Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 16.01.2024, Az.: 14 ME 9/24
Rechtsschutzbedürfnis für ein verwaltungsgerichtliches Eilverfahren bei Anhängigkeit des deckungsgleichen Hauptsacheverfahrens als registerrechtliches Verfahren nach dem FamFG in der ordentlichen Gerichtsbarkeit
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 16.01.2024
- Aktenzeichen
- 14 ME 9/24
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2024, 10051
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2024:0116.14ME9.24.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Hannover - 02.06.2023 - AZ: 10 B 1527/23
Rechtsgrundlagen
- § 49 ff. FamFG
- § 123 Abs. 1 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Zur Frage des Rechtsschutzbedürfnisses für ein verwaltungsgerichtliches Eilverfahren, wenn das deckungsgleiche Hauptsacheverfahren als registerrechtliches Verfahren nach dem FamFG in der ordentlichen Gerichtsbarkeit (mittlerweile beim Bundesgerichtshof, Az.: II ZB 7/23) anhängig ist.
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - 10. Kammer - vom 2. Juni 2023 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover vom 2. Juni 2023 bleibt ohne Erfolg.
1. Im Beschwerdeverfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist der Gegenstand der obergerichtlichen Prüfung nach § 146 Absatz 4 Satz 6 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) darauf beschränkt, den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts anhand derjenigen Gründe zu überprüfen, die der Beschwerdeführer darlegt. Vor diesem Hintergrund verlangt das Darlegungserfordernis von dem Beschwerdeführer, dass die Beschwerdebegründung auf die rechtlichen oder tatsächlichen Erwägungen eingeht, auf die das Verwaltungsgericht seine Entscheidung stützt. Die Beschwerdebegründung muss an die Erwägungen des Verwaltungsgerichts anknüpfen und aufzeigen, weshalb sich diese aus der Sicht des Beschwerdeführers nicht als tragfähig erweisen beziehungsweise aus welchen rechtlichen oder tatsächlichen Gründen der Ausgangsbeschluss unrichtig sein soll und geändert werden muss. Dies erfordert eine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs und damit eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses. Der Beschwerdeführer muss sich insofern an der Begründungsstruktur der angegriffenen Entscheidung orientieren (vgl. Senatsbeschl. v. 4.7.2023 - 14 ME 64/23 -, juris Rn. 5 m.w.N.).
Diesen sich aus § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO ergebenden Anforderungen an die Darlegung der Gründe, aus denen der verwaltungsgerichtliche Beschluss zu ändern ist, genügt das Beschwerdevorbringen nicht.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag abgelehnt, weil der Antragsteller einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht habe. Ein Anordnungsgrund für den Erlass einer - hier vom Antragsteller beantragten - Regelungsanordnung liege nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO vor, wenn diese nötig erscheine, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. Der Antragsteller habe vorgetragen, dass er aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit, die den Umgang und Verkehr mit explosiven Stoffen beinhalte, der Gefahr ausgesetzt sei, Opfer einer Entführung oder eines Raubes zu werden. Der Antragssteller habe aber nicht glaubhaft gemacht, inwiefern sich die Angaben zu seinem Wohnort und seinem Geburtsdatum als Geschäftsführer der C. bzw. als Kommanditist der D. in dem vom Antragsgegner geführten Handelsregister konkret gefährdungserhöhend auswirkten bzw. auswirken könnten. Diese Daten seien bereits seit August bzw. September 2012, mithin seit über zehn Jahren, im Handelsregister hinterlegt und einsehbar. Der Antragsteller habe nicht ansatzweise dargelegt, dass dieser Umstand in den letzten zehn Jahren in irgendeiner Art und Weise zu einer konkreten Gefährdung seiner Person oder seines Unternehmens geführt habe. Zwar sei es seit dem 1. August 2022 möglich, alle Daten aus dem Handelsregister kostenfrei abzurufen, aber auch dahingehend habe der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, inwiefern sich die kostenfreie Abrufbarkeit der streitgegenständlichen Daten im Hinblick auf seine Gefährdungslage auswirke. Eine besondere Gefährdungslage für den Antragsteller aufgrund der Abrufbarkeit der streitgegenständlichen Daten im Handelsregister sei im Übrigen auch nicht ersichtlich. Notwendige Voraussetzung hierfür wäre, dass Personen wüssten, dass sich hinter der C. oder der D. jeweils ein Unternehmen bzw. hinter seiner Person jemand verberge, das bzw. die den Umgang und Verkehr mit explosiven Stoffen beinhalte bzw. pflege. Dass dem so sein könnte, habe der Antragsteller nicht dargelegt, nicht glaubhaft gemacht und dies sei auch nicht ersichtlich.
Mit der Beschwerde macht der Antragsteller geltend, dass seine Adresse sowie seine "personenbezogenen Daten" besonders schützenswert seien. Bei Abruf dieser Daten seien seine Gesundheit und sein Leben gefährdet. Es sei lebensnah und wahrscheinlich, dass Kriminelle, die Kenntnis von den explosiven Stoffen und dem Firmennamen erlangten, dementsprechend im Handelsregister nach der Adresse suchten, um ihm aufzulauern. Das genügt nicht, um die Ausführungen des Verwaltungsgerichts durchgreifend in Frage zu stellen. Der Antragsteller legt weiterhin nicht schlüssig dar, in welcher Weise seine (behauptete) Gefährdung durch die Einsehbarkeit von Geburtsdatum und Wohnort im Handelsregister verursacht oder erhöht werden könnte. Soweit es die Nennung des Wohnorts betrifft, ist insbesondere zu berücksichtigen, dass eine genaue Adressangabe gerade nicht erfolgt, so dass es - entgegen der Behauptung des Antragstellers - auch nicht möglich ist, seine vollständige Adresse über das Handelsregister ausfindig zu machen (vgl. bereits die Beschlüsse des OLG F. zu den Aktenzeichen ... und ..., jeweils UA S. 5). Auch die - ergänzende - Annahme des Verwaltungsgerichts, es sei weder dargelegt noch glaubhaft gemacht und auch sonst nicht ersichtlich, dass Personen wüssten, dass die Unternehmen, deren Geschäftsführer bzw. Kommanditist er sei, mit explosiven Stoffen handelten, wird mit der Beschwerdebegründung nicht in Zweifel gezogen. Der Antragsteller trägt lediglich vor, dass Kriminelle, die Kenntnis von den explosiven Stoffen und dem Firmennamen erlangten, über das Handelsregister seine Adresse ausfindig machen könnten. Dass dies bereits der Fall sei bzw. auf welche Weise dies geschehen soll, wird vom Antragsteller weder dargelegt noch glaubhaft gemacht. Sein Gefährdungsszenario beruht lediglich auf subjektiven Einschätzungen und Befürchtungen, die er als "lebensnah und wahrscheinlich" bezeichnet, für die er aber keinerlei objektiven Anhaltspunkte, wie beispielsweise eine Gefährdungseinschätzung der Polizei, liefert. Dies folgt auch nicht schon daraus, dass die Behörden seinen Anträgen auf Einrichtung einer Auskunftssperre im Melderegister sowie einer Übermittlungssperre im Fahrzeugregister entsprochen haben. Auf welchen objektiven Kriterien diese Sperren beruhten, trägt der Antragsteller nicht vor, zudem sind in diesen Registern weitere persönliche Daten, insbesondere die vollständige Wohnanschrift, gespeichert. Soweit der Antragsteller darauf abstellt, es sei seit dem 1. August 2022 möglich, alle Daten aus dem Handelsregister ohne Darlegung eines berechtigten Interesses kostenfrei abzurufen, ist dem - neben den vorstehenden Erwägungen - zudem der geraume Zeitraum entgegenzuhalten, in dem es seitdem offensichtlich nicht zu einer Gefährdung seiner Person gekommen ist.
2. Davon abgesehen kann der Eilantrag auch mangels Rechtsschutzbedürfnisses keinen Erfolg haben. Das deckungsgleiche Hauptsacheverfahren auf Löschung seines Geburtsdatums und seines Wohnorts aus dem Handelsregister führt der Antragsteller als Registersache nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) in der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Gegen die Entscheidungen des Amtsgerichts E. vom 24. November 2022 (...) und vom 30. Dezember 2022 (...) hat der Antragsteller Beschwerde gemäß §§ 58 ff. FamFG eingelegt, die das Oberlandesgericht F. (vgl. zu seiner sachlichen Zuständigkeit: § 119 GVG) mit Beschlüssen vom 24. Februar 2023 (Az. ... und ...) zurückgewiesen hat. Zugleich hat das Oberlandesgericht die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zugelassen, die der Antragsteller eingelegt hat. Die Verfahren sind somit nunmehr beim Bundesgerichtshof unter dem Aktenzeichen ... anhängig.
Der Antragsteller hätte daher vorrangig um akzessorischen Eilrechtsschutz nach den §§ 49 ff. FamFG ersuchen müssen. Gemäß § 49 Abs. 1 FamFG kann das Gericht durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Maßnahme treffen, soweit dies nach den für das Rechtsverhältnis maßgebenden Vorschriften gerechtfertigt ist und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht. Dafür ist gemäß § 50 Abs. 1 Satz 2 FamFG das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig, während der Anhängigkeit der Hauptsache beim Beschwerdegericht das Beschwerdegericht. Das Eilrechtsschutzverfahren steht in innerem Zusammenhang mit dem Klageverfahren in der Hauptsache, da es sein Zweck ist, durch vorläufige Regelung die Effektivität der Hauptsacheentscheidung zu sichern. Für andere vorläufige Regelungen besteht im Anwendungsbereich des FamFG daher kein Bedürfnis mehr, insbesondere nicht für die einstweilige Verfügung nach §§ 935 ff. ZPO, die im Anwendungsbereich des FamFG ausgeschlossen ist (vgl. Schlünder, in: Hahne/Schlögel/Schlünder, BeckOK FamFG, Stand: 1.11.2023, § 49 Rn. 1 m.w.N.). Dies dient - wie der vorliegende Fall anschaulich zeigt - auch der Vermeidung von sinnwidrigen Rechtswegspaltungen. Der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nach §§ 935 ff. ZPO - als einen solchen hat das Landgericht den vorliegenden Antrag offenbar verstanden und ihn daher nicht zusammen mit der Beschwerde in der deckungsgleichen Hauptsache an das Oberlandesgericht verwiesen - fehlte daher das Rechtsschutzbedürfnis. An der Unzulässigkeit vermag auch die Verweisung an das Verwaltungsgericht durch den Beschluss des Landgerichts vom 6. Februar 2023 (...) nichts zu ändern. Dem Antragsteller ist es unbenommen, bis zu einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs einen Eilantrag gemäß §§ 49 ff. FamFG beim derzeit wieder zuständigen Gericht des ersten Rechtszugs (vgl. Schlünder, in: Hahne/Schlögel/Schlünder, BeckOK FamFG, Stand: 1.11.2023, § 50 Rn. 15) zu stellen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2 und § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG. Im Hinblick auf das vorliegende Eilverfahren war der im Hauptsacheverfahren anzunehmende Streitwert von 5.000,00 Euro zu halbieren.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).