Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 26.01.2024, Az.: 14 ME 131/23

Gebotene Genauigkeit der Bezeichnung des Lebensmittels bei einer Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a S. 1 Nr. 3 LFGB; Ausrichtung der Genauigkeit nach dem jeweiligen Verstoß; Unterscheidung der Anforderungen an die Bestimmtheit des Produktbezugs je nach Betriebsart; Feststellung einer allgemeinen Ansteckungsgefahr (hier mit dem Hanta-Virus) bei einem Aufenthalt in einem Lebensmittelmarkt

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
26.01.2024
Aktenzeichen
14 ME 131/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 10245
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2024:0126.14ME131.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Osnabrück - 20.11.2023 - AZ: 1 B 92/23

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Die gebotene Genauigkeit der Bezeichnung des Lebensmittels bei einer Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a S. 1 Nr. 3 LFGB richtet sich nach dem jeweiligen Verstoß und ist ausgehend von diesem zu bestimmen. Dabei können sich die Anforderungen an die Bestimmtheit des Produktbezugs auch je nach Betriebsart unterscheiden.

  2. 2.

    Die Feststellung einer allgemeinen Ansteckungsgefahr (hier mit dem Hanta-Virus) bei einem Aufenthalt in einem Lebensmittelmarkt, in dem ein Mäusebefall festgestellt wurde, reicht im Rahmen des § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB nicht aus. Es muss vielmehr aufgrund der Art des festgestellten Hygieneverstoßes ein deutlich erhöhtes Risiko für eine nachteilige Beeinflussung bestimmter oder auch sämtlicher Erzeugnisse bestehen

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 1. Kammer - vom 20. November 2023 mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.

Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig untersagt, die mit seinem Mitteilungsschreiben vom 10. Oktober 2023 (Az. ...) angekündigte Veröffentlichung betreffend die Kontrolle vom 23. August 2023 auf der Internetseite www.verstoesse.lebensmittel-futtermittel-sicherheit.niedersachsen.de vorzunehmen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I. Die Antragstellerin wehrt sich gegen eine von dem Antragsgegner beabsichtigte und auf § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB gestützte Veröffentlichung von Mängeln, die der Antragsgegner anlässlich einer Kontrolle vom 23. August 2023 in einem der Lebensmittelmärkte der Antragstellerin (Filiale C-Straße, C-Stadt) festgestellt hat.

Der Antragsgegner teilte der Antragstellerin mit Schreiben vom 10. Oktober 2023 mit, er beabsichtige, folgende Punkte zu veröffentlichen:

"Produktbezeichnung: Nachteilig beeinflusste Lebensmittel, die im Lebensmitteleinzelhandel bereitgestellt, gelagert und hergestellt wurden.
Betriebsbezeichnung: A.
Standort: Filiale C-Straße, C-Stadt
Betreiber: E., vertr. durch Herrn F. und Herrn G.
Datum der Feststellung der Verstöße: 23.08.2023

Sachverhalt:

Obst- und Gemüseverkaufsbereich

1. Es wurde im Bereich der Öle ein Mäusebefall festgestellt.

Anlieferungsraum

2. Es wurde im Bereich des Rolltores zum Innenlager ein Mäusebefall festgestellt.

Backwarenvorbereitungsraum

3. Der Fußboden war insbesondere in den Rand- und Eckbereichen sowie unter und hinter den Einrichtungen verunreinigt.

Lager

4. Es wurde im Bereich neben dem Backwarenverkaufsraum Mäusebefall festgestellt.

Laden

5. Es wurde Mäusebefall festgestellt.

Verstöße behoben: Ja
Datum der Behebung der Verstöße: 30.08.2023

Rechtgrundlagen:

- Art. 4 Abs. 2 VO (EG) Nr. 852/2004 i.V.m. Anh. II Kap. I Nr. 1 Verordnung (EG) Nr. 852/2004 über Lebensmittelhygiene i.V.m. § 3 LMHV

- Art. 4 Abs. 2 VO (EG) Nr. 852/2004 i.V.m. Anh. II Kap. IX Nr. 3 Verordnung (EG) Nr. 852/2004 über Lebensmittelhygiene i.V.m. § 3 LMHV"

Dem Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss teilweise - soweit die Veröffentlichung die Angabe des Betreibers des Lebensmittelunternehmens enthalten sollte - entsprochen, im Wesentlichen aber abgelehnt.

II. Die hiergegen gerichtete, zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung insgesamt stattgeben müssen. Denn gemäß § 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO sind ein auf Unterlassung der beabsichtigten Veröffentlichung gerichteter Anordnungsanspruch der Antragstellerin sowie ein Anordnungsgrund (eine besondere Dringlichkeit) glaubhaft gemacht.

1. Ein Anordnungsgrund folgt daraus, dass der Antragsgegner die in Rede stehende Veröffentlichung bereits seit dem 10. Oktober 2023 vornehmen will und hiervon keinen Abstand genommen hat. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht in dem angefochtenen Beschluss darauf hingewiesen, dass die beabsichtigte Veröffentlichung faktisch irreversibel ist, da einmal öffentlich gewordene (Fehl-)Informationen auch durch spätere Gegendarstellungen, Richtigstellungen und sonstige Korrekturen in ihren Wirkungen regelmäßig nicht mehr vollständig eingefangen und beseitigt werden können.

2. Die Antragstellerin hat in ihrer Beschwerdebegründung dargelegt, dass auch der vom Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss (im Wesentlichen) verneinte Anordnungsanspruch vorliegt.

a) Der von der Antragstellerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch findet seine Rechtsgrundlage in der durch Art. 12 Abs. 1 GG (hier i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG) geschützten Berufsfreiheit der Antragstellerin. Der Anspruch setzt voraus, dass sich die Veröffentlichung als rechtswidriger Eingriff in dieses Grundrecht darstellt (vgl. Senatsbeschl. v. 22.2.2023 - 14 ME 357/22 -, juris Rn. 11 u. v. 20.10.2022 - 14 ME 304/22 -, juris Rn. 13; VGH BW, Beschl. v. 12.4.2021 - 9 S 661/21 -, juris Rn. 13 unter Bezugnahme auf BVerwG, Urt. v. 25.1.2012 - 6 C 9.11 -, juris Rn. 22). Diese Voraussetzungen sind hier aller Voraussicht nach erfüllt, weil die Veröffentlichung mit der beabsichtigten Formulierung rechtswidrig wäre.

b) Die Veröffentlichung kann nicht auf § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB gestützt werden. Nach dieser Norm informiert die zuständige Behörde die Öffentlichkeit unverzüglich unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels sowie unter Nennung des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt oder in den Verkehr gelangt ist, u.a. wenn der durch Tatsachen hinreichend begründete Verdacht besteht, dass gegen andere als in Nummern 1 und 2 des § 40 Abs. 1a Satz 1 LFGB (Grenzwerte, Höchstgehalte, Höchstmengen; stoffliche Verwendungsverbote) Vorschriften im Anwendungsbereich des LFGB, die dem Schutz der Endverbraucher vor Gesundheitsgefährdungen oder vor Täuschung oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, in nicht nur unerheblichem Ausmaß oder wiederholt verstoßen worden ist und die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens dreihundertfünfzig Euro zu erwarten ist oder eine Sanktionierung wegen einer Straftat zu erwarten ist und deswegen gemäß § 41 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten eine Abgabe an die Staatsanwaltschaft erfolgt ist. Die von dem Antragsgegner geplante Veröffentlichung entspricht diesen Maßgaben nicht.

aa) Klarzustellen ist, dass allein der vom Antragsgegner schlussendlich angenommene und im Text der beabsichtigten Veröffentlichung als "Datum der Feststellung der Verstöße" bezeichnete Kontrolltag - 23. August 2023 - maßgeblich ist, so dass nur Mängel, die bei der an diesem Tage im Lebensmittelmarkt der Antragstellerin durchgeführten Routinekontrolle festgestellt und dokumentiert wurden, zu berücksichtigen sind (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 30.9.2020 - 13 ME 377/19 -, juris Rn. 23).

bb) Ob und inwieweit der am 23. August 2023 im Rahmen der Kontrolle in dem Lebensmittelmarkt der Antragstellerin festgestellte Mäusebefall sowie die weiteren Mängel als solche und darüber hinaus auch nach der Bußgelderwartung den Tatbestand des § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB erfüllen, kann dahinstehen. Denn diese Norm gibt jedenfalls die hier konkret gewählte Rechtsfolge nicht her, weil sie die von dem Antragsgegner unter "Produktbezeichnung" gewählte Formulierung des Verstoßes "Nachteilig beeinflusste Lebensmittel, die im Lebensmitteleinzelhandel bereitgestellt, gelagert und hergestellt wurden" auch in Zusammenschau mit den im Rahmen der Wiedergabe des Sachverhalts aufgenommenen Formulierungen rechtlich nicht zulässt.

(1) Der Gesetzgeber hat in § 40 Abs. 1a Satz 1 LFGB außer der Bezeichnung des vom Verstoß betroffenen Lebensmittels und der Nennung des Lebensmittelunternehmens keine weiteren konkreten Vorgaben für die Veröffentlichung gemacht, so dass die Ausgestaltung der Veröffentlichung hinsichtlich der Art und Weise der Bezeichnung oder Darstellung eines Verstoßes gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften im Wesentlichen der Behörde, hier dem Antragsgegner, obliegt. Eine Veröffentlichung ist nicht zu beanstanden, wenn sie inhaltlich richtig (wahr) und bestimmt (klar) genug ist und möglichst schonend für das betroffene Lebensmittelunternehmen erfolgt sowie dem Zweck des § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB dient (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 16.1.2020 - 13 ME 394/19 -, juris Rn. 5 m.w.N.). Diese Anforderungen ergeben sich aus dem verfassungsrechtlichen Gebot, zur Herstellung eines schonenden Ausgleichs (praktischer Konkordanz) zwischen den betroffenen Verfassungsgütern (Grundrecht der Berufsfreiheit der Lebensmittelunternehmen aus Art. 12 Abs. 1, 19 Abs. 3 GG und öffentlicher Verbraucherschutz sowie Lebensmittelsicherheit, abgeleitet auch aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) einerseits dem Interesse der Verbraucher an richtiger und vollständiger Information über wesentliche Verstöße von Lebensmittelunternehmen gerecht zu werden, andererseits die Verhältnismäßigkeit eines derartigen staatlichen Informationshandelns zu wahren.

Nach der Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 40 Abs. 1a LFGB soll die Regelung vor allem eine hinreichende Grundlage für eigenverantwortliche Konsumentenscheidungen der Verbraucher schaffen (vgl. BT-Drs. 17/7374, S. 2). Daneben wird die Funktion des § 40 Abs. 1a LFGB hervorgehoben, zur Einhaltung der Bestimmungen des Lebensmittel- und Futtermittelrechts beizutragen. Der drohende Nachteil der Informationsverbreitung soll das einzelne Unternehmen dazu veranlassen, den Betrieb im Einklang mit den lebensmittel- und futtermittelrechtlichen Vorschriften zu betreiben (vgl. BT-Drs. 17/12299, S. 7). Das dient letztlich der Durchsetzung des allgemeinen Zwecks des Gesetzes, Gesundheitsgefahren vorzubeugen und abzuwehren und die Verbraucher vor Täuschung zu schützen (vgl. § 1 Abs. 1 LFGB; BVerfG, Beschl. v. 21.3.2018 - 1 BvF 1/13 -, juris Rn. 32).

Nur die Verbreitung richtiger Informationen ist zur Erreichung des mit der Norm legitimerweise verfolgten Informationszwecks überhaupt geeignet, und das Maß eines potentiellen Ansehensverlusts, der das Lebensmittelunternehmen aufgrund der mittelbar in dessen Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) eingreifenden Veröffentlichung trifft, hängt stark von der konkreten Darstellung der Informationen durch die Behörde ab (vgl. BVerfG, Beschl. v. 21.3.2018 - 1 BvF 1/13 -, juris Rn. 35, 39). Die zuständigen Behörden haben daher bei der Rechtsanwendung von Verfassungs wegen Vorkehrungen zu treffen, um die Richtigkeit der Informationen sicherzustellen und Fehlvorstellungen der Verbraucher zu vermeiden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 21.3.2018 - 1 BvF 1/13 -, juris Rn. 39; VGH BW, Beschl. v. 28.11.2019 - 9 S 2662/19 -, juris Rn. 19; OVG NRW, Beschl. v. 14.3.2019 - 13 B 67/19 -, juris Rn. 18).

(2) Dem genügt der in Aussicht genommene Veröffentlichungstext nicht. Die Antragstellerin beanstandet mit ihrer Beschwerdebegründung zu Recht und legt in einer § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügenden Weise dar, dass die Veröffentlichung keinen hinreichend konkreten Produktbezug aufweist. Sie ist deshalb unverhältnismäßig.

Ein hinreichender Produktbezug ergibt sich nicht aus der Formulierung "Nachteilig beeinflusste Lebensmittel, die im Lebensmitteleinzelhandel bereitgestellt, gelagert und hergestellt wurden". Diese Formulierung stellt sich - auch unter Berücksichtigung des zur Veröffentlichung vorgesehenen Sachverhalts - angesichts der dokumentierten Untersuchungsergebnisse vielmehr als für den Verbraucher irreführend dar.

(a) Der Text der geplanten Veröffentlichung suggeriert aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Lesers und mithin des Verbrauchers als Adressaten der Veröffentlichung, dass potentiell jedes Lebensmittel in dem Lebensmittelmarkt der Antragstellerin von den festgestellten Mängeln (eindeutig im Zentrum steht hier der Mäusebefall) betroffen und nachteilig beeinflusst sein konnte. Unter der Rubrik "Produktbezeichnung" fehlt es an jeglicher Eingrenzung; es ist lediglich von "Lebensmitteln" die Rede. Durch den Zusatz "bereitgestellte, gelagerte und hergestellte" wird verstärkend hervorgehoben, dass sämtliche Arten von Lebensmitteln betroffen sein sollten. Dementsprechend hatte der Antragsgegner in seiner ersten Anhörung zur Veröffentlichung vom 7. September 2023 auch noch die Formulierung "Alle Lebensmittel" vorgesehen. Die nunmehr gewählte Bezeichnung "nachteilig beeinflusst" stellt aus Sicht des Verbrauchers allerdings keine erkennbare Eingrenzung dar.

Eine Eingrenzung erfolgt auch nicht durch die weiteren Angaben in dem zur Veröffentlichung vorgesehenen Text. Das Gegenteil ist der Fall.

- Durch die Formulierung "Obst- und Gemüseverkaufsbereich 1. es wurde im Bereich der Öle ein Mäusebefall festgestellt" wird suggeriert, dass sämtliche Waren im gesamten Bereich des Obst- und Gemüseverkaufsbereichs potentiell betroffen sind.

- Durch die Formulierung "Anlieferungsraum 2. Es wurde im Bereich des Rolltores zum Innenlager ein Mäusebefall festgestellt" wird suggeriert, dass sämtliche Waren, die sich zu irgendeinem Zeitpunkt im Anlieferungsraum befanden, potentiell betroffen sind. Welche Waren dies sein könnten, bleibt unklar.

- Durch die Formulierung "Lager 4. Es wurde im Bereich neben dem Backwarenverkaufsraum Mäusebefall festgestellt" wird entsprechendes für das Lager suggeriert und überdies ein Bezug zum Backwarenverkaufsraum hergestellt, der nach unwidersprochener Einlassung der Antragstellerin irreführend sein dürfte, da es sich wohl um separate Räumlichkeiten handelt, die lediglich benachbart sind.

- Durch die Formulierung "Laden 5. Es wurde Mäusebefall festgestellt" wird schließlich bei den Verbrauchern die Vorstellung erweckt, dass sämtliche Waren im gesamten Verkaufsbereich potentiell betroffen sind. (Nur ergänzend wird darauf hingewiesen, dass diese Feststellung noch im Anhörungsschreiben vom 7. September 2023 allein dem 10. August 2023 und nicht dem hier allein maßgeblichen 23. August 2023 zugeordnet worden ist. Am 23. August 2023 wurde ausweislich der Niederschrift über die Kontrolle lediglich "auf einer Holzpalette" im Laden Mäusebefall festgestellt.)

(b) Welche Anforderungen an die Konkretheit des Produktbezuges zu stellen sind, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Zwar mögen daran je nach den Umständen bisweilen keine allzu hohen Anforderungen zu stellen sein (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 16.1.2020 - 13 ME 394/19 -, juris Rn. 11). Die gebotene Genauigkeit der Bezeichnung des Lebensmittels richtet sich jedoch nach dem jeweiligen Verstoß und ist ausgehend von diesem zu bestimmen. Dabei können sich die Anforderungen an die Bestimmtheit des Produktbezugs auch je nach Betriebsart unterscheiden. So können unhygienische Zustände in einem Betrieb, in dem Lebensmittel hergestellt oder verarbeitet werden, durchaus die Annahme rechtfertigen, dass jedes in diesem Betrieb hergestellte oder verarbeitete Lebensmittel von diesen Zuständen potentiell betroffen ist (vgl. zu einem solchen Fall NdsOVG, Beschl. v. 1.2.2019 - 13 ME 27/19 -, juris Rn. 10). Aufgrund der erheblichen Wirkungen einer Veröffentlichung für den betroffenen Unternehmer ist aber stets zu fordern, dass die Bezeichnung so genau wie im konkreten Fall sinnvoll und möglich erfolgt, um dem Eindruck vorzubeugen, es seien Lebensmittel betroffen, bei denen das gar nicht der Fall ist. Ein pauschaler "Rundumschlag", mit dem sämtliche durch einen Betrieb in Verkehr gebrachten Lebensmittel zum Gegenstand der Veröffentlichung gemacht werden, dürfte im Regelfall unzulässig sein, wenn unklar bleibt, ob und inwieweit sich die begangenen Verstöße auf sämtliche im Verantwortungsbereich des Unternehmers befindliche Produkte ausgewirkt haben können. Insbesondere bei Hygieneverstößen ist ein genereller Hinweis auf alle im betroffenen Betrieb hergestellten, verarbeiteten, zubereiteten oder in Verkehr gebrachten Erzeugnisse nur dann zulässig, wenn sich der Mangel auf sämtliche von der Sammelbezeichnung erfassten Erzeugnisse ausgewirkt haben kann. Daraus folgt jedoch nicht, dass bei Hygieneverstößen - oder auch in einem Fall wie dem hier vorliegenden (Schädlingsbefall) - als Voraussetzung einer Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a S. 1 Nr. 3 LFGB stets eine nachteilige Beeinflussung bestimmter Lebensmittel für jeden Einzelfall konkret nachgewiesen sein muss. Vielmehr genügt es, wenn aufgrund der Art des festgestellten Hygieneverstoßes ein deutlich erhöhtes Risiko für eine nachteilige Beeinflussung der betroffenen Erzeugnisse besteht (vgl. zum Ganzen Holle, in: Streinz/Meisterernst/Holle, 1. Aufl. 2021, Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch, § 40 Rn. 148, 151, 153-154 m.w.N.).

(c) Dies zugrunde gelegt, darf der Antragsgegner nicht pauschal alle Lebensmittel in dem Lebensmittelmarkt der Antragstellerin zum Gegenstand seiner Veröffentlichung machen. Denn für nennenswerte Teile des Warenbestandes dieses Lebensmittelmarktes ist es jedenfalls nicht hinreichend aufgeklärt bzw. erscheint es sogar ausgeschlossen, ob bzw. dass sich die festgestellten Mängel (Mäusebefall und Verunreinigungen im Backwarenvorbereitungsraum) auf diese nachteilig ausgewirkt haben können.

Das ergibt sich bereits aus den Feststellungen des Antragsgegners zu der - wie oben dargelegt maßgeblichen - Kontrolle am 23. August 2023. Die Niederschrift über die entsprechende amtliche Kontrolle enthält nämlich die folgenden Angaben:

- Folgende Räume/Kontrollbereiche waren ohne Mängel/Abweichungen: Verkaufsraum

- Folgende Räume/Kontrollbereiche wurden nicht überprüft: Fleisch/Wurst SB-Bereich, Kühllager, Tiefkühllager, (...) Käseverkaufsbereich, Kühlhaus Mopro, Gefrierraum, (...) Fleisch/Wurst Tresenbereich, Fleisch/Wurst Kühlraum (...).

Daraus ist klar ersichtlich, dass weite, abgrenzbare Bereiche des Lebensmittelmarktes keiner Kontrolle unterzogen wurden. Da es sich bei den in diesen Bereichen angebotenen Waren zumindest zu einem großen Teil um solche handelt, die in separaten Behältnissen bzw. Theken gelagert und angeboten werden (Fleisch, Wurst, Käse, Tiefkühlware), ist nicht nachvollziehbar, wie eine nachteilige Beeinflussung der Lebensmittel durch Mäuse, deren Spuren zudem nur in einem gänzlich anderen Bereich des Lebensmittelmarktes aufgefunden wurden, überhaupt erfolgt sein könnte. Überdies ergibt sich aus der Niederschrift gerade kein Befall des Verkaufsraums. Der Hinweis "In dem Bereich Verkaufsraum wurden die Mängel nicht doppelt erwähnt" passt nicht im Ansatz zu der vorhergehenden ausdrücklichen Feststellung, dass im Verkaufsraum keine Mängel/Abweichungen vorgefunden worden sind. Gleiches gilt für die entsprechende Feststellung im Vermerk vom 24. August 2023.

Unabhängig davon teilt der Senat nicht die Auffassung des Antragsgegners, dass bei einem Mäusebefall eines Lebensmittelmarktes in dem hier dokumentierten Ausmaß (vgl. zu einer anderen Konstellation OVG Bremen, Beschl. v. 25.2.2022 - 1 B 487/21 -, juris) pauschal von einer nachteiligen Beeinflussung eines jeglichen Lebensmittels in diesem Markt ausgegangen werden kann. Die Antragstellerin weist zu Recht darauf hin, dass in ihrem Markt viele Lebensmittel verpackt, teilweise sogar gesondert eingeschweißt sind. Zu der Möglichkeit einer nachteiligen Beeinflussung auch solcher Lebensmittel wären zumindest gesonderte Feststellungen erforderlich. Feststellungen, dass beispielsweise Verpackungen durch die Mäuse beschädigt worden sind (Anfraßspuren), finden sich in den Aufzeichnungen des Antragsgegners jedoch nicht.

Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts,

"Vorliegend ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass Lebensmittel im Lebensmittelmarkt der Antragstellerin zum Teil durch Aerosole und tierische Ausscheidungen nachteilig beeinträchtigt wurden. Aus dem Verwaltungsvorgang ergibt sich, dass der Lebensmittelmarkt der Antragstellerin mit Mäusen befallen war. Dies folgt aus den Inspektionsberichten und dem Schlagfallenplan sowie den entsprechenden Lichtbildern und Kontrollberichten zum Auffinden von Mäusekot.

Durch Ausscheidungen von Mäusen können Hantaviren übertragen werden. Die Viren werden von infizierten Tieren über Speichel, Urin und Kot ausgeschieden. Der Mensch infiziert sich über den Kontakt mit Ausscheidungen, wenn kontaminierter Staub aufgewirbelt und die Erreger eingeatmet werden. Ein direkter Kontakt mit den Mäusen oder dem Mäusekot ist zur Ansteckung nicht notwendig. Besonders hoch ist die Infektionsgefahr in Monaten April bis September (vgl. Merkblatt des Robert Koch Instituts "Informationen zur Vermeidung von Hantavirus-Infektionen, online abrufbar https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/H/Hantavirus/Merkblatt_PDF.pdf?__blob=publica-tionFile).

Aufgewirbelter Staub kann sich auf den Flächen, die zur Herstellung und Aufbewahrung von Lebensmitteln verwendet werden, absetzen und diese kontaminieren. Zudem halten sich Mäuse nicht allein auf dem Boden auf, sondern sind in der Lage, auch Regale zu erklettern. Dies gehört auch zu ihrer üblichen Lebensweise. In diesem Zusammenhang ist eine Kontamination von unverpackten Lebensmitteln durch Urin oder Speichel der Mäuse ebenfalls höchst wahrscheinlich (so auch VG Hannover, Beschl. v. 10.5.2021, 15 B 4762/20, V.n.b.). Bereits die Tatsache, dass Mäuse in den Räumlichkeiten des Lebensmittelmarktes gewesen sind, kann zu einer Kontamination der dort vorhandenen Lebensmittel führen (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 3.11.2022, 9 B 1077/22, juris Rn. 17)."

stellen vor allem - wie auch in weiten Teilen die Ausführungen des Antragsgegners in seinem Mitteilungsschreiben vom 10. Oktober 2023 - auf eine allgemeine Infektionsgefahr mit dem Hantavirus durch den Aufenthalt im Lebensmittelmarkt der Antragstellerin ab. Konkrete Feststellungen, die eine nachteilige Beeinflussung von Lebensmitteln nahelegen, finden sich nur zu im Lebensmittelmarkt der Antragstellerin (auf kontaminierten Flächen) gelagerten unverpackten bzw. (so der Antragsgegner) hergestellten Lebensmitteln. Die Feststellung einer allgemeinen Ansteckungsgefahr (sollte sie denn aus dem vorliegenden Sachverhalt überhaupt herzuleiten sein) bei einem Aufenthalt in dem Lebensmittelmarkt reicht allerdings im Rahmen des § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 LFGB nicht aus. Dies käme einer nicht lebensmittelbezogenen allgemeinen Warnung vor unhygienischen Verhältnissen gleich, die § 40 Abs. 1 a LFGB nicht vorsieht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nrn. 25.2 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Beilage 2/2013 zu NVwZ-Heft 23/2013, S. 57 ff.). In Anbetracht der mit dem Antrag begehrten Vorwegnahme der Hauptsache sieht der Senat von einer Reduzierung des Streitwertes ab.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).