Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 12.08.2011, Az.: 2 NB 439/10

Vorläufige Zulassung auf einen Vollstudienplatz zum Studium der Humanmedizin; Bundesrechtliche Verpflichtung zur Erhöhung der Lehrdeputate wegen der Erhöhung der Arbeitszeit im öffentlichen Dienst und wegen des Hochschulpakts 2020; Auswirkungen der bundesrechtlichen Verpflichtung auf den Anrechnungsfaktor für den importierenden Bachelor-Studiengang Molekulare Medizin

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
12.08.2011
Aktenzeichen
2 NB 439/10
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2011, 22507
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2011:0812.2NB439.10.0A

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Hinsichtlich der Angemessenheit des Lehrdeputats besteht ein Bewertungsvorrecht der Wissenschaftsverwaltungen der Länder.

  2. 2.

    Aus dem Hochschulpakt 2020 folgt keine Pflicht der Bundesländer zur einer Erhöhung des Lehrangebots.
    Er begründet ebenso wenig einen einklagbaren Anspruch eines einzelnen Studienplatzbewerbers für einen bestimmten Studiengang.

Gründe

1

I.

Durch Beschlüsse vom 4. November 2010, auf die wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und der Begründung Bezug genommen wird, hat das Verwaltungsgericht Göttingen die Antragsgegnerin verpflichtet, den Antragsteller zu 15. im 3. Fachsemester und einen weiteren Antragsteller im 4. Fachsemester auf einen Vollstudienplatz zum Studium der Humanmedizin zuzulassen, und die Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes - die, soweit für die vorliegenden Beschwerdeverfahren von Interesse, auf die vorläufige Zulassung auf einen Vollstudienplatz, hilfsweise einen Teilstudienplatz (Antragsteller zu 1. bis 4.) bzw. nur auf einen Teilstudienplatz (Antragsteller zu 5. bis 14.) im 1. Fachsemester gerichtet sind - im Übrigen abgelehnt.

2

Gegen diese Entscheidung richten sich die Beschwerden der Antragsteller zu 1. bis 14., die ihren erstinstanzlichen Antrag jeweils weiterverfolgen, und die Beschwerde der Antragsgegnerin im Fall des Antragstellers zu 15. mit dem Begehren, den Antrag dieses Antragstellers (der erstinstanzlich auf die vorläufige Zulassung auf einen Vollstudienplatz, hilfsweise einen Teilstudienplatz, im 3. Fachsemester, hilfsweise 2. bzw. 1. Fachsemester gerichtet war) abzulehnen.

3

Die Antragsgegnerin hat nach ihren Angaben in erster Instanz im 1. Fachsemester 133 Studierende auf Vollstudienplätzen sowie 73 Studierende auf Teilstudienplätzen immatrikuliert, wobei im Nachrückverfahren noch weitere zwei Zulassungen auf Vollstudienplätzen erfolgen würden, sodass die festgesetzte Kapazität (135 Voll- und 73 Teilstudienplätze) jeweils ausgeschöpft sei. Im 3. Fachsemester sind hiernach 135 Studierende auf Vollstudienplätzen und 75 Studierende auf Teilstudienplätzen immatrikuliert, sodass die festgesetzte Kapazität (134 Voll- und 74 Teilstudienplätze) ebenfalls erschöpft sei.

4

II.

Die Antragsteller zu 1. bis 4. haben mit ihren Beschwerden, soweit sie einen Anspruch auf vorläufige Zulassung auf einen Vollstudienplatz verfolgen, keinen Erfolg (dazu 1.). Gleiches gilt für die auf vorläufige Zulassung auf einen Teilstudienplatz gerichteten Beschwerden dieser Antragsteller und der Antragsteller zu 5. bis 14. (dazu 2.). Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die vorläufige Zulassung des Antragstellers zu 15. auf einen Vollstudienplatz im 3. Fachsemester mit dem Antrag, den Antrag des Antragstellers zu 15. insgesamt abzulehnen, hat Erfolg (dazu 3.).

5

1.

Die Anträge der Antragsteller zu 1. bis 4. auf vorläufige Zuteilung eines Vollstudienplatzes bleiben erfolglos.

6

Einwände hinsichtlich der Zuteilung eines Vollstudienplatzes innerhalb der festgesetzten Kapazität haben diese Antragsteller nicht erhoben. Gleiches gilt für die vorrangig begehrte Zuteilung eines Vollstudienplatzes außerhalb der Kapazität. Während ihr Hauptantrag auch in der Beschwerdeinstanz jeweils auf die vorläufige Zulassung auf einen Vollstudienplatz gerichtet ist, wenden sie sich in ihren Beschwerdebegründungen hingegen allein gegen die von dem Verwaltungsgericht im Rahmen der Kapazitätsprüfung von Teilstudienplätzen akzeptierte Berechnung des Lehrangebots und der Lehrnachfrage (personenbezogene Kapazität) seitens der Antragsgegnerin. Einwände gegen die von dem Verwaltungsgericht überprüfte Kapazitätsauslastung anhand der für Vollstudienplätze allein maßgeblichen patientenbezogenen Kapazität haben diese Antragsteller hingegen nicht erhoben, sodass ihre Beschwerden nach § 146 Abs. 4 Sätze 3 und 6 VwGO insoweit bereits deshalb keinen Erfolg haben können.

7

2.

Hinsichtlich der Teilstudienplätze in der vorklinischen Ausbildung gilt Folgendes:

8

Einwände dergestalt, dass nicht alle Teilstudienplätze innerhalb der festgesetzten Kapazität besetzt worden seien, haben die Antragsteller nicht erhoben, sodass sich mit Blick auf § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO insoweit eine Nachprüfung seitens des Senats erübrigt.

9

Die Einwände der Antragsteller gegen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Berechnung der Zahl der Teilstudienplätze außerhalb der festgesetzten Kapazität betreffen die Ermittlung des Lehrangebots (dazu 2.1) und der Lehrnachfrage (dazu 2.2).

10

2.1

Die Antragsteller zu 1. bis 4. tragen in diesem Zusammenhang vor, es bestehe eine bundesrechtliche Verpflichtung zur Erhöhung der Lehrdeputate wegen der Erhöhung der Arbeitszeit im öffentlichen Dienst und mit Blick auf den Hochschulpakt 2020, der Anrechnungsfaktor für den importierenden Bachelor-Studiengang Molekulare Medizin sei statt f = 1,0 auf 0,8 festzusetzen und der Curricularnormwert bei den Exportstudiengängen sei nicht wie erforderlich normativ festgesetzt worden. Zudem machen diese Antragsteller wie auch die übrigen Antragsteller geltend, das Verwaltungsgericht habe die von der Antragsgegnerin vorgenommenen Deputatsreduzierungen für die Wahrnehmung besonderer Aufgaben zu Unrecht in vollem Umfang anerkannt. Mit dieser Kritik dringen sie nicht durch.

11

2.1.1

Soweit die Antragsteller zu 1. bis 4. das von der Antragsgegnerin und dem Verwaltungsgericht berechnete Lehrangebot deshalb in Frage stellen, weil mit Blick auf die Arbeitszeiterhöhungen im öffentlichen Dienst die Lehrdeputate des Lehrpersonals insgesamt zu erhöhen seien, ist dem Folgendes entgegenzuhalten:

12

Die Regel- und Höchstlehrverpflichtungen der einzelnen Lehrpersonen bestimmen sich grundsätzlich nach § 9 Abs. 1 KapVO und § 4 der Verordnung über die Lehrverpflichtung an Hochschulen (Lehrverpflichtungsverordnung - LVVO -) vom 2. August 2007 (Nds. GVBl. S. 408) - im Folgenden: LVVO 2007 -. Hieraus hat der Senat in ständiger Rechtsprechung (vgl. zuletzt Beschl. v. 16.2.2011 - 2 NB 438/10 -; Beschl. v. 2.9.2010 - 2 NB 394/09 u.a. -, [...] Langtext Rdnr. 28; Beschl. v. 25.11.2009 - 2 NB 648/08 u.a. -; Beschl. v. 1.9.2009 - 2 NB 620/09 u.a. -; Beschl. v. 2.7.2009 - 2 NB 353/08 u.a. -; Beschl. v. 27.2.2009 - 2 NB 154/08 u.a. -, [...] Langtext Rdnr. 32 m.w.N.) gefolgert, die im Hinblick auf die Verlängerung der Arbeitszeiten im öffentlichen Dienst und mit Blick auf die Regelung in anderen Bundesländern geforderte Erhöhung des Lehrangebots um eine oder mehrere Lehrveranstaltungsstunde(n) - LVS - sei angesichts seiner normativen Festlegung nicht möglich. Hieran hält der Senat trotz des Vorbringens der genannten Antragsteller fest. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich der Senat anschließt, gibt es hinsichtlich der Angemessenheit des Lehrdeputats ein Bewertungsvorrecht der Wissenschaftsverwaltung (Nachweise aus der Rspr. bei Zimmerling/Brehm, Hochschulkapazitätsrecht, 2003, Rdnr. 129 in Fn. 320). Nach Art. 70 GG fällt die Hochschulzulassung und mithin auch die Regelung der Lehrverpflichtung des wissenschaftlichen Personals an den Hochschulen in die Kompetenz des jeweiligen Bundeslandes. Der Hinweis auf die normative Erhöhung der Lehrdeputate in anderen Bundesländern rechtfertigt daher ein anderes Ergebnis ebenso wenig wie derjenige auf §§ 29 Abs. 1 Satz 1, 30 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 HRG. Im Übrigen ist es nicht Aufgabe eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, das normativ in der Lehrverpflichtungsverordnung zum Ausdruck kommende Austarieren der beteiligten Belange der Wissenschaft in Forschung und Lehre, der Ausbildung und der Gesundheitspflege durch das Gericht in Frage zu stellen. Dies gilt jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem durchgreifende Anhaltspunkte für Rechtsfehler nicht vorgetragen worden sind.

13

2.1.2

Der Hinweis der Antragsteller zu 1. bis 4. auf den zwischen dem Bund und den Ländern vereinbarten Hochschulpakt 2020 und die hierzu beschlossene Verwaltungsvereinbarung der Paktpartner (Bundesanzeiger Nr. 171 v. 12.9.2007, S. 7480) führt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats, die mit der der übrigen Obergerichte übereinstimmt, ebenfalls nicht zu einer Erhöhung des Lehrangebots. Für den von diesen Antragstellern angemahnten "Nicherfüllungszuschlag" in Höhe von fünf bis zehn Prozentpunkten auf die festgesetzte Zahl der Studienplätze ist daher kein Raum.

14

Bei diesem Hochschulpakt und dieser Verwaltungsvereinbarung handelt es sich um eine politische Absichtserklärung des Landes Niedersachsen gegenüber dem Bund und den übrigen Ländern der Bundesrepublik Deutschland, bis zum Jahr 2020 ein der erwarteten steigenden Nachfrage insgesamt entsprechendes Studienangebot bereitzustellen. Des Weiteren wird die Verteilung der von dem Bund bereit gestellten Fördermittel auf die Länder geregelt. Die Antragsgegnerin weist zu Recht darauf hin, dass die Verteilung der Studienanfängerplätze auf die Fächerstruktur in der alleinigen Planungshoheit der Länder verbleibt, sodass sich ein einklagbarer Anspruch eines einzelnen Studienplatzbewerbers für einen bestimmten Studiengang - hier: Humanmedizin - hieraus nicht ableiten lässt. Der Hochschulpakt 2020 stellt mithin eine allein die Hochschulfinanzierung betreffende Verwaltungsvereinbarung dar, die zwar Pflichten zwischen Bund und Ländern begründet, der jedoch entgegen der Ansicht der Antragsteller keine drittbegünstigende Wirkung in dem Sinne beigemessen werden kann, dass hierdurch Ansprüche von Studienplatzbewerbern auf Verwendung von auf der Grundlage dieser Vereinbarung zur Verfügung gestellten Mitteln zum Ausbau der Kapazität gerade in dem Studienfach begründet würden, das sie studieren wollen. Dies gilt auch dann, wenn der betreffende Studiengang wie hier mit einem "harten" Numerus Clausus belegt ist (vgl. hierzu Senat, Beschl. v. 10.12.2010 - 2 NB 199/10 u.a. -; Beschl. v. 2.9.2010 - 2 NB 394/09 u.a. -, [...] Langtext Rdnr. 29; Beschl. v. 25.11.2009 - 2 NB 648/08 u.a. -; Beschl. v. 1.9.2009 - 2 NB 620/08 u.a. -; ebenso: VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 28.6.2010 - NC 9 S 1056/10 -; Bayerischer VGH, Beschl. v. 11.3.2010 - 7 CE 10.10075 -, [...] Langtext Rdnr. 18 f.; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 9.9.2009 - 1 M 38/09 u.a. -, NordÖR 2010, 214, 215; Hamburgisches OVG, Beschl. v. 26.10.2010 - 3 Nc 96/09 -, [...] Langtext Rdnr. 8; Beschl. v. 27.8.2008 - 3 Nc 141/07 -, [...] Langtext Rndr. 45; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 17.3.2011 - 13 C 26/11 -, [...] Langtext Rdnr. 3 f.; Beschl. v. 9.7.2010 - 13 C 264/10 u.a. -; [...] Langtext Rdnr. 2; Beschl v. 8.5.2008 - 13 C 135/08 -; OVG Bremen, Beschl. v. 23.2.2011 - 2 B 356/10 -, [...] Langtext Rdnr. 28; Beschl. v. 17.3.2010 - 2 B 409/09 -, [...] Langtext Rdnr. 29 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.3.2009 - 5 NC 89.08 -, [...] Langtext Rdnr. 32; OVG Saarland, Beschl. v. 18.9.2009 - 2 B 431/09 -, [...] Langtext Rdnr. 21 m.w.N.).

15

2.1.3

Die Antragsteller greifen die von dem Verwaltungsgericht unter Hinweis auf die bisherige Rechtsprechung des Senats auf der Grundlage des § 7 Abs. 3 der Verordnung über die Lehrverpflichtung an Hochschulen (Lehrverpflichtungsverordnung - LVVO) vom 11. Februar 2000 (Nds. GVBl. S. 18, 91) - im Folgenden: LVVO 2000 - und jetzt § 7 Abs. 2 LVVO 2007 anerkannten Lehrdeputatsverminderungen in Höhe von 28 LVS wegen besonderer Dienstaufgaben in einem Umfang von 24 LVS (außer Prof. Dr. AE. als Dekan) erfolglos an. Im Einzelnen handelt es sich um Deputatsreduzierungen in einem Umfang von jeweils 2 LVS für Prof. Dr. AF. als Sprecher des Forschungszentrums Molekularphysiologie des Gehirns (ZMPG), als Direktor des European Neuroscience Instituts (ENI-G) sowie als Sprecher des Exzellenzclusters EXC-171 Mikroscopy at the nanometer range (insgesamt 6 LVS), für Prof. Dr. AG. als geschäftsführender Leiter des Göttinger Zentrums für Molekulare Biowissenschaften (2 LVS), für Prof. Dr. AH. als Leiter des Master- und PhD-Studiengangs Neuroscience und Koordinator des Projektbereichs A 2 im Forschungszentrum Molekularphysiologie des Gehirns -CMPB - (insgesamt 4 LVS), für Prof. Dr. AI. als Promotor der Fakultät (2 LVS), in einem Umfang von 4 LVS für Dr. AJ. als Betreuer der zwei Transmissions- und Rasterelektronenmikroskope in der Elektronenmikroskopie sowie in einem Umfang von insgesamt 6 LVS für Prof. Dr. Dr. AK. als Prosektor (Betreuer) des Anatomischen Instituts für das Leichenwesen (4 LVS) und für einen Lehrauftrag im Rahmen eines Lehrexportes von 2 SWS im Studiengang Transdisziplinäre Anthropologie an der Universität AL. (2 LVS). Dazu im Einzelnen:

16

2.1.3.1

Der Einwand der Antragsteller zu 5. bis 14., § 7 Abs. 2 LVVO 2007 stehe mit der Vorschrift des § 25 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 HRG nicht in Einklang, ist unberechtigt. Hiernach bleibt die Verpflichtung derjenigen Hochschulmitglieder, die im Rahmen ihrer dienstlichen Aufgaben aus Mitteln Dritter finanzierte Forschungsvorhaben durchführen, zur Erfüllung ihrer übrigen Dienstaufgaben unberührt. Die "übrigen Dienstaufgaben" bestimmen sich aber gerade auch nach der auf der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage des § 21 Abs. 2 Satz 1 NHG beruhenden LVVO 2007.

17

Der Hinweis dieser Antragsteller auf Ziffer 4.2 der KMK-Vereinbarung über die Lehrverpflichtung an Hochschulen vom 12. Juni 2003 (abrufbar unter www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen) geht fehl. In diesem Beschluss der Kultusministerkonferenz haben sich die Kultus- und Wissenschaftsministerien der Länder darauf verständigt, darauf hinzuwirken, dass die Lehrverpflichtung in den Ländern nach Maßgabe dieser Vereinbarung dienstrechtlich geregelt wird. In der genannten Ziffer wird vorgeschlagen, dass die Entscheidung über die Ermäßigung der Lehrverpflichtung von Hochschulbediensteten für die Wahrnehmung weiterer Aufgaben und Funktionen in der Hochschule wie etwa die Sprecherfunktion von Sonderforschungsbereichen den Kultus- und Wissenschaftsministerium obliegt. Hieraus kann aber nicht - wie es die Antragsteller zu 5. bis 14. tun - geschlossen werden, dass § 7 Abs. 2 LVVO 2007, der diese Entscheidung auf das Präsidium der Hochschule - unter der Voraussetzung des Einvernehmens mit der Fakultät - delegiert, unwirksam ist. Unabhängig davon, dass dem Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 12. Juni 2003 keine drittschützende Wirkung zukommt, ist nicht ersichtlich, dass durch die genannte Ziffer dieses Beschlusses eine weitere Delegation der Zuständigkeit des an sich zuständigen Wissenschaftsministeriums an die Hochschule ausgeschlossen sein soll. Aufgrund der fehlenden drittschützenden Wirkung dieses Beschlusses vom 12. Juni 2003 können die Antragsteller zu 5. bis 14. auch aus dessen Ziffer 4.5, der die Wahrnehmung von Aufgaben im öffentlichen Interesse außerhalb der Hochschule zum Gegenstand hat, nichts für sich herleiten.

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Gleiches gilt für den Einwand der Antragsteller zu 5. bis 14., das Verwaltungsgericht habe die Bestimmung des § 46 NHG übersehen. Hiernach kann der Senat einer Hochschule, die im Rahmen der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder zur Förderung von Wissenschaft und Forschung an deutschen Hochschulen gefördert wird, im Einvernehmen mit dem Hochschul- oder dem Stiftungsrat und mit Zustimmung des Fachministeriums Abweichungen von bestimmten Regelungen des Niedersächsischen Hochschulgesetzes zur Erprobung neuer Modelle der Leitung, Steuerung und Organisation vornehmen, um die Realisierung der geförderten Maßnahmen sicherzustellen. Nicht gerechtfertigt ist die Schlussfolgerung der genannten Antragsteller, die Einführung von Exzellenzclustern dürfe nicht zu Lasten der Lehrverpflichtung und damit der Ausbildungskapazität gehen, weil in den in § 46 Satz 1 NHG in Bezug genommenen Vorschriften der §§ 6, 26, 30 und 36 bis 45 NHG von einer Verminderung der Lehrverpflichtung nicht die Rede sei. Denn die genannten Vorschriften geben für die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Ermäßigung von Lehrverpflichtungen nichts her.

19

Soweit die genannten Antragsteller in diesem Zusammenhang weiter darauf verweisen, dass eine Reihe von Bundesländern zwischenzeitlich trotz verstärkter Drittmittelforschung und der Einführung von Exzellenzclustern die Regellehrverpflichtung der Hochschullehrer von 8 LVS auf 9 LVS erhöht habe, während sich das Land Niedersachsen diesem "modernen Trend" nicht angepasst habe, und hieraus die Schlussfolgerung ableiten, dass die Ermäßigung der Lehrverpflichtung wegen der Übernahme von Aufgaben im Bereich von Sonderforschungsbereichen und Exzellenzclustern zumindest "zweifelhaft" sei, dringen sie ebenfalls nicht durch. Nach Art. 70 GG fällt die Regelung der Lehrverpflichtung des wissenschaftlichen Personals an den Hochschulen in die Kompetenz des jeweiligen Bundeslandes. Der Hinweis dieser Antragsteller auf die Erhöhung der Lehrdeputate in anderen Bundesländern führt daher nicht weiter. Im Übrigen ist es - wie bereits ausgeführt - nicht Aufgabe eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, das normativ in der Lehrverpflichtungsverordnung zum Ausdruck kommende Austarieren der beteiligten Belange in Frage zu stellen.

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Gleiches gilt für die von den Antragstellern zu 5. bis 14. aufgeworfene Frage nach der Reichweite der Ermächtigungsgrundlage für die Lehrverpflichtungsverordnung in § 21 Abs. 2 NHG. Hiernach wird das Fachministerium ermächtigt, den "durchschnittlichen Umfang" der Lehrverpflichtung des wissenschaftlichen Personals durch Verordnung zu regeln. Aus dieser Formulierung folgern die genannten Antragsteller zu Unrecht, dass im Einzelfall die Lehrverpflichtung einer Lehrperson nur ermäßigt werden könne, wenn im Gegenzug zugleich bei einer anderen Lehrperson die Lehrverpflichtung entsprechend erhöht werde. Die Antragsgegnerin weist zu Recht darauf hin, dass sich der Begriff des "Durchschnitts" auf die einzelne Lehrperson und damit auf die in § 4 Abs. 1 LVVO 2007 bestimmte Regellehrverpflichtung der Lehrpersonen bezieht, sodass sich hieraus nicht eine Gesamtunterrichtsverpflichtung des gesamten Lehrpersonals als Grenze für die Reduzierung der Lehrverpflichtung im Einzelfall ableiten lässt.

21

2.1.3.2

Die Deputatsreduzierungen begegnen auch unter Ermessensgesichtspunkten keinen rechtlichen Bedenken.

22

Nach § 7 Abs. 2 LVVO 2007 - wie zuvor nach § 7 Abs. 3 LVVO 2000 - kann das Präsidium der Hochschule im Einvernehmen mit der Fakultät die Lehrverpflichtung unter Berücksichtigung des notwendigen Lehrbedarfs auf Antrag ermäßigen. Mit Blick auf das Gebot der vollständigen Kapazitätsausschöpfung muss auch bei derartigen organisatorischen Maßnahmen der Hochschule, die sich im Einzelfall auf das stellenbezogene Lehrangebot auswirken, eine Ermessensentscheidung getroffen werden, bei der auch die Belange der Studienplatzbewerber in die Interessenabwägung einbezogen werden müssen. Wie die Hochschulverwaltung die entscheidungserheblichen Belange im Einzelnen gewichtet und gegeneinander abwägt, unterliegt dabei ihrem Stellendispositionsermessen, und zwar auch soweit es um die Belange der Studienplatzbewerber geht. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle der Festsetzung von Zulassungszahlen hat allein die Einhaltung der durch das Kapazitätserschöpfungsgebot gezogenen rechtlichen Grenzen dieses Ermessens zum Gegenstand. Die Grenzen bestehen darin, dass die Hochschule tatsächlich eine planerische Abwägung vornimmt, dass sie willkürfrei auf der Grundlage eines vollständigen Sachverhalts abwägt und ferner dabei den Belangen der Studienplatzbewerber ein Gewicht beimisst, das ihren Grundrechten Geltung verschafft und nicht von vornherein dem Gewicht der grundrechtlich geschützten Rechtssphären von Hochschulen, Lehrpersonen und Studierenden untergeordnet wird (BVerwG, Urt. v. 23.7.1987 - BVerwG 7 C 10.86 u.a. -, NVwZ 1989, 360 = [...] Langtext Rdnr. 40).

23

Hiervon ausgehend sind Ermessensfehler weder hinreichend vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Antragsgegnerin hat in der Anlage 4 ihrer Kapazitätsunterlagen das Protokoll der Sitzung des Fakultätsrats vom 18. Mai 2009 sowie die gegenüber den Lehrpersonen ergangenen Bescheide des Dekans der Medizinischen Fakultät vorgelegt. Diese Sitzung des Fakultätsrats fand vor dem für das Wintersemester 2010/2011 maßgeblichen Stichtag des 1. Februar 2010 statt. Ausweislich des Protokolls hat sich der Fakultätsrat mit den beantragten Deputatsreduzierungen befasst und hinsichtlich der positiv beschiedenen Anträge ausgeführt, die Lehrpersonen nähmen Sonderfunktionen wahr, die im Interesse von Forschung und Lehre oder Krankenversorgung unentbehrlich seien und das Profil der Universitätsmedizin Göttingen erheblich stärken würden. Soweit mit der Reduzierung ihrer Lehrverpflichtung im Ergebnis ein Verlust von Studienplätzen einhergehe, müsse dies in Kauf genommen werden, zumal jeder der Lehrpersonen für seine Sonderfunktion mehr Zeit aufwende, als ihm an Zeitaufwand durch die Deputatsminderung abgenommen werde. Im Lichte der Lehrverpflichtungsverordnung und mit Blick auf die Wichtigkeit der Sonderfunktionen sei der Deputatsreduzierung der Vorzug vor den Interessen an der Erhöhung der Lehrkapazitäten zu geben. Diese Erwägungen genügen den oben aufgezeigten Anforderungen.

24

Ohne Erfolg führen die Antragsteller zu 5. bis 14. in diesem Zusammenhang an, die Verminderung der Lehrverpflichtung der Hochschullehrer gemäß § 7 Abs. 2 LVVO 2007 komme mit Blick auf die ständig steigende Zahl der Studienplatzbewerber und die Dauer der Wartezeit in einem "harten NC-Fach" wie hier in dem Studiengang Humanmedizin bereits dem Grunde nach nicht in Betracht, solange nicht bundesweit zahlreiche neue Studienplätze in diesem Studiengang geschaffen würden. Den Antragstellern ist zwar zuzugestehen, dass die universitären Aufgaben in Forschung und Lehre (sowie der Krankenversorgung) grundsätzlich gleichrangig nebeneinander bestehen und eine "inflationäre" Verlagerung von Aufgaben in die Forschung oder in Bereiche der Verwaltung zulasten der Lehre Bedenken begegnet. Die Schlussfolgerung der Antragsteller, dass Lehrdeputatsverminderungen grundsätzlich nur zulässig sind, wenn die betreffenden Tätigkeiten primär auch der Lehre zugute kommen, ist indes nicht gerechtfertigt. Dass der Umfang der hier im Streit stehenden Deputatsverminderungen von 24 LVS für sechs Lehrpersonen mit Blick auf die Gesamtzahl von 70 Stellen und 430 LVS (und damit rund 5 v. H.) unter dem Gesichtspunkt des Kapazitätserschöpfungsgebots einen unangemessenen Umfang erreicht hat, ist weder hinreichend vorgetragen noch sonst ersichtlich.

25

2.1.3.3

In der Sache sind die Deputatsreduzierungen ebenfalls gerechtfertigt.

26

Bei der Reduzierung der Regellehrverpflichtung von Lehrpersonen aufgrund der Wahrnehmung besonderer Dienstaufgaben nach § 7 Abs. 2 LVVO 2007 handelt es sich um eine Durchbrechung des abstrakten Stellenprinzips. Zu den Aufgaben, die eine Verminderung rechtfertigen, gehören nicht solche dienstlichen Aufgaben und Funktionen, die zur Lehre und den typischerweise den Professoren obliegenden Aufgaben innerhalb des Betriebs der Hochschule im Rahmen des Üblichen zu rechnen sind. Denn diese sind grundsätzlich bereits mit der generellen Festlegung des Lehrdeputats berücksichtigt. Es muss sich daher zum einen um dienstliche Aufgaben handeln, die ihrem Wesen nach zum Bereich der Hochschulverwaltung gehören, der vom typischen Aufgabenbereich der Professoren zu trennen ist (Senat, Beschl. v. 24.2.2011 - 2 NB 96/10 u.a. -; Zimmerling/Brehm, Hochschulkapazitätsrecht, 2003, Rdnr. 151 m.w.N.). Zum anderen können aber auch Sonderfunktionen in der Lehre eine Deputatsreduzierung rechtfertigen. In diesem Zusammenhang ist in den Blick zu nehmen, in welchem Umfang derartige Aufgaben überobligatorisch übernommen werden. Hierbei ist indes zu berücksichtigen, dass die Sorge für einen reibungslosen Betriebsablauf, die Berücksichtigung von Rückmeldungen und Beschwerden von Patienten oder Mitarbeitern, die Einhaltung von durch Normen vorgegebenen Abläufen sowie das Bemühen und eine möglichst optimale studentische Ausbildung von jeher zu den Dienstaufgaben der Lehrenden gehören, auch wenn für derartige Überlegungen nunmehr möglicherweise mehr Zeit aufgewandt wird als in der Vergangenheit (Senat, Beschl. v. 24.2.2011 - 2 NB 96/10 u.a. -). Hiervon ausgehend gilt für die von dem Beschwerdevorbringen der Antragsteller angegriffenen Deputatsreduzierungen Folgendes:

27

Die Deputatsreduzierungen für Prof. Dr. AF. in einem Gesamtumfang von 6 LVS sind von den Antragstellern entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin zum Gegenstand ihres Beschwerdevorbringens gemacht worden. Entgegen der Ansicht der Antragsteller begegnen sie indes keinen durchgreifenden Zweifeln. Die Übernahme von Aufgaben als Sprecher von Forschungszentren wie hier des CMPB, des ENI-G sowie des Exzellenzclusters EXC-171 gehört ausdrücklich zu den in § 7 Abs. 2 LVVO 2007 beispielhaft aufgeführten besonderen Dienstaufgaben, die eine Deputatsreduzierung rechtfertigen.

28

Der Senat erkennt die Deputatsreduzierung in einem Umfang von 2 LVS für Prof. Dr. AG. als geschäftsführender Leiter des Göttinger Zentrums für Molekulare Biowissenschaften (GZMB) an, da die Übernahme einer derartigen Funktion ebenfalls als "besondere Dienstaufgabe" im Sinne des § 7 Abs. 2 LVVO 2007 anzusehen ist, zumal in der KMK-Vereinbarung über die Lehrverpflichtung an Hochschulen vom 12. Juni 2003 unter Ziffer 4.2 Abs. 1 die Funktion als Leiter einer Abteilung einer Hochschule beispielhaft genannt ist. Dass dieser Hochschullehrer im maßgeblichen Zeitraum auch Vorsitzender im Prüfungsausschuss des Master- und PhD-Studiengangs Molekulare Biologie gewesen ist, muss indes unberücksichtigt bleiben. Denn für diese Funktion hat er weder eine Deputatsreduzierung beantragt noch ist ihm eine solche gewährt worden.

29

Prof. Dr. AH. ist im maßgeblichen Zeitraum zu Recht eine Deputatsermäßigung von jeweils 2 LVS für seine Tätigkeit als Leiter des Master- und PhD-Studiengangs Neuroscience und als Vorstandsmitglied/Koordinator des Projektbereichs A 2 im CMPB gewährt worden. Die erstere Funktion entspricht derjenigen eines Leiters eines Fachbereichs, die in Ziffer 4.1.4 der genannten KMK-Vereinbarung vom 12. Juni 2003 ausdrücklich als Fall der besonderen Leitungsfunktion innerhalb einer Hochschule genannt ist. Die Tätigkeit von Prof. Dr. AH. in seiner (zweiten) Funktion als Vorstandsmitglied und Koordinator des genannten Projektbereichs geht ebenfalls weit über die normalen Aufgaben eines Hochschullehrers in Forschung und Lehre hinaus. Die Antragsgegnerin hat hierzu glaubhaft vorgetragen, dieser Projektbereich entspreche von seinem Umfang einem kleinen Sonderforschungsbereich der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Dass Prof. Dr. AH. darüber hinaus aktuell Sprecher des Exzellenzclusters EXC-171 und des Studiengangs Neuroscience sowie Mitglied im Stiftungsrat der Universität Göttingen ist, ist indes nach dem oben Gesagten unbeachtlich.

30

Die Ermäßigung des Deputats in einem Umfang von 2 LVS für Prof. Dr. AI. als Promotor der Fakultät wird ebenfalls anerkannt. Zwar gehört es zu den typischen Dienstaufgaben eines Professors, einzelne Doktoranden bei der Promotion als Betreuer zu begleiten und Promotionsprüfungen abzunehmen, sodass diese Tätigkeiten grundsätzlich die Reduzierung des Lehrdeputats eines Hochschullehrers nicht rechtfertigen. Nicht umfasst von dieser Dienstverpflichtung ist aber die darüber hinausgehende Tätigkeit eines Promotors, die nach Angaben der Antragsgegnerin im Fall von Prof. Dr. AI. als verantwortlicher Leiter des Promotionssekretariats insbesondere die Entgegennahme und Sichtung der dem Promotionsausschuss übergebenen Promotionen in einem Umfang von jährlich rund 240 Doktoranden, die Prüfung der Formalien und der Bestellung der erforderlichen Gutachter beinhaltet. Prof. Dr. AI. schafft in seiner Funktion als Leiter des Promotionssekretariats demnach die organisatorischen Voraussetzungen für jedes Promotionsverfahren und begleitet jedes Verfahren von Anfang bis Ende. Darüber hinaus sitzt er einmal wöchentlich durchschnittlich vier Promotionsprüfungen vor. Damit vergleichbar hat bereits der zuvor für das Hochschulzulassungsrecht zuständige 10. Senat des beschließenden Gerichts in ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa Beschl. v. 29.8.2000 - 10 N 2277/00 u.a. -; Beschl. v. 26.2.1999 - 10 N 251/99 u.a. - m.w.N.) die Betreuung von Graduiertenkollegs als vergleichbar mit dem Regelbeispiel der Vertretung von Sonderforschungsbereichen angesehen, wenn diese - wie hier - als besondere wissenschaftliche, über das traditionelle System der individuellen Doktorandenbetreuung hinausgehende Einrichtung konzipiert ist.

31

Dem Akademischen Oberrat Dr. AJ. ist zu Recht eine Deputatsreduzierung von 4 LVS gewährt worden. Zu seinem Tätigkeitsfeld gehören nach Darstellung der Antragsgegnerin auf dem Gebiet der Elektronenmikroskopie neben der regelmäßigen Funktionskontrolle der zahlreichen Komponenten des Zentrums Anatomie des Universitätsklinikums Göttingen in einem Umfang von zwei bis sechs Stunden pro Arbeitstag die erforderliche und gebotene Anleitung und Betreuung der mit den elektronenoptischen Geräten nicht vertrauten wissenschaftlichen Mitarbeiter und Doktoranden in einem Umfang von mindestens vier Wochenstunden durchgehend im Kalenderjahr, die Durchführung regelmäßig anfallender Reparaturen von Verschleißteilen entweder in Eigenregie oder mit Hilfe des Firmenkundendienstes (zwei Wochenstunden pro Kalenderjahr) sowie die Organisation und Bevorratung der Präparationstechnik und der Hilfsmittel. Die Antragsgegnerin hat durch diese Beschreibung hinreichend deutlich gemacht, dass es sich bei den Tätigkeiten des Akademischen Oberrats Dr. AJ. nicht um individuelle Forschung oder Lehre, sondern im Ergebnis um die Unterstützung der Weiterqualifikation Dritter handelt. Die Sicherstellung und Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Funktion bei der Arbeit mit den Elektronenmikroskopen des Zentrums Anatomie erfolgt mithin nicht etwa im Rahmen der klinischen Behandlung und stellt daher eine besondere, nicht von dem Lehrdeputat erfasste Leistung von Dr. AJ. außerhalb der allgemeinen Dienstaufgaben dar.

32

Die Deputatsreduzierung für Prof. Dr. AK. erkennt der Senat ebenfalls insgesamt an. Prof. Dr. AK. ist zum einen eine Reduzierung in Höhe von 4 LVS für seine Tätigkeit als Prosektor des Anatomischen Instituts, das heißt als Betreuer des gesamten Leichenwesens gewährt worden. In dieser Funktion überwacht er die Tätigkeit der Präparatoren, Sektionsgehilfen und studentischen Hilfskräfte bei der Pflege der Kurspräparate und organisiert mit den Bestattungsinstituten die Beisetzung der Leichen. Zusätzlich zu diesen Aufgaben stellt er Lehrpräparate her, entwickelt neue Techniken für die Herstellung histologischer Präparate und verwaltet und betreut die hierzu benötigten Maschinen und Geräte. Außerdem beaufsichtigt er die Leichenkonservierung und organisiert die Gedenkgottesdienste für die Körperspender. Diese Aufgaben erfüllt er außerhalb der Präparierkurse zur Ausbildung der Studierenden der Human- und Zahnmedizin sowie der Weiterbildung der Fachärzte und damit außerhalb seiner allgemeinen Dienstaufgaben im Rahmen der Lehre und Forschung. Zum anderen nimmt er aufgrund einer Kooperationsvereinbarung zwischen der Universitätsmedizin Göttingen und der Universität Hildesheim als kooptierter Professor am Institut für Biologie und Chemie der Universität Hildesheim einen Lehrauftrag in einem Umfang von zwei Semesterwochenstunden in dem dortigen Studiengang Transdisziplinäre Anthropologie wahr. Diese Wahrnehmung von öffentlichem Interesse außerhalb seines eigentlichen Aufgabengebietes bei der Antragsgegnerin schließt die Ausübung seiner Lehrtätigkeit bei der Antragsgegnerin teilweise aus, sodass die Ermäßigung in dem insoweit gewährten Umfang von 2 LVS gemäß § 7 Abs. 2 LVVO 2007 ebenfalls gerechtfertigt ist (vgl. auch Ziffer 4.5 der KMK-Vereinbarung vom 12.6.2003). Die Berücksichtigung dieser Lehrtätigkeit im Rahmen des Dienstleistungsexports gemäß § 11 KapVO scheidet aus, weil Lehraufträge von vornherein der Lehreinheit der Universität zugerechnet werden, an der die Lehrveranstaltung abgehalten wird (Zimmerling/Brehm, a.a.O., Rdnr. 187 m.w.N.).

33

2.1.4

Die Antragsteller zu 1. bis 4. rügen ohne Erfolg, für den importierenden Bachelor-Studiengang Molekulare Medizin sei im Rahmen der Berechnung des Anteils am Curricularnormwert (Curricularanteil - CAq) dieses nicht zugeordneten Studiengangs in Höhe von 2,0050 (vgl. hierzu Blatt E der Anlage 1 des Schriftsatzes der Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin vom 5.10.2010), der von der Lehreinheit Vorklinische Medizin gemäß § 13 Abs. 4 KapVO als Dienstleistung zu erbringen ist, der Anrechnungsfaktor mit f = 1,0 zu hoch in Ansatz gebracht worden, zutreffender Weise sei vielmehr ein solcher von f = 0,8 anzusetzen.

34

Nach § 6 KapVO wird die Aufnahmekapazität aufgrund der personellen Ausstattung nach der Anlage 1 unter Anwendung von Curricularnormwerten gemäß § 13 KapVO berechnet. Hiernach errechnet sich der von dem Bruttolehrangebot der Lehreinheit abzusetzende Dienstleistungsexport durch Multiplikation der halben jährlichen Studienanfängerzahl des der Lehreinheit nicht zugeordneten Studiengangs mit dem Anteil der von der Lehreinheit für diesen Studiengang erbrachten Dienstleistung am Curricularnormwert (CNW) des nicht zugeordneten Studiengangs. Die auf die einzelnen Lehrveranstaltungsarten entfallenden Curricularanteile werden nach der Formel v x f : g berechnet, wobei v für die Anzahl der von einem Studenten während seines Studiums in einer Veranstaltungsart nachgefragten Lehrveranstaltungsstunden, f für den zu der Veranstaltungsart gehörigen Anrechnungsfaktor und g für die zur Veranstaltungsart gehörige Betreuungsrelation (Gruppengröße) stehen. In der Anlage zu § 13 Abs. 1 Satz 1 LVVO 2007 ist unter anderem für Vorlesungen, Übungen und Seminare der Anrechnungsfaktor f = 1 normiert. Nach der Entschließung des 204. Plenums der Hochschulrektorenkonferenz vom 14. Juni 2005 ("Empfehlung zur Sicherung der Qualität von Studium und Lehre in Bachelor- und Masterstudiengängen", abrufbar unter www.hrk.de/de/beschluesse/109 2628.php.datum= 204.+HRK-Plenum) soll bei Bachelor-Studiengängen für die Veranstaltungsarten Vorlesung ohne und mit studienbegleitenden Prüfungen, Übungen und Seminare ein Anrechnungsfaktor von f = 1 in Ansatz gebracht werden. Durch diese im Vergleich zu den bisherigen Studiengängen zum Teil neuen Parameter soll den besonderen Anforderungen der Bachelorstudiengänge Rechnung getragen und auf eine Reduzierung der Abbrecherquoten und der Studienzeiten hingewirkt werden (vgl. dazu VG Berlin, Beschl. v. 15.6.2011 - 12 L 62.11 -, [...] Langtext Rdnr. 22). Das pauschale Beschwerdevorbringen der Antragsteller zu 1. bis 4., gegenüber den herkömmlichen Diplom- und Staatsexamen-Studiengängen sei das Anforderungsprofil der Bachelorstudiengänge sowohl bei den Lehrveranstaltungen als auch bei der Vor- und Nachbereitungszeit niedriger, rechtfertigt mit Blick auf die genannten Ziele demgegenüber nicht eine Absenkung des Anrechnungsfaktors.

35

2.1.5

Der Einwand der Antragsteller zu 1. bis 4., es dürfe kapazitätssenkend zu Lasten des Studiengangs Humanmedizin nicht allein auf die Regelungen in den jeweiligen Studienordnungen abgestellt werden, sodass die unterbliebene normative Regelung der Curricularnormwerte (CNW) für die importierenden Studiengänge gerügt werde, greift ebenfalls nicht durch. Abgesehen davon, dass dieses pauschale Vorbringen dem Darlegungsgebot des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO nicht genügt, ist diese Rüge auch in der Sache nicht gerechtfertigt.

36

Soweit diese Kritik beinhaltet, der Curricularnormwert (CNW) für die drei Exportstudiengänge Molekularbiologie, Neurowissenschaften und Molekulare Medizin sei mangels normativer Regelungen nicht ordnungsgemäß festgelegt, geht sie nunmehr insgesamt ins Leere. In der Anlage 3 zur Kapazitätsverordnung in der Fassung vom 23. Juni 2003 (Nds. GVBl. S. 222), die auf der gesetzlichen Ermächtigungsnorm des § 9 Satz 1 Nr. 3 NHZG in der Fassung des Gesetzes vom 7. Februar 1998 (Nds. GVBl. S. 51) - NHZG a.F. - beruht, ist der Curricularnormwert (CNW) für den Studiengang Molekulare Biologie auf 3,30 und für den Studiengang Neurowissenschaften auf 3,20 festgesetzt worden. In diesen Studiengängen ist der von den genannten Antragstellern angemahnten Festsetzung der Curricularnormwerte durch Rechtsverordnung mithin Genüge getan. Gleiches gilt nunmehr für den Studiengang Molekulare Medizin, da in Anlage 3 zur Kapazitätsverordnung in der zum 21. April 2010 in Kraft getretenen Fassung der Verordnung zur Änderung der Kapazitätsverordnung vom 9. April 2010 (Nds. GVBl. S. 163) der CNW für diesen Studiengang auf (unverändert) 5,780 festgesetzt worden ist (vgl. nunmehr Anlage 3 der Kapazitätsverordnung in der Fassung der am 17.6.2011 in Kraft getretenen Verordnung zur Änderung der Kapazitätsverordnung vom 21.5.2011, Nds. GVBl. S. 162). Ungeachtet dessen gibt die pauschale und den Anforderungen an das Darlegungsgebot des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO nicht genügende Kritik der Antragsteller zu 1. bis. 4. dem Senat keine Veranlassung, seine - den Beteiligten bekannte - Rechtsprechung zu der (verneinten) Frage nach der Verpflichtung zur normativen Festsetzung der Curricularnormwerte für nicht in das zentrale Vergabeverfahren einbezogene importierende Studiengänge zu ändern (vgl. zuletzt Senat, Beschl. v. 22.12.2010 - 2 NB 209/10 u.a. -).

37

2.2

Die Lehrnachfrage ist entgegen der Ansicht der Antragsteller zu 1. bis 4. mit dem Verwaltungsgericht mit einem Curricularanteil von 1,7077 anzunehmen.

38

Soweit diese Antragsteller in diesem Zusammenhang die seit seinem Beschluss vom 11. Juli 2008 - 2 NB 487/07 u.a. - ständige Rechtsprechung des Senats zu der im Rahmen der Berechnung der Lehrnachfrage in Ansatz zu bringende Gruppengröße für Vorlesungen von g = 180 (statt g = 250; vgl. hierzu Beschl. v. 30.11.2004 - 2 NB 430/03 -, NVwZ-RR 2005, 409, 412) mit dem bloßen Hinweis auf die sich für die neue Studentengeneration ergebenden negativen Entwicklungen wegen der sukzessiven Entlassung doppelter Abiturjahrgänge und der Aussetzung der Wehrpflicht infrage stellen, genügen sie bereits nicht dem Darlegungsgebot des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO, zumal die genannten Umstände für das hier im Streit stehende Wintersemester 2010/2011 ohnehin nicht relevant sind. Unabhängig davon gibt diese Kritik dem Senat keine Veranlassung, von seiner Rechtsprechung abzuweichen. Maßgeblich für die Änderung seiner Rechtsprechung, die der Senat zuletzt mit Beschluss vom 16.2.2011 - 2 NB 438/10 - bekräftigt hat, sind nach dem genannten Beschluss vom 11. Juli 2008 folgende Erwägungen:

"In seinem Beschluss vom 30. November 2004 hat der Senat gemeint, dass die bisherige Annahme einer Gruppengröße von g = 180 für Vorlesungen in dem Studiengang Humanmedizin mit den tatsächlichen Entwicklungen und der Hochschulwirklichkeit nicht mehr zu vereinbaren sei, und daraus den Schluss gezogen, die Beibehaltung der bisherigen Gruppengröße sei im Hinblick auf das Gebot der Kapazitätsausschöpfung nicht mehr zu rechtfertigen. Neben der durch die Neufassung der Approbationsordnung vom 27. Juni 2002 hervorgehobenen gesteigerten Bedeutung der Seminare in der Universitätsausbildung gegenüber den Vorlesungen hat sich der Senat hierbei insbesondere von der Erwägung leiten lassen, der bisherige Wert g = 180 für Vorlesungen spiegele angesichts der tatsächlichen Entwicklung der Zulassungszahlen in dem Studiengang Humanmedizin die Betreuungsrealität nicht mehr hinreichend wider.

Demgegenüber wird von anderen Oberverwaltungsgerichten (vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 23.11.2005 - NC 9 S 140/05 -, [...] Langtext Rdnr. 55 ff.; OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 26.2.2007 - 3 N 187/06 -, [...] Langtext Rdnr. 18; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 25.5.2007 - 13 C 125/07 -, [...] Langtext Rdnr. 3 ff., Beschl. v. 27.2.2008 - 13 C 5/08 -, [...] Langtext Rdnr. 12 ff.; ) betont, eine derartige Bezugnahme auf die "Hochschulwirklichkeit" verbiete sich. Dem schließt sich der Senat nunmehr nach erneuter Überprüfung an. Maßgeblich hierfür sind folgende Überlegungen:

Bei dem Curricularnormwert handelt es sich um eine Rechtsnorm mit zahlenförmigem Inhalt und nicht um eine bloße Rechengröße. Seine Festlegung beruht auf einem Meinungs- und Entscheidungsbildungsprozess des Normgebers, der komplexe Elemente des Einschätzens und Abwägens, der Vorsorge und Vorausschau sowie des Kompromisses zwischen gegensätzlichen Interessen, Auffassungen und Gewichtungen enthält (VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 23.11.2005, a.a.O., Rdnr. 55 m.w.N.). Der Normgeber hat daher nach der weiterhin gültigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 18.9.1981 - 7 N 1.79 -, BVerwGE 64, 77) hierbei ein weites Gestaltungsermessen, das lediglich durch das Willkürverbot begrenzt ist.

Dieser weite Gestaltungsspielraum ist durch die Entwicklungen sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht nicht derart eingeschränkt, dass nunmehr die bisherige Annahme von g = 180 als willkürlich zu bezeichnen ist. Zwar ist durch die Neufassung der Approbationsordnung vom 27. Juni 2002 die Bedeutung der Seminare in der Universitätsausbildung gegenüber den Vorlesungen zusätzlich betont worden, da der zeitliche Umfang für integrierte Lehrveranstaltungen um 98 Stunden und für Seminare mit klinischem Bezug um weitere 56 Stunden erhöht worden ist. Demgegenüber ist aber mit der zitierten Rechtsprechung hervorzuheben, dass auch der gegenwärtige Curricularnormwert aus der Approbationsordnung für Ärzte abgeleitet ist. Die einzelnen Anteile des Curricularnormwertes stehen in einem gewissen Beziehungsverhältnis zueinander und die Gruppengrößen der verschiedenen Veranstaltungsarten sind wie bisher aufeinander abgestimmt. Die Änderung eines einzigen Berechnungsparameters führt nicht zwingend dazu, einzelne Teile anders zu gewichten, während andere Teile unverändert bleiben. Das Gebot der vollständigen Kapazitätsausschöpfung verpflichtet den Normgeber insbesondere nicht dazu, der Festsetzung des Curricularnormwertes diejenige Betreuungsrelation/Gruppengröße zugrunde zu legen, die stets zu der höchsten Kapazität führt. Denn diese höhere Kapazität würde auf der anderen Seite mit einer schlechteren Ausbildung korrespondieren.

Zwar trifft es weiter zu, dass die durchschnittliche Jahresaufnahmequote jedenfalls bei den Universitäten, die den Beginn des Medizinstudiums einmal pro Jahr anbieten, auf durchschnittlich 267 Studierende (Stand: Wintersemester 2004/2005) gestiegen ist. Um eine derartige exakte Abbildung der Hochschulwirklichkeit in Form der bundesweit durchschnittlich gestiegenen Anzahl von Studienanfängern in dem abstrakten Berechnungsmodell, wie es der Berechnung des Curricularnormwertes zugrunde liegt, geht es in dem hier interessierenden Zusammenhang aber nicht. Bei dieser Betrachtung wird überdies - wie das OVG Nordrhein-Westfalen (a.a.O.) zu Recht betont - außer Acht gelassen, dass die Ausbildungskapazität einer Hochschule in Anbetracht der heutigen technischen Möglichkeiten der Bild- und Tonübertragung nicht vorrangig durch die - faktisch nahezu unbegrenzte - Gruppengröße für Vorlesungen bestimmt wird. Maßgeblich sind insoweit vielmehr die Kleingruppenveranstaltungen wie Seminare, Übungen, Praktika und Exkurse. Eine Anhebung der Gruppengröße für Vorlesungen führt zwangsläufig zu einer Steigerung der Zulassungszahl. Dieses wiederum bedingt ebenfalls zwangsläufig eine Steigerung der in den Kleingruppenveranstaltungen auszubildenden Studierenden. Die Gruppengröße dieser Kleingruppenveranstaltungen kann hingegen aufgrund normativer Vorgaben, didaktischer Gründe und tatsächlicher Umstände wie begrenzter Unterrichtsräume und einer begrenzten Anzahl von Dozenten nicht erhöht werden.

Im Ergebnis folgt der Senat der überwiegenden Ansicht der übrigen Oberverwaltungsgerichte und hält die Betreuungsrelation in Form der Gruppengröße g = 180 in dem Spannungsverhältnis des von dem einzelnen Studienplatzbewerber Beanspruchten, des von der Universität Erbringbaren und des von den bereits eingeschriebenen Studierenden von diesen Erwarteten für einen zwischen diesen Interessen vermittelnden und daher akzeptablen Mittelwert.

Dieses Ergebnis wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass einige Universitäten von diesem abstrakten Berechnungsmodell inzwischen abgegangen sind und der Berechnung des Curricularnormwertes ihre tatsächlichen Zulassungszahlen zugrunde legen (vgl. hierzu etwa VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 13.6.2008 - NC 9 S 241/08). Diese Vorgehensweise ist von dem oben dargestellten weiten Berechnungsermessen gedeckt, kann aber nicht dazu führen, dass nunmehr durchweg alle Universitäten gezwungen wären, diese Praxis zu übernehmen. Zudem sind die Zulassungszahlen derjenigen Hochschulen, bei denen - wie dies bei der Antragsgegnerin der Fall ist - in jedem Semester mit dem Studium der Humanmedizin begonnen werden kann, mehr oder weniger konstant bei weiterhin durchschnittlich 180 Studienanfängern verblieben."

39

Daher ist die Lehrnachfrage somit mit einem Curricularanteil von 1,7077 in Ansatz zu bringen, sodass die Kapazität unter Berücksichtigung des - von den Antragstellern und der Antragsgegnerin nicht angegriffenen - Schwundfaktors von 1,1068 halbjährlich (mit dem Verwaltungsgericht) auf gerundet 68 Teilstudienplätze festzusetzen ist.

40

Im Ergebnis haben die Antragsteller diese von dem Verwaltungsgericht ermittelte Kapazität nicht erfolgreich infrage gestellt, sodass durch die erfolgte Überbuchung der Teilstudienplätze im 1. Fachsemester bei 73 tatsächlich immatrikulierten Studierenden freie Teilstudienplätze nicht zur Verfügung stehen.

41

3.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die vorläufige Zulassung des Antragstellers zu 15. auf einen Vollstudienplatz im Studiengang Humanmedizin im 3. Fachsemester nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2010/2011 hat Erfolg.

42

Das Verwaltungsgericht hat dem Hauptantrag des Antragstellers zu 15. mit folgenden Erwägungen stattgegeben: Die aktuell im 3. Fachsemester Studierenden hätten ihr Studium im Wintersemester 2009/2010 aufgenommen, für deren Durchgang die Kammer durch Beschluss vom 5. November 2009 - 8 C 555/09 u.a. -; bestätigt durch Beschl. d. Senats v. 2.9.2010 - 2 NB 394/09 u.a. -, [...]) eine Sollzahl von 139 Vollstudienplätzen sowie 62 Teilstudienplätzen ermittelt habe. Während der in dem genannten Beschluss vom 5. November 2009 verwendete Schwundfaktor von 1,0511 zu einer Verringerung um drei Vollstudienplätze führe, gingen für das 2. vorklinische Semester nur zwei Teilstudienplätze aufgrund der Schwundberechnung verloren. Im 3. Fachsemester stünden also eine rechnerische Kapazität von 136 Voll- und 60 Teilstudienplätzen zur Verfügung. Besetzt habe die Antragsgegnerin in diesem Fachsemester hingegen derzeit 135 Voll- und 75 Teilstudienplätze, sodass sie die Aufnahmequoten bei den Teilstudienplätzen zwar übererfüllt habe, während im 3. vorklinischen Semester aber noch ein weiterer Vollstudienplatz zu vergeben sei. Auf diesen habe der Antragsteller zu 15. aufgrund der ersten Rangfolge in der von dem Verwaltungsgericht durchgeführten Verlosung Anspruch.

43

Diese Methode der Kapazitätsberechnung des Verwaltungsgerichts für das 3. Fachsemester auf der Grundlage des sogenannten Kohortenprinzips greift die Antragsgegnerin im Wesentlichen mit folgenden Erwägungen an: Der von dem Verwaltungsgericht für die höheren Fachsemester vorgenommene Abgleich zwischen den Immatrikulationszahlen des jeweiligen Fachsemesters und einer imaginären außerkapazitären Studienplatzzahl verstoße gegen die Grundstruktur der Kapazitätsberechnung und verletzte ihre Rechte durch Zuweisung eines Studierenden, für dessen Unterrichtung keine Kapazität vorhanden sei. Nach der Vorschrift des in jedem Jahr gleichlautenden § 2 Satz 1 und 2 ZZ-VO sei die Kapazitätsberechnung für die höheren Fachsemester normativ in der Weise vorgegeben, dass die Kapazität linear und vertikal für das betreffende Zeitsemester für alle unterrichteten Fachsemester gleich sei. Diese Vorgabe korreliere unmittelbar mit den Kapazitätsberechnungsprinzipien sowohl für die vorklinische als auch für die klinische Studieneinheit. Im Bereich der Vorklinik hänge die Kapazität an der normativ im maßgeblichen Studienjahr zur Verfügung stehenden Lehrkapazität, die nicht nach den unterrichteten Fachsemestern unterscheide. Im Bereich der Klinik und damit der Vollstudienplätze sei limitierender Faktor die Patientenkapazität, die ebenfalls nicht nach den verschiedenen Fachsemestern differiere. Wenn etwa 1.000 Patienten zur Verfügung stünden, müssten sich alle Fachsemester der Regelstudiendauer darauf verteilen, sodass die Tatsache, dass es früher mehr Kapazitäten - etwa aufgrund zwischenzeitlich geschlossener Bettenabteilungen und damit einhergehender erheblich reduzierter Zahl der tagesbelegten Betten - gegeben habe, im Studienjahr des Unterrichts und in der Zukunft nicht mehr relevant sei. Diese faktische Veränderung für höhere Semester berücksichtige die von dem Verwaltungsgericht favorisierte Berechnungsweise zu Unrecht nicht, sodass den Veränderungen im nächsten Studienjahr lediglich für die Studienanfänger, nicht aber für die Studienbewerber in höheren Fachsemestern Rechnung getragen werden könne. Dadurch würden Überkapazitäten und unerträgliche Patientenbelastungen vorprogrammiert. Außerdem verkenne das Verwaltungsgericht die Auswirkungen der Rechtskraft seiner in der Vergangenheit ergangenen Beschlüsse in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes. Denn Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung sei nur die Besetzung des 1. Fachsemesters und nicht das weitere Schicksal der betroffenen Kohorte.

44

Diese Einwände der Antragsgegnerin greifen durch. Auszugehen ist von § 2 Satz 2 der Verordnung über Zulassungszahlen für Studienplätze zum Wintersemester 2010 und zum Sommersemester 2011 (ZZ-VO 2010/2011) vom 5. Juli 2010 (Nds. GVBl. S. 262). Hiernach ergibt sich die jeweilige Zulassungszahl für jedes höhere Semester (hier: 3. Fachsemester) aus der Differenz zwischen der Zulassungszahl für Studienanfänger (Wintersemester 2010/2011 oder Sommersemester 2011) und der Zahl der Studierenden nach Ablauf der Rückmeldefrist für das entsprechende höhere Semester, sofern in Anlage 1 Abschnitt II nichts anderes bestimmt ist. Bereits der für das Hochschulzulassungsrecht zuvor zuständige 10. Senat des beschließenden Gerichts hat aufgrund eines Vergleiches der Fassungen der maßgeblichen Bestimmungen der jeweiligen Zulassungszahlen-Verordnungen seit dem Sommersemester 1982 mit Beschluss vom 12.8.1999 - 10 N 2252/99 u.a. - die Ansicht vertreten, dass für die Frage der Zulassung eines Studienplatzbewerbers für ein höheres Fachsemester das sogenannte Kohortenprinzip seit dem Wintersemester 1999/2000 (erneut) nicht mehr Geltung beanspruche. Hierzu hat er in dem genannten Beschluss Folgendes ausgeführt:

"Schließlich ist mit Blick auf § 2 Satz 2 (ZZ-VO 1998/99) vom 7. Juli 1998 ... davon auszugehen, dass die Zulassungszahlen der Eingangssemester in höheren Semestern nicht überschritten werden dürfen. Dieses Kohortenprinzip ... ist ... zum Wintersemester 1999/2000 (aufgehoben worden). Dies ergibt eine Zusammenschau der vom Verordnungsgeber gewählten Formulierungen in den jeweiligen Zulassungsverordnungen. Während bis zum Sommersemester 1982 das Kohortenprinzip galt (§ 1 Abs. 1 i.V.m. Anlage 1 II ZZ-VO SS 1982 - Nds. GVBl. S. 387) gab der Verordnungsgeber dieses Prinzip zum WS 1982/83 auf. In § 1 i.V.m. Anlage 1 II ZZ-VO WS 1982/83 (Nds. GVBl. S. 212) heißt es insoweit hinsichtlich der Zulassungsbeschränkungen für höhere Semester: 'Die Zulasssungszahlen ergeben sich ... b) für die höheren Fachsemester mit ungerader Zahl aus den i n d i e s er V e r o r d n u n g festgesetzten Zulassungszahlen für Studienanfänger ...'. Mit (dieser) Formulierung ... hat der Verordnungsgeber in Abkehr von dem Kohortenprinzip jeweils die Zulassungszahl des Erstsemesters auch für höhere Semester gelten lassen. Eine Rückkehr zum Kohortenprinzip erfolgte dann wieder durch die Zulassungszahlenverordnung WS 1988/89 (Nds. GVBl. S. 125), in deren § 3 es insoweit heißt: 'Für die Zulassung zu einem eingerichteten höheren Semester eines Studienganges, der für Studienanfänger zulassungsbeschränkt ist, ergibt sich die Zulassungszahl aus der Differenz zwischen der Zulassungszahl des e n t s p r e c h e n d e n Eingangssemesters und der Studentenzahl nach Ablauf der Rückmeldefrist für das e n t s p r e c h e n d e höhere Semester ...'... Eine klare und deutliche Regelung über die Aufgabe des Kohortenprinzips findet sich erst in der Zulassungszahlenverordnung WS 1999/2000, in deren § 2 Satz 2 es insoweit heißt: 'Die jeweilige Zulassungszahl für jedes höhere Semester ergibt sich aus der Differenz zwischen der Zulassungszahl für Studienanfänger (WS 1999/2000 oder SS 2000) und der Zahl der Studierenden nach Ablauf der Rückmeldefrist für das entsprechende höhere Semester ...'. Mit dieser Formulierung knüpft der Verordnungsgeber an den Wortlauf der Zulassungszahlenverordnung WS 1982/83 an, in der von 'in dieser Verordnung festgesetzten Zulassungszahlen für Studienanfänger' die Rede ist und mit der seinerzeit das Kohortenprinzip aufgegeben worden war".

45

Der Senat schließt sich diesen Ausführungen des 10. Senats an. Soweit das Verwaltungsgericht zum Sommersemester 2011 in seinem das 5. Fachsemester (klinische Semester) betreffenden Beschluss vom 5. Mai 2011 - 8 C 87/11 u.a. - seine gegenteilige Rechtsprechung beibehält und aus der Systematik der Kapazitätsberechnung, der Methode der Schwundberechnung nach dem sogenannten Hamburger Modell sowie der Rechtskraftwirkung richterlicher Entscheidungen auch in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ableitet, dass die Berechnung der Kapazität in höheren Semestern allein auf der Grundlage der Berechnung im Anfangssemester dieser Kohorte zu erfolgen habe, vermag der Senat dem für dieses Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes angesichts der normativ vorgegebenen Fassung des § 2 Satz 2 ZZ-VO 2010/2011 nicht zu folgen. Dies hat indes - anders als der Antragsteller zu 15. meint - nicht zur Folge, dass sich eine (nachträgliche) Verringerung der Kapazität nachteilig auf die Fortsetzung der Ausbildung der bereits immatrikulierten Studierenden der Humanmedizin dergestalt auswirkt, dass diese zu exmatrikulieren wären. Insoweit bleibt es vielmehr bei der seinerzeit auf der Grundlage des nach § 5 KapVO maßgeblichen Stichtages errechneten Kapazität. Erhöhungen und Verringerungen der Ausbildungskapazität wirken sich aufgrund der aufgezeigten Aufgabe des Kohortenprinzips durch den niedersächsischen Verordnungsgeber seit dem Wintersemester 1999/2000 aber entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht nur ausschließlich auf künftige beginnende Studienkohorten aus, sondern gelten auch für diejenigen, die - wie der Antragsteller zu 15. - die vorläufige Zuteilung eines Studienplatzes in einem höheren Fachsemester begehren, ohne bereits in dem gewünschten Studiengang bei der Antragsgegnerin eingeschrieben zu sein.

46

Daher ist - da Anlage 1 Abschnitt II der ZZ-VO 2010/2011 insoweit nichts anderes bestimmt - nach dem maßgeblichen Wortlaut der ZZ-VO 2010/2011, der mit dem der ZZ-VO 1999/2000 übereinstimmt, von der festgesetzten Zulassungszahl für Studienanfänger auszugehen, die in dem hier streitigen Wintersemester 2010/2011 134 Vollstudienplätze ausweist. Da die Antragsgegnerin zum Wintersemester 2010/2011 im 3. Fachsemester insgesamt 135 Vollstudienplätze vergeben hat, ergibt sich keine Differenz zugunsten des Antragstellers zu 15. mit der Folge, dass er keinen Anspruch auf vorläufige Zulassung auf einen Vollstudienplatz im 3. Fachsemester hat. Gleiches gilt für seine Hilfsanträge auf vorläufige Zulassung auf einen Vollstudienplatz zum 2. bzw. 1. Fachsemester, da der festgesetzten Zahl von 134 Vollstudienplätzen 139 bzw. 135 immatrikulierte Studierende in diesen Fachsemestern gegenüberstehen. Der weitere Hilfsantrag des Antragstellers zu 15. auf vorläufige Zuteilung eines Teilstudienplatzes kann aus den oben angeführten Gründen keinen Erfolg haben. Im Ergebnis ist daher auf die Beschwerde der Antragsgegnerin der Antrag des Antragstellers zu 15. insgesamt abzulehnen.