die erforderliche abstrakte Gefährdung von Schutzgütern durch prostitutive Handlungen generell in Gebieten besteht, die durch eine besondere Schutzbedürftigkeit und Sensibilität, z.B. als Gebiet mit hohem Wohnanteil sowie Schulen, Kindergärten, Kirchen und sozialen Einrichtungen, gekennzeichnet sind. In diesen Gebieten darf davon ausgegangen werden, dass eine nach außen in Erscheinung tretende Ausübung der Prostitution typischerweise damit verbundene Belästigungen Unbeteiligter und "milieubedingte Unruhe", wie zum Beispiel das Werben von Freiern und anstößiges Verhalten gegenüber Passantinnen und Anwohnerinnen, befürchten lässt. Für den Erlass der Verordnung genügt dabei die mit der Ermächtigungsnorm des Art. 297 Abs. 1 EGStGB quasi vorgegebene Prognose, dass die Ausübung der Prostitution typischerweise damit verbundene Belästigungen hervorruft. Indes ermächtigt Art. 297 Abs. 1 EGStGB den Verordnungsgeber nicht nur dazu, nach außen in Erscheinung tretende Formen der Prostitution zu verbieten (BVerwG, Urt. v. 17.12.2014 - 6 C 28/13 - juris Rn. 9 u. 13, m.w.N.; OVG NW, Urt. v. 11.8.2015 - 5 A 1188/13 - juris Rn. 58; VGH BW, Urt. v. 15.12.2008 - 1 S 2256/07 - juris Rn. 71; a.A. offenbar HessVGH, Urt. v. 31.1.2013 - 8 A 1245/12 - juris Rn. 21; OVG Saarland, Urt. v. 30.6.2020 - 2 C 70/20 - juris Rn. 42).

Für die Gültigkeit der Verordnung genügt es, dass ein Bezug auf die gesetzliche Zweckbestimmung vorliegt und die Norm geeignet erscheint, dem mit der Ermächtigung verfolgten Zweck zu dienen. Bei der Überprüfung, ob der Verordnungsgeber diese Voraussetzungen eingehalten hat, darf das Gericht nicht dessen Überlegungen durch seine eigenen ersetzen. Bei der gerichtlichen Kontrolle, ob sich der Verordnungsgeber im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage bewegt, muss sich die Prüfung vielmehr darauf beschränken, ob die Abwägungen und Wertungen des Verordnungsgebers sachlich vertretbar sind und mit der verfassungsrechtlichen Werteordnung in Einklang stehen (vgl. zu alledem etwa Senatsurt. v. 24.10.2002 - 11 KN 4073/01 - juris Rn. 40 ff., 43; OVG Saarland, Urt. v. 30.6.2020 - 2 C 360/19 - juris 42; VGH BW, Urt. v. 23.3.2016 - 1 S 410/14 - juris Rn. 64 ff., 66; BayVGH, Urt. v. 24.6.1998 - 24 N 97.655 u. a.-, juris Rn. 27 f.; HessVGH, Urt. v. 8.12.1992 - 11 N 2041/91 - NVwZ-RR 1993, 294, 295 [OVG Hamburg 12.06.1992 - Bs VI 38/92] m.w.N. und Beschl. v. 19.2.1990 - 11 N 2596/87 - juris Rn. 70).

Nach diesen Vorgaben hält die angegriffene Sperrbezirksverordnung der gerichtlichen Prüfung nicht stand. Zwar ist davon auszugehen, dass sich der Antragsgegner grundsätzlich in dem von der Ermächtigungsgrundlage vorgegebenen Rahmen bewegt hat (a)). Indes genügt die Sperrbezirksverordnung den vorgenannten Vorgaben in räumlicher Hinsicht nicht, weil nicht ersichtlich ist, dass der erforderliche Zusammenhang zwischen Schutzgut und Ausdehnung der Sperrbezirksverordnung durchgehend für den Geltungsbereich der Verbotszone besteht (b)).

a) Es ist davon auszugehen, dass sich der Antragsgegner grundsätzlich in dem von der Ermächtigungsgrundlage vorgegebenen Rahmen bewegt hat und zum Zwecke des Schutzes des öffentlichen Anstands und der Jugend tätig geworden ist (aa)). Die Eignung der Sperrbezirksverordnung zur Erreichung dieses Ziels wird durch die Ausnahmen für Bestandsbordelle und die Einrichtungen in der {L.} nicht in Frage gestellt (bb)).

aa) Gegen die Entscheidung des Antragsgegners, von der Ermächtigung des Art. 297 Abs. 1 Nr. 2 EGStGB Gebrauch zu machen und für die Stadt Braunschweig eine nunmehr auch die Bordellprostitution regelnde Sperrbezirksverordnung zu erlassen, ist von Rechts wegen nichts zu erinnern. Der Ermächtigungsgrundlage des Art. 297 Abs. 1 Satz 1 EGStGB sind keine Grenzen des Entschließungsermessens zu entnehmen, die der Normgeber vorliegend überschritten hätte. Die Vorschrift verlangt insoweit nur, dass der Verordnungsgeber zum Zwecke des Schutzes der Jugend oder des öffentlichen Anstands tätig geworden sein muss (vgl. HessVGH, Urt. v. 31.10.2003 - 11 N 2952/00 - juris Rn. 37). Der Senat zieht nicht in Zweifel, dass der Antragsgegner dem Grunde nach zum Schutz der Schutzgüter des Art. 297 Abs. 1 Satz 1 EGStGB, also zum Schutz der Jugend und des öffentlichen Anstands, tätig geworden ist. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist insbesondere kein greifbarer Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass es dem Antragsgegner nur darum gegangen wäre, das Vorhaben der Antragstellerin im Verfahren 11 KN 353/21 in der Berliner Str. 52 k in B-Stadt zu verhindern.

Zwar lässt sich den Verwaltungsvorgängen entnehmen, dass das geplante Vorhaben der Antragstellerin im Verfahren 11 KN 353/21 aufgrund der hiergegen gerichteten Proteste von Anwohnern den Anstoß für den Antragsgegner gegeben hat, die bestehende Sperrbezirksverordnung zu überprüfen. Allein der Umstand, dass sich der Erlass der Verordnung auch als Reaktion auf Anwohnerbeschwerden darstellt, ist jedoch unschädlich, sofern der erforderliche Bezug der Sperrbezirksverordnung zu den Normzwecken des Art. 297 Abs. 1 EGStGB gegeben ist (vgl. HessVGH, Urt. v. 31.10.2003 - 11 N 2952/00 - juris Rn. 38; VGH BW, Urt. v. 15.12.2008 - 1 S 2256/07 - juris Rn. 72). Letzteres ist hier der Fall. Denn gerade das anlassgebende Vorhaben der Antragstellerin im Verfahren 11 KN 353/21 bzw. die hiergegen gerichteten Bürgerproteste haben gezeigt, dass es potentiell auch durch die Ansiedlung von Bordellen zu Konflikten mit den Schutzgütern des Art. 297 Abs. 1 EGStGB - dem Schutz der Jugend und des öffentlichen Anstands - kommen kann. Auch der Inhalt der Sperrbezirksverordnung sowie der in den beigezogenen Behördenakten dokumentierte Abwägungsvorgang zeigen, dass der Antragsgegner nicht in Verhinderungsabsicht tätig geworden ist. So hat der Antragsgegner die gesamte Sperrbezirksverordnung grundlegend neu überarbeitet und nicht etwa lediglich bestehende Sperrgebiete verändert. Ferner hat er nicht nur die Bordellprostitution Beschränkungen unterworfen, sondern auch die Straßenprostitution vollständig und damit weitergehend als zuvor verboten. Der erforderliche Bezug zum Normzweck wird ferner durch die von dem Antragsgegner angewandten Kriterien der "Checkliste" anschaulich zum Ausdruck gebracht, die helfen sollen, im Hinblick auf die Normzwecke des Art. 297 Abs. 1 EGStGB schutzbedürftige Gebiete nach objektiven und gleichmäßig angewandten Kriterien zu identifizieren.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin bedurfte es für die Änderung der Sperrgebietsverbordnung keiner veränderten Gefahrenprognose. Selbst wenn sich der Verordnungsgeber noch im Jahr 2005 bei Erlass der alten Sperrbezirksverordnung bewusst dagegen entschieden haben sollte, die Bordellprostitution zu verbieten, bedeutet dies nicht, dass er an diese Einschätzung bei späteren Novellierungen der Sperrbezirksverordnung fortdauernd gebunden wäre. Ob und in welchem Umfang der Verordnungsgeber tätig werden will, steht vielmehr grundsätzlich in seinem Ermessen, sofern er seine Erwägungen an Inhalt, Zweck und Ausmaß der ermächtigenden Norm ausrichtet (Senatsurt. v. 24.10.2002 - 11 KN 4073/01 - juris Rn. 49; HessVGH, Beschl. v. 19.2.1990 - 11 N 2596/87 - juris Rn. 78). Der Verordnungsgeber kann nach jahrelanger gegenteiliger Einschätzung eine Veränderung der tatsächlichen Situation in besagtem Gebiet annehmen, die nunmehr zum Schutze der Jugend und des öffentlichen Anstands ein verordnungsrechtliches Verbot der Straßenprostitution erforderlich macht (HessVGH, Urt. v. 31.10.2003 - 11 N 2952/00 - juris Rn. 38). Darüber hinaus kann er nach Auffassung des Senats aber auch ohne veränderte tatsächliche Umstände sein Verordnungsermessen dahin ausüben, für die Zukunft ein höheres Schutzniveau für die Schutzgüter des Art. 297 Abs. 1 EGStGB anzustreben; denn auch das liegt innerhalb des Normzwecks des Art. 297 Abs. 1 EGStGB. Eine Grenze wird ihm insoweit lediglich durch das aus dem Rechtsstaatsprinzip herzuleitende Postulat der Rechtssicherheit bzw. das Willkürverbot gesetzt. Ihm ist es deshalb insbesondere versagt, Toleranzzonen, in denen sich entsprechende Betriebe bereits angesiedelt haben, beliebig, d.h. ohne veränderte Gefahrenprognose, zu schließen, also in einen Sperrbezirk umzuwandeln. Denn dies hätte zur Folge, dass über die Ausweisung und Schließung solcher Zonen willkürlich entschieden werden könnte und mit solchen Änderungen auch Zwecke verfolgt werden könnten, die durch die Ermächtigungsnorm des Art. 297 Abs. 1 EGStGB nicht gedeckt sind (HessVGH, Urt. v. 8.12.1992 - 11 N 2041/91 - juris Rn. 55). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Der Antragsgegner hat nicht willkürlich die bestehenden Grenzen eines Sperrgebiets verändert, sondern vielmehr die Bordellprostitution erstmals einer Beschränkung unterworfen. Insoweit genügt es, dass dies im Hinblick auf die Schutzgüter des Art. 297 Abs. 1 EGStGB erfolgt ist. Eine veränderte Gefährdungslage ist hingegen nicht erforderlich.

Soweit die Antragstellerin in Zweifel zieht, dass der Antragsgegner zum Schutz des öffentlichen Anstands und der Jugend tätig geworden wäre, weil dieser bezüglich der bestehenden sechs Bordelle (vgl. die Aufstellung Bl. 180 Beiakte 002) in B-Stadt ermittelt habe, dass es bisher nicht zu erheblichen Konflikten gekommen sei (vgl. Stellungnahme der Polizeiinspektion B-Stadt v. 12.10.2020, Bl. 162 Beiakte 002), verfängt dies nicht. Der Umstand, dass sechs bestehende Bordelle an ihren jeweiligen Standorten keine Konflikte ausgelöst haben, lässt keine Rückschlüsse darüber zu, ob und inwiefern andere Betriebe geeignet sind, an einem anderen schutzbedürftigen Ort im Stadtgebiet Konflikte auszulösen. Wie bereits ausgeführt, genügt für den Erlass einer Verordnung eine abstrakte Gefahr, mithin die Prognose, dass die Ausübung der Prostitution typischerweise damit verbundene Belästigungen hervorruft (BVerwG, Urt. v. 17.12.2014 - 6 C 28/13 - juris Rn. 13). Die in schutzbedürftigen sensiblen Gebieten bestehende abstrakte Gefahr wird nicht dadurch in Zweifel gezogen, dass es im Stadtgebiet auch Betriebe gibt, die im konkreten Einzelfall nicht zu derartigen Störungen geführt haben.

bb) Die Sperrbezirksverordnung ist grundsätzlich auch geeignet, dem mit der Ermächtigung verfolgten Zweck zu dienen. Ihre Eignung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass bereits bestehenden Betrieben sowie den Betrieben in der {L.} Bestandsschutz gewährt wurde.

Die Sperrbezirksverordnung zielt nicht darauf, die Bordellprostitution ganz aus der Stadt Braunschweig zu verbannen. Letzteres wäre auch nicht zulässig, denn ein Verbot der Bordellprostitution im ganzen Stadtgebiet kommt in einer Stadt wie B-Stadt, die mehr als 50.000 Einwohner hat, auf Grundlage des Art. 297 Abs. 1 EGStGB nicht in Betracht. Hat sich der Verordnungsgeber in einer Stadt wie B-Stadt mit mehr als 50.000 Einwohnern auf der Ebene des Entschließungsermessen dazu entschieden, die Prostitution auf Grundlage des Art. 297 Abs. 1 EGStGB zu beschränken, hat er in einem nächsten Schritt zu prüfen, in welchen Gebieten er ein Verbot bzw. eine Beschränkung der Prostitution zum Schutz des öffentlichen Anstands und der Jugend für erforderlich hält. Diese Abwägungsentscheidung hat sich zuvörderst ihrerseits an den Normzwecken des Art. 297 Abs. 1 EGStGB zu orientieren. Weil die Prostitutionsausübung von Art. 12 Abs. 1 GG geschützt ist, sind aber auch die Belange der Prostitutionsbetriebe, insbesondere wenn ein Sperrgebiet festgelegt werden soll, in dem bisher mangels Sperrbezirksverordnung der Prostitution nachgegangen worden ist, beim Erlass von Sperrbezirksverordnungen sowie bei deren gerichtlicher Kontrolle zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 28.4.2009 - 1 BvR 224/07 - juris Rn. 21 ff.; OVG RP, Urt. v. 10.10.2005 - 12 C 11236/05 - juris Rn. 19; VGH BW, Urt. v. 23.3.2016 - 1 S 410/14 - juris Rn. 95). Ein Bestandsschutz kann aus Gründen der Verhältnismäßigkeit zum Schutz des Eigentums und der Berufsfreiheit der Betroffenen sogar geboten sein (vgl. VGH BW, Urt. v. 23.3.2016 - 1 S 410/14 - juris Rn. 73; ders., Urt. v. 15.12.2008 - 1 S 2256/07 - juris Rn. 74).

Hier ist nach diesen Vorgaben nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner bestehenden Einrichtungen Bestandsschutz gewährt hat. Wie ausgeführt, soll die Prostitution in der Stadt Braunschweig durch die Sperrbezirksverordnung nur beschränkt werden. Dieses Regelungsziel setzt nicht voraus, dass die bestehenden Betriebe, die nach der von dem Antragsgegner entworfenen Checkliste eigentlich nicht zulassungsfähig wären, mit denen sich aber bisher die nach dem Verordnungszweck zu verhindernden Gefahren nicht realisiert haben, ebenfalls verboten werden. Es ist hier nicht zu beanstanden, sondern dürfte vielmehr sogar geboten sein, dem Bestandsschutz dieser durch Art. 12 Abs. 1 und wohl Art. 14 GG geschützten Betriebe den Vorrang gegenüber den mit der Sperrbezirksverordnung im Übrigen verfolgten Belangen einzuräumen. Denn nach den Ermittlungen des Antragsgegners hat es in der Vergangenheit keine erheblichen Konflikte im Zusammenhang mit diesen Prostitutionsstätten gegeben (vgl. hierzu die Aufstellung, Bl. 180 Beiakte 002 sowie Bl. 162 Beiakte 001), was nach Auffassung des Antragsgegners ausweislich seiner Ausführungen in der Antragserwiderung wohl auch damit zusammenhängt, dass es "größere" Bordelle im Stadtgebiet bislang nicht gibt.

b) Die Sperrbezirksverordnung genügt den genannten Anforderungen jedoch in räumlicher Hinsicht nicht. Es ist nicht ersichtlich, dass das in §§ 2 Abs. 1 Satz 1, 3 der Sperrbezirksverordnung geregelte, weitgehende Verbot der Bordellprostitution i.S.d. § 1 Abs. 6 b) der Verordnung hinsichtlich aller Verbotsbereiche zum Schutz der Jugend und des öffentlichen Anstands erforderlich wäre.

Wie ausgeführt, besteht die für den Erlass einer Sperrbezirksverordnung erforderliche abstrakte Gefahr grundsätzlich bereits dann, wenn die Eigenart des Gebiets durch eine besondere Schutzbedürftigkeit und Sensibilität, z.B. als Gebiet mit hohem Wohnanteil sowie Schulen, Kindergärten, Kirchen und sozialen Einrichtungen, gekennzeichnet ist (BVerwG, Urt. v. 17.12.2014 - 6 C 28/13 - juris Rn. 13 m.w.N.). Insofern hat der Normgeber zu prüfen, inwieweit derartig schutzwürdige Gebiete in räumlicher Hinsicht gegeben sind. Die Abgrenzung braucht dabei zwar nicht grundstücksscharf getroffen zu werden, sondern kann größere durch ihre Eigenart geprägte Gebiete erfassen (BVerwG, Urt. v. 17.12.2014 - 6 C 28/13 - juris Rn. 18). Der auch für den räumlichen Umgriff der Sperrbezirke geltende Verhältnismäßigkeitsgrundsatz steht insofern einer gewissen Typisierung nicht entgegen. Die Abgrenzung muss aber konkret gebietsbezogen erfolgen (VGH BW, Urt. v. 15.12.2008 - 1 S 2256/07 - juris Rn. 79). Die Einbeziehung von Gebieten in einen Sperrbezirk setzt deshalb voraus, dass das jeweilige Gebiet durch eine bestimmte Eigenart geprägt ist und diese Eigenart die für die Annahme einer abstrakten Gefahr erforderliche Schutzbedürftigkeit und Sensibilität, z.B. als Gebiet mit hohem Wohnanteil sowie Schulen, Kindergärten, Kirchen und sozialen Einrichtungen, aufweist (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.12.2014 - 6 C 28/13 - juris Rn. 13 m.w.N.).

Diesen Vorgaben genügt das Vorgehen des Antragsgegners nicht.

Ausweislich der Verwaltungsvorgänge, der Begründung der Sperrbezirksverordnung (Beiakte 006 bzgl. neu bekannt gemachten Sperrbezirksverordnung) und ihres Vortrags im Normenkontrollverfahren (Rs. Bl. 61 Gerichtsakte) ist der Antragsgegner bei der Ausweisung der Verbots- und Toleranzzonen wie folgt vorgegangen: Er habe sich "nach entsprechender Prüfung" dafür entschieden, im gesamten Gebiet der Stadt Braunschweig die Straßenprostitution, die Ausübung der Prostitution in Bordellen und in Prostitutionsfahrzeugen zu verbieten. Dabei sollten mindestens drei sogenannte Toleranzzonen geschaffen werden, in denen die Ausübung der Prostitution in Bordellen zulässig sein solle. Sodann habe er sich von der Stadt Braunschweig alle festgesetzten und faktischen Gewerbe- und Industriegebiete mitteilen lassen, die für eine Ansiedlung von Prostitutionsstätten in der Betriebsform eines Bordells in Betracht gekommen seien. Daneben habe er Kriterien erarbeitet und mit der Stadt abgestimmt, die der Ermittlung dienten, wo die eben genannten Betriebe eingerichtet werden könnten, ohne gegen den Schutz der Jugend oder des öffentlichen Anstands zu verstoßen. Diese "Checkliste" sei über die Gewerbe- und Industriegebiete der Stadt Braunschweig gelegt worden. Anhand der Kriterien der Checkliste sei geprüft worden, ob die von der Stadt mitgeteilten für eine Bordellnutzung in Betracht kommenden Gebiete tatsächlich zu diesem Zweck geeignet seien.

Der Antragsgegner hat damit nicht in dem gebotenen Maße überprüft, ob die von §§ 2 Abs. 1 Satz 1, 3 der Sperrbezirksverordnung als Verbotszone für Bordelle erfassten Gebiete durch eine besondere Schutzbedürftigkeit und Sensibilität im Hinblick auf die Schutzzwecke des Art. 297 Abs. 1 EGStGB gekennzeichnet sind.

aa) Es kann dahinstehen, ob ein Verstoß gegen die Ermächtigungsnorm schon aufgrund der von dem Antragsgegner gewählten Regelungstechnik gegeben ist. Die Sperrbezirksverordnung verbietet die Bordellprostitution im gesamten Stadtgebiet (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 Sperrbezirksverordnung). Die in § 3 der Sperrbezirksverordnung geregelten Toleranzzonen sind insofern lediglich als Ausnahmen von dem ansonsten geltenden vollständigen Verbot formuliert. Das entspricht im Ausgangspunkt den Vorgaben des Art. 297 Abs. 1 EGStGB nicht, der ein generelles Prostitutionsverbot mit Ausnahme der Straßenprostitution in Städten mit mehr als 50.000 Einwohnern nicht erlaubt. Dass der Antragsgegner die Wohnungsprostitution nicht beschränkt hat, führt zu keiner anderen Betrachtung. Der Senat lässt offen, ob dies im Hinblick auf das Abwägungsergebnis unschädlich ist, weil sich durch die Bezeichnung der Toleranzzonen, in denen die Bordellprostitution möglich ist, auch der Umgriff der Sperrgebiete ableiten lässt und insoweit eben doch nicht das "gesamte Stadtgebiet" vom Verbot betroffen ist (so BayVGH, Urt. v. 24.6.1998 - 24 N 97.655 - juris Rn. 30). Die gewählte Regelungstechnik hat jedoch den gesamten Abwägungsprozess in einer der Ermächtigungsgrundlage nicht entsprechenden Weise strukturiert, was dazu führt, dass die Abwägung insgesamt fehlerhaft ist.

bb) Denn der Antragsgegner hat in der Konsequenz der von ihm gewählten Regelungstechnik in fehlerhafter Weise nicht untersucht, welche Stadtbereiche im Hinblick auf die Bordellprostitution schutzwürdig sind und sodann entschieden, ob und inwieweit dort ein Sperrgebiet ausgewiesen werden soll. Sondern er ist - umgekehrt - von einer stadtweiten Schutzbedürftigkeit ausgegangen und hat nur Industrie- und Gewerbegebiete daraufhin überprüft, ob dort Toleranzzonen festgelegt werden sollen. Mit diesem Vorgehen ist er im Ausgangspunkt von der Schutzbedürftigkeit des gesamten Stadtgebiets ausgegangen, ohne diese geprüft zu haben. Lediglich bezüglich der Industrie- und Gewerbegebiet hat er die Annahme der Schutzbedürftigkeit unter den Vorbehalt einer näheren Einzelfallprüfung gestellt. Dieses Vorgehen überspannt die - im Grundsatz gegebene - Befugnis zur Typisierung bei Erlass einer Sperrbezirksverordnung auf Grundlage des Art. 297 Abs. 1 EGStGB. Denn es ist nicht vertretbar, in einer Stadt mit mehr als 50.000 Einwohnern pauschal und ohne nähere Prüfung die Schutzbedürftigkeit des gesamten Stadtgebiets abzüglich der Industrie- und Gewerbegebiete zu unterstellen. Dazu im Einzelnen:

(1) Aus Sicht des Senats spricht allerdings grundsätzlich nichts dagegen, bei der Beurteilung, ob und inwiefern ein Gebiet schutzbedürftig und sensibel ist und deshalb dort die Ausweisung einer Sperrgebietszone aus Gründen des öffentlichen Anstands und zum Schutz der Jugend in Betracht kommt, die durch Bebauungsplan festgesetzten Gebietsarten nach der Baunutzungsverordnung zu berücksichtigen. Denn in den Baugebieten nach der Baunutzungsverordnung wird typisierend festgelegt, welche Nutzungen zulässig sind. Insofern lässt sich aus den festgesetzten Baugebieten ablesen, ob in einem bestimmten Gebiet im Hinblick auf den Normzweck des Art. 297 Abs. 1 EGStGB eher schutzbedürftige Nutzungen vorhanden sind oder ob dies eher nicht der Fall ist.

(2) Nicht zu beanstanden ist es darüber hinaus, bei homogen auf das Wohnen ausgerichteten Gebietstypen wie reinen und allgemeinen Wohngebieten von einer gebietsweit bestehenden Schutzbedürftigkeit hinsichtlich der Normzwecke des Art. 297 Abs. 1 EGStGB auszugehen. Denn diese Gebiete dienen gemäß §§ 3 Abs. und 4 Abs. 1 BauNVO zumindest vorwiegend dem Wohnen. Prostitution, auch in Form der Wohnungsprostitution, ist in reinen wie in allgemeinen Wohngebieten darum schon bauplanungsrechtlich nicht zulässig (s. Hornmann, in: Spannowsky/Hornmann/Kämper, BeckOK BauNVO, Stand: 15.1.2024, § 4 Rn. 122.1, m.w.N.). Insofern handelt es sich bei reinen wie auch bei allgemeinen Wohngebieten um Gebiete, die insgesamt durch eine bestimmte Eigenart geprägt sind und diese Eigenart die für die Annahme einer abstrakten Gefahr erforderliche Schutzbedürftigkeit und Sensibilität, z.B. als Gebiet mit hohem Wohnanteil sowie Schulen, Kindergärten, Kirchen und sozialen Einrichtungen, aufweist (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.12.2014 - 6 C 28/13 - juris Rn. 13 m.w.N.).

(3) Zu beanstanden ist jedoch, dass der Antragsgegner bei solchen Baugebieten der Baunutzungsverordnung, die eine heterogene Struktur aufweisen, pauschal eine im Hinblick auf die Schutzzwecke des Art. 297 Abs. 1 EGStGB gegebene Schutzbedürftigkeit und Sensibilität hinsichtlich der Bordellprostitution nicht geprüft, sondern unterstellt hat.

Dies gilt namentlich für Misch- und Kerngebiete, die nach ihrer allgemeinen Zweckbestimmung sowohl im Hinblick auf die Normzwecke des Art. 297 Abs. 1 EGStGB schutzbedürftigen als auch nicht schutzbedürftigen Nutzungen dienen, wie dies bei Misch- und insbesondere Kerngebieten der Fall ist. So dienen Mischgebiete gemäß § 6 Abs. 1 BauNVO dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören. In Kerngebieten können vorwiegend Handelsbetriebe sowie zentrale Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur untergebracht werden (§ 7 Abs. 1 BauNVO). Auch das Wohnen ist in Kerngebieten zulässig, tritt dort aber im Verhältnis zu den anderen Nutzungen zurück, sowohl nach Umfang und Gewicht als auch in dem, was ihm im Hinblick auf die Standortanforderungen und die Auswirkungen der "zentralen" Kerngebietsnutzungen an passiver Rücksichtnahme zuzumuten ist (BVerwG, Urt. v. 25.11.1983 - 4 C 64/79 - juris Rn. 11).

Angesichts dieser heterogenen Struktur der genannten Baugebiete hält es der Senat nicht für zulässig, bezüglich des jeweils gesamten Gebiets pauschal ohne Prüfung und konkrete Feststellungen im Einzelfall von einer besonderen Schutzbedürftigkeit und Sensibilität auszugehen, wie sie für die Annahme einer abstrakten Gefahr im Hinblick auf die Schutzgüter des Art. 297 Abs. 1 EGStGB erforderlich ist. Dabei verkennt der Senat nicht, dass der Verordnungsgeber nicht gehalten ist, für jedes einzelne Grundstück, das als Sperrgebiet ausgewiesen werden soll, konkret festzustellen, ob es in einer Weise genutzt wird, die dort die abzuwehrenden Gefahren und Belästigungen der Prostitutionsausübungen erwarten lassen (s. schon oben sowie BVerwG, Urt. v. 17.12.2014 - 6 C 28/13 - juris Rn. 18). Eine gebietsbezogene Betrachtung setzt aber, wie bereits ausgeführt, voraus, dass das jeweilige Gebiet durch eine bestimmte Eigenart geprägt ist, was bei Misch- und Kerngebieten aufgrund ihrer heterogenen Nutzungsstruktur indes fehlen kann.

Soweit der Antragsgegner in der mündlichen Verhandlung darauf verwiesen hat, dass auch in Mischgebieten und Kerngebieten schutzbedürftige Nutzungen vorhanden seien, und ausgeführt hat, Mischgebiete dienten auch dem Wohnen, zudem seien sowohl in Misch- als auch in Kerngebieten Anlagen für kirchliche und soziale Zwecke allgemein zulässig (vgl. § 6 Abs. 2 Nr. 5 und 7 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO), verfängt dies nicht. Denn nur weil in einem Gebiet schutzbedürftige Nutzungen vorhanden sind bzw. sein können, handelt es sich nicht um ein Gebiet, das, wie es für die Annahme einer abstrakten Gefahr für die von Art. 297 Abs. 1 EGStGB erfassten Schutzzwecke erforderlich ist, durch eine besondere Schutzbedürftigkeit und Sensibilität gekennzeichnet wäre. Erforderlich ist vielmehr eine Kennzeichnung (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.12.2014 - 6 C 28/13 - juris Rn. 13) bzw. eine gewisse Prägung des Gebiets durch derartige Nutzungen. Der pauschale Verweis auf das Vorhandensein von Schulen und Kindergärten oder den Umstand, dass sich viele Kinder und Jugendliche in der Innenstadt aufhalten, ist deshalb nicht geeignet, eine abstrakte Gefährdung nachvollziehbar zu untermauern, zumal derartige Einrichtungen in nahezu jedem Stadtbereich existieren (vgl. OVG Saarland, Urt. v. 30.6.2020 - 2 C 360/19 - juris Rn. 47). Deshalb ist auch zu beanstanden, dass der Antragsgegner pauschal den gesamten Innenstadtbereich, und zwar nicht nur hinsichtlich der Misch- und Kerngebiete, sondern einschließlich der dort vorkommenden Gewerbegebiete, von vornherein als Toleranzzone ausgeschieden hat, weil dort nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung ersichtlich immer eine schutzwürdige Nutzung in der Nähe vorgelegen hätte.

Aus entsprechenden Erwägungen heraus ist es zu beanstanden, dass der Antragsgegner hinsichtlich aller unbeplanten Gebiete im Innenbereich per se von einer Schutzbedürftigkeit im Hinblick auf die Schutzzwecke des Art. 297 Abs. 1 EGStGB ausgegangen ist bzw. diese nur dann als potentielle Toleranzzonen konkret überprüft hat, soweit es sich bei diesen nach Einschätzung der Stadt Braunschweig um faktische Gewerbe- oder Industriegebiete handelte. Denn zum einen hat er insoweit ungeprüft die Erwägungen der Stadt Braunschweig übernommen. Zum anderen hat er aus diesem Grund auch bei gegebenen Gemengelagen pauschal eine Schutzbedürftigkeit unterstellt, obgleich ohne weiteres auch solche Gemengelagen denkbar sind, die sich aus nicht schutzwürdigen Nutzungen zusammensetzen und nicht durch schutzwürdige Nutzungen gekennzeichnet bzw. geprägt sind.

(4) Das Vorgehen ist auch nicht deshalb im Ergebnis unschädlich, weil Bordellprostitution in Gebieten außerhalb von Gewerbe- und Industriegebieten bereits aus baurechtlichen Gründen ausgeschlossen wäre und die pauschale Annahme einer Schutzbedürftigkeit insofern keine zusätzlichen Beschränkungen verursachen würde. Denn diese - von dem Antragsgegner zumindest schriftsätzlich vertretene (vgl. Schriftsatz des Antragsgegners vom 2.5.2022, S. 8, Gerichtsakte 11 KN 353/21 Bl. 48 Rs.) Auffassung trifft nicht zu. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Bordelle oder bordellähnliche Betriebe bauplanungsrechtlich als "sonstige Gewerbebetriebe" zu qualifizieren (BVerwG, Urt. v. 9.11.2021 - 4 C 5/20 - juris Rn. 9; dass., Beschl. v. 5.6.2014 - 4 BN 8/14 - juris Rn. 10 und Beschl. v. 2.11.2015 - 4 B 32/15 - juris Rn. 4 f.). In Kerngebieten sind sie darum gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO allgemein zulässig (Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauNVO, Stand: August 2023, § 7 Rn. 28 a). Darüber hinaus können Bordelle oder bordellähnliche Betriebe nach neuester Rechtsprechung aufgrund einer insoweit nur anzustellenden eingeschränkt typisierenden Betrachtung aber auch in Mischgebieten bauplanungsrechtlich zulässig sein, sofern es sich um Betriebe handelt, die nicht nach außen als solche in Erscheinung treten und nicht in den Nachtstunden betrieben werden (BVerwG, Urt. v. 9.11.2021 - 4 C 5/20 - juris Rn. 10; s. zu von Wohnungsprostitution zu unterscheidender Prostitution in sog. Terminwohnungen NdsOVG, Urt. v. 1.9.2022 - 1 LC 50/20 - juris Rn. 22 ff.). Das undifferenzierte Vorgehen des Antragsgegners hat dazu geführt, dass sogar in Mischgebieten bauplanungsrechtlich zulässige - weil nicht nach außen hin in Erscheinung tretende - Betriebe aufgrund der Sperrbezirksverordnung ausgeschlossen sind, ohne dass eine Schutzbedürftigkeit dieser Gebiete je geprüft worden wäre.

(5) Selbst wenn es entgegen Vorstehendem zulässig wäre, pauschal von einer Schutzbedürftigkeit von Kern- und Mischgebieten sowie entsprechenden Gebieten im unbeplanten Innenbereich sowie Gemengelagen auszugehen und dort Sperrbezirke festzulegen, wäre die pauschale Ausweisung dieser Gebiete als Sperrbezirk gleichwohl abwägungsfehlerhaft. Soweit eine Schutzbedürftigkeit im Hinblick auf die Schutzzwecke des Art. 297 Abs. 1 EGStGB besteht, ist die für die Festlegung eines Sperrbezirks auf Tatbestandsseite erforderliche abstrakte Gefahr gegeben. Das muss indes nicht per se dazu führen, dass das betroffene Gebiet als Sperrbezirk festlegt wird. Denn die Erkenntnis, dass ein bestimmtes Stadtgebiet nicht zur Aufnahme von (Bordell-)Prostitution geeignet ist, hat nicht ohne weiteres zur Folge, dass dessen Ausweisung als Sperrgebiet erforderlich ist. Vielmehr steht dem Normgeber Ermessen zu, ob und inwieweit er die erkannte Schutzbedürftigkeit zum Anlass nehmen möchte, die (Bordell-)Prostitution in dem betreffenden Gebiet auszuschließen. Das erfordert eine der Ausweisung vorangehende, von nachvollziehbaren Erwägungen getragene positive Einschätzung eines Gefährdungspotentials, derzufolge das ordnungsrechtliche Verbot der betreffenden Prostitutionsausübung zum Schutze der Jugend oder des öffentlichen Anstandes notwendig erscheint (HessVGH, Urt. v. 31.10.2003 - 11 N 2952/00 - juris Rn. 46). Dabei ist der Normgeber grundsätzlich frei, ein hohes Schutzniveau anzustreben, und grundsätzlich alle als schutzbedürftig erkannten Gebiete in die Sperrzone einzubeziehen. Er muss aber erkennen, dass ihm insoweit ein Verordnungsermessen zusteht und dieses auch unter Berücksichtigung der insoweit abwägungserheblichen Belange ausüben (vgl. OVG RP, Urt. v. 10.10.2005 - 12 C 11236/05 - juris Rn. 19).

Diesen Anforderungen wird die Abwägungsentscheidung des Antragsgegners nicht gerecht. Ausweislich der Begründung zur Sperrbezirksverordnung (Bl. 1 Beiakte 006) ging es ihm darum, "die ungeregelte Verbreitung insbesondere größerer Prostitutionsstätten" zu vermeiden. Auch die Regelungen zum Bestandsschutz der im Stadtgebiet legal betriebenen Prostitutionsgewerbe sprechen dafür, dass der Antragsgegner vornehmlich beabsichtigte, "große und laute" Prostitutionsbetriebe zu verbieten. Denn die Regelungen zum Bestandsschutz wurden insbesondere damit begründet, dass es in der Vergangenheit keine erheblichen Konflikte im Zusammenhang mit diesen Prostitutionsstätten gegeben habe (vgl. Begründung für die SperrbezirksVO der PD B-Stadt, Bl. 2 Beiakte 006), was der Antragsgegner in seiner Antragserwiderung insbesondere darauf zurückgeführt hat, dass es bisher in B-Stadt noch keine "großen" Bordellbetriebe gebe (Bl. 62 Rs. Gerichtsakte). Auch die Entscheidung des Antragsgegners, Wohnungsprostitution von dem Verbot der Prostitution auszunehmen, spricht dafür, dass es ihm in erster Linie darum ging, "große und laute" Betriebe zu verhindern.

Angesichts dieses - beschränkten - Regelungszwecks hätte Anlass bestanden zu prüfen, ob es des gewählten flächendeckenden Verbots der Bordellprostitution pauschal in sämtlichen Kern- und Mischgebieten sowie in entsprechenden Gebieten des unbeplanten Innenbereichs und bei Gemengelagen bedarf. Dabei hätte der Antragsgegner, soweit es die hier allein streitgegenständliche Bordellprostitution betrifft, berücksichtigen müssen, dass die Bordellprostitution - anders als insbesondere die Straßenprostitution - auch den Vorgaben des öffentlichen Baurechts unterliegt, das mit seinen städtebaulichen Vorgaben reflexartig auch ordnungsrechtlichen Belangen dienen kann (vgl. zur Berücksichtigung baurechtlicher Möglichkeiten zur Vermeidung des Störungspotentials einer prostitutiven Nutzung - auch der "milieubedingten Unruhe": VGH BW, Urt. v. 15.12.2008 - 1 S 2256/07 - juris Rn. 79). In allgemeinen und reinen Wohngebieten hätte es eines ordnungsrechtlichen Verbots der Bordellprostitution generell nicht bedurft, weil dort Bordellbetriebe von vornherein baurechtlich unzulässig sind. Dass der Antragsgegner gleichwohl Wohngebiete ordnungsrechtlich als Sperrbezirk für die Bordellprostitution ausgewiesen hat, ist aber unschädlich, weil hierdurch kein zusätzlicher Eingriff bewirkt wird. Anders liegt der Fall indes bei den Kern- und Mischgebieten sowie den entsprechenden Gebieten im Innenbereich bzw. Gemengelagen. Dort werden durch die Sperrbezirksverordnung auch solche Betriebe ausgeschlossen, die baurechtlich potentiell zulässig sind, insbesondere weil sie nach außen nicht erkennbar als Bordellbetriebe in Erscheinung treten (vgl. zur Verbotswirkung einer Sperrbezirksverordnung auch für nicht nach außen in Erscheinung tretende Bordellbetriebe BVerwG, Urt. v. 17.12.2014 - 6 C 28/13 - juris Rn. 9). Dass der Antragsgegner Erwägungen dazu angestellt hätte, ob diese Verbotsfolge zur Erreichung des von ihm formulierten Regelungsziels erforderlich wäre, ist aber nicht ersichtlich.

cc) Auch soweit der Antragsgegner tatsächlich in eine Überprüfung der örtlichen Verhältnisse eingetreten ist und untersucht hat, ob und inwiefern die ihm von der Stadt mitgeteilten Gewerbegebiete im Hinblick auf die Schutzzwecke des Art. 297 Abs. 1 EGStGB schutzwürdig sind, ist - ohne, dass es hierauf noch entscheidungserheblich ankommt - sein Vorgehen teilweise sachlich nicht mehr vertretbar und führt zu einer fehlerhaften räumlichen Ausdehnung der Sperrgebiete. Beispielhaft seien angeführt:

(1) Es erscheint bereits grundsätzlich zweifelhaft, ob die von dem Antragsgegner angewandte "Checkliste" ein geeignetes Instrument ist, um eine Schutzwürdigkeit der untersuchten Gewerbegebiete im Hinblick auf die Schutzzwecke des Art. 297 Abs. 1 EGStGB festzustellen. Die Checkliste will mittels der in ihr enthaltenen Kriterien identifizieren, ob und inwiefern bestimmte als schutzwürdig erkannte Nutzungen im Gebiet selbst bzw. - bzgl. bestimmter Nutzungen - in Nachbarschaft zum Gebiet vorhanden sind. Sofern solche schutzwürdigen Nutzungen im Gebiet bzw. im definierten Umkreis vorhanden waren, hat der Antragsgegner eine Schutzbedürftigkeit des Gebiets angenommen.

Dieses Vorgehen dürfte zur Identifizierung von im Hinblick auf die Schutzzwecke des Art. 297 Abs. 1 EGStGB sensiblen Gebieten nur bedingt tauglich sein. Der Umstand, dass ein oder mehrere Merkmale auf der Checkliste als "zutreffend" angekreuzt wurden, dürfte allenfalls ein gewisser Anhaltspunkt dafür sein, dass das Gebiet schutzwürdig sein könnte. Denn wie bereits ausgeführt, genügt allein das Vorhandensein schutzbedürftiger Nutzungen im betreffenden Gebiet bzw. in einem bestimmten Abstand zum betreffenden Gebiet nicht, um von einer besonderen Schutzbedürftigkeit des Gebiets an sich und damit einer abstrakten Gefährdungslage i.S.d. Art. 297 Abs. 1 EGStGB ausgehen zu dürfen (vgl. SaarlOVG, Urt. v. 30.6.2020 - 2 C 360/19 - juris Rn. 47). Vielmehr dürfen in einer Großstadt von mehr als 50.000 Einwohnern nur solche Gebiete als Sperrgebiete festgelegt werden, die - wie bereits erwähnt - selbst durch eine besondere Schutzbedürftigkeit und Sensibilität gekennzeichnet sind (BVerwG, Urt. v. 17.12.2014 - 6 C 28/13 - juris Rn. 13). Die Schutzbedürftigkeit setzt also eine Kennzeichnung des Gebiets durch schutzbedürftige Nutzungen, d.h. eine entsprechende Prägung, voraus. Das Vorhandensein einer Nutzung im betreffenden Gebiet bzw. in einem bestimmten Abstand zum betreffenden Gebiet bedeutet indes nicht automatisch, dass das Gebiet durch die Nutzung auch geprägt würde. Das gilt insbesondere, soweit sich eine schutzbedürftige Nutzung nicht im Gebiet selbst, sondern lediglich in dessen Nähe befindet. Denn eine solche Nutzung kann beispielsweise selbst von nur untergeordnetem Gewicht oder aufgrund natürlicher Barrieren oder städtebaulicher Gegebenheiten so abgeschirmt sein, dass sie auf das Gebiet praktisch gar nicht ausstrahlt.

Nach dem Vortrag des Antragsgegners in der mündlichen Verhandlung, der von auf einzelnen Checklisten gefertigten Vermerken bestätigt wird, ergibt sich zwar, dass der Antragsgegner bei der Frage, ob und inwiefern Merkmale erfüllt waren, durchaus (auch) eine wertende Betrachtung vorgenommen und diese - trotz insoweit teilweise anderslautendem Vortrag (s. Schriftsatz vom 15. September 2023, Gerichtsakte Bl. 142: "strikte Zugrundelegung der Checkliste") - nicht schematisch und starr angewandt hat.

(2) Insoweit ist aber jedenfalls nicht hinreichend nachvollziehbar, nach welchen Kriterien der Antragsgegner die Schutzwürdigkeit der Gewerbegebiete tatsächlich bestimmt und wie er die Kriterien tatsächlich angewandt hat, so dass sein Vorgehen nicht hinreichend konsistent erscheint.

So ist etwa auf der Checkliste zu dem Gewerbegebiet "Nr. 3 Waller See + Thune" vermerkt, dass zwei Schulen im Umkreis von 500 m vorhanden seien (Bl. 111 Beiakte 002). Wie der Antragsgegner selbst zutreffend unter "sonstige Bemerkungen" auf der Checkliste ausgeführt hat, sind diese Nutzungen aber durch den Mittellandkanal von dem Gewerbegebiet abgegrenzt. Im Hinblick darauf hat er dieses Gebiet ausweislich der Verwaltungsvorgänge offenbar im Rahmen einer "persönlichen Inaugenscheinnahme" nochmals einer genaueren Betrachtung unterzogen. Auch aus dem hierzu erstellten Vermerk ergibt sich jedoch nicht, wieso in diesem Gebiet keine Toleranzzone ausgewiesen, sondern auch dieser Bereich ebenfalls der Verbotszone zugeschlagen wurde (vgl. Bl. 96 Beiakte 002, "Persönliche Inaugenscheinnahme am Freitag, den 22. Januar 2021", Toleranzzone 1. Teil 2).

Auch bei dem Gewerbegebiet "Nr. 11 Ölper" (Bl. 105 Beiakte 002) hat der Umstand, dass bestimmte Merkmale auf der Checkliste angekreuzt wurden, nicht von vornherein zum Ausschluss des Gewerbegebiets als potentielle Toleranzzone geführt; vielmehr hat der Antragsgegner auch dieses Gebiet am 22. Januar 2021 persönlich in Augenschein genommen (vgl. wiederum Bl. 96 Beiakte 002, "Persönliche Inaugenscheinnahme am Freitag, den 22. Januar 2021"). Dabei wurden offenbar zwei Wohnhäuser festgestellt. Das Vorhandensein von zwei Wohnhäusern begründet jedoch eine Schutzbedürftigkeit des Gebiets als Gebiet mit "hohem" Wohnanteil ersichtlich nicht, so dass auch insoweit nicht nachzuvollziehen ist, weshalb das Gebiet als Sperrzone ausgewiesen worden ist.

Im Übrigen sind sogar solche Gebiete nicht als Toleranzzone, sondern als Sperrgebiet ausgewiesen worden, bei denen kein Kriterium der Checkliste als zutreffend angekreuzt wurde. Dies gilt insbesondere für das Gewerbegebiet "Nr. 4 Wenden" (Bl. 113 Beiakte 002). Es ist insoweit auch nicht ersichtlich, dass das Gebiet persönlich in Augenschein genommen worden wäre; in den Unterlagen zur "persönlichen Inaugenscheinnahme am 22. Januar 2021" (Bl. 96 Beiakte 002) findet sich hierzu nichts. Auch das Gewerbegebiet "Nr. 6 Flughafen" (Bl. 101 Beiakte 002) wurde als Sperrbezirk und nicht als Toleranzzone ausgewiesen. Soweit dies nach den Angaben des Antragsgegners im Gerichtsverfahren (vgl. die als Anlage zum Schriftsatz vom 21. September 2023 eingereichte Stellungnahme der Polizeidirektion Braunschweig vom 15. September 2023, Gerichtsakte Bl. 142) damit begründet wurde, dass ein Großteil des Gebiets in der Hand öffentlicher Luftfahrteinrichtungen ist und "eine faktische Umsetzung eines Prostitutionsgewerbes nicht möglich" sei, erschließt sich nicht, wieso diese Erwägung nicht in derselben Weise zum Ausschluss der weitgehend aus dem Betriebsgelände des B-Stadter Hafens bestehenden Toleranzzone "Nr. 2 Hafen" geführt hat (s. dazu noch unten unter III. 2.c)). Im Übrigen hat der Umstand, dass im Gebiet "Nr. 6 Flughafen" aus tatsächlichen Gründen die Ansiedlung eines Prostitutionsgewerbes ausgeschlossen erscheint, ersichtlich nicht zugleich zur Folge, dass es die für die Ausweisung als Sperrbezirk erforderliche Schutzbedürftigkeit aufweisen würde.

Umgekehrt sind die Toleranzzonen 4 und 5 an der Friedrich-Seele-Straße ausgewiesen worden, obwohl ausweislich des Schulwegplans der Stadt Braunschweig (vgl. Bl. 79 Beiakte 002) entlang der Toleranzzonen Schulwege verlaufen. Die Stadt Braunschweig hatte dem Antragsgegner diesbezüglich mitgeteilt, dass sicherlich einige Kinder aus der Gartenstadt, die weiterführende Schulen besuchten, mit dem Fahrrad die Alte Frankfurter Straße als Schulweg benutzen dürften und dadurch in unmittelbarer Nähe an der Toleranzzone vorbeifahren würden, was noch nicht beachtet worden sei (s. Email-Schreiben von Herrn {M.} an die Polizeidirektion, Bl. 77 Beiakte 002). Das Vorgehen des Antragsgegners erscheint insoweit nicht konsistent; insofern ist der im Ergebnis vom Antragsgegner nicht hinreichend widerlegte Eindruck entstanden, dass insbesondere im Vergleich zum Gewerbegebiet "Nr. 14 {N.}/{J.}", in dem sich das Grundstück der Antragstellerin im Verfahren 11 KN 353/21 befindet, und bei dem die Schutzbedürftigkeit maßgeblich mit vorbeiradelnden Schülern begründet wurde, unterschiedliche Maßstäbe angelegt worden sind.

(3) Auch die Auswahl und Anwendung der einzelnen auf der Checkliste aufgeführten Kriterien ist nicht hinreichend nachvollziehbar.

Dies gilt insbesondere im Hinblick auf das Kriterium der sozialen Einrichtungen der Caritas, Johanniter, des Deutschen Rotes Kreuzes etc. Auf der Checkliste sind bereits separat verschiedene Einrichtungen aufgeführt, bei denen es sich nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ebenfalls um soziale Einrichtungen handeln dürfte, so etwa Kitas, Krippen, Familien- und Jugendzentrum, Kinder- und Teeny-Klubs sowie Einrichtungen der "Lebenshilfe etc.". Im Hinblick darauf erschließt sich dem Senat schon nicht, welche - neben den genannten speziellen - weiteren schutzbedürftigen sozialen Einrichtungen der Antragsgegner unter diesen Sammelbegriff fassen wollte.

Soweit der Antragsgegner als soziale Einrichtungen sämtliche Einrichtungen der Caritas, Johanniter, des Deutschen Rotes Kreuzes usw. verstanden hat, ist dies sachlich nicht mehr vertretbar. Denn es ist nicht ersichtlich, dass allen diesen Einrichtungen der genannten Organisationen pauschal die im Hinblick auf die Schutzzwecke des Art. 297 Abs. 1 EGStGB erforderliche Sensibilität zugeschrieben werden könnte. Zwar ist in der Rechtsprechung pauschal von "sozialen Einrichtungen" die Rede, welche - neben weiteren Nutzungen wie Schulen, Kindergärten, Kirchen - die Schutzbedürftigkeit von Gebieten begründeten (so etwa BVerfG, Beschl. v. 28.4.2009 -1 BvR 224/07 - juris Rn. 16; BVerwG, Urt. v. 17.12.2014 - 6 C 28/13 - juris Rn. 13; Senatsurt. v. 24.10.2002 - 11 KN 4073/01 - juris Rn. 45 ff.). Das bedeutet - entgegen der Auffassung des Antragsgegners - aber nicht, dass sämtliche Einrichtungen mit irgendeinem "Sozialbezug", z. B. weil sie von einer der genannten Organisationen betrieben werden, als sensible Nutzungen zu gelten hätten. Vielmehr bringen die Gerichte mit dem Begriff der sozialen Einrichtungen lediglich zum Ausdruck, dass die Aufzählung der konkret aufgeführten Einrichtungen wie Schulen, Kindergärten und Kirchen nicht abschließend verstanden werden kann. Auch sonstige soziale Einrichtungen müssen im Hinblick auf die Schutzzwecke des Art. 297 Abs. 1 EGStGB sensibel sein, um die Schutzbedürftigkeit eines Gebiets begründen zu können. Bei Einrichtungen, bei denen sich der Sozialbezug im Wesentlichen darauf beschränkt, dass sie von einer sozialen Organisation betrieben werden, ohne Rücksicht darauf, welche Nutzung konkret in Rede steht, ist das indessen nicht automatisch der Fall.

Ausgehend davon ist namentlich zu beanstanden, dass der Antragsgegner das Gewerbegebiet "Nr. 14 {N.}/{J.}", in dem sich das Grundstück der Antragstellerin im Verfahren 11 KN 353/21 befindet, maßgeblich auch deshalb als schutzbedürftig eingestuft hat, weil sich dort "soziale Einrichtungen" der Malteser und des Deutschen Roten Kreuzes befinden. Bei den festgestellten Einrichtungen der Malteser handelt es sich nach den Angaben des Antragsgegners zum einen um eine "allgemeine Anlaufstelle", zum anderen um eine Rettungshundestaffel. Bei beiden Einrichtungen erschließt sich dem Senat nicht, inwiefern sie im Hinblick auf die Schutzzwecke des Art. 297 Abs. 1 EGStGB sensible Nutzungen darstellen sollen. Insbesondere ist dies im Hinblick auf die Rettungshundestaffel zweifelhaft. Laut dem Eintrag der Malteser in B-Stadt im Internet wird dort seit 2011 ein Besuchs- und Begleitdienst mit Hunden angeboten und der Besuch von Hunden in Senioreneinrichtungen, Kitas und/oder Schulen beworben (https://www.malteser-braunschweig.de/angebote- und-leistungen/besuchs- und-begleitdienst-mit-hund/besuchshundehundefuehrer.html). Auch daraus ergibt sich nichts für eine sensible Nutzung. Der Senat vermag ebenfalls nicht zu erkennen, dass sich eine "allgemeine Anlaufstelle" der Malteser hinsichtlich ihrer Schutzbedürftigkeit beispielsweise von einem Bürgeramt unterscheiden sollte, das aber im Fall der beiden Toleranzzonen 4 und 5 in der Friedrich-Seele-Straße trotz unmittelbarer Nachbarschaft beider Toleranzzonen zu dieser Einrichtung eine besondere Schutzbedürftigkeit nicht zu begründen vermochte. Entsprechendes gilt, soweit der Antragsgegner das im Gewerbegebiet "Nr. 14 {N.}/{J.}" vorhandene "Sozialkaufhaus" des Deutschen Roten Kreuzes als die Schutzbedürftigkeit des Gebiets begründenden Umstand anführt.

Aus entsprechenden Gründen ist das nach der Checkliste die Schutzbedürftigkeit begründende Kriterium "Reha-Zentrum" fragwürdig. Auch dieses Kriterium ist nicht ohne weiteres nachvollziehbar, insbesondere im Hinblick darauf, dass etwa Bürgerämter nicht als eine Schutzwürdigkeit begründende Einrichtung angesehen wurden, obwohl diese deutlich mehr und wohl auch grundsätzlich jugendlicheren, mithin im Hinblick auf die Schutzzwecke des Art. 297 Abs. 1 EGStGB sensibleren Publikumsverkehr haben dürften als Reha-Zentren.

(4) Schließlich ist es sachlich nicht vertretbar, dass der Antragsgegner nach seinem Vortrag lediglich Industrie- und Gewerbegebiete als Ganzes in den Blick genommen hat und auf einen "Zuschnitt" der Gebiete verzichtet hat (vgl. dazu auch das Schreiben des Antragsgegners an die Stadt Braunschweig vom 2.2.2021, Bl. 236 Beiakte 002).

Wie bereits ausgeführt, ist eine Ausweisung als Sperrgebiet nur insoweit zulässig, wie dies der Schutz des öffentlichen Anstands oder der Jugend erfordern. Zu prüfen ist also, welche Gebiete aufgrund ihrer Prägung ein Schutzbedürfnis im Hinblick auf die genannten Schutzzwecke aufweisen. Auch Flächen innerhalb eines Gewerbegebiets können als Verbotszone ausgewiesen werden, sofern schutzwürdige Nutzungen vorhanden sind und das Gebiet kennzeichnen, durch die Ansiedlung eines Bordellbetriebs aber beeinträchtigt würden. Dabei ist es - entgegen der Auffassung der Antragstellerin im Verfahren 11 KN 353/21 - im Ausgangspunkt auch nicht zu beanstanden, wenn nicht nur innerhalb des jeweiligen Gebiets vorhandene schutzbedürftige Nutzungen die Schutzbedürftigkeit begründen, sondern auch solche Nutzungen, die nur in der näheren Nachbarschaft liegen. Denn der Ermächtigungsgrundlage des Art. 297 EGStGB ist kein Anhalt dafür zu entnehmen, dass Gewerbegebiete unter dem Gesichtspunkt der Wahrung des Schutzes der Jugend oder des öffentlichen Anstands von vornherein als schutzbedürftige Gebiete ausfallen (HessVGH, Urt. v. 31.10.2003 - 11 N 2952/00 - juris Rn. 40; VGH BW, Urt. v. 23.3.2016 - 1 S 410/14 - juris Rn. 79). Auch ist es - wie erwähnt - nicht von vornherein rechtsfehlerhaft, wenn der Verordnungsgeber grundsätzlich eine gebietsbezogene Betrachtung anstellt und auf eine grundstücksscharfe Prüfung des Schutzbedürfnisses verzichtet (BVerwG, Urt. v. 17.12.2014 - 6 C 28/13 - juris Rn. 18).

Sachlich nicht mehr vertretbar ist es indes nach Auffassung des Senats, aufgrund festgestellter schutzwürdiger Nutzungen stets pauschal das gesamte Industrie- oder Gewerbegebiet in die Verbotszone einzubeziehen. Die von der gemeindlichen Bauleitplanung gezogene Abgrenzung des Industrie- oder Gewerbegebiets taugt nicht zugleich als pauschales Kriterium zur Abgrenzung eines im Hinblick auf die Schutzzwecke des Art. 297 Abs. 1 EGStGB sensiblen Gebiets, weil bauleitplanerische Abgrenzungen aufgrund von anderen - nämlich spezifisch bauplanungsrechtlichen - Kriterien erfolgen und insofern keinen Bezug zu den hier allein maßgeblichen ordnungsrechtlichen Gründen aufweisen. Vielmehr wäre dem Schutzzweck des Art. 297 Abs. 1 EGStGB entsprechend zu prüfen, inwieweit die schutzwürdigen benachbarten Nutzungen auch in das Gewerbegebiet hineinwirken und dessen Schutzbedürftigkeit begründen könnten. Die "Marschroute" des Antragsgegners, auf einen "Zuschnitt" von Gewerbegebieten zu verzichten, und dort - unabhängig von der konkreten Ausdehnung des Gebiets - schon immer dann auf die Ausweisung als Toleranzzone zu verzichten, wenn "irgendwo" in einem untersuchten Industrie- oder Gewerbegebiet ein Konflikt mit den Schutzgütern des Art. 297 Abs. 1 EGStGB droht, ist deshalb sachlich nicht mehr vertretbar und hat dazu geführt, dass eine Vielzahl weiterer Gebiete nicht als Toleranzzone, sondern als Sperrgebiet ausgewiesen wurden.

So ist etwa bezüglich des Gewerbegebiets "Nr. 14 {N.}/{J.}", in dem sich das Grundstück der Antragstellerin im Verfahren 11 KN 353/21 befindet, offenbar nicht einmal erwogen worden, den hinteren Teil des Gewerbegebiets, der ausweislich des Vermerks auf der Checkliste für die Ansiedlung von Bordellen geeignet ist (Beiakte 002 Bl. 107), als Toleranzzone festzulegen oder zumindest dort auf die Ausweisung eines Sperrgebiets zu verzichten. Ebenso ist es bei der gebotenen, an den Schutzzwecken des Art. 297 Abs. 1 EGStGB orientierten Betrachtungsweise nicht mehr vertretbar, dass der Antragsgegner das gesamte Gewerbegebiet "Nr. 11 Ölper" als schutzbedürftig eingestuft hat, weil sich am Mähenkamp zwei Wohnhäuser befinden. Sofern man dem Standpunkt des Antragsgegners folgt, dass bereits das Vorhandensein zweier Wohnhäuser die Ausweisung eines Sperrbezirks rechtfertigt (dazu bereits kritisch oben), ist jedenfalls nicht gerechtfertigt, wie geschehen, das gesamte Gewerbegebiet als Sperrgebiet auszuweisen. Auch bei weiteren Gebieten, bei denen lediglich benachbarte Nutzungen die Schutzbedürftigkeit begründeten, bestand ausweislich der Überblickskarten in weiten Teilen der betroffenen Gewerbegebiete auch nach den von dem Antragsgegner herangezogenen Kriterien keine Schutzbedürftigkeit (s. etwa die Reichweite der Schutzbedürftigkeit darstellenden rot gestrichelten Markierungen auf folgenden Karten: Gewerbegebiet "Nr. 8 Kralenriede", Bl. 118, Gewerbegebiet "Nr. 12 Celler Straße", Bl. 124; Gewerbegebiet "Nr. 16 Viewegsgarten-Bebelhof" Bl. 130; vgl. aber Vermerk zu "Gewerbegebiet Nr. 17 Rüningen", Bl. 131 f., wonach eine Teilung des Gewerbegebiets ausweislich des Vermerks auf der Checkliste verworfen wurde, weil das Gebiet ansonsten zu klein wäre, Beiakte 002).

c) Auch bei der Auswahl der Toleranzzonen, also bei den Bereichen, in denen die Ausübung der Bordellprostitution weiterhin zulässig bleiben soll, sind dem Antragsgegner Rechtsfehler unterlaufen.

Dem Verordnungsgeber kommt bei der Ausweisung von Toleranzzonen zwar nicht eine "Garantenstellung" in dem Sinne zu, dass er gewissermaßen in die Rolle eines Mitveranstalters der Prostitution rücken würde, der dafür bestimmte sächliche Vorkehrungen zu treffen hätte (vgl. BVerwG, Beschl. v. 3.11.2004 - 6 BN 2/04 - juris Rn. 14; VGH BW, Urt. v. 23.3.2016 - 1 S 410/14 - juris Rn. 87). Er muss bei der Ausweisung von Prostitutionssperrgebieten aber darauf achten, dass die Toleranzzonen nicht überwiegend Gebiete aufweisen, die für Bordelle und bordellartige Betriebe nicht nutzbar sind (vgl. HessVGH, Beschl. v. 19.2.1990 - 11 N 2596/87 - juris Rn. 84; VGH BW, Urt. v. 23.3.2016 - 1 S 410/14 - juris Rn. 87). Das gilt insbesondere dann, wenn - wie hier - ein im Übrigen flächendeckendes Verbot einer bestimmten Art von Prostitution in Rede steht. Ist von vornherein erkennbar, dass sich die Prostituierten in einer Toleranzzone nicht niederlassen können, ist die Ausweisung einer derartigen Toleranzzone sachlich nicht vertretbar. Vielmehr müssen die als Toleranzzonen ausgewiesenen Gebiete jedenfalls überwiegend und prinzipiell rechtlich und tatsächlich für die Ausübung der Prostitution zur Verfügung stehen (VGH BW, Urt. v. 15.12.2008 - 1 S 2256/07 - juris Rn. 76; ders., Urt. v. 23.3.2016 - 1 S 410/14 - juris Rn. 89; BayVGH, Urt. v. 24.6.1998 - 24 N 97.655 - juris Rn. 29 f.). Der Verordnungsgeber hat darum die ausgewiesenen Toleranzzonen auf ihre ausreichende flächenmäßige Aufnahmefähigkeit zur Bewältigung des vorhandenen Prostitutionsbedarfs und darauf zu untersuchen, ob in ihnen zum überwiegenden Teil die Errichtung von Bordellen bauplanungsrechtlich zulässig ist. Hingegen ist es dem Verordnungsgeber im Allgemeinen nicht möglich, das zukünftige Verhalten der bisherigen Grundstückseigentümer in den Toleranzzonen vorauszusehen sowie Aussagen darüber zu machen, in welchem Maße die ausgewiesenen Toleranzzonen von den Bordellinhabern bzw. Prostituierten tatsächlich in Anspruch und angenommen werden, weshalb der Verordnungsgeber auf die Eigentumsverhältnisse innerhalb einer Toleranzzone nur in gewissen Grenzen Rücksicht nehmen kann (vgl. Hess, VGH, Urt. v. 8.12.1992 - 11 N 2041/91 - juris Rn. 83; VGH BW, Urt. v. 15.12.2008 - 1 S 2256/07 - juris Rn. 76). Etwas anderes gilt jedoch, soweit sich der überwiegende Teil der in einer Toleranzzone befindlichen Flächen im Eigentum oder der Verfügbarkeit der öffentlichen Hand befindet. In diesem Fall muss vom Verordnungsgeber neben der rechtlichen auch die tatsächliche Verfügbarkeit für den beabsichtigten Zweck nachgeprüft werden, weil ansonsten die beabsichtigte Regelung ins Leere geht beziehungsweise genau das Gegenteil bewirkt und verdeckt ein weiteres Sperrgebiet geschaffen wird (vgl. BayVGH, Urt. v. 24.6.1998 - 24 N 97.655 u.a. - juris Rn. 35; vgl. auch HessVGH, Urt. v. 08.12.1992 - 11 N 2041/91 - juris 84; VGH BW, Urt. v. 23.3.2016 - 1 S 410/14 - juris Rn. 88).

Nach dieser Maßgabe ist jedenfalls die Ausweisung der Toleranzzonen 2 und 3 zu beanstanden. Die Toleranzzone 3 ist für die Ansiedlung von Bordellen aus bauplanungsrechtlichen Gründen nicht geeignet. Der hierfür geltende Bebauungsplan VH 29 schließt nämlich die Ansiedlung von Bordellen aus. In der Toleranzzone 2 erscheint die Ansiedlung von Bordellen aus tatsächlichen Gründen als nahezu unmöglich. Es handelt sich weitgehend um Betriebsgelände des B-Stadter Hafens, wobei die Hafenbetriebsgesellschaft B-Stadt mbH eine 100%ige Tochter der Stadt Braunschweig ist. Es ist nicht ersichtlich und von dem Antragsgegner offenbar auch gar nicht ermittelt worden, inwiefern dieses Gelände für den beabsichtigten Zweck überhaupt zur Verfügung steht.

d) Ob - wie die Antragstellerin geltend macht - infolge der Beschränkung der Bordellprostitution auf wenige Straßen auch ein Verstoß gegen das sog. Kasernierungsverbot in Art. 297 Abs. 3 EGStGB vorliegt, kann nach alledem dahinstehen.

Nach Art. 297 Abs. 3 EGStGB sind Wohnungsbeschränkungen auf bestimmte Straßen oder Häuserblocks zum Zwecke der Ausübung der Prostitution (Kasernierungen) verboten.

Hier könnte ein Verstoß gegen das Kasernierungsverbot nur dann angenommen werden, wenn dieses nur im Hinblick auf die durch die Sperrbezirksverordnung ausgeschlossene Bordellprostitution zu prüfen wäre. Denn hinsichtlich der Bordellprostitution ist zu konstatieren, dass im Zeitpunkt der Bekanntmachung der angefochtenen Sperrbezirksverordnung aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen mit einer Konzentration der Bordellprostitution auf nur wenige Straßenzüge zu rechnen war. Die Toleranzzonen 2 und 3 sind, wie ausgeführt, zur Aufnahme der Bordellprostitution nicht geeignet. Insofern ist davon auszugehen, dass dort keine Prostitution stattfinden wird und die Gebiete nicht für die Aufnahme der Bordellprostitution zur Verfügung stehen. Nach Abzug der Toleranzzonen 2 und 3 verbleiben im Wesentlichen nur die Toleranzzonen 1, 4 und 5, in denen eine Bordellprostitution in Betracht kommt. Bei den Toleranzzonen 4 und 5 handelt es sich letztlich um eine Toleranzzone, die nur durch das Grundstück, auf dem sich das Bürgeramt der Stadt Braunschweig befindet, unterbrochen wird, und die sich im Wesentlichen auf das einzeilig bebaute Quartier zwischen einer Bahnstrecke im Süden und der Friedrich-Seele-Straße im Norden erstreckt, wobei die Toleranzzone 5 auch das Gebiet nördlich der Friedrich-Seele-Straße bis hin zu dem dort gelegenen Kleingartenverein "Lange Wanne" bzw. "Süd-West" erfasst. Es spricht viel dafür, dass auch insoweit nur ein kleiner Teil dieser Toleranzzone für die Prostitution in Betracht kommt. Die Antragstellerin hat darauf hingewiesen, dass sich in der Toleranzzone 4 bereits die Öttinger Brauerei mit einem Außenlager, ein Sportclub mit einer großen Sporthalle und die Firma Löwen mit einem Großhandelsbetrieb angesiedelt habe. In der Toleranzzone 5 befinden sich ebenfalls nur einige wenige großdimensionierte Gebäude sowie ein Umspannwerk, so dass auch hier die Aufnahmekapazitäten begrenzt sein dürften. Insofern verbleibt im Wesentlichen die Toleranzzone 1, um dort die Prostitution aufzunehmen. Unter Berücksichtigung, dass sich auch dort in Hafennähe große Lagerhallen von Volkswagen befinden, die angesichts der Hafennähe wohl nicht aufgegeben werden, bleiben nur wenige Straßenzüge übrig, in denen sich Bordelle ansiedeln könnten. Insofern dürfte die Sperrbezirksverordnung eine Beschränkung der Bordellprostitution auf bestimmte Straßen oder Häuserblocks bewirken; dies würde insbesondere vor dem Hintergrund der Rechtsauffassung des Rechtsausschusses des Bundestags in der 3. Wahlperiode gelten, wonach ein Prostitutionsverbot in Großstädten nur für weniger als die Hälfte des Stadtgebiets erlassen werden dürfe (Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 3/1819, S. 1 und 2, zu einer Vorfassung des Art. 297 Abs. 1 Nr. 2 EGStGB, die ein Prostitutionsverbot nicht für Teile, sondern für "einzelne Bezirke" vorsah).

Bejahte man bei einer solchen auf die Bordellprostitution begrenzten Betrachtung einen Verstoß gegen das Kasernierungsverbot, bliebe jedoch außer Acht, dass die Wohnungsprostitution im gesamten Stadtgebiet zulässig bleibt, und insofern von einer "Kasernierung" der Prostitution insgesamt keine Rede sein kann. Insofern dürfte eher nicht davon ausgegangen werden, dass die Sperrbezirksverordnung gegen Art. 297 Abs. 3 EGStGB verstößt. Ob und inwiefern eine auf die Bordellprostitution beschränkte Überprüfung des Kasernierungsverbots zulässig oder geboten ist, braucht hier indes aufgrund der bereits anderweitig festgestellten Rechtswidrigkeit der Sperrbezirksverordnung nicht geklärt zu werden, so dass die offene Rechtsfrage auch die Zulassung der Revision nicht gebietet.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 VwGO. Der Senat sieht davon ab, der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, soweit sie ihren Antrag zurückgenommen hat, und erlegt auch diese Verfahrenskosten dem im Übrigen unterliegenden Antragsgegner auf. Die diesbezüglichen Verfahrenskosten würden sich nur auf einen geringen Teil i.S.d. § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO beziehen. Entsprechend dem Rechtsgedanken der genannten Vorschrift macht der Senat daher von der Möglichkeit Gebrauch, dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens ganz aufzuerlegen.