Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 13.09.2022, Az.: 13 ME 150/22

Zuständigkeit der Behörde des Landes für eine länderübergreifende Umverteilung unerlaubt eingereister Ausländer

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
13.09.2022
Aktenzeichen
13 ME 150/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 36379
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Fundstelle

  • NordÖR 2022, 554

Amtlicher Leitsatz

Für eine länderübergreifende Umverteilung (Weiter- oder Rückverteilung) nach § 15a Abs. 5 Satz 1 AufenthG ist grundsätzlich eine Behörde des Landes zuständig, in das der betroffene Ausländer zuvor nach § 15a Abs. 4 Satz 1 AufenthG verteilt wurde.

Tenor:

  1. I.

    Die Beschwerde des Antragstellers gegen den die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig - Einzelrichter der 5. Kammer - vom 28. April 2022 wird zurückgewiesen.

    Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

    Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten des Prozesskostenhilfeverfahrens werden nicht erstattet.

    Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

  2. II.

    Die Beschwerde des Antragstellers gegen den die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig - Einzelrichter der 5. Kammer - vom 28. April 2022 wird zurückgewiesen.

    Der Antragsteller trägt die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe

I. 13 ME 150/22

1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig - Einzelrichter der 5. Kammer - vom 28. April 2022 bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den mit der Beschwerde unverändert weiter verfolgten Antrag, die Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, den Antragsteller umgehend nach A-Stadt zu verteilen (vgl. den Beschwerdebegründungsschriftsatz v. 31.5.2022, S. 3 = Blatt 64 der Gerichtsakte), im Ergebnis zutreffend abgelehnt. Der Antragsteller hat weder einen Anordnungsgrund (a.) noch einen Anordnungsanspruch (b.) in einer den Anforderungen des § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO genügenden Weise glaubhaft gemacht.

a. Ein Anordnungsgrund ist gleichzusetzen mit einem spezifischen Interesse gerade an der begehrten vorläufigen Regelung. Dieses Interesse ergibt sich regelmäßig aus einer besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtsschutzgewährung (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 19.10.2010 - 8 ME 221/10 -, juris Rn. 4; Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 123 Rn. 81 (Stand: März 2014)). Dabei ist einem die Hauptsache vorwegnehmenden Antrag im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO nur ausnahmsweise (vgl. zum grundsätzlichen Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes: BVerwG, Beschl. v. 27.5.2004 - BVerwG 1 WDS-VR 2.04 -, juris Rn. 3; OVG Lüneburg, Beschl. v. 19.7.1962 - I B 57/62 -, OVGE MüLü 18, 387, 388 f.) dann stattzugeben, wenn durch das Abwarten in der Hauptsache für den Antragsteller schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstehen, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. Der besonderen Bedeutung der jeweils betroffenen Grundrechte und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes ist Rechnung zu tragen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 30.4.2008 - 2 BvR 338/08 -, juris Rn. 3; Beschl. v. 25.10.1988 - 2 BvR 745/88 -, BVerfGE 79, 69, 74 - juris Rn. 27; BVerwG, Beschl. v. 10.2.2011 - BVerwG 7 VR 6.11 -, juris Rn. 6; Beschl. v. 29.4.2010 - BVerwG 1 WDS VR 2.10 -, Buchholz 310 § 123 VwGO Nr. 28 - juris Rn. 18 ff.; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 12.5.2010 - 8 ME 109/10 -, juris Rn. 14; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 193 ff. jeweils m.w.N.).

Hier erstrebt der Antragsteller eine solche Vorwegnahme der Hauptsache. Denn das Ziel der von ihm begehrten Regelungsanordnung ist mit dem Ziel des Klageverfahrens (VG Braunschweig, 5 A 81/22) identisch. Dem steht nicht entgegen, dass die im einstweiligen Anordnungsverfahren erstrebte Rechtsstellung unter der auflösenden Bedingung des Ergebnisses des Klageverfahrens stünde. Denn auch die bloße vorläufige Vorwegnahme der Hauptsache vermittelt dem Antragsteller die mit dem Klageverfahren erstrebte Rechtsposition und stellt ihn - ohne dass diese Rechtsstellung rückwirkend wieder beseitigt werden könnte - vorweg so, als wenn er im Klageverfahren bereits obsiegt hätte (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.12.1989 - BVerwG 2 ER 301.89 -, Buchholz 310 § 123 VwGO Nr. 15 - juris Rn. 3; Senatsbeschl. v. 8.10.2003 - 13 ME 342/03 -, NVwZ-RR 2004, 258 f. - juris Rn. 29; OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 21.10.1987 - 12 B 109/87 -, NVwZ-RR 1988, 19; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 180 m.w.N.).

Der nach dem dargestellten Maßstab nur ausnahmsweise mögliche Erlass einer solchen, die Hauptsache vorwegnehmenden Regelungsanordnung kommt hier nicht in Betracht. Denn der Antragsteller hat nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass ihm ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstehen, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. Sein Hinweis auf die durch die Antragsgegnerin beabsichtigte Abschiebung (vgl. Schriftsatz des Antragstellers v. 11.3.2022, S. 3 = Blatt 3 der Gerichtsakte) ist in diesem Verfahren nicht zielführend, da der Antragsteller nicht die Aussetzung seiner Abschiebung, sondern die Umverteilung begehrt. Sein weitergehender Hinweis, die Stadtgemeinde A-Stadt könne vor der Umverteilung dorthin nicht über seinen Antrag auf Erteilung von Aufenthalts- und Beschäftigungserlaubnis entscheiden und er könne seinen Arbeitsvertrag als Facharbeiter im Baugewerbe nicht erfüllen (vgl. Schriftsatz des Antragstellers v. 11.3.2022, S. 3 = Blatt 3 der Gerichtsakte), zeigt keine unzumutbaren Nachteile auf. Zum einen hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, dass er in der Sache überhaupt die Erteilung einer auch zur Beschäftigung berechtigenden Aufenthaltserlaubnis beanspruchen kann. Zum anderen ist es dem Antragsteller unbenommen, den Antrag auf Erteilung von Aufenthalts- und Beschäftigungserlaubnis bei der derzeit für ihn zuständigen Ausländerbehörde zu stellen und sich bei dem behaupteten Fachkräftemangel im Baugewerbe ggf. um eine andere Stelle als Facharbeiter im Baugewerbe zu bemühen.

b. Im Übrigen hat der Antragsteller auch das Bestehen eines Anordnungsanspruchs nicht glaubhaft gemacht. Eine hohe, mithin weit überwiegende Erfolgswahrscheinlichkeit in einem Hauptsacheverfahren (vgl. zu diesem strengen Maßstab bei einer vorläufigen Vorwegnahme der Hauptsache im einstweiligen Anordnungsverfahren: BVerwG, Beschl. v. 14.12.1989 - BVerwG 2 ER 301.89 -, Buchholz 310 § 123 VwGO Nr. 15 - juris Rn. 3; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 11.3.2008 - 13 S 418/08 -, juris Rn. 7; Senatsbeschl. v. 2.2.2007 - 13 ME 362/06 -, juris Rn. 9; Hessischer VGH, Beschl. v. 29.8.2000 - 5 TG 2641/00 -, NVwZ-RR 2001, 366 - juris Rn. 6; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 191) besteht auch nach seinem Beschwerdevorbringen nicht.

(1) Entgegen der Auffassung des erstinstanzlich entscheidenden Verwaltungsgerichts (Beschl. v. 28.4.2022, Umdruck S. 2) erachtet der Senat aber eine Zuständigkeit der Antragsgegnerin für die begehrte Umverteilungsentscheidung nach § 15a Abs. 5 Satz 1 AufenthG als gegeben.

Für eine länderübergreifende Umverteilung (Weiter- oder Rückverteilung) nach § 15a Abs. 5 Satz 1 AufenthG ist grundsätzlich eine Behörde des Landes zuständig, in das der betroffene Ausländer zuvor nach § 15a Abs. 4 Satz 1 AufenthG verteilt wurde (so auch OVG Bremen, Beschl. v. 7.7.2022 - 2 B 104/22 -, juris Rn. 20; Dienelt, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, AufenthG § 15a Rn. 39 f.; a.A. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 7.10.2014 - 2 L 152/13 -, juris Rn. 8 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 9.4.2014 - OVG 3 B 33.11 -, juris Rn. 21 ff.; Broschen, in: GK-AufenthG, § 15a Rn. 47 (Stand: Januar 2022)). Zur Begründung verweist der Senat auf die Ausführungen des OVG Bremen (Beschl. v. 7.7.2022 - 2 B 104/22 -, juris Rn. 21 ff.), denen er sich nach eigener Prüfung und aus eigener Überzeugung anschließt:

"Der Gesetzgeber hat mit dem Hinweis auf "die zuständigen Behörden" keine Aussage darüber getroffen, welche Behörden für die Entscheidung zuständig sind. Soweit die Gegenansicht etwas Anderes der Begründung eines Gesetzesentwurfs des Bundesrats über die Einführung eines § 56a AuslG (BT-Drucks. 14/5266 v. 08.02.2001) entnehmen will, überzeugt dies im Ergebnis nicht. Mit § 56a AuslG-E wurde erstmals die Regelung eines Verteilungsverfahrens für unerlaubt eingereiste Ausländer, die keinen Asylantrag stellen, vorgeschlagen. Ziel der beabsichtigten Neuregelung war es, die bis dahin bestehende Regelungslücke zu schließen und eine gerechte Lastenverteilung zwischen den Ländern sicherzustellen. Der Entwurf orientierte sich an den für die Verteilung von Asylbewerbern geltenden Vorschriften (BT-Drucks. 14/5266, S. 6). § 56a Abs. 5 AuslG-E sah vor, dass auch diejenigen Ausländer auf die Verteilquoten angerechnet werden, die nach der Verteilungsentscheidung "mit Erlaubnis der zuständigen Behörden" ihren Wohnsitz in einem anderen Land nehmen. Zwar legt die Begründung nahe, dass der Bundesrat ursprünglich eine Regelung schaffen wollte, wonach die Verbandskompetenz bei dem Bundesland liegt, in das der Zuzug begehrt wird. In dem Gesetzesentwurf heißt es dazu: "Absatz 5 trägt dem Umstand Rechnung, dass sich nach der Verteilung die Notwendigkeit einer "Umverteilung" ergeben kann. Die möglichen Gründe für die von der zuständigen Behörde des aufnehmenden Landes im Einvernehmen mit der zuständigen Behörde des abgebenden Landes zu treffende Entscheidung [Hervorhebung durch den Senat] sind in § 51 Abs. 1 AsylVfG benannt. Wenn der Wohnsitz danach in ein anderes Land verlegt werden darf, wird der Ausländer dem aufnehmenden Land auf seine Quote angerechnet." (BT-Drs. 14/5266, S. 7). In seiner Stellungnahme zum Entwurf der Bundesregierung für das Aufenthaltsgesetz forderte der Bundesrat dann, die Regelung dort als § 15a einzufügen; die Begründung geht aber auf die Details der Vorschrift nicht mehr ein (vgl. BT-Drs. 14/7987, S. 8 f.). Der Vorschlag wurde zunächst nicht in das Aufenthaltsgesetz übernommen (vgl. BGBl. 2002 I 1946). Erst nachdem das Bundesverfassungsgericht das "erste" Aufenthaltsgesetz wegen der fehlerhaften Zustimmung des Bundesrats für nichtig erklärt hatte, wurde § 15a im Vermittlungsausschuss in Anlehnung an eine Beschlussempfehlung des Innenausschusses (vgl. BT-Drs. 15/955, S. 10 ff.) eingefügt; eine Begründung gibt es hierfür nicht (vgl. BT-Drs. 15/3479). Bereits daraus folgt, dass die Begründung zu dem ursprünglichen, nicht umgesetzten § 56a Abs. 5 AuslG-E des Bundesrats, lediglich ein schwaches Indiz für den Willen des Gesetzgebers bei der späteren Umsetzung einer vergleichbaren Regelung ist.

Ein gesetzgeberischer Wille, eine Verbandszuständigkeit des aufnehmenden Landes für Umverteilungen zu schaffen, hat in § 15a Abs. 5 AufenthG jedenfalls objektiv keinen Niederschlag gefunden. In der bloßen Bezugnahme auf die für eine Entscheidung "zuständigen" Behörden, ist nach allgemeinen Auslegungsregeln regelmäßig keine Vollregelung der Zuständigkeit zu sehen (vgl. zu § 71 Abs. 1 Satz 1 AufenthGBVerwG, Beschl. v. 02.12.2021 - 1 B 38/21, juris Rn. 5). Vielmehr wird damit auf die entsprechenden Regelungen der Länder zur - hier - örtlichen Zuständigkeit in den gleichlautenden Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder verwiesen (BVerwG, Urt. v. 22.03.2012 - 1 C 5/11, BVerwGE 142, 195-205 [BVerwG 22.03.2012 - BVerwG 1 C 5.11], Rn. 17; vgl. zur Zuständigkeit zur Änderung einer Wohnsitzauflage nach § 61 Abs. 1d Satz 3 AufenthG zudem OVG S-H, Beschl. v. 30.07.2020 - 4 MB 23/20, juris Rn. 24). Etwas Anderes folgt auch nicht daraus, dass sich die Regelung des Verteilungsverfahrens für unerlaubt eingereiste Ausländer nach der Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 56a AuslG-E an den für die Verteilung von Asylbewerbern geltenden Vorschriften orientieren sollte. § 51 AsylG, der die länderübergreifende Verteilung im Asylverfahren regelt, enthält und enthielt auch zum Zeitpunkt der Bundesratsinitiative in seinem Abs. 2 Satz 2 gerade eine Regelung über die Verbandskompetenz des Landes, in das der Ausländer ziehen möchte, wie sie in § 15a Abs. 5 AufenthG fehlt. Ohne eine solche Regelung kann jedoch nicht sicher auf den Willen des Gesetzgebers zur Regelung einer bestimmten Verbandszuständigkeit geschlossen werden. Das zeigt auch ein Vergleich mit der Regelung des § 61 Abs. 1d Satz 3 AufenthG, wonach "die Ausländerbehörde" über die nachträgliche Abänderung einer Wohnsitzauflage für vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer, deren Lebensunterhalt nicht gesichert ist, entscheidet. Die Gesetzesbegründung enthält zur Frage der Zuständigkeit auch in Bezug auf diese Regelung keine Aussage (BT-Drs. 18/3144, S. 13). Ein Vorschlag des Bundesrats über eine ergänzende Regelung, wonach über eine Änderung der Wohnsitzauflage zur Ermöglichung eines den Zuständigkeitsbereich der Ausländerbehörde überschreitenden Wohnortwechsels die für den Zuzugsort zuständige Ausländerbehörde entscheidet (BR-Drs. 506/14 (B)), konnte sich nicht durchsetzen, da die Bundesregierung im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung der Regelung noch Prüfbedarf sah (BT-Drs. 18/3160 S. 12). Mangels ausdrücklicher Kompetenzregelung steht die Abänderungsbefugnis daher nach allgemeiner Ansicht der Ausländerbehörde des bisherigen Wohnorts zu (OVG Bremen, Beschl. v. 17.09.2020 - 2 B 148/20, juris Rn. 16; OVG SLH, Beschl. v. 30.07.2020 - 4 MB 23/20, juris Rn. 24; BayVGH, Beschl. v. 15.09.2020 - 10 ZB 20.1593, juris Rn. 4; OVG LSA, Beschl. v. 22.01.2015 - 2 O 1/15, juris Rn. 8; OVG Bln.-BBg., Beschl v. 27.01.2021 - OVG 3 S 106/20, juris Rn. 7). Dann kann in Bezug auf Umverteilungsentscheidungen aus § 15a Abs. 5 AufenthG nichts Anderes gelten, zumal es allein vom Zeitpunkt der Antragsstellung abhängt (vor bzw. nach Duldungserteilung; vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 01.06.2022 - 2 B 440/21, zur Veröffentlichung vorgesehen), ob der Ausländer seinen länderübergreifenden Wohnsitzwechsel nach dieser Vorschrift oder nach § 61 Abs. 1d Satz 3 AufenthG erreichen kann...

Mangels anderslautender Kompetenzregelungen in § 15a Abs. 5 AufenthG folgt die Verbandskompetenz der Bundesländer daher aus einer entsprechenden Anwendung der zur örtlichen Zuständigkeit getroffenen Regelungen in den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.03.2012 - 1 C 5/11, juris Rn. 17 f.; OVG Bremen, Beschl. v. 17.09.2020 - 2 B 148/20, juris Rn. 11). Nach § 3 Abs. 1 Nr. 3a BremVwVfG und den gleichlautenden niedersächsischen Regelungen (§ 1 Abs. 1 NVwVfG i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 3a VwVfG) richtet sich die örtliche Zuständigkeit - und entsprechend dazu die Verbandskompetenz- in Angelegenheiten, die eine natürliche Person betreffen, nach dem letzten gewöhnlichen Aufenthalt.

Bei der Bestimmung des Ortes des gewöhnlichen Aufenthalts sind auch ausländerrechtliche Regelungen zu berücksichtigen, die den Verbleib des Betroffenen an einem bestimmten Ort beeinflussen (OVG Bremen, Beschl. v. 17.09.2020 - 2 B 148/20, juris Rn. 12). Bei Ausländern, die der Verteilung nach § 15a AufenthG unterliegen, werden der gewöhnliche Aufenthalt und ihm folgend die örtlich zuständige Ausländerbehörde zunächst durch die Verteilungsentscheidung bestimmt (vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 07.06.2018 - 1 B 92/18, juris Rn. 13; Beschl. v. 02.03.2017 - 1 B 331/16, juris Rn 16). Daraus folgt, dass ein unerlaubt eingereister Ausländer auch dann, wenn er einer sofort vollziehbaren oder bestandskräftigen Verteilungsentscheidung nicht nachkommt, seinen gewöhnlichen Aufenthalt bis zu einer etwaigen landesinternen Weiterverteilung am Ort der durch die Verteilung festgelegten Aufnahmeeinrichtung hat (§ 15a Abs. 4 Sätze 1 und 4 AufenthG). Für einen Umverteilungsantrag nach § 15a Abs. 5 AufenthG, der nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ohnehin nur bis zur erstmaligen Aussetzung der Abschiebung gestellt werden kann (vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 01.06.2022 - 2 B 440/21, zur Veröffentlichung vorgesehen), liegt die Verbandskompetenz daher im Regelfall bei dem Bundesland, in dem die durch die Erstverteilung festgelegte Aufnahmeeinrichtung liegt."

Der für die örtliche Zuständigkeit danach maßgebliche gewöhnliche Aufenthalt (vgl. zu dessen Bestimmung auch: Senatsbeschl. v. 5.12.2017 - 13 ME 181/17 -, juris Rn. 24 ff.) des Antragstellers wird nicht durch seine Wohnung im Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen bestimmt, sondern durch die vollziehbare Verteilungsentscheidung nach § 15a Abs. 4 Satz 1 AufenthG vom 20. Juli 2021 (Blatt 22 f. der Gerichtsakte). Nach dieser kraft Gesetzes sofort vollziehbaren (Erst-)Verteilungsentscheidung hat sich der Antragsteller in die Aufnahmeeinrichtung des Landes Niedersachsen in Oerbke zu begeben und dort zu wohnen, bis er innerhalb des Landes Niedersachsen weiterverteilt wird. Anhaltspunkte dafür, dass eine Vollstreckung dieser Verteilungsentscheidung von den zuständigen Behörden nicht mehr beabsichtigt oder nicht mehr möglich ist (vgl. zur Auswirkung solcher Umstände auf die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts: OVG Bremen, Beschl. v. 7.7.2022 - 2 B 104/22 -, juris Rn. 25 f.), sind vom Antragsteller nicht aufgezeigt worden und für den Senat auch nicht offensichtlich.

Die sachliche Zuständigkeit der Antragsgegnerin ist im Runderlass des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport, Organisation der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen (LAB NI), vom 13. August 2019 (Nds. MBl. S. 1207), dort Nr. 2.4 ("Die LAB NI ist insbesondere ... gemäß § 15a Abs. 5 Satz 1 AufenthG zuständig für die Erteilung von Erlaubnissen, die es Ausländerinnen und Ausländern erlauben, ihre Wohnung in einem anderen Land zu nehmen"), in Verbindung mit § 2 Nr. 1 Buchst. b) bb) AllgZustVO-KOM bestimmt.

(2) Der Antragsteller hat aber einen materiellen Anspruch auf Umverteilung nach § 15a Abs. 5 Satz 1 AufenthG in den Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen nicht glaubhaft gemacht.

Nach § 15a Abs. 5 Satz 1 AufenthG können die zuständigen Behörden dem Ausländer nach der (Erst-)Verteilung erlauben, seine Wohnung in einem anderen Land zu nehmen. Der Kreis von Gründen, die eine solche Umverteilung rechtfertigen können, ist in dieser Bestimmung nicht eingegrenzt. Es muss sich daher nicht um zwingende Gründe im Sinne des § 15a Abs. 1 Satz 6 AufenthG handeln. In Betracht kommt vielmehr jeder sachliche Grund, der gegen den weiteren Verbleib an dem durch die vorausgegangene (Erst-)Verteilungsentscheidung bestimmten Aufenthaltsort spricht, gleich wann dieser Grund entstanden ist (vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 7.7.2022 - 2 B 104/22 -, juris Rn. 34; Hamburgisches OVG, Beschl. v. 10.3.2016 - 4 Bs 3/16 -, juris Rn. 28; Dollinger, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, Stand: 1.7.2020, § 15a AufenthG Rn. 35; Dienelt, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 15a AufenthG Rn. 43). Ist ein solcher sachlicher Grund gegeben, steht die Entscheidung über die Umverteilung im Ermessen der zuständigen Behörde (vgl. Dollinger, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, Stand: 1.7.2020, § 15a AufenthG Rn. 35; Westphal/Huber, in: Huber/Mantel, Aufenthaltsgesetz/Asylgesetz, 3. Aufl. 2021, § 15a AufenthG Rn. 16).

Hieran gemessen mag das Ansinnen des Antragstellers, im Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen eine Erwerbstätigkeit als Facharbeiter im Baugewerbe aufnehmen zu wollen, zwar einen sachlichen Grund für eine Umverteilung darstellen. Es ist aber nicht ersichtlich, dass sich dieser zwingend gegen die mit der Erstverteilung verbundenen öffentlichen Interessen durchsetzt und deshalb das Ermessen der Antragsgegnerin dahin reduziert ist, dass nur die länderübergreifende Umverteilung des Antragstellers in den Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen eine von nach § 114 Satz 1 VwGO relevanten Fehlern freie Ermessensbetätigung sein kann.

2. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen.

Der Beschwerde kommt auch nach der im Prozesskostenhilfeverfahren nur vorzunehmenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.2.2007 - 1 BvR 474/05 -, NVwZ-RR 2007, 361, 362 [BVerfG 26.02.2007 - 1 BvR 474/05] - juris Rn. 11) unter Berücksichtigung des Zwecks der Prozesskostenhilfebewilligung die gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht nicht zu (vgl. zu im Hauptsacheverfahren einerseits und im Prozesskostenhilfeverfahren andererseits anzulegenden unterschiedlichen Maßstäben: BVerfG, Beschl. v. 8.7.2016 - 2 BvR 2231/13 -, juris Rn. 10 ff. m.w.N.). Denn auch ungeachtet der vor der Beschwerdeentscheidung durch den Senat noch nicht geklärten Rechtsfrage, welche Behörde für die Umverteilungsentscheidung nach § 15a Abs. 5 Satz 1 AufenthG zuständig ist, hat der Antragsteller den Anordnungsgrund und auch die Voraussetzungen für den materiellen (Anordnungs-)Anspruch auf Umverteilung in den Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen nicht glaubhaft gemacht. Zur weiteren Begründung verweist der Senat auf seine Ausführungen in diesem Beschluss zu I.1.

3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die Kosten des Prozesskostenhilfeverfahrens ergibt sich aus § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO.

4. Die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG.

II. 13 PA 151/22

1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig - Einzelrichter der 5. Kammer - vom 28. April 2022 bleibt ohne Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt. Denn dem erstinstanzlichen Rechtsschutzbegehren kommt auch nach der im Prozesskostenhilfeverfahren nur vorzunehmenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage unter Berücksichtigung des Zwecks der Prozesskostenhilfebewilligung die gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht nicht zu. Zur weiteren Begründung verweist der Senat auf die Ausführungen in diesem Beschluss zu I.1. und I.2.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO. Ein Streitwert ist nicht festzusetzen. Für die Höhe der Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens gilt der streitwertunabhängige Kostentatbestand in Nr. 5502 der Anlage 1 (Kostenverzeichnis) zum Gerichtskostengesetz (vgl. zur Entstehung von Gerichtskosten bei Zurückweisung einer PKH-Beschwerde: Senatsbeschl. v. 28.3.2019 - 13 PA 65/19 -, juris Rn. 3).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).