Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
v. 02.09.2022, Az.: 12 LA 56/22

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
02.09.2022
Aktenzeichen
12 LA 56/22
Entscheidungsform
Teilurteil
Referenz
WKRS 2022, 59774
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 21.03.2022 - AZ: 12 A 3098/17

Fundstellen

  • BauR 2022, 1765-1767
  • DÖV 2022, 1050
  • NVwZ-RR 2023, 19
  • NordÖR 2023, 28-32
  • NuR 2023, 51-57
  • ZUR 2022, 676-678
  • ZfBR 2023, 66-67

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Bei der Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens nach § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB durch die hierfür nach Landesrecht in Niedersachsen zuständige Behörde handelt es sich im Verhältnis zu der betroffenen Gemeinde um einen von ihr eigenständig anfechtbaren Verwaltungsakt.

2. Die Ersetzung des Einvernehmens ist keine "Zulassungsentscheidung" i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 UmwRG.

Tenor:

Die Anträge der Beigeladenen sowie des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 12. Kammer - vom 21. März 2022 werden abgelehnt.

Die Kostenentscheidung und die Streitwertfestsetzung bleiben der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

I.

Die Klägerin - eine Stadt - wendet sich gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung, die der Beklagte der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen für die Errichtung und den Betrieb von zwei Windenergieanlagen erteilt hat, sowie gegen die Ersetzung ihres gemeindlichen Einvernehmens durch den Beklagten.

Im Dezember 2014 beantragte eine Rechtsvorgängerin der Beigeladenen beim Beklagten die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb von zwei Windenergieanlagen (WEA) des Typs F. N117 mit einer Nennleistung von jeweils 2.400 kW, einer Nabenhöhe von 91 m, einem Rotordurchmesser von 117 m und einer Gesamthöhe von 149,5 m. Die Vorhabenstandorte befinden sich auf landwirtschaftlich genutztem Gelände im Gebiet der Klägerin.

Nordwestlich der Anlagenstandorte befindet sich hinter einer Bahnlinie in 460 m (WEA 1) bzw. 820 m (WEA 2) Entfernung das denkmalgeschützte Ensemble des Gutes G.. Das Wohnhaus und sämtliche Wirtschaftsgebäude sind in das Verzeichnis der Kulturdenkmale eingetragen, das Gutshaus und die Wassermühle als Einzeldenkmale, die Wirtschaftsgebäude als konstituierende Bestandteile einer Gruppe baulicher Anlagen.

Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens bat der Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 23. Februar 2016, ihr Einvernehmen nach § 36 BauGB zu erteilen. Nachdem der Rat der Klägerin beschlossen hatte, das Einvernehmen zu versagen, erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 20. Mai 2016 die Versagung des Einvernehmens gegenüber dem Beklagten. Dies begründete sie damit, dass das Vorhaben Belange des Naturschutzes und des Denkmalschutzes erheblich beeinträchtige. Mit Bescheid vom 22. September 2016 ersetzte der Beklagte das Einvernehmen der Klägerin und ordnete die sofortige Vollziehung an, bevor er mit Bescheid vom 23. September 2016 der H. GmbH (Rechtsvorgängerin der Beigeladenen) die beantragte immissionsschutzrechtliche Genehmigung, die mit verschiedenen Nebenbestimmungen versehen war, erteilte.

Die von der Klägerin am 20. Oktober 2016 eingelegten Widersprüche gegen den Ersetzungsbescheid vom 22. September 2016 und gegen den Genehmigungsbescheid vom 23. September 2016 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 15. März 2017 zurück.

Auf die am 12. April 2017 erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht den das Einvernehmen ersetzenden Bescheid des Beklagten vom 22. September 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. März 2017 aufgehoben und zudem festgestellt, dass der die Errichtung und den Betrieb der beiden Windenergieanlagen genehmigende Bescheid vom 23. September 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. März 2017 rechtswidrig ist und nicht vollzogen werden darf.

Die Klage gegen die Ersetzung des Einvernehmens sei zulässig. Ihr stünden weder der Rechtsgedanke des § 44a VwGO noch das Verbot doppelter Rechtshängigkeit aus § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG oder die Konzentrationswirkung des § 13 BImSchG entgegen. Sie sei auch begründet, da der Ersetzungsbescheid vom 22. September 2016 rechtswidrig sei und die Klägerin in ihren Rechten verletze (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klägerin sei mit ihrem Vortrag nicht gemäß § 6 Satz 1 UmwRG präkludiert, da der Ersetzungsbescheid nicht in den Anwendungsbereich des Umweltrechtsbehelfsgesetzes falle. Die Voraussetzungen für die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens aus § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB, bei dessen Überprüfung auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Ersetzung, hier also auf den 22. September 2016, abzustellen gewesen sei, hätten nicht vorgelegen. Ob der Bauherr im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung einen Anspruch auf die „Baugenehmigung“ habe, sei dagegen irrelevant. Denn der Gesetzgeber habe in dem Konflikt zwischen Planungshoheit und Baufreiheit eine eindeutige Regelung getroffen, der zufolge gegen den Willen der Gemeinde in den Fällen des § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB bis zu einer gerichtlichen Klärung der Genehmigungsfähigkeit eines Vorhabens auf die Verpflichtungsklage des Bauherrn hin keine „Baugenehmigung“ erteilt werden dürfe. Änderungen der fachlichen Erkenntnisse seien hingegen zu berücksichtigen, da sie keine nachträgliche Veränderung der Sach- oder Rechtslage, sondern spätere Erkenntnisse zur ursprünglichen Sachlage darstellten. Weshalb dieser allgemeine Grundsatz auf die Konstellation der Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens nicht anwendbar sein solle, wie die Beigeladene meine, erschließe sich der Kammer nicht. Zwar dürfe der Bauherr darauf vertrauen, dass die Gemeinde an ihr einmal erteiltes oder fingiertes Einvernehmen gebunden sei, wenn sie erst nachträglich zu der Erkenntnis gelange, dass das Vorhaben mit den §§ 31, 33 bis 35 BauGB unvereinbar sei und das Einvernehmen deshalb hätte versagt werden müssen. Ein derartiger Vertrauensschutz könne aber nicht bestehen, wenn die Gemeinde ihr Einvernehmen versagt habe und sich gegen die Ersetzung des Einvernehmens zur Wehr setze.

Gemäß § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB könne die nach Landesrecht zuständige Behörde ein rechtswidrig versagtes Einvernehmen der Gemeinde ersetzen. Hier habe die Klägerin ihr Einvernehmen jedoch zu Recht versagt.

Nach § 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB dürfe das Einvernehmen der Gemeinde nur aus den sich aus den §§ 31, 33, 34 und 35 ergebenden Gründen versagt werden. Ein derartiger Grund sei im Zeitpunkt der Ersetzungsentscheidung gegeben gewesen, und zwar in Gestalt eines Verstoßes gegen das artenschutzrechtliche Verbot aus § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG, wonach es verboten sei, wildlebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören. Der Tötungstatbestand, der nach Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 92/43/EWG nur absichtliche Formen der Tötung umfasse, sei nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auch dann erfüllt, wenn sich die Tötung als unausweichliche Konsequenz eines im Übrigen rechtmäßigen Verwaltungshandelns erweise. Seien im Anhang IV Buchstabe a der FFH-Richtlinie aufgeführte Arten - wie die in Niedersachsen vorkommenden Fledermausarten - betroffen, so liege gemäß § 44 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG ein Verstoß gegen das Tötungs- und Verletzungsverbot nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Beeinträchtigung durch den Eingriff oder das Vorhaben das Tötungs- und Verletzungsrisiko für Exemplare der betroffenen Arten nicht signifikant erhöht sei und diese Beeinträchtigung bei Anwendung der gebotenen, fachlich anerkannten Schutzmaßnahmen nicht vermieden werden könne.

Für die Fledermausarten Großer Abendsegler und Rauhautfledermaus sei jedoch ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko zu bejahen, weil die zum Zeitpunkt der Ersetzungsentscheidung in den Antragsunterlagen vorgesehenen Vermeidungsmaßnahmen für diese beiden Fledermausarten unzureichend gewesen seien. Nach dem Ergebnis des Fachbeitrags Fledermäuse sei an beiden Vorhabenstandorten mit erheblichen Beeinträchtigungen von Fledermäusen zu rechnen. Obwohl der Fachbeitrag nicht den Anforderungen des niedersächsischen Windenergieerlasses (= WEE 2016) entsprochen habe, etwa weil entgegen Ziffer 5.2.3.1 Abs. 6 des Leitfadens des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz „Umsetzung des Artenschutzes bei der Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen in Niedersachsen“ (Artenschutzleitfaden, Anlage 2 zum WEE 2016) keine Daueraufzeichnungssysteme verwendet worden seien, habe der Beklagte ihn seiner Bewertung zugrunde legen dürfen. Denn bei der im Jahr 2012 erstellten Untersuchung habe es sich um ein noch hinreichend aktuelles und aussagekräftiges Ergebnis aus früheren Untersuchungen im Sinne von Ziffer 5.2 des Artenschutzleitfadens gehandelt. Aus dem Fachbeitrag Fledermäuse sei hervorgegangen, dass der Große Abendsegler die zweithäufigste Art im Untersuchungsgebiet gewesen sei. An der Horchkiste am Standort der WEA 1 habe die Häufigkeit von Kontakten der Zwergfledermaus und des Großen Abendseglers sogar beinahe gleichauf gelegen. Dennoch habe der Landschaftspflegerische Begleitplan (= LBP) - ebenso wie später der Genehmigungsbescheid - eine Abschaltung der Anlagen nur bei Windgeschwindigkeiten bis zu 6 m/sec vorgesehen, obgleich auch der Beklagte davon ausgehe, dass der Große Abendsegler und die Rauhautfledermaus bis zu einer Windgeschwindigkeit von 7,5 m/sec relevante Flugaktivitäten zeigten. So habe er - wie gerichtsbekannt sei - für andere Windenergieanlagen in seinem Gebiet nach eigenem Bekunden aufgrund zwischenzeitlich gewonnener aktueller fachlicher Erkenntnisse im Hinblick auf Vorkommen des Großen Abendseglers Abschaltungen bis zu einer Windgeschwindigkeit von 7,5 m/sec angeordnet. Dass auch nachträglich gewonnene fachliche Erkenntnisse über eine zum maßgeblichen Zeitpunkt bestehende Sachlage zu berücksichtigen seien, sei bereits eingangs erörtert worden. Auch die weiteren Erklärungsansätze des Beklagten, warum hier Abschaltungen nur bis zu einer Windgeschwindigkeit von 6 m/sec ausreichend gewesen sein sollten, seien nicht plausibel. Dies wird näher ausgeführt.

Die Klage gegen den Genehmigungsbescheid vom 23. September 2016 sei ebenfalls zulässig und habe in der Sache teilweise Erfolg. Auch hinsichtlich des Genehmigungsbescheides sei die Klägerin mit ihrem Vortrag nicht nach § 6 Satz 1 UmwRG präkludiert. Der Genehmigungsbescheid sei wegen einer Verletzung des Tötungs- und Verletzungsverbots aus § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG rechtswidrig, weil die unter Ziffer IV.6.1.1 angeordnete Vermeidungsmaßnahme das signifikant erhöhte Tötungsrisiko für zwei Fledermausarten - wie oben ausgeführt - nicht ausreichend gesenkt habe. Zudem fehle es durch die Aufhebung des Ersetzungsbescheides vom 22. September 2016 an dem gemäß § 36 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BauGB erforderlichen gemeindlichen Einvernehmen.

Dennoch sei die Genehmigung nicht aufzuheben, sondern lediglich für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären und die auf die Aufhebung gerichtete Klage im Übrigen abzuweisen. Denn § 4 Abs. 1b Satz 1 UmwRG sehe vor, dass eine Verletzung von Verfahrensvorschriften nur dann zur Aufhebung der Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 2b oder 5 UmwRG führe, wenn sie nicht durch Entscheidungsergänzung oder ein ergänzendes Verfahren behoben werden kann. Gleiches gelte gemäß § 7 Abs. 5 Satz 1 UmwRG für die Verletzung materieller Rechtsvorschriften. Die Anwendung dieser Vorschriften setze voraus, dass die Identität des Vorhabens nicht angetastet werde und die Behebung des Mangels nicht von vornherein ausgeschlossen sei; es müsse die konkrete Möglichkeit der Beseitigung des Mangels in absehbarer Zeit bestehen. Das sei vorliegend der Fall. Eine Behebung der Mängel in einem ergänzenden Verfahren erscheine nicht ausgeschlossen. Dies wird in dem angefochtenen Urteil ebenso näher begründet wie die Annahme, dass sich die Genehmigung im Übrigen als rechtmäßig erweise. Das Verwaltungsgericht hat sich insoweit mit den weiteren von der Klägerin erhobenen Einwänden gegen die Rechtmäßigkeit der Genehmigung auseinandergesetzt und diese zurückgewiesen.

II.

Die jeweils allein auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils gestützten Zulassungsanträge der Beigeladenen (hierzu unter 1.) sowie des Beklagten (hierzu unter 2.) haben keinen Erfolg.

Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind zu bejahen, wenn auf Grund der Begründung des Zulassungsantrags und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts gewichtige gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zutage treten, aus denen sich ergibt, dass ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg. Das ist der Fall, wenn ein tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, Beschl. v. 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458 [1459]). Die Richtigkeitszweifel müssen sich allerdings auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird.

Um ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils darzulegen, muss sich der Zulassungsantragsteller substanziell mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Welche Anforderungen an Umfang und Dichte seiner Darlegung zu stellen sind, hängt deshalb auch von der Intensität ab, mit der die Entscheidung des Verwaltungsgerichts begründet worden ist. Je intensiver diese Entscheidung begründet ist, umso eingehender muss der Zulassungsantragsteller die sie tragende Argumentation entkräften (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 28.3.2017 - 12 LA 25/16 -, RdL 2017, 181 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 15, m. w. N.). Es reicht deshalb grundsätzlich nicht aus, wenn er lediglich seinen erstinstanzlichen Vortrag wiederholt und/oder eine eigene Würdigung der Sach- und Rechtslage vorträgt, die im Ergebnis von derjenigen des Verwaltungsgerichts abweicht. Vielmehr muss er in der Regel den einzelnen tragenden Begründungselementen der angefochtenen Entscheidung geeignete Gegenargumente konkret gegenüberstellen und – soweit möglich – die Vorzugswürdigkeit dieser Gegenargumente darlegen (Nds. OVG, Beschl. v. 28.3.2017 - 12 LA 25/16 -, a. a. O., m. w. N.).

1.Der Zulassungsantrag der Beigeladenen ist danach unbegründet, weil die Voraussetzungen des genannten Zulassungsgrundes bereits nicht hinreichend dargelegt worden sind bzw. jedenfalls nicht vorliegen.

Der Senat geht dabei zugunsten der Beigeladenen – trotz des uneingeschränkten Wortlauts ihres Antrags im Schriftsatz vom 21. April 2022 („die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover, Az. 12 A 3098/17, vom 21. März 2022 zuzulassen“) – davon aus, dass ihr Antrag (nur) darauf gerichtet ist, die Berufung insoweit zuzulassen, als der Klage stattgegeben worden ist (vgl. Verfügung des Vorsitzenden vom 26. April 2022).

a. Unter II. 1. ihrer Antragsbegründung macht die Beigeladene geltend, entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts sei die Klage gegen die Entscheidung über die Ersetzung des Einvernehmens unzulässig. Es handele sich bei der Entscheidung über die Ersetzung des Einvernehmens um ein reines Verwaltungsinternum im Sinne des § 44a VwGO, die grundsätzlich – auch gegenüber der Gemeinde – keine Verwaltungsaktqualität erreiche.

Dies überzeugt nicht. Es entspricht vielmehr nicht nur der ständigen Rechtsprechung des beschließenden Senats (vgl. schon: Urt. v. 10.1.2008 - 12 LB 22/07 -, juris, Rn. 36; Beschl. v. 17.7.2013 - 12 ME 275/12 -, juris, Rn. 45), sondern ebenso der des für Baurecht zuständigen 1. Senats des Gerichts (vgl. schon Beschl. v. 30.11.2004 - 1 ME 190/04 -, juris; 24.7.2008 - 1 LA 71/07 -; n. v.; Beschl. v. 6.3.2021 - 1 ME 224/11 -, n. v.), dass die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens nach § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB durch die hierfür nach Landesrecht in Niedersachsen zuständige Behörde zwar im Verhältnis zum „Bauherrn“ ein nicht klagefähiges bloßes Verwaltungsinternum darstellt, es sich im Verhältnis zu der betroffenen Gemeinde dagegen um einen Verwaltungsakt handelt (vgl. im Übrigen auch das von der Beigeladenen an anderer Stelle zitierte Urteil des Hess. VGH v. 1.4.2014 - 9 A 2030/12 -, juris, Rn. 36). In diese Richtung deutet im Übrigen auch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschl. v. 10.1.2006 - 4 B 48/05 -, juris, Rn. 5).

Der Einwand der Beigeladenen, der diesbezügliche Verweis des Verwaltungsgerichts auf eine Entscheidung des OVG Schleswig-Holstein (Beschl. v. 19.1.2022 - 5 MR 11/21 -, juris Rn. 26) übersehe dortige landesrechtliche Besonderheiten, geht fehl. Das dortige Oberverwaltungsgericht begründet seine Entscheidung nämlich gerade nicht mit etwaigen Besonderheiten des schleswig-holsteinischen Landesrechts, sondern schließt sich unter Zitierung gerade einer (älteren) Entscheidung auch des beschließenden Senats (Beschl. v. 6.11.2007 - 12 ME 309/07 -, juris) ausdrücklich der jedenfalls in der Rechtsprechung vorherrschenden Auffassung (vgl. die dortigen Zitate) an, die betroffene Gemeinde könne sowohl die Ersetzung ihres Einvernehmens als auch die dem Dritten gegenüber erteilte Vorhabenzulassung als Sachentscheidungen zulässigerweise anfechten.

Soweit die Beigeladene für ihre Auffassung die Kommentierung von Rieger zum BauGB (Rieger, in: Schröder, BauGB, 9. Aufl., § 36 Rn. 44) in Bezug nimmt, so ist dort bereits ausdrücklich auch auf die o. a. entgegenstehende Auffassung verwiesen. Neben den dort zitierten Quellen wird diese „andere“ Auffassung zudem in weiteren Standardkommentaren zum Baurecht vertreten (Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 15. Aufl., § 36 Rn. 24; Dürr, in: Brügelmann, BauGB, § 36 Rn. 80) und dürfte sich insoweit als vorherrschend darstellen.

Die unter Zitierung einer Kommentarstelle zum VwVfG (Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs/Stelkens, 9. Aufl., VwVfG § 35 Rn. 44, gemeint wohl Rn. 23 ff.) von der Beigeladenen vertretene Auffassung, eine Maßnahme könne nicht gegenüber bestimmten Betroffenen ein Verwaltungsakt, gegenüber anderen jedoch eine Maßnahme anderer Rechtsnatur (Verwaltungsinternum oder Rechtsnorm) sein, steht – worauf bereits dort hingewiesen wird – im Widerspruch nicht nur zur bereits zuvor zitierten Rechtsprechung des beschließenden Senats (Urteil vom 10.1.2008 - 12 LB 22/07 -, a. a. O.), sondern auch der des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 21.11.1986 - 4 C 22/83 -, juris, Rn. 16). Auch der niedersächsische Staatsgerichtshof (vgl. Beschl. v. 27.9.2021 - StGH 6/20 -, juris, Rn. 17) sowie das Bundesverfassungsgericht (vgl. Beschl. v. 9.6.2020 - 2 BvE 2/19 -, juris Rn. 29) gehen davon aus, dass die Rechtsnatur einer Anordnung nicht zwingend einheitlich zu verstehen ist, sondern je nach Adressat unterschiedlich, etwa verwaltungs- bzw. verfassungsrechtlicher Art, sein kann. Nur am Rande wird darauf hingewiesen, dass Stelkens in der genannten Kommentarstelle - anders als die Beigeladene - aus der Verneinung der Existenz von relativen Verwaltungsakten und Rechtsakten mit Doppelnatur nicht etwa die Konsequenz zieht, es liege dann insgesamt kein - von den Adressaten anfechtbarer – Verwaltungsakt vor. Vielmehr bejaht er einen solchen und will der Gefahr, dass gegen diesen dann u. U. auch Personen klagen können, die von ihm nicht unmittelbar betroffen sind, durch Verneinung der Klagebefugnis entgegentreten (Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs/Stelkens, a. a. O., Rn. 23).

b. Unter II. 2. ihrer Antragsbegründung führt die Beigeladene aus, die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur verneinten Einschlägigkeit des § 6 UmwRG seien fehlerhaft. Insbesondere habe das Verwaltungsgericht unzutreffend angenommen, die Ersetzung des Einvernehmens sei dem Anwendungsbereich des UmwRG insgesamt entzogen, weil kein Vorhaben zugelassen werde, sondern lediglich eine Voraussetzung für eine Zulassung geschaffen werde. Das Verwaltungsgericht übersehe insoweit, dass der Zulassungsbegriff des § 1 Abs. 1 Nrn. 1 und 5 UmwRG weit zu fassen sei. Dabei sei die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zu mehrstufigen Genehmigungsverfahren auf die deutsche Besonderheit der Ersetzung des Einvernehmens anzuwenden. Der Annahme des Verwaltungsgerichts, es handele sich „lediglich um eine Voraussetzung für die Zulassung“, stehe bereits der Wortlaut des § 36 BauGB entgegen, wonach „über die Zulässigkeit von Vorhaben im bauaufsichtlichen Verfahren … im Einvernehmen mit der Gemeinde entschieden werde“. Damit werde deutlich, dass das Einvernehmen „ein – unselbständiger, aber erforderlicher – Teil der Genehmigungserteilung“ sei.

Diese Argumentation überzeugt nicht. Die Beigeladene geht insbesondere nicht auf die Argumentation des Verwaltungsgerichts ein, dass es sich bei den von § 1 Abs. 1 Nr. 5 UmwRG erfassten Fällen um „Zulassungsentscheidungen“ handelt, bei denen die Behörde über die materielle Genehmigungsfähigkeit entscheidet. Allein der Umstand, dass etwas – wie es die Beigeladene bezeichnet – „Teil“ der Genehmigungserteilung ist, ersetzt eine solche – insgesamt nach außen wirkende und Teile abschließend freigebende bzw. bindend genehmigende – materielle Entscheidung nicht. Der fehlende „Zulassungscharakter“ i. S. d. § 1 Abs. 1 UmwRG des gemeindlichen Einvernehmens als – wenn auch notwendige – Verfahrenshandlung nach § 36 BauGB wird neben der Verselbstständigung dieses Verfahrensschrittes noch dadurch unterstrichen, dass die Genehmigungsbehörde an die Erteilung dieses Einvernehmens nicht gebunden, sondern zu einer eigenständigen Entscheidung berufen ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.12.1969 - IV B 121.69 -, Buchholz 406.11 § 2 BBauG Nr. 4); dies unterscheidet das Einvernehmen nach § 36 BauGB jeweils etwa von einer Entscheidung nach § 18a LuftVG (vgl. insoweit Senatsbeschl. v. 21.9.2020 - 12 LA 171/18 -, juris, Rn. 5, sowie v. 14.5.2021 -12 LA 175/18 -, juris, Leitsatz).

Es obliegt nicht den Gerichten, sondern dem Gesetzgeber, die Folgen, die sich daraus für den Fortbestand der Vorhabengenehmigung, auf die sich das fehlerhaft ersetzte Einvernehmen bezieht, ggf. ergeben, zu Lasten des Rechtsschutzes der Gemeinden in dem bislang anerkannten, zuvor aufgezeigten Umfang zu modifizieren (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.10.2020 - 4 CN 9/19 -, juris, Rn. 14 zu der vom Gesetzgeber zu entscheidenden Frage, ob § 6 UmwRG auf die Normenkontrolle anwendbar sein soll). Dass er dieses Problem schon bei dem Erlass des UmwRG in der geltenden Fassung auch nur in den Blick genommen hat, ist nicht zu erkennen.

Dem weiteren Einwand der Beigeladenen, bei einer anderen Auslegung entstünde vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (Urt. v. 1.4.2014 - 9 A 2030/12 -, juris) eine Rechtsschutzlücke, liegt ein Fehlverständnis der genannten Entscheidung zugrunde. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof führt dort aus, die – isolierte – Klage einer Gemeinde gegen die Ersetzung ihres Einvernehmens nach § 36 BauGB sei zulässig, und zwar sogar parallel zu ihrer gleichzeitig gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung erhobenen Klage. Im Folgenden heißt es:

„Eine Doppelung des Rechtsschutzes wird jedoch insoweit vermieden, als die Klägerin im Klageverfahren gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung nur noch etwaige subjektive Rechte geltend machen kann, die nicht in bauplanungsrechtlichen Aspekten wurzeln, wie sie in § 35 i. V. m. § 36 BauGB verkörpert sind, womit ihr dort insbesondere eine Berufung auf schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne von § 35 Abs. 3 Nr. 3 BauGB durch die geplante Betriebserweiterung verwehrt ist.“ (Hess. VGH, Urt. v. 1.4.2014 - 9 A 2030/12 -, juris, Rn. 36).

Damit ist jedoch ersichtlich nur gemeint, dass, wenn sich eine Gemeinde – wie die Klägerin im damals entschiedenen Fall – entschließt, sowohl gegen die Ersetzung des Einvernehmens als auch gegen die darauf aufbauende Vorhabengenehmigung vorzugehen und die Klage gegen die Ersetzung des Einvernehmens – wie dort – abgewiesen wird, im Rahmen der Klage gegen die Genehmigung nicht erneut die Rechte der Gemeinde geprüft werden müssen, die bereits Gegenstand der Klage gegen die Ersetzung des Einvernehmens waren. Daraus lässt sich jedoch ersichtlich nicht der – von der Beigeladenen wohl angenommene – Schluss ziehen, die Gemeinde könne sich im Rahmen einer gegen die Genehmigung gerichteten Klage generell nicht auf ein zu Unrecht ersetztes Einvernehmen berufen. Dementsprechend hat der von der Beigeladene zitierte 9. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs in einer jüngeren Entscheidung die aufschiebende Wirkung der Klage einer Gemeinde gegen die Ersetzung ihres gemeindlichen Einvernehmens und die folgende Genehmigung insgesamt, d. h. bzgl. beider Entscheidungen, wiederhergestellt und zur Begründung ausgeführt, es müsse der Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben, ob die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens und damit die angegriffene Genehmigung sich als rechtswidrig erwiesen (Beschl. v. 14.5.2019 - 9 B 2016/18 -, juris, Rn. 18, vgl. ergänzend noch Beschl. v. 10.3.2022 - 9 B 1348/20 – juris, Rn. 36 f.).

Soweit die Beigeladene weiter geltend macht, es sei gemäß § 6 UmwRG unzulässig, dass das Verwaltungsgericht den Vortrag der Gemeinde aus dem Klageverfahren gegen die Ersetzung des Einvernehmens auf das gegen die Genehmigung „erstreckt“ habe, überdehnt sie den Anwendungsbereich der Norm.

Insoweit ist zum Einen darauf hinzuweisen, dass das Verwaltungsgericht ersichtlich durch § 6 UmwRG – auch ohne diesbezüglichen Vortrag der Klägerin – nicht gehindert ist, die sich schon aus dem eigenen vorangegangenen Urteil selbst ergebende Aufhebung des gemeindlichen Einvernehmens (auch) im Rahmen der Klage der Gemeinde gegen die Genehmigung zu berücksichtigten (vgl. § 121 VwGO). Zum Anderen beschränkt sich die Bedeutung von § 6 UmwRG auf eine Reduzierung des vom Gericht zu prüfenden Streitstoffs („formelle Präklusion“) und eine damit einhergehende Entlastung des Gerichts (vgl. Fellenberg/Schiller in: Landmann/Rohmer, UmwR, § 6 UmwRG Rn. 7, 8 m. w. N.). Die Einschränkung des Amtsermittlungsgrundsatzes bedeutet aber naturgemäß nur, dass das Gericht nicht gehalten ist, weitergehende Ermittlungen anzustellen. Ein Verbot, bereits anderweitig Bekanntes zu berücksichtigen, ergibt sich daraus ersichtlich nicht.

c. Soweit die Beigeladene unter III. der Antragsbegründung ausführt, es fehle jedenfalls an einer Klagebefugnis der Klägerin in Bezug auf die Genehmigungsentscheidung, und erneut auf die bereits genannte Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs verweist, überzeugt auch dies aus den bereits ausgeführten Gründen nicht. In der genannten Entscheidung hat dieser Verwaltungsgerichtshof nämlich - wie ausgeführt - ausdrücklich parallele Klagen gegen die Ersetzung des Einvernehmens sowie die Genehmigung für zulässig erachtet (Hess. VGH, Urt. v. 1.4.2014 - 9 A 2030/12 -, juris, Rn. 36) und im Folgenden - wie oben ebenfalls schon erörtert - wegen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit einer Einvernehmensersetzung die aufschiebende Wirkung der Klagen gegen diese sowie gegen die Genehmigung wiederhergestellt (Hess. VGH, Beschl. v. 14.5.2019 - 9 B 2016/18 -, juris, Rn. 18).

d. Unter IV. der Begründung ihres Zulassungsantrags macht die Beigeladene geltend, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht einen Beurteilungsfehler des Beklagten bei der Anwendung des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG erkannt.

Dabei habe es zunächst zutreffend angenommen, entscheidungserheblich sei der Zeitpunkt der Ersetzungsentscheidung durch den Beklagten, dann aber zu Unrecht nachträgliche Änderungen der fachlichen Erkenntnisse für berücksichtigungsfähig erachtet. Dies stehe im Widerspruch zu der von ihr, der Beigeladenen, bereits zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. In dem insoweit angeführten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 9.8.2016 - 4 C 5/15 -, juris, Rn. 17) findet sich zwar der von der Beigeladenen zitierte Satz:

„Für die Berücksichtigung von danach eintretenden Rechtsänderungen, auch nach den Grundsätzen von Treu und Glauben, ist kein Raum.“

Diese auf „Rechtsänderungen“ begrenzte Aussage zwingt indessen nicht zu der Annahme, gleiches gelte auch für Änderungen der fachlichen Erkenntnisse. Das Verwaltungsgericht hat insoweit ausdrücklich darauf abgestellt, dass diese nach der Rechtsprechung nämlich gerade keine nachträgliche Veränderung der Sach- oder Rechtslage, sondern spätere Erkenntnisse zur ursprünglichen Sachlage darstellten. Allein der Umstand, dass die diesbezüglich vom Verwaltungsgericht zitierten Entscheidungen (BayVGH, Urt. v. 20.5.2021 - 8 B 19.1587 -, juris, Rn. 32; OVG NRW, Beschl. v. 30.3.2017 - 8 A 2914/15 - juris, Rn. 21 ff., jeweils m. w. N.) nicht speziell in Fällen der Drittanfechtung einer Gemeinde gegen die Ersetzung ihres Einvernehmens ergangen sind, führt also nicht dazu, dass die diesbezügliche Abgrenzung falsch ist. Anders als die Beigeladene geltend macht, ergibt sich aus der genannten Entscheidung nicht, dass bei einer „rückversetzenden gerichtlichen Prüfung“ auch neuere fachliche Erkenntnisse grundsätzlich außer Betracht zu bleiben hätten. Das Bundesverwaltungsgericht hat zwar ausdrücklich darauf abgehoben, dass der Gesetzgeber mit den Einvernehmensregelungen den Gemeinden eine Rechtsposition einräumen wollte, die sich auch gegenüber einem etwaigen (ggf. später durch Rechtsänderungen entstehenden) Rechtsanspruch des Bauherrn durchsetzen kann. Warum aber dieser Grundsatz der Annahme des Verwaltungsgerichts entgegenstünde, im vorliegenden Fall müssten (sogar zugunsten der klagenden Gemeinde wirkende) nachträglich bekannt gewordene fachliche Erkenntnisse außer Betracht bleiben, erläutert die Beigeladene nicht.

Ihr Hinweis auf eine Einschätzungsprärogative des Beklagten im Zusammenhang mit dem Fledermausschutz führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Berufung. Sie meint, dem Beklagten könnten Beurteilungsfehler nur vorgeworfen werden, wenn entsprechende Erkenntnisse zum Zeitpunkt der Genehmigungs-/Ersetzungsentscheidung bekannt gewesen wären, und dies sei vorliegend nicht der Fall gewesen. Der Beklagte habe Ziffer 7.3. des Artenschutzleitfadens zum Fledermausschutz angewandt, der eine Abschaltung bei Windgeschwindigkeiten von unter 6 m/s vorsehe. Das NLT-Papier 2014, das zeitlich früher erlassen worden sei, sei aus verschiedenen Gründen nicht anwendbar.

Dieser Vortrag wird den Entscheidungsgründen des Urteils des Verwaltungsgerichts nicht gerecht.

Dieses hat zwar zunächst angenommen, es sei gerichtsbekannt, dass auch der Beklagte mittlerweile davon ausgehe, dass der Große Abendsegler und die Rauhautfledermaus bis zu einer Windgeschwindigkeit von 7,5 m/sec relevante Flugaktivitäten zeigten, und nachträglich gewonnene fachliche Erkenntnisse seien – wie ausgeführt – zu berücksichtigten. Der Genehmigungsbescheid habe insoweit das signifikant erhöhte Tötungsrisiko für diese zwei Fledermausarten nicht ausreichend gesenkt. Wie sich aus der nachfolgend im Einzelnen zitierten weiteren Urteilsbegründung ergibt, sind diese Ausführungen nach dem Gesamtzusammenhang aber eher nicht so zu verstehen, dass aus Sicht des Verwaltungsgerichts für diese beiden Fledermausarten zwingend die sog. Anlaufgeschwindigkeit habe erhöht werden müssen, der Beklagte also schon mit seinem Ergebnis insoweit die Grenzen seiner „Einschätzungsprärogative“ überschritten habe. Es spricht stattdessen mehr für die Annahme, das Verwaltungsgericht habe „nur“ verlangt, dass der Beklagte – wie es jedenfalls erforderlich wäre – seine damalige Entscheidung für die Beibehaltung der Regelanlaufgeschwindigkeit von 6 m/sec auch unter diesen besonderen Voraussetzungen hinreichend plausibel mache, woran es hier mangele.

Denn es hat insoweit ausgeführt:

„Auch die weiteren Erklärungsansätze des Beklagten, warum hier Abschaltungen nur bis zu einer Windgeschwindigkeit von 6 m/sec ausreichend gewesen sein sollen, sind nicht plausibel. Der Beklagte hat sich bei seinen Vorgaben zur Abschaltung an Ziffer 7.3 des Artenschutzleitfadens orientiert, wonach eine signifikante Erhöhung des Kollisionsrisikos im Regelfall durch eine Abschaltung von Windenergieanlagen in Nächten mit geringen Windgeschwindigkeiten (< 6 m/sec) in Gondelhöhe, Temperaturen > 10° C und keinem Regen wirksam vermieden werden kann, allerdings aufgrund von naturräumlichen Gegebenheiten in Niedersachsen für die beiden Abendsegler-Arten und die Rauhautfledermaus unter Vorsorge- und Vermeidungsgesichtspunkten auch bei höheren Windgeschwindigkeiten Abschaltzeiten erforderlich sein können. Weshalb solche Abschaltzeiten auch bei höheren Windgeschwindigkeiten hier nicht erforderlich gewesen sein sollten, hat der Beklagte nicht nachvollziehbar dargelegt. Zunächst hatte er ausgeführt, er habe bei der Anwendung von Ziffer 7.3 des Artenschutzleitfadens auf das NLT-Papier 2014 zurückgegriffen, wonach in der Regel bei vorrangiger Betroffenheit von Abendseglerarten und Rauhautfledermaus bei Windgeschwindigkeiten in Nabenhöhe unter 7,5 m/sec abgeschaltet werden soll und bei vorrangiger Betroffenheit von Zwerg- und Breitflügelfledermäusen bei 6 m/sec. Diesem Ansatz steht entgegen, dass das europarechtlich determinierte Tötungs- und Verletzungsverbot individuenbezogen ist (vgl. erneut klarstellend EuGH, Urt. v. 04.03.2021 - C-473/19 und C-474/19 -, juris) und daher eine Ausrichtung von Vermeidungsmaßnahmen an der mehrheitlich betroffenen Art ausschließt. Später hat der Beklagte geltend gemacht, mit der Formulierung „naturräumliche Gegebenheiten“ im Artenschutzleitfaden sei das niedersächsische Tiefland und vor allem die Küstenregion gemeint. Der Große Abendsegler und die Rauhautfledermaus seien in der Lage, sich an die Umstände in ihrem Lebensraum anzupassen, und flögen dort auch noch bei höheren Windgeschwindigkeiten als im Bereich des Beklagten. Die beiden geplanten Windenergieanlagen lägen in einem Schwachwindbereich. Diese fachliche Annahme konnte der Beklagte nicht weiter untermauern. Ihr steht entgegen, dass der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz, Betriebsstelle Hannover-Hildesheim, in einer Stellungnahme zu den Antragsunterlagen vom 18.07.2013 empfohlen hatte, die Anlagen bei einer Windgeschwindigkeit von weniger als 8 m/sec abzuschalten, und dabei angemerkt hatte, die vom Gutachter empfohlenen 6 m/sec möchten für Süddeutschland genügen. In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte sodann unter Vorlage einer Karte der durchschnittlichen Windgeschwindigkeiten in Niedersachsen angeführt, das Tötungsrisiko würde sich durch den Betrieb der Anlagen bei Windgeschwindigkeiten zwischen 6,1 und 7,5 m/sec nicht signifikant erhöhen, weil im Bereich der Vorhabenstandorte viel seltener mit hohen Windgeschwindigkeiten zu rechnen sei als beispielsweise an der Küste. Dass entsprechende Windgeschwindigkeiten seltener auftreten als in Starkwindbereichen führt indes nicht dazu, dass das dabei bestehende Kollisionsrisiko zu vernachlässigen ist. Daraus folgt lediglich, dass die erforderlichen Vermeidungsmaßnahmen seltener ergriffen, also die Anlagen seltener abgeschaltet werden müssen.“

Mithin hat das Verwaltungsgericht sämtliche von dem Beklagten für seine Entscheidung vorgebrachte Argumente erwogen und diese für nicht tragfähig erachtet, um die die getroffene Entscheidung, eine Abschaltung zum Fledermausschutz bei einer Windgeschwindigkeit unter 6 m/s für ausreichend zu erachten, zu rechtfertigen, nicht aber im Sinne der eigenen Ausführungen auf Seite 26 der Urteilsbegründung Belege dafür bezeichnet, dass es (nunmehr) allgemein anerkannte fachliche Meinung sei, unter den hier gegebenen Voraussetzungen sei die sog. Anlaufgeschwindigkeit von 6 m/sec auf 7,5 m/sec heraufzusetzen (vgl. insoweit auch OVG NRW, Urt. v. 1.3.2021 - 8 A 1183/18 -, juris, Rn. 245 ff., m. w. N.), es also auf eine abweichende Begründung durch den Beklagten gar nicht ankomme. Das Verwaltungsgericht hat bei seiner entsprechenden Prüfung also – anders als die Beigeladene suggeriert – auch nicht etwa auf das NLT-Papier 2014 abgestellt und dieses für (allein) maßgebend erachtet, sondern lediglich geprüft, ob das vom Beklagten unter Berufung auf dieses Papier angeführte Argument dessen Entscheidung stützt, und dieses (nachvollziehbar) verneint. Ebenso hat es begründet, warum der Erklärungsansatz des Beklagten auch bei Heranziehung der Vorgaben des WEE 2016 nicht trägt. Mit diesem abweichenden Ansatz setzt sich die Beigeladene nicht hinreichend auseinander.

2. Der Zulassungsantrag des Beklagten ist ebenfalls unbegründet, denn auch dieser hat die Voraussetzungen des von ihm in Anspruch genommenen Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bereits nicht hinreichend dargelegt bzw. liegen diese jedenfalls nicht vor.

Der Beklagte nennt einleitend unter II. 1. bis 5. seiner Zulassungsbegründung dem Wortlaut nach zusammengefasst die Gründe, aus denen das Urteil aus seiner Sicht ernstlichen Zweifeln begegne. Der weitere Vortrag wird dann unter der Überschrift „Dazu im Detail:“ eingeleitet. Es finden sich im Folgenden unter a) bis f) Gesichtspunkte aus der Argumentation des Verwaltungsgerichts, auf die im Einzelnen eingegangen wird, ohne dass dabei die vorherige Gliederung auch nur im Ansatz wiederaufgenommen oder sich auch nur an diese angelehnt wird. Insgesamt wird so (auch bedingt durch diesen Aufbau) bereits nicht deutlich, gegen welche einzelnen tragenden Begründungselemente der angefochtenen Entscheidung sich der Beklagte jeweils überhaupt wendet. Erst recht lässt sich nicht erkennen, welche tragende Erwägung des Verwaltungsgerichts mit welchem Argument jeweils genau entkräftet werden soll.

Orientiert man sich ungeachtet dessen an der eigenen zahlenmäßigen Gliederung des Beklagtenvorbringens und versucht, dieser jeweils die unter den Buchstaben erfolgte „Detaillierung“ zuzuordnen, so gilt Folgendes:

Unter Nr. 1. macht der Beklagte geltend, das erstinstanzliche Gericht habe sich in seinem Urteil über Empfehlungen/Vorgaben in Niedersachsen gültiger Arbeitshilfen/Erlasse und damit den Stand der Wissenschaft zum Zeitpunkt der Genehmigung hinweggesetzt und sei stattdessen einer „Mindermeinung“ gefolgt. Es habe zudem diesbezüglich zu Unrecht nachträgliche Erkenntnisse berücksichtigt. Dieses Vorbringen bezieht sich inhaltlich auf die umstrittene Schwelle, ab der die WEA der Beigeladenen zum Schutz der oben bezeichneten Fledermausarten abzustellen sind.

Wie bereits ausgeführt, hat das Verwaltungsgericht (bezogen auf die maßgebliche Erkenntnislage) ausführlich und unter Zitierung verschiedener Rechtsprechung ausgeführt, dass und warum es angenommen hat, nachträgliche Änderungen der fachlichen Erkenntnisse seien auch insoweit berücksichtigungsfähig. Damit setzt sich der Beklagte lediglich unter f) sowie in Teilen unter g) seiner Zulassungsantragsbegründung auseinander und führt aus, das Gericht verkenne, dass dann aufgrund der naturgemäß langen Verfahrensdauer derartiger Verfahren rechtssichere behördliche Genehmigungsverfahren nicht mehr möglich seien; dies stehe nicht nur im Widerspruch zur Beschleunigung des Ausbaus der Windenergie, sondern sei vielmehr tatsächlich nicht umsetzbar. Diese pauschale und nicht näher belegte Behauptung stellt schon keine hinreichende Auseinandersetzung mit der ausführlichen Argumentation des Verwaltungsgerichts dar. Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht unter Zitierung von obergerichtlicher Rechtsprechung ausgeführt, die Berücksichtigung nachträglich gewonnener fachlicher Erkenntnisse sei für sonstige Drittanfechtungsklagen gegen immissionsschutzrechtliche Genehmigungen anerkannt. Dass und aus welchen Gründen sich Abweichendes ergeben soll, wenn eine Gemeinde – wie hier – die Ersetzung ihres Einvernehmens sowie eine darauf beruhende immissionsschutzrechtliche Genehmigung anficht, erläutert der Beklagte im Rahmen seines Zulassungsantrags nicht. Auch ist nicht ersichtlich, aus welcher Norm oder welchem Rechtsgrundsatz sich ergeben soll, dass die Genehmigungsbehörde oder etwa ein Vorhabenträger vor der Berücksichtigung solcher neuerer Erkenntnisse allgemein geschützt sei. Dies träfe allgemein auch in der Sache nicht zu. Vielmehr könnte es dem dynamischen Charakter der immissionsschutzrechtlichen Grundpflichten nach § 5 Abs. 1 BImSchG (vgl. nur BVerfG, Beschl. v. 14.1.2010 - 1 BvR 1627/09 -, juris, Rn. 43) ersichtlich widersprechen, (erst) nach Genehmigungserteilung anhand neuerer Forschungsergebnisse festgestellte immissionsrechtlich relevante Gefahren in einem Anfechtungsprozess außer Betracht zu lassen, nur weil diese im Zeitpunkt der Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung noch nicht hinreichend bekannt waren (siehe allerdings auch: BVerwG, Beschl. v. 11.1.1991 – 7 B 102/90 -, juris, Rn. 3). Dieser Maßstab ist zwar nicht zwingend zugleich auf die im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG mit zu prüfenden anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften, hier die des umstrittenen § 44 BNatSchG, zu übertragen; dass das insoweit einschlägige Fachrecht aber weitergehenden Schutz vor der Berücksichtigung neuerer fachlicher Erkenntnisse im Anfechtungsprozess gewährt (gegen einen Bestandsschutz insoweit auch: BVerfG, a. a. O, Rn. 45), legt der Beklagte nicht dar (vgl. aber auch: Senurt. v. 25.10.2018 - 12 LB 118/16 -, juris, Rn. 228 und 235; OVG Rh.-Pf., Urt. v. 1.9.2021 – 1 A 11152/20 -, juris, Rn. 117 f.).

Ist dieser vom Verwaltungsgericht im vorliegenden Verfahren dem Wortlaut nach angewandte Obersatz (Berücksichtigung nachträglicher fachlicher Erkenntnisse auch hinsichtlich des Schutzes von Fledermäusen) mithin auch vom Beklagten nicht durchgreifend in Frage gestellt worden, so ist er im Folgenden zugrunde zu legen.

Mit seinem (unter g) folgenden Verweis darauf, dass „die fachlichen Kenntnisse über Fledermäuse Ende 2019 …ganz andere als für den Windpark I.“ gewesen seien, räumt der Beklagte aber der Sache nach wohl ein, dass (auch) er bei einer Berücksichtigung der aktuellen fachlichen Erkenntnisse nunmehr eine höhere Anlaufgeschwindigkeit als die seinerzeit verfügten <6 m/s für sachgerecht erachten würde.

Im Übrigen bezeichnet der Beklagte auch nicht im Einzelnen – und drängt sich dies auch dem Senat nicht auf –, warum nicht bereits die im Genehmigungszeitpunkt vorliegenden, vom Verwaltungsgericht zitierten allgemeinen Erkenntnisquellen zumindest Anlass für eine nähere, vom Verwaltungsgericht vermisste Begründung gaben, weshalb für den Großen Abendsegler und die Rauhautfledermaus keine weitergehende Abschaltung erforderlich war.

Soweit es sich jeweils auf die Erkenntnislage im Genehmigungszeitpunkt bezieht, leistet dies auch das Zulassungsvorbringen unter Nrn. 1. und 2. („Das VG hat sich in seinem Urteil über mehrere Fachgutachten hinweggesetzt. Stattdessen wird einer Mindermeinung gefolgt.), Nr. 3. („Das Gericht hat die o.g. Entscheidungen zu den Fledermäusen getroffen und begründet, ohne die betroffenen Fledermausgutachter oder einen anderen Fledermausexperten hinzuzuziehen.“) und Nr. 4. („Die Urteilsbegründung des VG Hannover hinsichtlich der Fledermäuse enthält fachliche Fehleinschätzungen.“) nicht. Es wird – wie der oben unter 1. d. behandelte diesbezügliche Einwand der Beigeladenen – der Argumentation des Verwaltungsgerichts nicht gerecht. Auf die dortigen Ausführungen des Senats wird verwiesen. Das Verwaltungsgericht ist danach in der Sache keiner „Mindermeinung“ gefolgt, hat sich nicht „über Gutachten hinweggesetzt“ oder unterliegt keinen „fachliche Fehleinschätzungen“, sondern hat angesichts der festgestellten Fledermausarten (Großer) Abendsegler und Rauhaut „nur“ verlangt, dass der Beklagte seine Entscheidung für die Beibehaltung der Regelanlaufgeschwindigkeit von 6 m/sec auch unter diesen besonderen Voraussetzungen hinreichend plausibel mache, woran es mangele.

Soweit er in seinem Zulassungsschriftsatz nunmehr ausführlich erläutert, wie er seinerzeit zu der Entscheidung über diese Anlaufgeschwindigkeit gelangt sei, ist ein solcher erst im Rahmen eines Antrags auf Zulassung der Berufung vorgelegter Schriftsatz jedenfalls dann nicht geeignet, die zuvor fehlende Plausibilisierung der erfolgten Ausfüllung einer Einschätzungsprärogative nachzuholen, wenn für den Betroffenen der Nachholungscharakter i. S. d. § 45 VwVfG i. V. m. § 1 NVwVfG – wie hier - nicht hinreichend erkennbar ist (vgl. nur Schneider, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand April 2022, VwVfG, § 45, Rn. 83, m. w. N.). Daher kann offenbleiben, ob die diesbezüglichen Ausführungen nunmehr in der Sache überzeugen.

Sollten die Ausführungen des Beklagten dagegen darauf gerichtet sein zu begründen, dass und warum seinerzeit schon kein Anlass bestanden habe, die Entscheidung gesondert bzw. ausführlicher zu begründen, so wird dies schon nicht hinreichend, d. h. den oben genannten Darlegungsanforderungen genügend, deutlich.

Darüber hinaus sind die als „Detail“ überschriebenen Ausführungen aber auch der Sache nach nicht geeignet, insoweit ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils zu begründen. Der Beklagte führt dort aus, das NLT- Papier 2014 sowie der WEE 2016 sähen als „Regelfall“ Abschaltungen in Nächten mit Windgeschwindigkeiten von < 6m/s vor. Nur wenn die beiden Abendseglerarten und/oder die Rauhhautfledermaus „vorrangig“ betroffen seien oder besondere „naturräumliche Gegebenheiten“ im Untersuchungsgebiet oder im Umfeld der zu prüfenden WEA nachgewiesen seien, sei von diesem Regelfall abzuweichen. Beides liege jedoch nicht vor. Auch insoweit kann dem Beklagten jedoch nicht gefolgt werden.

Bei der Ermittlung des Gehaltes entsprechender normativ unverbindlicher Empfehlungen ist - wie bei der Anwendung von Verwaltungsvorschriften (vgl. etwa BVerwG, Beschl. v. 21.12.2010 - 2 B 63/20 - juris, Rn. 25, m. w. N.) - nicht ihr Wortlaut maßgebend, sondern ist auf das erkennbar vom Urheber damit Gewollte, im Einklang mit höherrangigem Recht stehende Verständnis abzustellen. Auf den Wortlaut allein kann und darf sich ein Anwender also nicht verlassen.

Hieran gemessen ist angesichts des vom Verwaltungsgericht zutreffend angeführten Individuenbezugs des Tötungsverbots gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG ein Verständnis ausgeschlossen, für die Ablehnung einer „vorrangigen Betroffenheit“ einer Art darauf zu verweisen, eine andere Art sei zahlenmäßig (noch) häufiger. Dies hätte nämlich die – ersichtlich nicht der Rechtslage entsprechende – Folge, in einem Gebiet, in dem die auch bei höheren Windgeschwindigkeiten gefährdeten o. a. Fledermausarten in erheblicher Anzahl vorkommen, ihnen den notwendigen Schutz durch eine angepasste Anlaufgeschwindigkeit allein deshalb zu versagen, weil eine oder mehrere andere Art(-en), die dieses Schutzes nicht bedürfen, dort in (noch) höherer Zahl nachgewiesen worden seien. Dass dies auch nicht die Intension etwa des Urhebers des NLT - Papiers 2014 gewesen ist, hat die Klägerin mehrfach, zuletzt mit Schriftsatz vom 13. Juli 2022, erläutert.

Warum es angesichts der „naturräumlichen Gegebenheiten“ keiner höheren Anlaufgeschwindigkeit bedarf, wäre zumindest näher zu begründen gewesen.

Damit trifft auch der weitere (unter c) der Sache nach erhobene Vorwurf des Beklagten, das Verwaltungsgericht habe in dem Urteil das Regel-Ausnahme (< 6m/s im Regelfall, höhere Windgeschwindigkeiten nur bei Besonderheiten) umgekehrt, nicht zu. Das Verwaltungsgericht hat – wie bereits ausgeführt – nur tragend angenommen, angesichts der vorliegenden, als solche auch vom Beklagten nicht substantiiert in Zweifel gezogenen Indizien für das Vorhandensein einer nennenswerten Anzahl von Exemplaren der Fledermausarten Großer Abendsegler und Rauhaut habe der Beklagte seine Entscheidung plausibel machen müssen, an dieser Regelanlaufgeschwindigkeit festzuhalten. Damit ist nicht zugleich gesagt, dass diese auch zwingend hätte heraufgesetzt werden müssen. Angesichts dessen geht der Einwand des Beklagten fehl, bei der Auslegung des Verwaltungsgerichts seien wegen des „flächendeckenden“ Vorkommens des Abendseglers in „unseren heimischen Ackerlandschaften“ stets pauschale Abschaltzeiten bis 7,5 m/s festzusetzen und Fledermausgutachten obsolet, zumal nach dem Kenntnisstand des Senats Große Abendsegler in Niedersachsen nicht flächendeckend in – zumal nicht in großflächigen – Ackerlandschaften anzutreffen sind.

Zu welcher konkreten und ggf. unter die Signifikanzgrenze sinkenden Verringerung des Tötungsrisikos für die beiden Fledermausarten Großer Abendsegler sowie Rauhaut die vom Beklagten im Übrigen nunmehr angeführten Vermeidungsmaßnahmen (Verzicht auf die dritte WEA, die Verschiebung einer weiteren WEA weg von Gehölzstrukturen und die sowohl jahres- als auch tageszeitliche Verlängerung der Abschaltzeiten) führen sollen, erläutert er auch in seiner Zulassungsbegründung nicht näher.

Soweit er weiter ausführt, das Verwaltungsgericht habe bei seiner Betrachtung das von ihm, dem Beklagten, in der Genehmigung angeordnete Gondelmonitoring unberücksichtigt gelassen, legt dieser Einwand ein Fehlverständnis des Beklagten nahe. Versteht man sein Argument in dem Sinne, die Anordnung dieses Monitorings sei Teil des (ggf. wegen der vorgesehenen Anlaufgeschwindigkeit von mehr als 6 m/s) gebotenen Schutzkonzeptes, so wäre bei Zugrundelegung dieser Prämisse der Sache nach ein Verstoß gegen das Tötungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG wegen unzureichender Schutzmaßnahmen ohne Weiteres zu bejahen. Denn ein in der Genehmigung angeordnetes Monitoring kann – da die immissionsschutzrechtliche Genehmigung mit Blick auf den Artenschutz nur erteilt werden darf, wenn sich das Tötungsrisiko im Sinne des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG durch das Vorhaben nicht signifikant erhöht – nur dazu dienen, die dauerhafte Tragfähigkeit der Prognose zu überprüfen, das Risiko der Tötung eines Individuums der betroffenen Fledermausarten werde durch das Vorhaben nicht in signifikanter Weise erhöht. Das Monitoring als Teil des Schutzkonzeptes anzusehen und bei nicht hinreichend beschränktem Betrieb der Anlagen und bestehenden Unsicherheiten über die Relevanz des Tötungsrisikos Erkenntnisse darüber zu gewinnen, ob die Risikoerhöhung die Signifikanzschwelle überschreitet, ist dagegen nicht zulässig (vgl. Senatsurt. v. 5.7.2022 - 12 KS 147/21 -, juris, Rn. 134). Darüber hinaus weist der Senat nochmals darauf hin, dass ohnehin schon Zweifel an der formellen Rechtmäßigkeit der diesbezüglichen Nebenbestimmungen bestehen (vgl. Nr. 3 der gerichtlichen Verfügung vom 3. August 2022).

Der unter 5. vom Beklagten erhobene Einwand („Das angegriffene Urteil ist unverhältnismäßig, denn die Abschaltzeiten hätten wie im Urteil zu dem Bezug genommenen Parallelverfahren zu dem Az: 12 A 6814/17 vom Gericht angeordnet werden können.“) übersieht, dass vorliegend streitgegenständlich neben der Genehmigung (auch) die Ersetzung des Einvernehmens ist. Auf die diesbezügliche Anfechtungsklage der Gemeinde kann aber nach § 113 (oder sonstigen Normen der) VwGO ersichtlich nicht das rechtswidrig genehmigte Vorhaben, zu dem die Klägerin das Einvernehmen dann zu Recht nicht erteilt hat, durch Hinzufügung oder Änderung von Nebenbestimmungen seitens des Gerichts nachträglich legitimiert werden (vgl. zur ähnlichen Lage bei einer verweigerten Zustimmung der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr nach dem LuftVG: Senatsurt. v. 13.11.2019 - 12 LB 123/19 -, juris, Rn. 65). Vor diesem Hintergrund kann offenbleiben, ob ein solches Vorgehen im Rahmen von sonstigen Drittanfechtungen zulässig und falls ja im Einzelfall auch geboten wäre.

Für das weitere Argument des Beklagten, das Urteil entspreche nicht den aktuellen Vorgaben der Bundesregierung, Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, fehlt jede rechtliche Anknüpfung, zumal es vorliegend um die Anfechtung einer aus dem Jahr 2016 stammenden Genehmigung geht.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).