Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 14.09.2022, Az.: 5 ME 159/21

Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens; Neuzuschnitt der Stelle

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
14.09.2022
Aktenzeichen
5 ME 159/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 59666
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 07.12.2021 - AZ: 3 B 63/21

Fundstellen

  • DÖV 2023, 86
  • NordÖR 2022, 604
  • RiA 2023, 36-44

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Der (geplante) Neuzuschnitt der Stelle stellt grundsätzlich einen zulässigen sachlichen Grund für den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens dar. Ein pauschaler Hinweis auf den Entschluss, die Stelle neu zuzuschneiden genügt nicht, wenn begründete Zweifel am tatsächlichen Vorliegen dieses sachlichen Grundes geltend gemacht werden. Dem Dienstherrn obliegt es dann, diese organisatorische Entscheidung zeitlich und inhaltlich zu konkretisieren.

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 3. Kammer - vom 7. Dezember 2021 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird unter Änderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung für beide Rechtszüge auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Streitgegenstand ist die Entscheidung der Antragsgegnerin, das Verfahren zur Besetzung der Stelle „Leitung der Stabsstelle für Wirtschaftsförderung und Rechtswesen“ (Besoldungsgruppe A 14) abzubrechen.

Die 1978 geborene Antragstellerin hat das Statusamt einer Städtischen Oberrechtsrätin (Besoldungsgruppe A 14) inne und ist als Justiziarin im Rechtsamt der Stadt E. in Nordrhein-Westfalen tätig. Sie bewarb sich am 6. Juli 2021 auf die vorgenannte Stelle.

Die Antragsgegnerin führte unter Beteiligung der F. am 24. August 2021 ein strukturiertes Auswahlverfahren mit der Antragstellerin und einem weiteren Bewerber durch. Der Auswahlkommission gehörten die Bürgermeisterin der Antragsgegnerin, der Leiter des Fachbereichs I, (Zentrale Verwaltung und Finanzwesen) zwei Vertreter der größten Ratsfraktionen, die Gleichstellungsbeauftragte und eine externe Beraterin der F. an. Die Antragstellerin erreichte einen Gesamtwert von 3,6 und der Mitbewerber einen Gesamtwert von 3,3.

Am 6. September 2021 führte die Antragsgegnerin mit beiden Bewerbern ein sogenanntes juristisches Fachgespräch unter Beiziehung des bisherigen Stelleninhabers durch. In seiner Stellungnahme vom 9. September 2021 führte dieser aus, dass die Reihenfolge der im Gespräch am Montag entspreche. Der Mitbewerber habe im Grundsatz die Fragestellungen richtig beantwortet. Ihm habe für eine tiefergehende Prüfung das Fachwissen gefehlt. Einzelne konkretere Lösungsvorschläge hätten offenbart, dass ihm das praktische Vorstellungsvermögen fehle. Die Antragstellerin habe die Fragen basierend auf einem breit angelegten Fachwissen beantwortet. Es seien viele Voraussetzungen angeschnitten worden, die für die gewünschte Vorgehensweise erfüllt sein müssten, und sinnvolle Nachfragen zum Sachverhalt gestellt worden. Es habe jedoch auch Missverständnisse zum Sachverhalt gegeben. Diese könnten auf anderen fachlichen Gegebenheiten und Denkansätzen bei der derzeitigen Tätigkeit zurückgeführt werden und sich nach einer Einarbeitungsphase erledigen.

Die Bürgermeisterin der Antragsgegnerin schlug mit Beschlussvorlage vom 9. September 2021 dem Verwaltungsausschuss und dem Rat vor, die ausgeschriebene Stelle mit der Antragstellerin zu besetzen und ihrer Versetzung von der Stadt E. zur Antragsgegnerin zuzustimmen. Zur Begründung führte sie aus, die Antragstellerin habe nach dem strukturierten Auswahlverfahren am 24. August 2021 geringfügig vor dem Mitbewerber gelegen. Es sei ein weiteres Bewerbungsgespräch mit beiden Bewerbern durchgeführt worden, in welchem ausschließlich deren Fachkompetenz beurteilt worden sei. Aufgrund der besonderen Bedeutung der Fachkenntnisse im Bereich des Rechtswesens, welche im Rahmen von Rechtstreitigkeiten und Vertragsgestaltungen von herausragender Wichtigkeit seien, sei aus Sicht der Verwaltung diesen im Rahmen des Stellenbesetzungsverfahrens die größte Gewichtung zuzuweisen. Der Antragstellerin sei die höhere Fachkompetenz zugesprochen worden. Im Nachgang zu den Vorstellungsgesprächen sei durch die stimmberechtigten Mitglieder der Auswahlkommission noch die besseren Noten der beiden Staatsexamina sowie die hervorragende dienstliche Beurteilung der Antragstellerin berücksichtigt worden. Die Auswahlkommission sei abschließend zu dem Ergebnis gekommen, dass als Ergebnis der Bestenauslese die Stelle mit der Antragstellerin zu besetzen sei.

Der Verwaltungsausschuss fasste in seiner Sitzung am 15. September 2021 den Beschluss, der Bürgermeisterin zu empfehlen, das Auswahlverfahren zur Besetzung der vorgenannten Stelle abzubrechen. In dem Protokoll über diese Sitzung heißt es:

„Bürgermeisterin G. führt aus, dass im Bewerbungsverfahren zwei von sieben Bewerberinnen und Bewerbern in die engere Auswahl genommen wurden. Nach den geführten Gesprächen lagen beide im Auswahlgremium dicht beieinander. Frau A. habe sich jedoch minimal besser präsentiert. Dass sie die Ehefrau von Herrn A. ist, habe für sie keine Relevanz. Frau A. habe überdies bessere Examenszeugnisse und dienstliche Beurteilungen vorgelegt als Herr H.. Weiter weist sie darauf hin, dass es für sie entscheidend auf die Fachkompetenz ankomme. Diese überwiege bei Frau A. im Vergleich zu Herrn H. aus ihrer Sicht.

Ratsherr I. bittet darum, Frau A. zur Rücknahme ihrer Bewerbung zu bewegen. Auch, um sie und ihren Mann nicht zu schädigen. Die Fraktion J. lehne die Besetzung der Stelle mit Frau A. komplett ab.

Auch Frau K. spricht sich gegen eine Besetzung mit Frau A. aus. In zwei derart herausgehobenen Positionen einer Kommune sollte kein Ehepaar arbeiten, weshalb die L. -Gruppe der Einstellung von Frau A. nicht zustimmen werde. Sie habe den anderen Bewerber nicht schlecht gefunden. Er wurde durch die Auswahl-kommission nur minimal schlechter bewertet als Frau A., sodass sie ihn für geeignet halte und mit seiner Einstellung einverstanden wäre. Jedoch müsse das Einvernehmen zwischen Rat und Bürgermeisterin gesucht werden und wenn jede Seite eine Bewerberin oder einen Bewerber ablehne, werde dies keinen Erfolg haben.

Ratsherr M. schildert, dass beim zweiten Gesprächstermin noch einmal die Fachkenntnisse der Personen geprüft werden sollten. Herr H. habe in der Beantwortung der Fragen alle Punkte genannt, die Herr N. als vormaliger Stelleninhaber in seiner Musterlösung aufgeführt hatte. Frau A. hingegen habe nicht alle Punkte genannt. Mit Ausnahme von Bürgermeisterin G. und Herrn N. habe die Auswahlkommission Herrn H. favorisiert. Die O. -Fraktion könne eine Einstellung von Frau A. ebenfalls nicht zustimmen.

Bürgermeisterin G. betont noch einmal, dass sie objektiv an das Verfahren herangegangen sei. Frau A. dürfe keinen Vorteil aus ihrer Ehe mit dem Ersten Stadtrat haben, aber eben auch keinen Nachteil. Herr H. habe sich zwar gut präsentiert, in den Falllösungen jedoch einige Fehler gemacht und sich nach ihrer Auffassung auch in einigen Belangen etwas überschätzt. Nach Einschätzung von Herrn N. sei Frau A. juristisch besser und breiter aufgestellt.

Ratsfrau P. sieht es ebenfalls so, dass Frau A. kein Nachteil daraus entstehen darf, dass sie die Ehefrau des Ersten Stadtrats ist. Wenn beide Bewerberinnen und Bewerber so dicht beieinanderliegen, sollte es ihres Erachtens gefördert werden, dass Frauen Führungspositionen übernehmen.

Ratsherr Q. geht davon aus, dass die Stadt auch mit Herrn H. eine gute Wahl treffen würde. Wenn dies für die Bürgermeisterin jedoch keine Option sei, müsse eine andere Lösung gefunden werden.

Fachbereichsleiter R. erklärt, dass es sich hier um ein Auswahlverfahren handelt, bei dem wohl keine Einigkeit zwischen dem Rat und der Bürgermeisterin erzielt wird. Es bestehe die Möglichkeit, das Verfahren aufzuheben. Da es zwei grundsätzlich geeignete Bewerberinnen und Bewerber gebe, sei eine Aufhebung nicht einfach deshalb möglich, weil keine der Personen für die Stelle gewollt wird. Das Auswahlverfahren kann nur aufgehoben werden, wenn es sachliche Gründe dafür gibt. Hier gebe es im konkreten Fall zwei Möglichkeiten. Zum einen habe die Verwaltung die Organisationsgewalt, sodass eine Aufhebung dann möglich wäre, wenn die Verwaltung zur Erkenntnis komme, dass der Zuschnitt der Stelle nicht mehr passend ist. Da den Bewerberinnen und Bewerbern mitgeteilt werden muss, aus welchen Gründen das Auswahlverfahren aufgehoben wird, könnte man ihnen in diesem Fall mitteilen, dass sich im Laufe des Verfahrens herausgestellt hat, dass die Stelle anders zugeschnitten werden muss. Anschließend wäre eine Stellenausschreibung mit der dann veränderten Stellenbeschreibung möglich. Die andere Möglichkeit bestehe darin, dass beide Bewerberinnen und Bewerber in Teilbereichen der Bewertungskriterien als nicht geeignet angesehen werden und nicht sichergestellt werden kann, das Verfahren rechtsfehlerfrei zu beenden. Die Begründung der Aufhebung müsse in jedem Fall gerichtsfest sein, sodass der Bewerberverfahrensanspruch beider Personen sauber aufgehoben wird und die Stadt sich nicht dem Prozessrisiko aussetze. Er halte die erste Möglichkeit für klarer und rechtssicherer. Wenn das Verfahren mit einer der beiden möglichen Begründungen aufgehoben werden soll, könne diese Angelegenheit von der Tagesordnung der morgigen Ratssitzung abgesetzt werden.

Ratsherr S. erinnert daran, dass die Politik unter Bürgermeister T. die Einstellung eines Juristen abgelehnt habe. Begründung sei gewesen, dass juristische Fragestellungen nach außen gegeben werden sollten. Da Herr N. zu diesem Zeitpunkt bereits für die Stadt tätig war, wurde er in der Stabsstelle für Wirtschaftsförderung und Rechtswesen eben auch für rechtliche Fragen eingesetzt. Ihm stelle sich nun die Frage, ob es einen Beschluss gebe, der den damaligen Beschluss wieder aufhebe, sodass nun doch ein Jurist eingestellt werden soll.

Ratsfrau K. weist darauf hin, dass damals nur beschlossen worden sei, neben Herrn N. keinen weiteren Juristen einzustellen. Hier gehe es nun aber um seine Nachfolge.

Bürgermeisterin G. ergänzt, dass sie nach Rücksprache mit den Fachbereichen einen Bedarf für juristische Beratung aus dem eigenen Haus sieht. Frau U. konzentriere sich auf den Bereich Wirtschaftsförderung, sodass der Bereich Recht neu besetzt werden müsse.“

Im Vermerk des Leiters des Fachbereichs I der Antragsgegnerin vom 16. September 2021 heißt es:

„Abbruch des Auswahlverfahrens für die Besetzung der Leitung der Stabsstelle für Wirtschaftsförderung und Rechtswesen

Am 10.06.2021 ist die Stelle, Leitung der Stabsstelle für Wirtschaftsförderung und Rechtswesen‘ öffentlich ausgeschrieben worden. Es handelt sich um eine Stelle der Besoldungsgruppe A 14 und richtet sich ausschließlich an Volljuristen mit bestandenem 2. Staatexamen. Weitere Voraussetzung laut Anforderungsprofil waren fundierte Kenntnisse im Verwaltungs- und Vertragsrecht sowie mehrjährige Erfahrung im Bereich Verwaltungsrecht sowie in der Kommunalverwaltung.

Insgesamt gingen 7 Bewerbungen ein. Ab diesem Zeitpunkt wurde das gesamte Verfahren von der F. (F.) extern begleitet. Eine Vorauswahl der geeigneten Bewerber erfolgte ebenfalls unter Beteiligung der DGP entsprechend des Anforderungsprofils. Danach erfüllten lediglich 2 Bewerber die Anforderungen, Frau A. und Herr H..

Es wurde eine umfangreiche Anforderungsanalyse für das strukturierte Auswahlverfahren erstellt. Die rückwärtsgerichtete Leistungsbeurteilung ergab keinen so signifikanten Vorsprung eines Bewerbers, dass eine Auswahl ohne weiteres Verfahren möglich gewesen wäre.

Beide Kandidaten wurden zu einem systematischen Auswahlverfahren eingeladen, welches aus einer Präsentationsaufgabe und einem strukturierten Interview bestand. Beiden Bewerbern wurde vorab das Bewertungsprofil mit den festgelegten relevanten Kompetenzbereichen, die im Verfahren bewertet würden, mitgeteilt.

Die Leistungen der Kandidaten im Auswahlverfahren wurden von der Auswahlkommission mit Punkten beurteilt und anhand einer Bewertungsmatrix ausgewertet. Hier zeigte sich ein nur minimaler Vorsprung von Frau A.. Beide Kandidaten waren – mit Stärken und Schwächen in sehr unterschiedlichen Kompetenzbereichen – insgesamt annähernd gleich beurteilt worden. Nach Ansicht der Kommission konnte hieraus noch keine Empfehlung für einen Kandidaten abgegeben werden.

Insbesondere waren die Mitglieder der Auswahlkommission unterschiedlicher Meinung darüber, welches der eigentlich gleichgewichteten Kompetenzmerkmale des Bewertungsprofils (konkret: Adressatengerechte Kommunikation und Sozialkompetenz oder fachlich-analytische-strategische Kompetenz) für die Besetzung der Stelle nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GG relevanter sei.

Bereits zu diesem Zeitpunkt kam in der Verwaltung die Erkenntnis auf, dass der Zuschnitt der zu besetzenden Stelle möglicherweise für die Aufgabenerfüllung nicht optimal ist. Auch wenn die vorherige Stelle der Leitung der Stabsstelle für Wirtschaftsförderung und Rechtswesen sich historisch entwickelt hatte und viele Merkmale der aktuellen Ausschreibung beinhaltete, zeigte sich, dass der bereits leicht modifizierte Aufgabenzuschnitt für die neu zu besetzende Stelle sehr unterschiedliche Anforderungen in verschiedenen Kompetenzbereichen erfordert, die von Bewerbern möglicherweise nicht alle erfüllt werden können. Dies könnte eine effektive Aufgabenerfüllung auf dieser zentralen Position gefährden.

Trotzdem entschied sich die Auswahlkommission dafür, einen zweiten Termin mit beiden Bewerbern durchzuführen, um dadurch eine fundierte Auswahlentscheidung treffen zu können. Dieser wurde in Form eines juristischen Fachgespräches durchgeführt.

Auch in diesen Gesprächen konnte sich kein Bewerber einen Vorsprung erarbeiten, der zu einer rechtlich klaren und fundierten Auswahlentscheidung geführt hätte. Die Mitglieder der Auswahlkommission hatten auch in diesem Gespräch unterschiedliche Ansichten darüber, wer denn nun eine bessere Leistung erbracht hätte. Auch in der Gesamtschau aller relevanten Entscheidungskriterien und nach erneuter Erörterung konnte keine Einigung herbeigeführt werden. Je nach Schwerpunktsetzung für die praktische Tätigkeit auf die eine oder die andere Kompetenz, könnte man einen sehr geringen Vorsprung für die eine Bewerberin oder den anderen Bewerber feststellen. Die Bewerber waren im Wesentlichen gleich geeignet.

Daraus folgte die Entscheidung, das Verfahren vollständig abzubrechen und niemanden die Stelle zu übertragen. Dies auch vor dem Hintergrund, die Bewerberverfahrensansprüche beider Bewerber nicht zu verletzen. Hierzu bedarf es eines sachlichen Grundes. Die C. hat – nach ausgiebiger Abwägung der Sach- und Rechtslage – letztlich als sachlichen Grund für den Abbruch des Verfahrens festgelegt, dass die Stelle im Rahmen der Organisationsgewalt des Dienstherrn neu zugeschnitten werden soll.

Im Laufe des Verfahrens wurde deutlich, dass eine etwas andere organisatorische Zuordnung bzw. Einbindung für die Aufgabenerfüllung sinnvoller sein könnte. Die Stelle soll daher nicht mit gleichem Profil und Zuschnitt neu ausgeschrieben werden, sondern erst mit einem organisatorisch angepassten Profil.“

Mit Schreiben vom 16. September 2021 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass die Auswahlkommission sowie ihre politischen Gremien zu der Entscheidung gekommen seien, das Stellenbesetzungsverfahren endgültig und ohne Stellenbesetzung zu beenden. Sie sei im Laufe des Auswahlverfahrens zu der Erkenntnis gekommen, dass ein anderer Zuschnitt der Stelle die bessere und effektivere Variante sei, um die anspruchsvolle Aufgabenerfüllung im Bereich Wirtschaftsförderung und im Bereich Recht sicherzustellen. Das Organisationermessen der Dienststelle und der Entschluss, den Dienstposten neu zuzuschneiden, seien daher die sachlichen Gründe für den Abbruch des Verfahrens.

Die Antragstellerin hat am 15. Oktober 2021 bei dem Verwaltungsgericht Osnabrück die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragt.

Das Verwaltungsgericht hat die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 7. Dezember 2021 im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, das Stellenbesetzungsverfahren zur Besetzung der Stelle „Leitung der Stabsstelle für Wirtschaftsförderung und Rechtswesen“ fortzuführen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde, der die Antragstellerin entgegentritt.

II.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin hat keinen Erfolg. Die von ihr in der Beschwerde dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen nicht eine Änderung der angegriffenen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Antragstellerin einen Anspruch auf Fortsetzung des Verfahrens zur Besetzung der Stelle „Leitung der Stabsstelle für Wirtschaftsförderung und Rechtswesen“ glaubhaft gemacht hat.

1. Art. 33 Abs. 2 GG gewährt jedem Deutschen ein grundrechtsgleiches Recht auf Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Das hierin zum Ausdruck kommende Leistungsprinzip eröffnet dem Einzelnen keinen Anspruch auf Beförderung bzw. auf Übertragung des begehrten Amtes, sondern gibt ihm lediglich Anspruch darauf, dass über seine Bewerbung ermessens- und beurteilungsfehlerfrei nach Maßgabe dieser Kriterien entschieden wird (sog. Bewerbungsverfahrensanspruch). Nach Art. 33 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG kann der unterlegene Bewerber in einem gerichtlichen Verfahren überprüfen lassen, ob er durch die Auswahlentscheidung in seinem subjektiv-öffentlichen Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG verletzt worden ist (BVerfG, Kammerbeschluss vom 28.11.2011 - 2 BvR 1181/11 -, juris Rn. 20). Die konkrete Stellenausschreibung und das daran anschließende Auswahlverfahren dienen der verfahrensmäßigen Absicherung des Bewerbungsverfahrensanspruchs der Bewerber (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28.2.2007 - 2 BvR 2494/06 -, juris Rn. 7). Um eine Durchsetzung der in Art. 33 Abs. 2 GG gewährleisteten Rechte sicherstellen zu können, erfordert der Bewerbungsverfahrensanspruch eine angemessene Gestaltung des Auswahlverfahrens (BVerfG, Kammerbeschluss vom 28.11.2011 - 2 BvR 1181/11 -, juris Rn. 21; Nds. OVG, Beschluss vom 19.1.2012 - 5 ME 464/11 -; Beschluss vom 27.5.2014 - 5 ME 60/14 -; Beschluss vom 28.6.2021 - 5 ME 50/21 -, juris Rn. 21).

Dem Bewerbungsverfahrensanspruch ist auch bei der Entscheidung über den Abbruch eines laufenden Auswahlverfahrens Rechnung zu tragen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 28.4.2005 - 1 BvR 2231/02 u. a. -, juris Rn. 40; Kammerbeschluss vom 28.11.2011 - 2 BvR 1181/11 -, juris Rn. 22). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die vom Bundesverfassungsgericht gebilligt worden ist, kommt dem Dienstherrn hinsichtlich der Beendigung eines eingeleiteten Bewerbungs- und Auswahlverfahrens ein weites Organisations- und verwaltungspolitisches Ermessen zu; der Abbruch des Auswahlverfahrens erfordert jedoch einen sachlichen Grund (BVerwG, Urteil vom 25.4.1996 - BVerwG 2 C 21.95 -, juris Rn. 21; Urteil vom 22.7.1999 - BVerwG 2 C 14.98 -, juris Rn. 26; Urteil vom 31.3.2011 - BVerwG 2 A 2.09 -, juris Rn. 16; Urteil vom 29.11.2012 - BVerwG 2 C 6.11 -, juris Rn. 15; Urteil vom 3.12.2014 - BVerwG 2 A 3.13 -, juris Rn. 19; Urteil vom 10.12.2020 - BVerwG 2 C 12.20 -, juris Rn. 26; vgl. auch Nds. OVG, Beschluss vom 14.9.2006 - 5 ME 219/06 -, juris Rn. 14; Beschluss vom 30.9.2010 - 5 ME 169/10 -, juris Rn. 17; Beschluss vom 16.6.2011 - 5 ME 199/11 -; Beschluss vom 19.1.2012 - 5 ME 464/11 -; BVerfG, Beschluss vom 19.12.2008 - 2 BvR 627/08 -, juris Rn. 8 f.), welcher grundsätzlich - d. h. sofern er sich nicht evident aus dem Vorgang selbst ergibt - in den Akten schriftlich dokumentiert sein muss (BVerfG, Kammerbeschluss vom 28.11.2011 - 2 BvR 1181/11 -, juris Rn. 23; BVerwG, Urteil vom 26.1.2012 - BVerwG 2 A 7.09 -, juris Rn. 29; Urteil vom 29.11.2012 - BVerwG 2 C 6.11 -, juris Rn. 19; Urteil vom 3.12.2014 - BVerwG 2 A 3.13 -, juris Rn. 20; Nds. OVG, Beschluss vom 28.6.2021 - 5 ME 50/21 -, juris Rn. 22). Ein Bewerber wird grundsätzlich nur durch die schriftliche Fixierung der wesentlichen (Abbruch-)Erwägungen in die Lage versetzt, etwa anhand von Akteneinsicht sachgerecht darüber befinden zu können, ob die Entscheidung des Dienstherrn seinen Bewerbungsverfahrensanspruch berührt und ob Rechtsschutz in Anspruch genommen werden soll (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.1.2012 - BVerwG 2 A 7.09 -, juris Rn. 28 f.; Urteil vom 3.12.2014 - BVerwG 2 A 3.13 -, juris Rn. 34). Darüber hinaus eröffnet erst die Dokumentation des Grundes für den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens dem Gericht die Möglichkeit, die Beweggründe für den Abbruch nachzuvollziehen. Die Annahme, die maßgeblichen Erwägungen könnten auch erstmals im Rahmen eines gerichtlichen Eilverfahrens gegen den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens dargelegt werden, mindert die Rechtsschutzmöglichkeiten der Bewerber in unzumutbarer Weise (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.12.2014 - BVerwG 2 A 3.13 -, juris Rn. 34). In formeller Hinsicht setzt der Abbruch eines Stellenbesetzungsverfahrens weiter voraus, dass die Bewerber von dem Abbruch rechtzeitig und in geeigneter Form - etwa durch die erneute Ausschreibung der betreffenden Stelle oder durch Mitteilung - Kenntnis erlangen (BVerwG, Urteil vom 26.1.2012 - BVerwG 2 A 7.09 -, juris Rn. 28; Urteil vom 29.11.2012 - BVerwG 2 C 6.11 -, juris Rn. 19).

Ein sachlicher Grund für den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens kann sich aus der Art. 33 Abs. 2 GG vorgelagerten Organisationsgewalt des Dienstherrn ergeben. So kann der Dienstherr etwa das Verfahren abbrechen, wenn er die Stelle, die dem erfolgreichen Bewerber übertragen werden sollte, nicht mehr besetzen will. Ebenso stellt es einen sachlichen, dem Organisationsermessen zugehörigen Grund für einen Abbruch dar, wenn der Dienstherr sich entschlossen hat, die Stelle neu zuzuschneiden (BVerwG, Urteil vom 29.11.2012 - BVerwG 2 C 6.11 -, juris Rn. 16; Nds. OVG, Beschluss vom 28.6.2021 - 5 ME 50/21 -, juris Rn. 23). Darüber hinaus ist der Dienstherr berechtigt, ein Stellenbesetzungsverfahren aus Gründen abzubrechen, die aus Art. 33 Abs. 2 GG hergeleitet werden. So kann er aufgrund seines Beurteilungsspielraums bei der Bewerberauswahl das Verfahren abbrechen, wenn kein Bewerber seinen Erwartungen entspricht (BVerwG, Urteil vom 26.1.2012 - BVerwG 2 A 7.09 -, juris Rn. 27; Urteil vom 29.11.2012 - BVerwG 2 C 6.11 -, juris Rn. 17; Urteil vom 3.12.2014 - BVerwG - 2 A 3.13 -, juris Rn. 19) oder wenn nachträglich ein wesentlich besser geeigneter Interessent auftritt, der dem zunächst ausgewählten Bewerber nach Maßgabe des Art. 33 Abs. 2 GG vorgeht (BVerwG, Urteil vom 10.12.2020 - BVerwG 2 C 12.20 -, juris Rn. 23). Der Dienstherr kann das Stellenbesetzungsverfahren aber auch abbrechen, weil er erkannt hat, dass es vor dem Hintergrund des Art. 33 Abs. 2 GG fehlerhaft ist (BVerwG, Urteil vom 29.11.2012 - BVerwG 2 C 6.11 -, juris Rn. 17; Urteil vom 3.12.2014 - BVerwG 2 A 3.13 -, juris Rn. 19; Urteil vom 10.12.2020 - BVerwG 2 C 12.20 -, juris Rn. 30). Dementsprechend ist der Abbruch regelmäßig gerechtfertigt, wenn dem Dienstherrn im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt worden ist, den von ihm ausgewählten Bewerber zu ernennen und/oder einen ausgeschriebenen Dienstposten zu übertragen, denn daraus kann regelmäßig der Schluss gezogen werden, dass die bisherige Verfahrensweise im Hinblick auf Art. 33 Abs. 2 GG erheblichen Zweifeln begegnet (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.11.2012 - BVerwG 2 C 6.11 -, juris Rn. 20; vgl. auch Nds. OVG, Beschluss vom 13.3.2012 - 5 ME 41/12 -). Unsachlich sind demgegenüber solche Gründe, die das Ziel verfolgen, einen unerwünschten Kandidaten aus leistungsfremden Erwägungen von der weiteren Auswahl für die Stelle auszuschließen oder einen bestimmten Bewerber bei der späteren Auswahlentscheidung zu bevorzugen (BVerwG, Urteil vom 26.1.2012 - BVerwG 2 A 7.09 -, juris Rn. 27; Urteil vom 29.11.2012 - BVerwG 2 C 6.11 -, juris Rn. 20).

Wird der Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens diesen formellen und materiellen Anforderungen nicht gerecht, darf von Verfassungs wegen keine Neuausschreibung erfolgen, weil dadurch die Bewerber des ursprünglichen Auswahlverfahrens in ihrem Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt würden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 28.11.2011 - 2 BvR 1181/11 -, juris Rn. 22; BVerwG, Urteil vom 3.12.2014 - BVerwG 2 A 3.13 -, juris Rn. 19). Ist hingegen der Abbruch des Auswahlverfahrens rechtmäßig, so ist der Bewerbungsverfahrensanspruch der ursprünglichen Bewerber erloschen (BVerwG, Urteil vom 29.11.2012 - BVerwG 2 C 6.11 -, juris Rn. 11; Beschluss vom 27.2.2014 - BVerwG 1 WB 7.13 -, juris Rn. 28; Nds. OVG, Beschluss vom 27.5.2014 - 5 ME 60/14 -; Nds. OVG, Beschluss vom 28.6.2021 - 5 ME 50/21 -, juris Rn. 24) und ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit dem Ziel, den Dienstherrn zur Fortführung des Stellenbesetzungsverfahrens zu verpflichten, bleibt ohne Erfolg.

2. Mit Blick auf diese Grundsätze hat die Antragsgegnerin die Feststellung des Verwaltungsgerichts, die Abbruchentscheidung sei rechtswidrig, mit ihrem Beschwerdevorbringen (Beschwerdebegründung - BB - vom 6.1.2022, S. 1 ff. [Bl. 66 ff./GA)] nicht durchgreifend in Frage gestellt.

Vorab ist klarzustellen, dass die Antragsgegnerin ihre Abbruchentscheidung nicht damit begründet hat, dass sie die Stelle in keiner Weise mehr besetzen wolle, die Bewerber nicht ihren Erwartungen entsprochen hätten, es am nach § 107 Abs. 4 Satz 1 NKomVG erforderlichen Einvernehmen gefehlt oder sie erkannt hätte, dass das Auswahlverfahren fehlerhaft gewesen wäre. Der Leiter des Fachbereichs I der Antragsgegnerin hat in seinem Abbruchvermerk vom 16. September 2021 als alleinigen Grund für den Abbruch des Auswahlverfahrens für die Besetzung der Leitung der Stabsstelle für Wirtschaftsförderung und Rechtswesen angegeben, dass die Stelle im Rahmen der Organisationsgewalt des Dienstherrn neu zugeschnitten werden solle. Im Laufe des Stellenbesetzungsverfahrens sei deutlich geworden, dass eine etwas andere organisatorische Zuordnung bzw. Einbindung für die Aufgabenerfüllung sinnvoller sein könnte. Die Stelle solle daher nicht mit gleichem Profil und Zuschnitt neu ausgeschrieben werden, sondern erst mit einem organisatorisch angepassten Profil. Entsprechend hat die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit Schreiben vom 16. September 2021 mitgeteilt, sie sei im Laufe des Auswahlverfahrens zu der Erkenntnis gekommen, dass ein anderer Zuschnitt der Stelle die bessere und effektivere Variante sei, um die anspruchsvolle Aufgabenerfüllung im Bereich Wirtschaftsförderung und im Bereich Recht sicherzustellen. Das Organisationsermessen der Dienststelle und der Entschluss, den Dienstposten neu zuzuschneiden, seien daher die sachlichen Gründe für den Abbruch des Verfahrens.

Wie unter II.1. ausgeführt, stellt es grundsätzlich einen sachlichen, dem Organisationsermessen zugehörigen Grund für einen Abbruch dar, wenn der Dienstherr sich entschlossen hat, die Stelle neu zuzuschneiden. Ein geplanter oder bereits laufender interner Umstrukturierungsprozess mit bis dato unklarem Ausgang bzw. eine hiermit verbundene Unsicherheit im Hinblick auf den Fortbestand eines konkreten Dienstpostens kann einen sachlichen Grund für den Abbruch eines Stellenbesetzungsverfahrens im Sinne der oben angeführten rechtlichen Grundsätze darstellen (Nds. OVG, Beschluss vom 21.6.2022 - 5 ME 44/22 -).

Ein pauschaler Hinweis auf den Entschluss, die Stelle neu zuzuschneiden, genügt indes nicht, wenn begründete Zweifel am tatsächlichen Vorliegen dieses sachlichen Grundes geltend gemacht werden. Da es nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen der Antragsgegnerin obliegt, die für sie günstige Tatsache des Vorliegens eines sachlichen Grundes zu belegen und ihr dies - weil diese Tatsachen allein ihrer Sphäre zuzurechnen sind - auch grundsätzlich möglich ist, hat sie diese organisatorische Entscheidung zeitlich und inhaltlich zu konkretisieren und so die bestehenden Zweifel zu zerstreuen (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 21.6.2022 - 5 ME 44/22 -). Eine Dokumentation des noch offenen Neustrukturierungsprozesses oder der getroffenen Organisationsneuentscheidung - etwa in Gestalt dienstlicher Verfügungen, Entscheidungen oder Anweisungen - hat bis zum Abbruch des Stellenbesetzungsverfahren zu erfolgen.

Das Verwaltungsgericht hat unter Heranziehung des Protokolls über die Sitzung des Verwaltungsausschusses am 15. September 2021 festgestellt, dass der anderweitig geplante Stellenzuschnitt nur als Abbruchgrund vorgeschoben worden sei, um die Ernennung der Antragstellerin gerichtsfest zu verhindern. Diese Feststellung des Verwaltungsgerichts hat die Antragsgegnerin nicht mit ihrem Beschwerdevorbringen erschüttert. Insbesondere hat sie nicht den geplanten Neuzuschnitt der streitgegenständlichen Stelle und dessen Notwendigkeit nachvollziehbar erläutert.

Die Antragsgegnerin hat sich zwar zunächst auf den Vermerk des Leiters des Fachbereichs I vom 16. September 2021, wonach sich bei der Prüfung des Zuschnitts des Aufgabenbereichs gezeigt habe, dass der neu zu besetzende Dienstposten sehr unterschiedliche Anforderungen in verschiedenen Kompetenzbereichen erfordere, die von Bewerbern womöglich nicht alle erfüllt werden könnten, so dass unter Abwägung aller maßgeblichen Gesichtspunkte der Dienstposten neu zuzuschneiden sei, bezogen. Sie hat diese Begründungserwägungen als sachlichen Grund für den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens angesehen, weil sie die Aufrechterhaltung bzw. Gewährung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung beträfen (BB vom 6.1.2022, S. 4 [Bl. 69/GA]). Sodann hat sie sich aber dahingehend eingelassen, dass sich in der Gesamtschau zeige, dass in der Sitzung ihres Verwaltungsausschusses am 15. September 2021 differenzierte Betrachtungen und differenzierte Begründungserwägungen zu dem gefassten Beschluss geführt hätten, das Stellenbesetzungsverfahren abzubrechen. Im Folgenden ist sie nur der Feststellung des Verwaltungsgerichts, der geänderte Zuschnitt des Dienstpostens sei lediglich unter Verschleierung des wahren Abbruchgrundes, nämlich der Ehe der Antragstellerin mit dem Ersten Stadtrat, vorgeschoben worden, entgegengetreten (vgl. BB vom 6.1.2022, S. 5 ff. [Bl. 70 ff./GA]). Den geplanten organisatorischen Neuzuschnitt der streitgegenständlichen Stelle hat sie weder in zeitlicher noch in inhaltlicher Hinsicht konkretisiert und damit die Zweifel am Vorliegen dieses im Abbruchvermerk und dem Schreiben an die Antragstellerin vom 16. September 2021 allein dokumentierten Abbruchgrundes nicht zerstreut.

Sie hat nicht in Abrede gestellt, dass in der vorgenannten Sitzung des Verwaltungsausschusses über die Ehe der Antragstellerin mit dem Ersten Stadtrat gesprochen worden ist. Ebenso wenig ist sie folgenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts entgegengetreten:

- Der Ratsherr I. habe erklärt, die Antragstellerin solle zur Rücknahme ihrer Bewerbung bewegen werden; auch, um sie und ihren Mann nicht zu schädigen. Die Fraktion J. lehne die Besetzung der Stelle mit der Antragstellerin komplett ab.

- Das Ratsmitglied Frau K. habe sich für die L. -Gruppe dahingehend geäußert, dass in zwei derart herausgehobenen Positionen einer Kommune kein Ehepaar arbeiten solle. Sie habe den anderen Bewerber „nicht schlecht gefunden“.

Stattdessen hat die Antragsgegnerin gerügt, dass Verwaltungsgericht sei nicht auf die Redebeiträge von vier weiteren Ausschussmitgliedern eingegangen. In diesen Redebeiträgen sei nicht die Ehe der Antragstellerin mit dem Ersten Stadtrat als Grund für eine Ablehnung der Besetzung mit der Antragstellerin angegeben worden.

Zutreffend ist zwar, dass das Verwaltungsgericht seine Entscheidung auf die protokollierten Redebeiträge der Mitglieder des Verwaltungsausschusses Herr I. und Frau K. gestützt hat. Richtig ist auch, dass in den Redebeiträgen der weiteren vier Mitglieder des Verwaltungsausschusses Herr M., Frau P., Herr Q. und Herr S. nicht die Ehe der Antragstellerin mit dem Ersten Stadtrat als Grund für eine Ablehnung der Besetzung mit der Antragstellerin angegeben worden ist. Während Herr M., Herr Q. und Herr S. sich zu diesem Thema nicht geäußert haben, hat Frau P. die Ansicht vertreten, der Antragstellerin dürfe kein Nachteil daraus entstehen, dass sie die Ehefrau des Ersten Stadtrats sei. Bei dicht beieinanderliegenden Bewerberinnen und Bewerbern sollten Frauen Führungspositionen übernehmen.

Aus den von der Antragsgegnerin angeführten Redebeiträgen der vier vorgenannten Ausschussmitglieder ergibt sich jedoch nicht, dass der anderweitig geplante Stellenzuschnitt Grund für den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahren gewesen ist. Herr M. hat geschildert, dass beim zweiten Gesprächstermin der Mitbewerber in der Beantwortung der Fragen alle Punkte genannt habe, die in der Musterlösung aufgeführt gewesen seien, die Antragstellerin hingegen nicht alle Punkte genannt habe. Mit Ausnahme der Bürgermeisterin und des ehemaligen Stelleninhabers habe die Auswahlkommission den Mitbewerber favorisiert. Er und die O. -Fraktion haben demnach der Besetzung der Stelle mit Antragstellerin mit der Begründung nicht zugestimmt, sie sei die schlechtere Bewerberin. Frau P. hat - wie sich aus der vorgenannten Äußerung ergibt - letztlich die Besetzung der Stelle mit der Antragstellerin gefordert. Herr Q. hat den Mitbewerber als gute Wahl bezeichnet, aber eine andere Lösung angemahnt, wenn dies für die Bürgermeisterin keine Option sei. Als andere Lösung hat er weder den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens benannt noch die Besetzung der Stelle mit der Antragstellerin ausgeschlossen. Schließlich hat Herr S. nur daran erinnert, dass die Politik unter dem vorherigen Bürgermeister die Einstellung eines Juristen abgelehnt habe, weil juristische Fragestellungen nach außen gegeben werden sollten und die Frage aufgeworfen, ob es nun einen Beschluss gebe, der den damaligen Beschluss wieder aufhebe, sodass nun doch ein Jurist eingestellt werden solle. Einen Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens hat er damit ebenso wenig wie einen neuen Zuschnitt der ausgeschriebenen Stelle gefordert, sondern nur auf vorherige Entscheidungen hingewiesen.

Auch das weitere Vorbringen der Antragsgegnerin, ihr könne nicht mit dem Verwaltungsgericht entgegengehalten werden, dass es nach den Erklärungen des Fachbereichsleiters in der Sitzung des Verwaltungsausschusses vom 15. September 2021 zweifelsfrei feststehe, dass mit dem Abbruch nur ein Weg gesucht worden sei, eine – vermeintliche - Gerichtsfestigkeit des Abbruchs auszusprechen, indem der geänderte Zuschnitt des Dienstpostens lediglich unter Verschleierung des wahren Grundes der Ehe vorgeschoben worden sei, führt nicht zum Erfolg der Beschwerde.

Die Antragsgegnerin hat zwar zu Recht angenommen, es sei nachvollziehbar gewesen, dass seitens der Verwaltung - durch den Leiter des Fachbereichs I - im Rahmen der rechtlichen Bewertung in der vorgenannten Sitzung grundsätzlich bestehende Möglichkeiten für den weiteren Verfahrensgang unter Berücksichtigung der jeweiligen Prozessrisiken aufgezeigt und dabei auch die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zum Vorliegen eines sachlich begründeten Abbruchs berücksichtigt worden seien. Denn Aufgabe der Verwaltung ist es nicht nur, die bereits gefassten Beschlüsse der Ausschüsse und des Rates umzusetzen, sondern den Ratsmitgliedern auch beratend und unterstützend im Vorfeld der Beschlüsse zur Seite zu stehen. Mit ihrem Vorbringen hat sie aber die Feststellung des Verwaltungsgerichts, aus dem protokollierten Redebeitrag des Leiters des Fachbereichs I ergebe sich, dass der Neuzuschnitt der streitgegenständlichen Stelle als sachlicher Grund für den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens nur vorgeschoben worden sei, nicht substantiiert in Frage gestellt. Sie hat insbesondere nicht dargelegt, dass die Ausschussmitglieder und die Verwaltung tatsächlich einen Bedarf für den Neuzuschnitt der Stelle angenommen haben und (nur) deshalb das Stellenbesetzungsverfahren abgebrochen haben.

Ausweislich des Sitzungsprotokolls stellt sich der zeitliche Ablauf wie folgt dar: Die Mitglieder des Verwaltungsausschusses haben sich nicht auf die Besetzung der streitgegenständlichen Stelle einigen können. Die Bürgermeisterin hatte die Besetzung der Stelle mit der Antragstellerin als bessere Bewerberin vorgeschlagen und dabei erklärt, dass diese die Ehefrau des Ersten Stadtrates sei, habe für sie keine Relevanz. Herr I. hatte für die Fraktion V. und Frau K. für die L. -Gruppe die Besetzung mit der Antragstellerin wegen deren Ehe mit dem Ersten Stadtrat ausgeschlossen. Frau P. hatte sich für die Antragstellerin wegen der Frauenförderung ausgesprochen. Andere Mitglieder hatten den Mitbewerber als den besseren Bewerber favorisiert oder in Frage gestellt, ob ein Jurist aufgrund älterer Beschlüsse eingestellt werden könne. Anschließend hat der Fachbereichsleiter in der Sitzung am 21. Oktober 2021 das Wort ergriffen.

Folgerichtig hat dieser als erstes die Lage dahingehend zusammengefasst, dass es sich hier um ein Auswahlverfahren handele, bei dem wohl keine Einigkeit zwischen dem Rat und der Bürgermeisterin erzielt werde. Indem er anschließend erklärt hat, dass eine Aufhebung des Stellenbesetzungsverfahrens nicht einfach deshalb möglich sei, weil keine der Personen für die Stelle gewollt sei, hat er den Ausschussmitgliedern aufgezeigt, dass eine solche fehlende Einigung auf einen Bewerber kein sachlicher Grund für den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens sei. Stattdessen seien sachliche Gründe für die Aufhebung des Auswahlverfahrens zum einen, dass der Zuschnitt der Stelle nicht mehr passend sei, und zum anderen, dass beide Bewerber in Teilbereichen der Bewertungskriterien als nicht geeignet angesehen würden und nicht sichergestellt werden könne, das Verfahren rechtsfehlerfrei zu beenden. Er halte die erste Möglichkeit für rechtssicherer.

Danach hat der Fachbereichsleiter den Neuzuschnitt der streitgegenständlichen Stelle (erstmalig) aufgezeigt, um einen (gerichtsfesten) Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens zu ermöglichen. Ein Bedarf für einen solchen Neuzuschnitt ist zuvor weder von der Verwaltung noch von den Ratsmitgliedern angesprochen und in den Verwaltungsvorgängen dokumentiert worden. Ausweislich der Stellenausschreibung hatte die Antragsgegnerin lediglich nach dem Ausscheiden des bisherigen Stelleninhabers eine Nachbesetzung der Leitung der Stabsstelle für Wirtschaft und Rechtswesen beabsichtigt. Es ist auch nicht dokumentiert, dass sich im laufenden Auswahlverfahren herausgestellt hatte, dass ein Neuzuschnitt dieser Stelle notwendig ist. Aus der von der Bürgermeisterin verfassten Beschlussvorlage vom 9. September 2021 ist nur ersichtlich, dass die Verwaltung Fachkenntnissen die größte Gewichtung zugewiesen hat. Selbst wenn andere Mitglieder der Auswahlkommission abweichend davon andere Kriterien wie die adressengerechte Kompetenz und Sozialkompetenz höher gewichtet haben sollten (so der Fachbereichsleiter in seinem Vermerk vom 16.9.2021), resultierte daraus nicht das Erfordernis eines Neuzuschnitts der Stelle. Erst im Nachhinein hat der Fachbereichsleiter in seinem Vermerk vom 16. September 2021 den Neuzuschnitt der Stelle mit den „sehr unterschiedlichen Anforderungen in den verschiedenen Kompetenzbereichen, die von Bewerbern möglicherweise nicht alle erfüllt werden können“, begründet. Eine solche nachträgliche Begründung ohne konkrete Erwägungen für den Bedarf und die Ausgestaltung des geplanten Stellenzuschnitts genügt den Darlegungsanforderungen nicht.

Überdies ergibt sich angesichts dessen, dass der Fachbereichsleiter I in der Sitzung des Verwaltungsausschusses wegen der Nichteinigung über den Besetzungsvorschlag verschiedene Gründe für einen Abbruch des Auswahlverfahrens anführte und sich mit der Erwägung für den später angeführten Grund aussprach, dieser sei rechtssicherer, dass die behauptete Rechtfertigung für den Abbruch des Auswahlverfahrens tatsächlich lediglich vorgeschoben ist, um eine Bewerberin zu verhindern.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 39 Abs. 1, 40, 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1, Abs. 2 GKG. Hinsichtlich der Höhe des festzusetzenden Streitwertes in Bezug auf den Abbruch eines Stellenbesetzungsverfahrens gelten dieselben Maßstäbe wie für das Stellenbesetzungsverfahren selbst (vgl. etwa Nds. OVG, Beschluss vom 18.1.2018 - 5 ME 224/17 -; Beschluss vom 2.5.2019 - 5 ME 68/19 -; Beschluss vom 21.6.2022 - 5 ME 44/22 -). Daher war für das Beschwerdeverfahren der Auffangwert anzusetzen, weil die Antragstellerin bereits vor der Antragstellung einen Dienstposten innehatte, welcher der Bewertung des begehrten Dienstpostens entspricht, für sie also ein Fall der reinen Dienstpostenkonkurrenz vorliegt (vgl. etwa Nds. OVG, Beschluss vom 30.4.2019 - 5 OA 75/19 -; Beschluss vom 21.6.2022 - 5 ME 44/22 -). In diesen Fällen ist das Begehren unter dem Blickwinkel der Wertfestsetzung einer Umsetzung oder Versetzung gleichzusetzen, für die der Senat sowohl im Hauptsache- als auch im Eilverfahren einen Streitwert in Höhe von 5.000,00 EUR zugrunde legt (Nds. OVG, Beschluss vom 20.9.2013
- 5 OA 212/13 -; Beschluss vom 21.6.2022 - 5 ME 44/22 -).

Der Streitwert für den ersten Rechtszug beträgt aus den oben dargestellten Gründen ebenfalls 5.000,00 EUR. Er war gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG von Amts wegen entsprechend zu ändern.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).