Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 30.01.2024, Az.: 4 ME 84/23

Mehrere Verhaltens- oder Zustandsstörer bei Erlass einer naturschutzrechtlichen Wiederherstellungsanordnung; Auswahl des in Anspruch zu nehmenden Verantwortlichen im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde; Orientierung der Auswahlentscheidung in erster Linie an der Effektivität der Gefahrenabwehr

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
30.01.2024
Aktenzeichen
4 ME 84/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 10376
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2024:0130.4ME84.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 19.09.2023 - AZ: 9 B 705/23

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Kommen bei Erlass einer naturschutzrechtlichen Wiederherstellungsanordnung nach § 3 Abs. 2 Hs. 2 BNatSchG i. V. m. § 2 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 NAGBNatSchG mehrere Verhaltens- oder Zustandsstörer i. S. d. § 6 bzw. § 7 NPOG in Betracht, steht die Auswahl des in Anspruch zu nehmenden Verantwortlichen im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde. Hierbei besteht kein grundsätzliches Rangverhältnis zwischen Verhaltens- und Zustandsstörern. Die Auswahlentscheidung hat sich in erster Linie an der Effektivität der Gefahrenabwehr zu orientieren und darauf abzuzielen, wer am schnellsten und sichersten rechtmäßige Zustände wiederherstellen kann.

  2. 2.

    Die pflichtgemäße Ausübung des Auswahlermessens der Behörde setzt voraus, dass ermittelt wird, wer als Verhaltens- und wer als Zustandsstörer in Betracht kommt, in welchem Grad die Verantwortlichkeit der jeweiligen Personen besteht und inwiefern diese Personen über Möglichkeiten zur Wiederherstellung verfügen. Dies gilt jedenfalls insoweit, als die Ermittlung weiterer Störer, ihrer Verantwortlichkeiten und Wiederherstellungsmöglichkeiten einer naturschutzrechtlich gebotenen zeitnahen Verpflichtung zur Wiederherstellung des vorherigen Zustands von Natur und Landschaft nicht entgegensteht oder es nicht von vornherein völlig fernliegend erscheint, dass ein noch nicht ermittelter möglicher weiterer Störer in Anspruch zu nehmen wäre, so dass eine weitere Sachverhaltsermittlung für eine ordnungsgemäße Ermessensausübung ersichtlich nicht erforderlich ist.

  3. 3.

    Die gesetzliche Duldungspflicht nach § 65 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG erfasst nur solche Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege, die von der zuständigen Naturschutzbehörde selbst oder durch von ihr Beauftragte auf einem Privatgrundstück durchgeführt werden. Nicht erfasst werden dagegen Maßnahmen Privater.

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - 9. Kammer - vom 19. September 2023 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 9.640,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsgegnerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen einen erstinstanzlichen Beschluss, mit welchem das Verwaltungsgericht dem Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen eine naturschutzrechtliche Wiederherstellungsanordnung der Antragsgegnerin stattgegeben hat.

Auf einer am östlichen Ortsrand der Stadt E. gelegenen Grünlandfläche, die sich nördlich der Landesstraße "F." und südlich der Straße "G." befindet, kartierte die Antragsgegnerin im Jahr 2016 ein gesetzlich geschütztes Biotop gemäß § 30 BNatSchG mit dem Biotoptyp "nährstoffreiche Nasswiese" (GNR) und einer Biotopfläche von 3.336 m2. Die damaligen Eigentümer der betroffenen Flurstücke H., I., I. sowie J. der Flur K. der Gemarkung E. wurden hierüber von der Antragsgegnerin benachrichtigt. Hinsichtlich des weiterhin betroffenen Flurstücks L. konnte keine Benachrichtigung erfolgen, da die im Grundbuch noch als Eigentümerin eingetragene Frau M. N. bereits 1994 verstorben war und Erben nicht ermittelt werden konnten.

Im Juli 2020 stellte die Antragsgegnerin fest, dass die Biotopfläche mit Boden aufgefüllt und eingesät worden war und auf den betroffenen Flurstücken eine Hühnerhaltung mit einem mobilen Hühnerstall stattfand. Als Halter der Hühner und Eigentümer des Hühnermobils konnte die Antragsgegnerin den Antragsteller ermitteln. Dieser gab an, er habe im Jahr 2020 mit den Landwirten O. und P. (gemeint war wohl Q.), von denen er ausgegangen sei, dass sie Eigentümer der Flächen seien, einen Pachtvertrag über die Nutzung der Flurstücke H. bis J. der Flur K. der Gemarkung E. geschlossen. Dass es sich bei den Flächen um ein Biotop gehandelt habe, sei nicht erkennbar gewesen und ihm auch nicht mitgeteilt worden. Die Flächen hätten sich vor seiner Anpachtung in einem desolaten Zustand befunden und er habe sie zunächst von Müll gesäubert. Im Verwaltungsvorgang finden sich unterschiedliche Angaben des Antragstellers dazu, ob er eine Bodenauffüllung auf den fraglichen Flurstücken vorgenommen hat. Nach einem Telefonvermerk der Antragsgegnerin vom 11. August 2020 soll der Antragsteller angegeben haben, den Boden ca. 8 cm dick aufgefüllt zu haben, um die Weidefläche für die Hühnerhaltung vorzubereiten. In einer E-Mail vom 28. August 2020 gab der Antragsteller dagegen an, er habe keine Erde aufgebracht. Nach einem weiteren Telefonvermerk vom 16. September 2020 soll der Antragsteller angegeben haben, dass etwa 10 cm aufgebracht worden seien. Die weiteren Ermittlungen ergaben schließlich, dass die Firma R. die Flächen mit Bodenaushub aus einer Baumaßnahme aufgefüllt und danach eingesät hat. Die Firma gab an, dass der Auftrag von dem Antragsteller erteilt worden sei, welcher angegeben habe, die Auffüllung mit den Eigentümern abgesprochen zu haben. Im weiteren Verlauf räumte der Antragsteller ein, er habe nach Vorliegen des Einverständnisses seiner Verpächter die Firma R. mit der Bodenauffüllung beauftragt, um für die Legehennenhaltung schädliche Pfützen auf dem Gelände zu beseitigen.

Die Antragsgegnerin konnte weiter ermitteln, dass Herr S. O. nach einer Eigentumsübertragung im November 2019 Eigentümer der Flurstücke H. sowie T. geworden ist. Dieser gab auf Anhörung durch die Antragsgegnerin an, weder von seinem Großvater als früherem Flächeneigentümer noch von seiner Mutter und seiner Tante als zwischenzeitlich das Grundeigentum innehabenden Erben erfahren zu haben, dass es sich bei den Flächen um ein Biotop handelt. Der Antragsteller habe ihn auf die von diesem beabsichtigte Hühnerhaltung angesprochen sowie die Flächen von Müll befreit und begradigt. Der Eigentümer des Flurstücks J., Herr U. V., gab im Rahmen seiner Anhörung an, dass er von der Biotopeigenschaft der Fläche gewusst und niemandem erlaubt habe, auf seinem Grundstück Abraum abzuladen. Als Eigentümer des Flurstücks W. ermittelte die Antragsgegnerin Herrn X. Q.. Unterlagen zu einer Anhörung von Herrn Q. finden sich im Verwaltungsvorgang des Antragstellers nicht. Hinsichtlich des Flurstücks L. stellte die Antragsgegnerin fest, dass die im Jahr 1994 verstorbene Frau M. N. immer noch im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen war. Dem Antragsteller gelang es nicht, einen Rechtsnachfolger ausfindig zu machen. Das Amtsgericht Y. teilte der Antragsgegnerin auf Nachfrage am 23. Dezember 2020 mit, dass weder im Grundbuchamt noch in der Nachlassabteilung Vorgänge zu dem weiterhin auf Frau N. eingetragenen Grundstück vorlägen. Scheinbar handele es sich nun um ein herrenloses Grundstück Das Amtsgericht verwies die Antragsgegnerin auf die Möglichkeit einer Nachfrage bei der Oberfinanzdirektion Niedersachsen hinsichtlich einer eventuellen Erbschaft des Landes.

Die Antragsgegnerin führte mit Schreiben vom 30. August 2021 an den Antragsteller aus, dass es nach ihrer Bestandsaufnahme zu einer Zerstörung des Biotops durch den von dem Antragsteller veranlassten Bodenauftrag gekommen sei. Die ehemals festgestellten typischen Pflanzenarten einer nährstoffreichen Nasswiese (GNR) seien nicht mehr vorhanden. Diese seien auf einen hohen Grundwasserstand angewiesen. Zum Erhalt des Biotops sei ein Rückbau des Bodenauftrags erforderlich. Der Antragsteller habe angegeben, Boden in Höhe von 10 cm aufgebracht zu haben. Nachgewiesen durch die Aussagen des beauftragten Unternehmens sei die Einbringung von 80 m3 Boden. Vor Ort erscheine die betroffene Fläche aufgrund des veränderten Reliefs vor Ort aber deutlich größer, so dass letztlich der Bodenauftrag auf der gesamten Biotopfläche sowie einem Pufferstreifen wieder herauszunehmen sei.

Mit Schreiben vom 15. Oktober 2021 teilte der Antragsteller mit, dass er den Pachtvertrag zwischenzeitlich gekündigt habe, da die Pachtfläche angesichts ihrer Biotopeigenschaft nicht nutzbar sei.

Nach erneuter Anhörung des Antragstellers erließ die Antragsgegnerin am 4. August 2022 eine naturschutzrechtliche Wiederherstellungsverfügung. Nach Ziffer 1 der Verfügung hat der Antragsteller das geschützte Biotop einer nährstoffreichen Nasswiese (GNR) auf den Flurstücken H., T., L., W. und J. der Flur K. der Gemarkung E. durch Rückbau des veranlassten Bodenauftrags wiederherzustellen. Hierzu ist der gesamte aufgebrachte Fremdboden (gelber, lehmartiger Boden in mind. 10 cm Stärke) entsprechend der Boden- und Reliefveränderung auf mindestens 4.450 m2 Fläche (Biotopbereich plus 5 m Pufferstreifen) herauszunehmen und das Relief nach einer beigefügten Karte wiederherzustellen (Ziffer 1.1). Darüber hinaus hat der Antragsteller eine Beprobung des ausgebauten Bodens (Ziffer 1.2) sowie eine Pflege der Fläche für einen Zeitraum von fünf Jahren ab Fertigstellung des Rückbaus durchzuführen (Ziffer 1.3). Nach Ziffer 2 ist der Abschluss der Maßnahme (Rückbau und Beprobung) der Antragsgegnerin anzuzeigen. Ziffer 3 sieht eine Überwachung der Durchführung der angeordneten Maßnahmen durch die Antragsgegnerin vor. Nach Ziffer 4 behält sich die Antragsgegnerin vor, weitere Maßnahmen in Bezug auf die Wiederherstellung anzuordnen, wenn der Entwicklungszustand der Maßnahme keine ausreichende Tendenz in Richtung des Maßnahmenziels der vollständigen Wiederherstellung des Biotops erkennen lasse. In Ziffer 5 hat die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung der Anordnungen in Ziffern 1 und 2 angeordnet. Ziffer 6 enthält Androhungen einer Ersatzvornahme bzw. einer Zwangsgeldfestsetzung im Falle einer nicht fristgerechten Ausführung der angeordneten Maßnahmen.

Gegenüber Herrn X. Q. (Eigentümer des Flurstücks W.), Herrn O. (Eigentümer der Flurstücke H. und T.) und Herrn V. (Eigentümer des Flurstücks J.) wies die Antragsgegnerin jeweils durch Schreiben vom 4. August 2022 darauf hin, dass sie die angeordneten Maßnahmen nach § 65 Abs. 1 BNatSchG zu dulden hätten. Mangels Ermittlung des Eigentümers konnte hinsichtlich des Flurstücks L. keine solche Benachrichtigung erfolgen.

Gegen den Bescheid vom 4. August 2022 legte der Antragsteller am 12. September 2022 Widerspruch ein. Am selben Tag hat der Antragsteller vor dem Verwaltungsgericht um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht.

Mit Beschluss vom 19. September 2023 hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 4. August 2022 hinsichtlich der Ziffer 1 wiederhergestellt und hinsichtlich der Ziffer 6 angeordnet. Hinsichtlich der Ziffer 2 des Bescheides hat das Verwaltungsgericht die Anordnung der sofortigen Vollziehung aufgehoben. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung hinsichtlich der in Ziffer 2 des Bescheids vorgesehenen Anzeigepflicht bereits formell rechtswidrig sei. Insofern fehle es bereits an einer Begründung für die Anordnung des Sofortvollzugs i.S.d. § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Hinsichtlich des in Ziffer 1 des Bescheids angeordneten Rückbaus des aufgebrachten Fremdbodens, der Beprobung und der Pflege der Fläche lägen die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein naturschutzrechtliches Einschreiten vor. Mit der Bodenaufbringung und der Neueinsaat sei ein gesetzlich geschütztes Biotop zerstört oder zumindest erheblich beeinträchtigt worden. Die Antragsgegnerin habe aber das ihr zustehende Ermessen bei der Auswahl des in Anspruch zu nehmenden Verantwortlichen nicht pflichtgemäß ausgeübt. Zwar könne sich die Auswahlentscheidung bei mehreren als Adressaten einer Wiederherstellungsanordnung in Betracht kommenden Verantwortlichen in erster Linie an der Effektivität der Gefahrenabwehr orientieren. Die pflichtgemäße Ermessensausübung setzte aber eine zutreffende Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts einschließlich aller in Betracht kommenden Störer und ihrer jeweiligen Verantwortlichkeit sowie deren Möglichkeiten zur Wiederherstellung voraus. Insofern fehle es bereits an der Ermittlung aller Eigentümer der betroffenen Flächen. Wer zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses Eigentümer des Flurstücks L. der Flur K. der Gemarkung E. gewesen sei, habe die Antragsgegnerin unterlassen zu ermitteln, obwohl ihr bereits seit 2016 bekannt gewesen sei, dass die ehemalige Eigentümerin 1994 verstorben ist. Es erschließe sich nicht, dass die Ermittlung des Rechtsnachfolgers bis zum Erlass des Bescheids am 4. August 2022 nicht möglich gewesen sei. Der Antragsgegnerin wäre es auch angesichts der Dauer des Verwaltungsverfahrens zumutbar gewesen, weitere Auskunftsersuchen zu stellen und Nachforschungen anzustellen. Eine Anfrage bei der für Fiskalerbschaften in Niedersachsen zuständigen Behörde sei unterblieben. Auch hinsichtlich der Übererdung der gesamten Fläche sei die Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts unzureichend. Anhand der Verwaltungsvorgänge lasse sich die alleinige Verursacherfrage für die gesamte betroffene Fläche nicht klären. Die Antragsgegnerin gehe selbst davon aus, dass lediglich eine vom Antragsteller verursachte Einbringung von 80 m3 Boden nachgewiesen sei. Nach den Feststellungen der Antragsgegnerin sei der Antragsteller hiernach nur für den Bodenauftrag auf einer Teilfläche von 800 m2 verantwortlich. Dies rechtfertige seine Inanspruchnahme für die Wiederherstellung der Gesamtfläche nicht. Die Antragsgegnerin habe es unterlassen, weitere Verursacher des Bodenauftrags zu ermitteln. Auch die Androhungen von Zwangsmitteln in Ziffer 6 des Bescheides seien rechtswidrig, da sie das Schicksal der naturschutzrechtlichen Anordnungen teilten.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin, soweit das Verwaltungsgericht hinsichtlich der Ziffer 1 des Bescheids vom 4. August 2022 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers wiederhergestellt und hinsichtlich der Ziffer 6 angeordnet hat.

II.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den erstinstanzlichen Beschluss bleibt ohne Erfolg.

Die Antragsgegnerin vermag mit ihrem Vorbringen im Beschwerdeverfahren, auf dessen Überprüfung sich der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, die Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht durchgreifend in Frage zu stellen. Ihre Darlegungen rechtfertigen keine Änderung des erstinstanzlichen Beschlusses.

Das Verwaltungsgericht ist wie die Antragsgegnerin davon ausgegangen, dass als Rechtsgrundlage der angefochtenen Wiederherstellungsverfügung § 3 Abs. 2 BNatSchG i.V.m. § 2 Abs. 1 und 2 NAGBNatSchG (hier in der bis zum 30.9.2022 geltenden Fassung, zuletzt geändert durch Gesetz v. 11.10.2020, Nds. GVBl. S. 451) zu Grunde zu legen ist (Beschlussabdruck, S. 10 f.). Dies zieht die Antragsgegnerin mit ihrem Beschwerdevorbringen nicht in Zweifel, so dass der Senat die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts seiner weiteren Prüfung zugrunde legt. Auch das vom Verwaltungsgericht festgestellte Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für ein naturschutzrechtliches Einschreiten der Antragsgegnerin wegen der Zerstörung bzw. erheblichen Beeinträchtigung eines gesetzlich geschützten Biotops i.S.d. § 30 BNatSchG durch Bodenaufbringung und Neueinsaat ist zwischen den Beteiligten dem Grunde nach unstreitig.

Die Antragsgegnerin trägt mit ihrer Beschwerde vor, sie habe im Rahmen der Auswahl des in Anspruch zu nehmenden Verantwortlichen ermessensfehlerfrei auf den Antragsteller als Verhaltensstörer abstellen und aus Effektivitätsgründen auf über die unternommenen Ermittlungen hinausgehende Recherchen verzichten können. Hiermit vermag sie die erstinstanzliche Entscheidung nicht durchgreifend in Frage zu stellen. Das Verwaltungsgericht ist zu der Einschätzung gelangt, dass die Antragsgegnerin das ihr bei der Störerauswahl zustehende Ermessen nicht pflichtgemäß ausgeübt habe, weil sie den entscheidungserheblichen Sachverhalt einschließlich aller in Betracht kommenden Störer, ihrer jeweiligen Verantwortlichkeit sowie ihrer Möglichkeiten zur Wiederherstellung nicht zutreffend ermittelt und zur Grundlage ihrer Störerauswahl gemacht habe. Es fehle an einer Ermittlung aller Eigentümer der betroffenen Flächen sowie einer hinreichenden Feststellung der Verursachung der Übererdung auf der gesamten Biotopfläche durch den Antragsteller (Beschlussabdruck, S. 13 ff.). Diese erstinstanzlichen Erwägungen werden durch das Beschwerdevorbringen der Antragsgegnerin nicht durchgreifend erschüttert.

Anders als die Antragsgegnerin meint, hat das Verwaltungsgericht hinsichtlich der Beurteilung der Ermittlung der möglichen Störer nicht auf den Zeitpunkt des Jahres 2016, als die Benachrichtigung der Eigentümer der betroffenen Grundstücke über die Eintragung des gesetzlich geschützten Biotops "nährstoffreiche Nasswiese" (GNR) erfolgte, sondern vielmehr auf den Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids am 4. August 2022 abgestellt (Beschlussabdruck, S. 10). Dies erweist sich insofern als zutreffend, als maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer naturschutzrechtlichen Beseitigungs- und Wiederherstellungsanordnung, die auf die Vornahme einer bestimmten Handlung gerichtet ist, grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der (letzten) Behördenentscheidung ist (Senatsbeschl. v. 2.2.2022 - 4 ME 231/21 -, juris Rn. 10 und v. 4.12.2017 - 4 LA 335/17 - juris Rn. 5 jeweils m.w.N.). Dies hat hier jedenfalls hinsichtlich der in Ziffer 1.1 (Rückbau) und Ziffer 1.2 (Beprobung) des angefochtenen Bescheids getroffenen Regelungen zu gelten. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin war somit auch nicht auf den Zeitpunkt Juli 2020, zu dem der Antragsgegnerin die Bodenauffüllung auf der Biotopfläche bekannt geworden war, abzustellen.

Adressaten einer naturschutzrechtlichen Anordnung nach § 3 Abs. 2 Hs. 2 BNatSchG i. V. m. § 2 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 NAGBNatSchG können die in §§ 6 bis 8 NPOG genannten Verantwortlichen für die Gefahr sein (vgl. § 2 Abs. 3 Satz 1 NAGBNatSchG). Kommen mehrere Verhaltens- oder Zustandsstörer nach § 6 bzw. § 7 NPOG in Betracht, steht die Auswahl des in Anspruch zu nehmenden Verantwortlichen im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde. Hierbei besteht kein grundsätzliches Rangverhältnis zwischen Verhaltens- und Zustandsstörern. Die Auswahlentscheidung hat sich in erster Linie an der Effektivität der Gefahrenabwehr zu orientieren und darauf abzuzielen, wer am schnellsten und sichersten rechtmäßige Zustände wiederherstellen kann (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 19.7.2023 - OVG 2 S 13/23 -, juris Rn. 3; ferner Blum/Agena/Brüggeshemke, Niedersächsisches Naturschutzrecht, Stand 20. EL April 2023, § 2 Rn. 75). Zu berücksichtigten ist insofern allerdings, dass Gesichtspunkte der Verhältnismäßigkeit durchaus für eine vorrangige Inanspruchnahme eines Verhaltensstörers sprechen können, wenn seine Verhaltensverantwortlichkeit dem Grunde und dem Umfang nach einwandfrei feststeht (OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 19.7.2023 - OVG 2 S 13/23 -, juris Rn. 3 und Urt. v. 24.2.2011 - OVG 11 B 10.09 -, juris Rn. 45; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 9.8.2001 - 1 S 523/01 -, juris Rn. 21 und Urt. v. 1.10.1991 - 5 S 1823/90 -; juris Rn. 19). Die pflichtgemäße Ausübung des Ermessens der Behörde setzt aber zunächst voraus, dass ermittelt wird, wer als Verhaltens- und wer als Zustandsstörer in Betracht kommt, in welchem Grad die Verantwortlichkeit der jeweiligen Personen besteht und inwiefern diese Personen über Möglichkeiten zur Wiederherstellung verfügen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 27.5.2021 - 2 B 1866/20 -, juris Rn. 34; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 24.2.2011 - OVG 11 B 10.09 -, juris Rn. 45; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 1.10.1991 - 5 S 1823/90 -; juris Rn. 19). Dies gilt jedenfalls insoweit, als die Ermittlung weiterer Störer, ihrer Verantwortlichkeiten und Wiederherstellungsmöglichkeiten einer naturschutzrechtlich gebotenen zeitnahen Verpflichtung zur Wiederherstellung des vorherigen Zustands von Natur und Landschaft nicht entgegensteht oder es nicht von vornherein völlig fernliegend erscheint, dass ein noch nicht ermittelter möglicher weiterer Störer in Anspruch zu nehmen wäre, so dass eine weitere Sachverhaltsermittlung für eine ordnungsgemäße Ermessensausübung ersichtlich nicht erforderlich ist.

Nach diesen Maßstäben erweist sich die Ermessensausübung der Antragsgegnerin als fehlerhaft. Zwar vermag sie mit ihrem Beschwerdevorbringen, sie habe auf eine weitere Ermittlung des jetzigen Eigentümers des Flurstücks L. der Flur K. der Gemarkung E. als möglichen Zustandsstörer verzichten können, durchzudringen. Ihre Ermessensausübung leidet aber insofern an einem Defizit der Ermittlung des zugrundeliegenden Sachverhalts, als sie nicht hinreichend die Verantwortlichkeit möglicher weiterer Verhaltensstörer ermittelt und ihre Inanspruchnahme in Erwägung gezogen hat.

Entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts ist es in Bezug auf die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 4. August 2022 nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin keine weiteren Ermittlungen hinsichtlich des jetzigen Eigentümers des Flurstücks L. der Flur K. der Gemarkung E. unternommen hat. Der Antragsgegnerin war bekannt, dass die im Grundbuch als Eigentümerin dieses Flurstücks eingetragene Frau M. N., geborene Z., zuletzt wohnhaft in AA., bereits im Jahr 1994 verstorben war. Nach Bekanntwerden der hier im Streit stehenden Erdauffüllung auf der Fläche des gesetzlich geschützten Biotops im Juli 2020 richtete die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 16. Dezember 2020 eine Nachfrage an das Amtsgericht - Nachlassgericht - Y. mit der Bitte um Mitteilung möglicher Erben, welche dieses am 23. Dezember 2020 dahingehend beantwortete, dass weder im Grundbuchamt noch in der Nachlassabteilung Vorgänge hinsichtlich des immer noch auf Frau N. eingetragenen Grundstücks vorlägen. Zudem wies es auf die Möglichkeit einer Nachfrage bei der Oberfinanzdirektion Niedersachsen hinsichtlich einer möglichen Staatserbschaft des Landes (vgl. § 1964 BGB) hin. Zwar hat die Antragsgegnerin danach bis zum Erlass des Bescheids vom 4. August 2022, also über einen Zeitraum von mehr als anderthalb Jahren, nichts weiter unternommen, um den jetzigen Eigentümer des fraglichen Flurstücks zu ermitteln. Angesichts dessen, dass sich aber seit dem Jahr 1994 und somit seit annähernd 30 Jahren beim Nachlassgericht keine Erben gemeldet haben und auch zwei Nachfragen an ein in E. ansässiges Ehepaar sowie eine Baumschule mit dem Namen Z. vom 1. Oktober 2020 ohne Ergebnis blieben, dürfte eine mögliche Inanspruchnahme eines noch nicht ermittelten Erben, der ohnehin nur als Zustandsverantwortlicher in Betracht käme, als äußerst fernliegend anzusehen sein. Vor diesem Hintergrund war eine weitere Sachverhaltsermittlung im Hinblick auf eine ordnungsgemäße Ermessensausübung ersichtlich entbehrlich.

Die Störerauswahl der Antragsgegnerin und somit die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 4. August 2022 leidet aber deshalb an einem Ermessensfehler, weil die Antragsgegnerin nicht hinreichend die Verantwortlichkeit möglicher weiterer Verhaltensstörer ermittelt und ihre Inanspruchnahme in Erwägung gezogen hat. Das hiergegen gerichtete Beschwerdevorbringen der Antragsgegnerin bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.

Zwar durfte die Antragsgegnerin zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheids aufgrund des von ihr ermittelten Sachverhalts davon ausgehen, dass der Antragsteller jedenfalls einen erheblichen Teil der festgestellten Bodenauffüllung auf der Fläche des gesetzlich geschützten Biotops (Flächengröße 3.336 m2) aufgebracht hat. Das Verwaltungsgericht geht insoweit fehl in seiner Annahme, dass die Antragsgegnerin selbst nur eine Verantwortlichkeit des Antragstellers für eine Bodenauffüllung auf einer Teilfläche von 800 m2 festgestellt habe (Beschlussabdruck, S. 15). Tatsächlich ging die Antragsgegnerin während des Verwaltungsverfahrens zunächst davon aus, dass aufgrund der Angaben der Firma R. die Einbringung von 80 m3 Boden, was bei der vom Antragsteller angegebenen Bodenauftragshöhe von 10 cm einer Fläche von 800 m2 entspreche, nachgewiesen sei (vgl. Vermerk v. 14.1.2021 auf Bl. 214 des Verwaltungsvorgangs, Schreiben v. 30.8.2021 an den Antragsteller auf Bl. 246 des Verwaltungsvorgangs). Aus dem angefochtenen Bescheid vom 4. August 2022 ergibt sich aber, dass die Antragsgegnerin zu diesem Zeitpunkt davon ausgegangen ist, dass der gesamte Bodenauftrag auf der Biotopfläche durch die Firma R. im Auftrag des Antragstellers veranlasst worden ist (vgl. S. 6 des Bescheids v. 4.8.2022). Diese Annahme erweist sich jedenfalls insoweit als tragfähig, als sich aus dem Schreiben der Firma R. vom 16. Dezember 2020 ergibt, dass der Antragsteller den Auftrag zur Bodenauffüllung erteilt hat. Der Angabe in dem Schreiben, dass die Oberfläche vorab vom Bodengemisch "Erde und Steine" abgetragen und über die Firma AB. in einem Umfang von 80 m3 entsorgt worden sei, dürfte sich nichts Gegenteiliges entnehmen lassen. Denn naheliegender als die zwischenzeitliche Vermutung der Antragsgegnerin, die Bodenmenge von 80 m3 sei vor der Erdauffüllung von den Biotopgrundstücken abgetragen worden, dürfte die Annahme sein, dass von dem von einem anderen Grundstück stammenden Bodenaushub 80 m3 als "Gemisch aus Erde/Steine/Beton" durch die Firma AB. entsorgt worden sind, bevor mit dem restlichen Bodenaushub die Auffüllung auf den Biotopgrundstücken erfolgt ist (vgl. Rechnung der Firma AB. vom 16.6.2020; Bl. 209 des Verwaltungsvorgangs). Dies deckt sich auch damit, dass die entsprechende Angabe im Schreiben der Firma R. im Zusammenhang zu der Angabe steht, dass lediglich reiner Bodenaushub für die Auffüllung verwendet worden sei. Auch der Antragsteller hat in seinem Schreiben vom 9. Februar 2021 zugestanden, dass er die Firma R. den Boden hat auftragen lassen. Es erscheint somit sehr plausibel, dass die vom Antragsteller beauftragte Bodenauffüllung in einem wesentlich größeren Umfang als 800 m2 vorgenommen worden ist. Darüber hinaus spricht die aufgrund von mehreren Schaufelproben (vgl. Bl. 271 des Verwaltungsvorgangs) getroffene Feststellung der Antragsgegnerin, dass der in etwa 10 cm Stärke eingebrachten Boden von gelber, lehmartiger Konsistenz sei, dafür, dass es sich jedenfalls an den Probenentnahmestellen um eine einheitliche Bodenauffüllung gehandelt hat.

Soweit der Antragsteller allerdings nach Erlass des angefochtenen Bescheids vom 4. August 2022 im gerichtlichen Eilrechtsschutzverfahren erstmalig vorgetragen hat, neben der Bodenaufbringung durch die Firma R. sei ohne Rücksprache mit ihm, aber in Rücksprache mit den Eigentümern O. und Q. noch weiterer Boden durch den Landwirt AC. AD. aufgebracht worden, besteht im Rahmen des noch laufenden Widerspruchsverfahren eine Sachverhaltsermittlungspflicht der Antragsgegnerin dahingehend, ob und in welchem Maße auch der Landwirt AD. als Verhaltensverantwortlicher hinsichtlich der Bodenauffüllung auf den Biotopgrundstücken in Betracht kommt. Im Schriftsatz vom 30. März 2023 hat der Antragsteller seinen diesbezüglichen Vortrag dahingehend konkretisiert, dass eine telefonische Rückfrage bei Herrn AD. ergeben habe, dass dieser bereits im Herbst 2019 etwa 28 m3 Erde im hinteren Biotopbereich aufgebracht habe. Herr AD. stehe für weitere Rückfragen zur Verfügung. Aus diesem Vortrag ergibt sich bei der von der Antragsgegnerin festgestellten Bodenauftragshöhe von etwa 10 cm zwar lediglich eine geringe mögliche Fläche, auf welcher die Bodenauffüllung nicht durch den Antragsteller, sondern durch den Landwirt AD. veranlasst worden sein könnte. Nichtsdestotrotz hat die Antragsgegnerin diesen Umstand angesichts des im noch laufenden Widerspruchsverfahren zu berücksichtigenden Vortrags des Antragstellers zu ermitteln und in ihre Störerauswahl einzubeziehen.

Hinzu kommt schließlich, dass sich die Ermessensausübung der Antragsgegnerin auch deshalb als fehlerhaft erweist, weil sie hinsichtlich der Flächeneigentümer O. und Q. lediglich eine Zustandsverantwortlichkeit als Grundstückseigentümer, nicht aber auch eine mögliche Verhaltensverantwortlichkeit ermittelt und in Erwägung gezogen hat (vgl. S. 8 des Bescheids v. 4.8.2022). Verhaltensverantwortlicher im Sinne des § 6 Abs. 1 NPOG ist, wer eine Gefahr verursacht. Ursächlichkeit in diesem Sinne bedeutet, dass das Verhalten der Person nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass die Gefahr entfiele (Äquivalenztheorie). Von mehreren Ursachen im Rahmen einer Ursachenkette ist dabei nur diejenige, in der Regel letzte, Ursache entscheidend, die die Grenze zur Gefahr überschreitet. Das (störende) Verhalten kann in einem Tun oder einem Unterlassen liegen. Auch wer das gefahrverursachende Verhalten anderer Personen duldet, ist Verursacher, wenn er rechtlich und tatsächlich ohne Weiteres in der Lage ist, das entsprechende Verhalten zu unterbinden. An ein Unterlassen darf die Verantwortlichkeit allerdings nur angeknüpft werden, wenn der Betroffene durch öffentlich-rechtliche Normen zum Handeln verpflichtet ist. Ob ein Verschulden vorliegt oder nicht, ist dagegen für Feststellung der Verantwortlichkeit einer Person nicht entscheidend (Blum/Agena/Brüggeshemke, Niedersächsisches Naturschutzrecht, Stand 20. EL April 2023, § 2 Rn. 73; Ullrich, in: Möstl/Weiner, BeckOK Polizei- und Ordnungsrecht Niedersachsen, 29. Ed. Stand 1.11.2023, § 6 Rn 15 ff.; ferner OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v 7. 5.2012 - OVG 11 S 60.11 -, juris Rn. 13; Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 3. Auflage 2021, § 3 Rn. 34). Nach dem von der Antragsgegnerin ermittelten Sachverhalt hat der Antragsteller angegeben, er habe den Auftrag zur Bodenauffüllung an die Firma AE. nach Vorliegen des Einverständnisses seiner Verpächter und Eigentümer eines Teils der betroffenen Biotopgrundstücke, den Landwirten O. und Q., erteilt. Herr S. O. gab auf Anhörung durch die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 6. Oktober 2020 an, der Antragsteller habe ihn Anfang des Jahres darauf angesprochen, ob er seine Hühner auf die Fläche stellen könne, habe die Fläche entsprechend hergerichtet und auch begradigt. Dass dies ohne sein Einverständnis geschehen wäre, folgt aus den Angaben von Herrn O. nicht. Eine Anhörung von Herrn X. Q. ist ausweislich des Verwaltungsvorgangs bisher nicht erfolgt. Vor diesem Hintergrund hätte die Antragsgegnerin aber ermitteln und in Erwägung ziehen müssen, inwiefern auch die Landwirte O. und Q. als mögliche Verhaltensstörer hinsichtlich einer Inanspruchnahme zur Wiederherstellung in Betracht gekommen wären. Auch der Verpächter eines Grundstücks kann, wenn dessen naturschutzwidrige Nutzung durch den Pächter gerade Inhalt des Pachtverhältnisses ist, Verhaltensverantwortlicher und nicht nur Zustandsverantwortlicher als Grundstückseigentümer sein (Bayerischer VGH, Urt. v. 10.7.1984 - 9 B 84 A.89 -, NuR 1985, S. 27, 28; Blum/Agena/Brüggeshemke, Niedersächsisches Naturschutzrecht, Stand 20. EL April 2023, § 2 Rn. 73). Dies erscheint hier, auch wenn der Antragsteller den Pachtvertrag mit den Landwirten O. und Q. nicht vorgelegt hat, angesichts eines möglichen Einverständnisses dieser beiden Flächeneigentümer mit der vom Antragsteller veranlassten Bodenauffüllung zwecks Ertüchtigung der Biotopflächen für die von ihm beabsichtigte Hühnerhaltung durchaus naheliegend. Sollte unter diesem Gesichtspunkt eine Verhaltensverantwortlichkeit auch der beiden Verpächter des Antragstellers bestehen, wäre im Rahmen der Ermessensausübung unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten auch zu berücksichtigen, ob diese als Eigentümer von der Biotopeigenschaft der Grundstücke wussten bzw. aufgrund der im Jahr 2016 erfolgten Mitteilungen an ihre Rechtsvorgänger wissen mussten, wohingegen der Antragsteller angab, ihm sei die Biotopeigenschaft der Flächen nicht mitgeteilt und auch nicht bekannt gewesen.

Der Senat weist abschließend - aber lediglich ergänzend und zur Klarstellung - darauf hin, dass die noch fehlende Ermittlung des jetzigen Eigentümers des Flurstücks L. der Flur K. der Gemarkung E. zwar - wie oben ausgeführt - nicht zu einem Ermessensfehler führt, aber hierdurch ein Vollzugshindernis im Hinblick auf eine an einen anderen Verantwortlichen gerichtete Wiederherstellungsanordnung begründet wird. Der von der Antragsgegnerin mit dem angefochtenen Bescheid in Anspruch genommene Antragsteller ist hinsichtlich der fünf Flurstücke, auf denen er den Rückbau des veranlassten Bodenauftrags durchzuführen hat, kein dinglich Berechtigter und mittlerweile auch kein Pächter der Flurstücke der Grundstückseigentümer S. O. und X. Q. mehr. Die Durchführung der aufgegebenen Wiederherstellungsmaßnahmen bedarf daher grundsätzlich der Zustimmung aller betroffenen Flurstückseigentümer. Lässt sich eine solche Zustimmung nicht erlangen, folgt hieraus zwar keine Unwirksamkeit der Wiederherstellungsanordnung, aber es besteht ein Vollzugshindernis, welchem die Naturschutzbehörde dadurch begegnen muss, dass sie auf der Grundlage von § 3 Abs. 2 Hs. 2 BNatSchG i. V. m. § 2 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 NAGBNatSchG gleiche Verfügungen an die anderen Beteiligten erlässt oder diese zur Duldung der Maßnahme verpflichtet (Blum/Agena/Brüggeshemke, Niedersächsisches Naturschutzrecht, Stand 20. EL April 2023, § 2 Rn. 76; Nds. OVG, Beschl. v. 14.5.2004 - 8 ME 65/04 -, juris Rn. 5). Hinsichtlich des Flurstücks L. der Flur K. der Gemarkung E. ist es mangels Ermittlung des aktuellen Eigentümers bzw. mangels Bestellung eines Nachlasspflegers durch das Nachlassgericht gemäß § 1960 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BGB, welchem die Vertretungsmacht für den unbekannten Erben bezüglich aller Nachlassangelegenheiten zukommen würde (Leipold, in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl. 2022, § 1960 Rn. 52, 58), derzeit aber nicht möglich, eine Zustimmung des Eigentümers zur Durchführung der Wiederherstellungsmaßnahmen zu erlangen. Auch der Erlass einer Duldungsverfügung durch die Antragsgegnerin kommt mangels Adressaten somit derzeit nicht in Betracht.

Nichts anderes ergibt sich aus der in § 65 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG normierten gesetzlichen Duldungspflicht des Eigentümers oder sonstigen Nutzungsberechtigten in Bezug auf Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege auf Grund von naturschutzrechtlichen Vorschriften. Würde diese Vorschrift auch für Wiederherstellungsmaßnahmen eines Privaten gelten, zu denen dieser aufgrund von § 3 Abs. 2 Hs. 2 BNatSchG i. V. m. § 2 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 NAGBNatSchG verpflichtet worden ist, bedürfte es grundsätzlich keiner gesonderten Duldungsverfügung gegenüber betroffenen Grundstückseigentümern. Die Vorschrift ist allerdings vorliegend nicht anwendbar. Denn § 65 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG erfasst nur solche Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege, die von der zuständigen Naturschutzbehörde selbst oder durch von ihr Beauftragte auf einem Privatgrundstück durchgeführt werden (OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 9.2.2022 - 8 A 11313/21.OVG -, juris Rn. 13). Die gesetzliche Duldungspflicht nach § 65 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG besteht somit nur im Hinblick auf öffentlich-rechtliche Maßnahmen einer Behörde, nicht aber in Bezug auf Maßnahmen Privater (Appel, in: Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 3. Aufl. 2021, § 65 Rn. 24; Teßmer, in: Giesberts/Reinhardt, BeckOK Umweltrecht, 66. Ed. Stand 2022, § 65 Rn. 3). Aus diesem Grund ist es auch unzureichend, dass die Antragsgegnerin durch Schreiben vom 4. August 2022 an die ihr bekannten Flächeneigentümern Q., O. und V. gemäß § 65 Abs. 2 BNatSchG über eine gesetzliche Duldungspflicht i.S.d. § 65 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG unterrichtet, nicht aber auf § 3 Abs. 2 Hs. 2 BNatSchG i. V. m. § 2 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 NAGBNatSchG gestützte Duldungsverfügungen erlassen hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §3 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit - Fassung 2013 - (NordÖR 2014,11).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).