Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 03.02.2014, Az.: 2 NB 388/13

Zueigenmachen der Ausführungen einer Beschlussvorlage durch das zuständige Kollegialorgan der Universität zur Begründung der für eine Deputatsverminderung gebotenen Abwägung; Zulassung zum Bachelorstudium der Psychologie

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
03.02.2014
Aktenzeichen
2 NB 388/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 11223
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2014:0203.2NB388.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Göttingen - 30.10.2013 - AZ: 8 C 832/13

Amtlicher Leitsatz

Zur Begründung der für eine Deputatsverminderung gebotenen Abwägung kann sich das zuständige Kollegialorgan der Universität Ausführungen einer Beschlussvorlage zu eigen machen, wenn diese ihrerseits eine zutreffende Abwägung mängelfrei vorzeichnet.

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Göttingen - 8. Kammer - vom 30. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5000 EUR festgesetzt.

Gründe

Durch Beschlüsse vom 30. Oktober 2013, auf die wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und der Begründung Bezug genommen wird, hat das Verwaltungsgericht unter anderem den Antrag der Beschwerdeführerin abgelehnt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, sie vorläufig zum Bachelorstudium Psychologie zum 1. Fachsemester im Wintersemester 2013/2014 zuzulassen.

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie ihren erstinstanzlichen Antrag weiter verfolgt.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg; die von der Antragstellerin innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegten Gründe, die gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den Prüfungsumfang des Senats bestimmen, greifen nicht durch.

1. Die Beschwerde rügt zunächst, die Umwandlung einer früheren C2/W2-Stelle in die Stelle eines Akademischen Rats auf Zeit (E13) mit der Folge des Sinkens des Bruttolehrdeputats um 5 LVS sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts vom Präsidium nicht in einer Weise begründet worden, die rechtlicher Überprüfung standhalte. Dem folgt der Senat nicht:

Das Präsidium hat in seinem Beschluss vom 18. Dezember 2012 eine Gesamtschau vorgenommen und dabei als strukturelles Ziel den Zustand eines Gleichgewichts zwischen den universitären Kernaufgaben Forschung und Lehre herausgestellt. Dem entspricht das gegenwärtige Verhältnis von 17 unbefristeten Stellen zu 11,5 befristeten Stellen am D. -Institut seiner Ansicht nach nicht. Hiernach haben sich erforderliche Stelleneinsparungen vorrangig zu Lasten der befristeten Stelle ausgewirkt, weil diese "schneller verfügbar" gewesen seien. Befristete Stellen als Qualifikationsstellen seien für die wissenschaftliche Forschung erforderlich, weil die Befristung einen Ergebnisdruck ausübe. Die jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bereicherten auch die Lehre qualitativ. Die Weiterqualifikation sei neben der Befristung auch mit einer Reduktion der Lehrverpflichtung gekoppelt, um den Nachwuchswissenschaftlern hinreichend Freiräume für die Forschung zu geben.

Dem tritt die Antragstellerin mit dem Einwand entgegen, mit einer solchen Begründung lasse sich jede Umwandlung einer Dauerstelle in eine befristete Stelle rechtfertigen. Das trifft jedoch nicht zu. Denn nach dem eigenen Begründungsansatz der Antragsgegnerin trägt ihre Begründung nur so lange, bis der strukturell erwünschte Gleichgewichtszustand erreicht ist. Darüber hinaus gehende Stellenumwandlungen hätten von vornherein keine Rechtfertigung für sich.

Dass das strukturelle Ziel der Antragsgegnerin für sich genommen verfehlt ist, legt die Antragstellerin nicht überzeugend dar. Soweit sie das von der Antragsgegnerin angeführte Argument eines "Ergebnisdrucks" zu relativieren versucht, ist es nicht Sache des Gerichts, strukturelle Planungen von Hochschulen durch eigene Vorstellungen zu ersetzen. Nach den Erfahrungen des Senats entspricht es im Übrigen allgemeiner Auffassung der Hochschulen, dass befristete Qualifikationsstellen mit reduzierter Lehrverpflichtung ein wesentliches Element erfolgreicher Hochschulgestaltung ausmachen. Wie hoch dieser Anteil am Gesamtumfang der kapazitätsrelevanten Stellen sein sollte, mag - auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Hochschulen und der jeweiligen Studiengänge - unterschiedlich bewertet werden können; hier ist jedoch nicht ersichtlich, dass die Umwandlung der einen fraglichen Stelle dem angestrebten Gleichgewicht auch nur annähernd nahekommt.

Unschädlich ist ferner, dass die von der Antragsgegnerin angeführten Argumente in gleicher Weise möglicherweise in einer Reihe von zeitlich gestaffelten Einzelfällen zur Geltung gebracht werden müssen. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass Stellenumwandlungen jeweils nur bei Ausscheiden des Inhabers einer Dauerstelle vorgenommen werden und stellt keinen Hinweis darauf dar, dass sich damit jede Umwandlung einer Dauerstelle in eine befristete Stelle rechtfertigen lasse.

Soweit das Präsidium ferner in die Abwägung einbezogen hat, dass zwei Professoren nur hätten gehalten bzw. gewonnen werden können, weil ihnen jeweils eine halbe Qualifikationsstelle habe zugesagt werden können, stellt dies für sich genommen zwar keinen eigenständigen Abwägungsgrund dar, aber immerhin eine Begründung dafür, weshalb die ohnehin strukturell vorgesehene Stellenumwandlung zu einem bestimmten Zeitpunkt vorgenommen worden und hierfür nicht auf das Ausscheiden eines anderen Dauerstelleninhabers gewartet worden ist.

2. Soweit die Antragstellerin die Deputatsverminderung für die Mitglieder des Dekanats der Fakultät für Biologie und Psychologie im Umfang von 9 SWS rügt, hat die Antragsgegnerin bislang unwidersprochen klargestellt, dass diese 9 SWS nicht allein zu Lasten der Lehreinheit Psychologie gehen, sondern sogar weit überwiegend zu Lasten der Lehreinheit Biologie; auf die Lehreinheit Psychologie entfällt danach nur eine Deputatsreduzierung von 2 SWS. Infolgedessen ist hier nicht von gesteigerten, über den Normalfall (vgl. Senatsbeschl. v. 12.8.2011 - 2 NB 439/10 -, [...]) hinausgehenden inhaltlichen Anforderungen an die Abwägung über die Deputatsverminderung auszugehen.

Der Frage, in welcher äußeren Form die Abwägungsentscheidung zu begründen ist, musste der Senat bislang nicht nachgehen. Grundsätzlich kommt in Betracht, dass die Entscheidung über eine Deputatsminderung, die nach § 7 LVVO als Antragsverfahren ausgestaltet ist, der Begründungspflicht für Verwaltungsakte nach § 39 VwVfG unterfällt. Sie wäre dann jedenfalls bei Antragsablehnung in einem an den Antragsteller zu adressierenden Bescheid stets zu begründen, wobei bei Kollegialentscheidungen in der Literatur davon ausgegangen wird, dass der Vorsitzende des Gremiums die sich ergebende Mehrheitsmeinung darzustellen hat (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 39 Rdnr. 7). Dem braucht jedoch nicht weiter nachgegangen zu werden, weil es einer an den Antragsteller gerichteten Begründung nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG nicht bedarf, soweit - wie hier - dem Antrag entsprochen wird. Eine Deputatsminderung greift regelmäßig im Sinne dieser Vorschrift auch nicht in Rechte Dritter ein, worunter nur unmittelbar Drittbetroffene zu verstehen sind.

Soweit die Pflicht zur ausreichenden Ermessensbegründung nicht mit Blick auf den Adressaten aus § 39 VwVfG herzuleiten, sondern zur Ermöglichung einer effektiven gerichtlichen Kontrolle des Kapazitätserschöpfungsgrundsatzes postuliert worden ist (wie das Verwaltungsgericht ausführlich dargestellt hat), ist dies nicht besonderen formalen Anforderungen verbunden; ausreichend ist, dass die maßgeblichen Abwägungserwägungen der Kollegiumsentscheidung verlässlich wiedergegeben sind und einer materiellen Überprüfung standhalten. Hier rügt die Antragstellerin allein, dass die Kollegialentscheidung nicht durch das Präsidium selbst begründet worden sei, sondern nur im Wege der Bezugnahme auf eine Beschlussvorlage und die "Mitteilung und Umsetzung des Präsidiumsbeschlusses". Bei der "Mitteilung" handelt es sich um einen unter Punkt VI. formularmäßig vorformulierten Teil der Beschlussvorlage, der je nach Beschlussergebnis ergänzend ausgefüllt werden konnte und hier vom "zuständigen Präsidiumsmitglied" dahin ausgefüllt worden ist, dass in der Präsidiumssitzung vom 8. Januar 20 ein Beschluss gemäß Vorlage gefasst worden sei. In Bezug genommen war damit insoweit die eingangs der Beschlussvorlage unter Punkt I. vorgeschlagene Beschlussformel und die unter Punkt II. nachfolgende Darstellung des Sachverhalts und der Rechtslage, darunter die vom Verwaltungsgericht auf Seite 15 seines Beschlusses wörtlich wiedergegebenen Abwägungserwägungen.

Die Bezugnahme auf eine Beschlussvorlage - die im übrigen bei anderen Arten von Kollegialentscheidungen, etwa der Gemeinden im Bauleitplanverfahren (vgl. z.B. BVerwG, Beschl. v. 19.12.2013 - 4 BN 23.13 -, [...]), völlig üblich und unumstritten ist -, reicht für die Gewährleistung der hier im Vordergrund stehenden gerichtlichen Kontrolle des Kapazitätserschöpfungsgrundsatzes regelmäßig aus, wenn die Beschlussvorlage ihrerseits die zu treffende Abwägung mängelfrei vorgezeichnet hat, so dass das Präsidium sie sich ohne weiteres zu eigen machen konnte. Die Frage, ob die Hochschule unter solchen Umständen gehindert ist, später weitere, nicht in der Beschlussvorlage angesprochene Abwägungselemente "nachzuschieben", die für die Kollegiumsentscheidung zusätzlich eine Rolle gespielt hätten, stellt sich hier nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).