Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 27.09.2022, Az.: 11 ME 284/22

Dauermahnwache; Gefahr, konkrete; Gefahr, unmittelbare; örtliche Verlegung; Protestcamp; Prozesskostenhilfe; Prozesskostenhilfevordruck; Vereinfachte Erklärung; Versammlung: Beschränkung; Versammlungsort

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
27.09.2022
Aktenzeichen
11 ME 284/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 59648
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 23.09.2022 - AZ: 5 B 261/22

Fundstelle

  • FA 2022, 337

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die örtliche Verlegung eines geplanten Protestcamps ist nur gerechtfertigt, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Errichtung des Protestcamps auf der vom Veranstalter gewünschten Versammlungsfläche unmittelbar gefährdet ist. Voraussetzung hierfür ist eine in zeitlicher Nähe mit dem Stattfinden der Versammlung bevorstehende Gefahr. Hieran wird es in der Regel fehlen, wenn eine Gefahrensituation abgewendet werden soll, die in einer noch unbestimmten Zeit in der Zukunft eintreten soll.
2. Im Rahmen der Beantragung von Prozesskostenhilfe sieht § 2 Abs. 2 PKHFV - und damit übereinstimmend das amtliche Formular - eine vereinfachte Erklärung nur für Personen vor, die nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch laufende Leistungen zum Lebensunterhalt beziehen. Eine analoge Anwendung des § 2 Abs. 2 PKHFV zugunsten von Antragstellern, die Leistungen nach dem SGB II beziehen und darüber einen Bewilligungsbescheid vorlegen, scheidet mangels vergleichbarer Interessenlage aus.

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 5. Kammer - vom 23. September 2022 geändert.

Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers (- 5 A 260/22 -) gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 20. September 2022 wird wiederhergestellt, soweit unter

Ziffer 3 als Ort der Versammlung das Flurstück D., Flur E. (nördlich des Regenrückhaltebeckens), Gemarkung F., G., bestimmt wird, und soweit unter

Ziffer 7 Satz 1 Plakate, Banner oder ähnliches nicht an öffentlichen Einrichtungen, sowie Bäumen, befestigt werden dürfen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 EUR festgesetzt.

Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe

I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen die teilweise Ablehnung seines Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes in dem angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts hat Erfolg.

Am 14. September 2022 zeigte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin eine Versammlung an zu den Themen „Keine neue Autofabrik in H. und nirgendwo, Mahnwache gegen I., Utopie statt I., Datum: Ab 22.03. bis 01.04., Ort: Auf dem Feld nördlich des Fahrradwegs, der nach Osten von der J. zwischen WarK. und L. abbiegt“. Als Kundgebungsmittel wurden genannt: Banner, Spruchbänder, Flyertisch, Infomaterial, Bauwagen, Zelte, Pavillon, Komposttoilette, Gaskocher. Die Versammlung wurde für 5 - 50 Teilnehmer angemeldet, die rund um die Uhr an dem Ort, an dem das I. -Werk der M. gebaut werde, präsent sein wollen.

Nachdem der Antragsteller klargestellt hatte, dass die Versammlung ab dem 22. September 2022 stattfinden solle, wurde am 20. September 2022 ein Kooperationsgespräch durchgeführt. Mit Bescheid vom selben Tag bestätigte die Antragsgegnerin die vom Antragsteller angemeldete Versammlung und ordnete u.a. die folgenden Auflagen an:

„3. Ort der Versammlung ist das Flurstück D., Flur E. (nördlich des Regenrückhaltebeckens) der Gemarkung H., G.. …

7. Plakate, Fahnen, Banner oder ähnliches dürfen nicht an öffentlichen Einrichtungen, sowie Bäumen befestigt werden. Sämtliche Kundgebungsmittel sind zu beaufsichtigen und gegen Wegfliegen zu sichern. Bodenverankerungen sind nicht gestattet.

8. Der Bereich der Versammlung (das Camp) ist zum öffentlichen Straßenraum rücklings durch Sicht- oder Lärmschutzwände abzusichern. …“

N. …O.

Am 22. September 2022 hat der Antragsteller Klage (5 A 260/22) hinsichtlich der Auflagen in Ziffern 3, 7 und 8 (erster Satz) erhoben, über die noch nicht entschieden worden ist.

Mit Schriftsatz vom 23. September 2022 hat die Antragsgegnerin erklärt, der letzte Satz der Auflage in Ziffer 7 und Ziffer 8 insgesamt werde gestrichen.

Auf den ebenfalls am 22. September 2022 eingelegten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss die aufschiebende Wirkung der vom Antragsteller erhobenen Klage wiederhergestellt, soweit in dem Bescheid der Antragsgegnerin vom 20. September 2022 in Ziffer 7 Satz 3 Bodenverankerungen nicht gestattet wurden und soweit in Ziffer 8 Satz 1 der Bereich der Versammlung (das Camp) zum öffentlichen Straßenraum rücklings durch Sicht- oder Lärmschutzwände abzusichern war; im Übrigen hat das Verwaltungsgericht den Eilantrag abgelehnt. Zugleich hat das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, dass der Antragsteller keine vollständigen Angaben zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen gemacht habe.

Der Antragsteller hat am 23. September 2022 Beschwerde eingelegt, soweit sein Antrag hinsichtlich Ziffern 3 und 7 abgelehnt worden ist. Zugleich hat er Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe eingelegt, die der Senat mit Beschluss vom heutigen Tag verworfen hat (11 PA 285/22)

Die gegen Ziffern 3 und 7 Satz 1 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 20. September 2022 gerichtete Beschwerde ist zulässig und begründet. Die von dem Antragsteller vorgetragenen Beschwerdegründe, auf deren Überprüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, führen zu einer Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung. Der Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen Ziffern 3 und 7 Satz 1 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 20. September 2022 in der durch Schriftsatz vom 23. September 2022 geänderten Fassung hat Erfolg, weil sich die in Ziffern 3 und 7 Satz 1 getroffenen Anordnungen nach der im vorliegenden Eilverfahren gebotenen Prüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich als rechtswidrig erweisen werden und den Antragsteller in seinen Rechten verletzen.

1. Es liegt eine Versammlung vor. Nach Art. 8 Abs. 1 GG haben alle Deutschen das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Eine Versammlung ist eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (BVerfG, Beschl. v. 7.3.2011 - 1 BvR 388/05 - juris Rn. 32, m.w.N.). Dazu gehören auch solche Zusammenkünfte, bei denen die Versammlungsfreiheit zum Zwecke plakativer oder aufsehenerregender Meinungskundgabe in Anspruch genommen wird. Der verfassungsrechtliche Schutz ist auch nicht auf Veranstaltungen beschränkt, auf denen argumentiert und gestritten wird, sondern umfasst vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens bis hin zu nicht verbalen Ausdrucksformen (ständige Rspr., vgl. z.B. BVerfG, Beschl. v. 7.3.2011 - 1 BvR 388/05 - juris Rn. 32, m.w.N.). Art. 8 Abs. 1 GG gewährleistet auch das Recht, selbst zu bestimmen, wann, wo und unter welchen Modalitäten eine Versammlung stattfinden soll (vgl. BVerfG, Urt. v. 22.2.2011 - 1 BvR 699/06 - juris Rn. 64). Die Bürger sollen damit selbst entscheiden können, wo sie ihr Anliegen - gegebenenfalls auch mit Blick auf Bezüge zu bestimmten Orten oder Einrichtungen - am Wirksamsten zur Geltung bringen können (Senatsbeschl. v. 26.8.2020 - 11 LC 251/19 - juris Rn. 40, m.w.N.). Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit schützt dabei auch das Interesse des Veranstalters, auf einen Beachtungserfolg nach seinen Vorstellungen zu zielen, also gerade auch durch eine möglichst große Nähe zu dem symbolhaltigen Ort (BVerfG, Beschl. v. 27.6.2022 - 1 BvQ 45/22 - juris Rn. 6, mw.N.).

Ausgehend von diesen Maßstäben fällt die von dem Antragsteller auf dem Feld nördlich des Fahrradwegs zwischen H. und L. geplante Dauermahnwache unstreitig unter den Schutz der Versammlungsfreiheit.Seinen Angaben lässt sich nach objektivem Verständnis ein auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteter kommunikativer Zweck entnehmen (vgl. dazu auch BVerwG, Urt. v. 24.5.2022 - 6 C 9/20 - juris Rn. 17 ff.).Zweck der Dauermahnwache ist es nach seiner Darstellung, an dem Ort präsent zu sein, an dem das I. -Werk gebaut werden soll, um ein Kristallisationspunkt öffentlicher Meinungskundgabe und -bildung zu werden und insbesondere die lokale Bevölkerung anzusprechen. Die Information der Öffentlichkeit über individualverkehrsrelevante Projekte und die Kundgabe der eigenen Meinung dazu gehören zum Schutzbereich des Versammlungsrechts.

2. Die rechtlichen Voraussetzungen für den Erlass der von der Antragsgegnerin angeordneten, hier angegriffenen Beschränkungen sind nach summarischer Prüfung nicht gegeben. Gemäß Art. 8 Abs. 2 GG kann das Recht auf friedliche Versammlungen unter freiem Himmel durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes beschränkt werden. Ein solches Gesetz stellt § 8 Abs. 1 des Niedersächsischen Versammlungsgesetzes (NVersG) dar, wonach die zuständige Behörde Beschränkungen zu einer angezeigten Versammlung verfügen kann, um eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren. Der Begriff der „öffentlichen Sicherheit“ umfasst dabei den Schutz zentraler Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen. Die „unmittelbare Gefährdung“ i.S.d. § 8 Abs. 1 NVersG erfordert eine konkrete Sachlage, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die der Versammlungsfreiheit entgegenstehenden Rechtsgüter führt. Dabei muss die öffentliche Sicherheit oder Ordnung nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzugs unmittelbar, d.h. in zeitlicher Nähe mit dem Stattfinden der Versammlung, gefährdet sein. Erforderlich sind nachweisbare Tatsachen als Grundlage der Gefahrenprognose; bloße Vermutungen reichen nicht (BVerfG, Beschl. v. 19.12.2007 - 1 BvR 2793/04 - juris Rn. 19; dasselbe, Beschl. v. 29.3.2002 - 1 BvQ 9/02 - juris Rn. 9, u. Beschl. v. 21.4.1998 - 1 BvR 2311/94 - juris Rn. 27; Wefelmeier, in: NVersG, 2. Aufl., 2020, § 8 Rn. 22, m.w.N.).

Das der zuständigen Behörde durch § 8 Abs. 1 NVersG eingeräumte Entschließungsermessen ist grundrechtlich gebunden. Die Versammlungsfreiheit hat nur dann zurückzutreten, wenn eine Abwägung unter Berücksichtigung der Bedeutung des Freiheitsrechtes ergibt, dass dies zum Schutz anderer mindestens gleichwertiger Rechtsgüter notwendig ist. Dabei kollidierende Grundrechtspositionen sind hierfür in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz so in Ausgleich zu bringen, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 11.4.2018 - 1 BvR 3080/09 - juris Rn. 32). Zu beachten ist auch, dass vom Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters nicht die Entscheidung umfasst ist, welche Beeinträchtigungen die Träger der kollidierenden Rechtsgüter hinzunehmen haben. Insofern ist auch zu prüfen, ob das Selbstbestimmungsrecht unter hinreichender Berücksichtigung der gegenläufigen Interessen Dritter oder der Allgemeinheit ausgeübt worden ist (vgl. BVerfG, Beschl. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 - juris Rn. 63). Rechtsgüterkollisionen können im Rahmen versammlungsrechtlicher Beschränkungen ausgeglichen werden (st. Senatsrspr., siehe z.B. Beschl. v. 19.2.2021 - 11 ME 34/21 - juris Rn. 7, und Beschl. v. 4.6.2021 - 11 ME 126/21 - juris Rn. 9). Maßgeblich sind dabei stets die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalls, insbesondere die Art und das Maß der Auswirkungen auf betroffene Dritte und deren Grundrechte (vgl. BVerfG, Beschl. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 - juris Rn. 64). Wichtige Abwägungselemente sind unter anderem die Dauer und Intensität der Aktion, deren vorherige Bekanntgabe, evtl. Ausweichmöglichkeiten, die Dringlichkeit evtl. verhinderter Anliegen, aber auch der Sachbezug zwischen den in ihrer Fortbewegungsfreiheit beeinträchtigten Personen und dem Protestgegenstand (BVerfG, Beschl. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 - juris Rn 64, m.w.N.). Stehen die äußere Gestaltung und die durch sie ausgelösten Behinderungen in einem Zusammenhang mit dem Versammlungsthema, oder betrifft das Anliegen auch die von der Demonstration nachteilig Betroffenen, kann die Beeinträchtigung ihrer Freiheitsrechte unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände möglicherweise in größerem Maße hinzunehmen sein, als wenn dies nicht der Fall ist. Demgemäß ist im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen, ob und wie weit die Wahl des Versammlungsortes und die konkrete Ausgestaltung der Versammlung sowie die von ihr betroffenen Personen einen Bezug zum Versammlungsthema haben (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 - juris Rn. 64; Senatsbeschl. v. 4.6.2021 - 11 ME 126/21 - juris Rn. 9; HessVGH, Beschl. v. 30.10.2020 - 2 B 2655/20 - juris Rn. 5). Handelt es dabei um ein sog. Protestcamp, das typischerweise an einem Ort veranstaltet wird, der einen Bezug zu dem jeweils inmitten stehenden Thema hat, unddurch seine zeitliche Dauer von einigen Tagen bis in Einzelfällen auch zu mehreren Jahren geprägt wird, erlangen die Rechte Dritter sowie den betroffenen öffentlichen Belangen im Rahmen der Abwägung ein umso höheres Gewicht, je länger ein Protestcamp absehbar dauern wird (BVerwG, Urt. v. 24.5.2022 - 6 C 9/20 - juris Rn. 17, 24).

In Bezug auf den Ort der Versammlung ist zudem zu berücksichtigen, dass die Versammlungsfreiheit kein Zutrittsrecht zu beliebigen Orten verschafft. Insbesondere gewährt sie dem Bürger keinen Zutritt zu Orten, die der Öffentlichkeit - wie beispielsweise Privatgrundstücke - nicht allgemein zugänglich sind oder zu denen schon den äußeren Umständen nach nur zu bestimmten Zwecken Zugang gewährt wird (BVerfG, Urt. v. 22.2.2011 - 1 BvR 699/06 - juris Rn. 69; Senatsbeschl. v. 26.8.2020 - 11 LC 251/19 - juris Rn. 41). Ein Grundstück, das für ein Protestcamp bzw. infrastrukturelle Einrichtungen, die einen inhaltlichen Bezug zu der mit dem Camp bezweckten Meinungskundgabe oder für dieseslogistisch erforderlich und ihm räumlich zuzurechnen ist, genutzt wird, unterfällt dem unmittelbaren, durch das Versammlungsgesetz ausgestalteten Schutz durch Art. 8 GG. Dies gilt auch für die im Eigentum der öffentlichen Hand stehende Grundstücksfläche und ein im Eigentum einer Privatperson stehendes Grundstück, auf dem eine solche Nutzung mit Einwilligung des Verfügungsberechtigten stattfindet (BVerwG, Urt. v. 24.5.2022 - 6 C 9/20 - juris Rn. 27, 31, vgl. auch Kniesel, in: Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetze, 18. Aufl. 2019, Rn. 144 f.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ergeben sich durchgreifende Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verlegung der Versammlung auf das Flurstück D., Flur E. (nördlich des Regenrückhaltebeckens), Gemarkung H., durch Ziffer 3 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 20. September 2020 (dazu a)) und an der in Ziffer 7 Satz 1 getroffenen Anordnung, dass Plakate, Fahnen, Banner oder ähnliches nicht an öffentlichen Einrichtungen, sowie Bäumen befestigt werden dürfen (dazu b)).

a) Die örtliche Verlegung der Versammlungsfläche ist gemäß § 8 Abs. 1 NVersG nur gerechtfertigt, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Errichtung des Protestcamps auf der vom Antragsteller gewünschten Versammlungsfläche unmittelbar gefährdet ist. Erforderlich ist somit - wie erwähnt - eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung. Nicht auf der Grundlage des § 8 Abs. 1 NVersG werden demgegenüber behördliche Maßgaben erlassen, die nicht eine Abwehr konkret bevorstehender unmittelbarer Gefahren bezwecken, sondern Vorkehrungen für abstrakt gefährliche Tatbestände vorsehen (BVerfG, Beschl. v. 19.12.2007 - 1 BvR 2793/04 - juris Rn. 19 zu § 15 Abs. 1 VersG). Nach summarischer Prüfung wird die Verlegung der Versammlung auf das Flurstück D., Flur E. (nördlich des Regenrückhaltebeckens), Gemarkung H., durch Ziffer 3 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 20. September 2020 diesen Anforderungen nicht gerecht.

Das Verwaltungsgericht hat die von der Antragsgegnerin getroffene Gefahrenprognose und vorgenommene Abwägung für die Änderung des Versammlungsortes mit folgenden Erwägungen unbeanstandet gelassen: Die örtliche Beschränkung der Versammlung stelle eine rechtmäßige Beschränkung der durch Art. 8 Abs. 1 GG geschützten Versammlungsfreiheit des Antragstellers dar. Das ursprünglich vom Antragsteller für die Dauermahnwache vorgesehene Grundstück stehe im Eigentum der Antragsgegnerin und befinde sich im Baufeld für die zu errichtende Autofabrik für das neue P.. Es liege auf der Hand, dass der Antragsteller und die übrigen Kundgebungsteilnehmer mit der Wahl des Kundgebungsortes beabsichtigten, den Fortgang der Bauarbeiten zu stören. Zu Recht weise die Antragsgegnerin in dem Bescheid darauf hin, dass das beabsichtigte Campinglager die Errichtung von Zäunen oder anderen Einrichtungen zur Sicherung der Baustelle an dieser Stelle behindere bzw. verhindere. Soweit sich der Antragsteller darauf berufe, der Bauer habe der Nutzung des von ihm gepachteten Feldes zugestimmt, so sei dem entgegenzuhalten, dass er seine Zustimmung nur bis zum Ablauf seiner Pachtzeit am 30. September 2022 habe erteilen dürfen und er bei einer Zustimmung gegen wesentliche vertragliche Regelungen mit seiner Verpächterin (Verpachtung ausschließlich zu landwirtschaftlichen Zwecken) verstoßen dürfte. Im Übrigen wäre eine solche Zustimmung auch nichtig, weil sie gegen Kerninteressen der Antragsgegnerin (keine Beeinträchtigung des Bauvorhabens) verstoße.

Der Antragsgegner wendet mit seiner Beschwerde zu Recht ein, dass sich hieraus keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ergeben, dass nach den zur Zeit des Erlasses Bescheides vom 20. September 2020 erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Errichtung des Protestcamps auf der vom Antragsteller gewünschten Versammlungsfläche unmittelbar gefährdet wäre. Nach dem - im Beschwerdeverfahren unwidersprochen gebliebenen - Vortrag des Antragstellers befinde sich die Versammlungsfläche derzeit im Eigentum der Antragsgegnerin und bis zum 30. September 2020 im Besitz eines Pächters. Die Antragsgegnerin werde das Grundstück an die M. verkaufen und zu einem unbestimmten Zeitpunkt (vermutlich erst im November) übergeben. Diese zeitlichen Angaben lassen sich mit den Angaben der Antragsgegnerin und mit den über allgemein zugängliche Quellen zu erhaltenden Informationen in Einklang bringen. Die Antragsgegnerin hat in ihrer Antragserwiderung vom 23. September 2022 (Bl. 71 f., 72 der Gerichtsakte 5 A 260/22) ausgeführt, die beantragte Fläche werde in Kürze (auf jeden Fall innerhalb der Dauer der Anmeldung der Mahnwache) veräußert. Ein entsprechender Beschluss der Vertretung sei bereits erfolgt. Aus diesem Grund werde die Fläche im Verlauf der Dauer der Mahnwache nicht uneingeschränkt der Verfügungsgewalt der Stadt Wolfsburg unterliegen. Es könne daher auch nicht gewährleistet werden, dass die Versammlung für den gesamten Zeitraum auf der gewünschten Fläche bestehen könne. Nach den im Internet von der M. zur Verfügung gestellten Informationen (Q., abgerufen am 27.9.2022) sollen die Bauarbeiten für das neue R. im Jahr 2023 beginnen. Auf der Webseite der Stadt Wolfsburg heißt es, der Spatenstich sei im II. Quartal 2023 geplant, es sei geplant, den Bau des I. -Werks im III. Quartal 2024 abzuschließen, offizieller Produktionsstart des I. sei für 2026 geplant, die ersten Vorserien würden in 2025 gebaut (S., abgerufen am 27.9.2022).

Soweit das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss angenommen hat, das beabsichtigte Campinglager behindere bzw. verhindere die Errichtung von Zäunen oder anderen Einrichtungen zur Sicherung der Baustelle an dieser Stelle (vgl. insoweit auch die Antragserwiderung vom 23. September 2022, Bl. 72 der Gerichtsakte 5 A 260/22), ergibt sich unter Berücksichtigung des dargestellten Zeitrahmens kein greifbarer Anhaltspunkt für eine unmittelbare Gefahr. Wie ausgeführt, steht zunächst die tatsächliche Veräußerung und die Übergabe der Fläche an die M. an. Diese Schritte stehen gegenwärtig nicht unmittelbar bevor, sondern deren Zeitpunkt ist derzeit noch ungewiss. Es ist weder vorgetragen noch für den Senat sonst ersichtlich, dass vor diesen Schritten und damit in unmittelbarer zeitlicher Nähe mit dem Beginn der vom Antragsteller beabsichtigten Versammlung eine Errichtung von Zäunen oder anderen Einrichtungen zur Sicherung der Baustelle ansteht. Insofern besteht derzeit auch kein Anhaltspunkt für die Annahme, das beabsichtigte Campinglager gefährde unmittelbar die Errichtung von Zäunen oder anderen Einrichtungen zur Sicherung der Baustelle an dieser Stelle.

Soweit die Antragsgegnerin in ihrer Antragserwiderung angeführt hat (Bl. 71 f., 72 der Gerichtsakte 5 A 260/22), sofern die Versammlung direkt auf dem Bauplatz stattfinde, sei mit einem erheblichen Aufwand an Objektschutz- und Sicherheitsmaßnahmen zu rechnen, die den Baubeginn bzw. -fortschritt massiv verzögern könnten, gilt nichts anderes. Da der Baubeginn zeitlich nach einer Errichtung von Bauzäunen oder anderen Einrichtungen zur Sicherung der Baustelle liegt, besteht derzeit auch kein Anhaltspunkt für die Annahme, das beabsichtigte Campinglager könne einen Baubeginn unmittelbar gefährden.

Soweit die Antragsgegnerin ihren Vortrag im Beschwerdeverfahren mit Blick auf die ebenfalls eingereichte polizeiliche Gefährdungseinschätzung vom 23. September 2022 ergänzt hat, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Die Antragsgegnerin hat dazu in ihrem Schriftsatz vom 26. September 2022 ausgeführt, der Antragsteller sei politisch dem linksorientierten Spektrum zuzuordnen. Er weise einschlägige Erkenntnisse aus dem Bereich der politisch motivierten Kriminalität - Links auf. Die Erkenntnislage erstrecke sich hauptsächlich auf Straftaten im Zusammenhang mit Aktionen der Klimaschutzszene. Das Verhalten des Antragstellers lasse den Schluss zu, dass er mit der angemeldeten Dauermahnwache nicht nur den Baufortschritt am Werk „I.“ behindern, sondern auch gänzlich verhindern wolle. Die Erkenntnisse sprächen dafür, dass die Sicherheit und Ordnung bei Durchführung der Dauermahnwache auf dem Baugelände nicht mehr gewährleistet werden könne. Die Verlegung der Versammlung ca. 50 m nach Westen werde für geeignet und notwendig erachtet, die zur Verhinderung des Neubaus fest entschlossenen Versammlungsteilnehmer so weit auf Distanz zu halten, dass rechtswidrige Blockade- oder ähnliche Aktionen nicht unmittelbar dort stattfänden, wo die Bewegung der Baufahrzeuge und des Personals einsetzen würden. Auch daraus folgt nichts für eine konkret bevorstehende unmittelbare Gefahr. Die Gefahr, dass die Sicherheit und Ordnung bei Durchführung der Dauermahnwache auf dem Baugelände nicht mehr gewährleistet werden kann, setzt zunächst voraus, dass die in Rede stehende Fläche als Baugelände eingerichtet wird. Wie ausgeführt, steht dies nach summarischer Prüfung nicht mit einer ausreichenden zeitlichen Nähe zum Beginn der Versammlung an. Der Senat verkennt dabei nicht, dass die Ausübung der Versammlungsfreiheit keine Rechtfertigung für strafbares oder ordnungswidriges Verhalten gibt. Gleichwohl liegen auch bei Berücksichtigung des Vorbringens der Antragsgegnerin keine hinreichend bestimmten Anhaltspunkte dafür vor, dass bzw. welche entsprechenden Verhaltensweisen der Antragsteller in unmittelbar zeitlicher Nähe mit dem Beginn der Versammlung an den Tag legen wird. Eine Beschränkung der Versammlungsfreiheit ist auf der Grundlage des bisherigen Vortrags der Antragsgegnerin derzeit nicht gerechtfertigt.

Die weiteren Angaben in der Gefährdungseinschätzung der Polizeiinspektion T. vom 23. September 2022 führen zu keiner anderen Beurteilung. Die Polizeiinspektion T. führt in ihrer Gefährdungseinschätzung vom 23. September 2022 weiter aus, der Umstand, dass der Bau des neuen Werks voraussichtlich erst um das Datum des 1. April 2023 konkret beginnen werde („Spatenstich“), lasse die Gefahren nicht entfallen, denn die polizeiliche Erfahrung zeige, dass insbesondere der Ausbau des begehrten Areals in einer solchen Art zu besorgen sei, dass es im Falle der Notwendigkeit, etwa zum konkreten Baustart, nur mit ganz erheblichem Aufwand noch möglich sein werde, Einrichtungen der Dauermahnwache einschließlich des protestierenden Potentials an Aktivisten mit einem vertretbaren Aufwand und zudem unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit zu entfernen und zu zerstreuen. Auch unter Berücksichtigung dieser Aussagen ist weder hinreichend dargelegt noch sonst für den Senat zu erkennen, dass der bei einer Nutzung des vom Antragsteller gewünschten Grundstücks möglicherweise zeitnah zu besorgende „Ausbau des … Areals“ für sich genommen bereits eine unmittelbare, durch § 8 Abs. 1 NVersG abzuwendende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung begründet. Soweit in der Gefährdungseinschätzung der Polizeiinspektion T. vom 23. September 2022 wiederum von Maßnahmen zu einem späteren Zeitpunkt, etwa zum konkreten Baustart, ausgeführt wird, fehlt es abermals an der für eine Beschränkung der Versammlungsfreiheit erforderlichen hinreichenden zeitlichen Nähe.

Im Übrigen und ohne dass es hierauf noch entscheidungserheblich ankommt, bestehen auch Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der von der Antragsgegnerin ergriffenen Maßnahme. Die Antragsgegnerin hat nicht dargelegt, dass mildere Mittel nicht in Betracht kommen. Aus Sicht des Senats wäre etwa an eine zeitliche Beschränkung des Protestcamps am vom Antragsteller gewünschten Standort und/oder an Auflagen zur Absicherung der Tätigkeiten in dem Protestcamp selbst zu denken (zu einem solchen Fall auch etwa OVG MV, Urt. v. 7.9.2021 - 1 L 9/12 - juris Rn. 91 ff.; s. auch VG A-Stadt, Beschl. v. 14.9.2020 - 4 L 3000/20.GI - juris Rn. 67 ff.). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass bei Verstößen gegen Auflagen einschneidendere Maßnahmen bis hin zur Auflösung einer Versammlung zulässig werden können (vgl. dazu OVG SH, Beschl. v. 12.9.2022 - 4 MB 33/22 - juris Rn. 17 ff.).

Der Senat merkt ergänzend an, dass sich nach summarischer Prüfung der Sachstand anders darstellt, sobald die in Rede stehende Grundstücksfläche an die M. veräußert ist. Denn danach wird die weitere Grundstücksnutzung durch den Antragsteller von einer Zustimmung der neuen Eigentümerin abhängen. Der Antragsgegnerin bleibt es vorbehalten, das angemeldete Protestcamp gemäß § 8 Abs. 1 NVersG in Umfang und zeitlicher Dauer aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ggfls. zu begrenzen und mit Auflagen zu versehen. Der Antragsgegnerin ist dabei ein Ermessensspielraum eingeräumt (vgl. HessVGH, Beschl. v. 11.9.2020 - 2 B 2254/20 - juris Rn. 23).

b) Die in Ziffer 7 Satz 1 getroffenen Anordnung, Plakate, Fahnen, Banner oder ähnliches nicht an öffentlichen Einrichtungen, sowie Bäumen zu befestigen, findet ebenfalls nicht in § 8 Abs. 1 NVersG ihre Grundlage. Es fehlt nach summarischer Prüfung an der Verhältnismäßigkeit, namentlich der Erforderlichkeit der Maßnahme.

Das Verwaltungsgericht hat hierzu in dem angefochtenen Beschluss ausgeführt, hier sei die lange Dauer des Protestcamps in den Blick zu nehmen, Bäume könnten durch die übermäßige Nutzung durch die Versammlungsteilnehmer beeinträchtigt werden. Der Antragsteller wendet hiergegen in nachvollziehbarer Weise ein, insbesondere wenn am Baumstamm eine Schutzmatte angebracht werde, könne eine mit Seilen befestigte, geöste Plane rückstands- und beschädigungsfrei angebracht werden. Dem folgt der Senat nach summarischer Prüfung. Vor dem dargelegten Hintergrund spricht nichts dafür, dass die getroffene Anordnung eines vollständigen Verbots, Plakate, Fahnen, Banner oder ähnliches an öffentlichen Einrichtungen, sowie Bäumen, zu befestigen, zu deren Schutz notwendig ist und mildere Mittel - wie etwa die Auflage, die genannten Hilfsmittel nur so an öffentlichen Einrichtungen sowie Bäumen zu befestigen, dass diese nicht beschädigt werden - nicht zur Verfügung stehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Dabei ist es gerechtfertigt, der Antragsgegnerin die gesamten Kosten auch des erstinstanzlichen Verfahrens aufzuerlegen. Denn die Antragsgegnerin ist im Beschwerdeverfahren - also hinsichtlich des Teils, hinsichtlich dessen das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers abgelehnt und ihm die Kosten des Verfahrens auferlegt hatte - vollständig unterlegen. Im Übrigen hatte das Verwaltungsgericht dem Antrag des Antragstellers stattgegeben und der Antragsgegnerin die Verfahrenskosten auferlegt bzw. hatte diese selbst abgeholfen, so dass auch unter Berücksichtigung dessen ihr die Verfahrenskosten aufzuerlegen wären.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG und folgt den Empfehlungen in Ziffer 45.4 und 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11; siehe dazu ausführlich: Senatsbeschl. v. 8.7.2022 - 11 OA 61/22 - juris Rn. 5 ff.).

II. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, da der Antragsteller die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse entgegen § 166 VwGO i.V.m. § 117 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 und Abs. 4 ZPO nicht vollständig ausgefüllt hat. Gemäß § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind dem Antrag eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen. Soweit dazu vom zuständigen Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz ein Formular eingeführt wurde, muss sich die Partei dieses Formulars bedienen (§ 117 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 ZPO). Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat von dieser Ermächtigung durch Erlass der Verordnung zur Verwendung eines Formulars für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- und Verfahrenskostenhilfe (- PKHFV - VO v. 6.1.2014, BGBl. I 34) Gebrauch gemacht (vgl. Reichling, in: Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, Stand: 1.7.2022, § 117 Rn. 36). Entsprechend diesen Vorgaben hat der Antragsteller auch das richtige Formular genutzt, er hat es jedoch entgegen der gesetzlichen Vorgaben nicht vollständig ausgefüllt. Ist der Vordruck in wesentlichen Punkten unvollständig ausgefüllt und können die Lücken auch nicht durch beigefügte Anlagen, die vergleichbar übersichtlich und klar sind, geschlossen werden, ist der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abzulehnen (vgl. BFH, Urt. v. 17.1.2001 - XI B 76-78/00 - juris Rn. 8; OVG NW, Beschl. v. 25.5.2016 - 18 A 2206/12 - juris Rn. 9). So liegt der Fall hier, da der Antragsteller insbesondere im Abschnitt B, C, D keinerlei und im Abschnitt E und G des Formulars nur unvollständige Angaben gemacht hat.

Der Antragsteller kann sich in diesen Zusammenhang zunächst nicht auf Unkenntnis berufen, weil er anwaltlich vertreten ist. Zudem muss sich ein Antragsteller über die Voraussetzungen einer Bewilligung von Prozesskostenhilfe selbst kundig machen (BFH, Beschl. v. 8.3.2016 - V S 9/16 [PKH] - juris Rn. 10).

Der Antragsteller war auch nicht deshalb von dem vollständigen Ausfüllen des Formulars befreit, weil er - wie er insofern durch Vorlage eines Bescheids des Jobcenters vom 10. September 2021 glaubhaft gemacht hat - Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bezieht. Eine vereinfachte Erklärung der Abschnitte E bis J des Formulars ist nur im Fall des Bezugs von Leistungen nach dem SGB XII möglich (§ 2 Abs. 2 PKHFV, siehe auch den entsprechenden Hinweis in dem vom Antragsteller genutzten Formular vor Abschnitt E, S. 2). Auch eine analoge Anwendung des § 2 Abs. 2 PKHFV zugunsten von Antragstellern, die Leistungen nach dem SGB II beziehen und darüber - wie der Antragsteller - einen Bewilligungsbescheid vorlegen, scheidet mangels vergleichbarer Interessenlage aus (BFH, Beschl. v. 8.3.2016 - V S 9/16 [PKH] - juris Rn. 9; SächsOVG, Beschl. v. 7.1.2020 - 6 D 70/19 - juris Rn. 7). Ein Bescheid über Leistungen nach dem SGB II gibt nämlich nicht in vergleichbarer Weise wie ein Bescheid über Leistungen nach dem SGB XII Aufschluss über die Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe, da das Recht der Prozesskostenhilfe an das SGB XII anknüpft und die Anspruchsvoraussetzungen nach dem SGB II und nach dem SGB XII voneinander abweichen (BFH, Beschl. v. 8.3.2016 - V S 9/16 [PKH] - juris Rn. 9; SächsOVG, Beschl. v. 7.1.2020 - 6 D 70/19 - juris Rn. 7). Folglich sind auch Empfänger von Leistungen nach dem SGB II - wie sämtliche sonstigen Antragsteller von Prozesskostenhilfe - verpflichtet, das Formular vollständig auszufüllen (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschl. v. 19.6.2020 - 12/19 - juris Rn. 12; SächsOVG, Beschl. v. 7.1.2020 - 6 D 70/19 - juris Rn. 7). Im Übrigen gilt auch die Befreiung für Empfänger von Leistungen nach dem SGB XII, wie in dem Hinweis auch ausdrücklich angeführt, nicht für die - vom Antragsteller ebenfalls nicht ausgefüllten - Abschnitte B, C und D des Formulars.

Soweit der Antragsteller in seiner Beschwerdebegründung vom 23. September 2022 ausführt, dass der Abschnitt G ausgefüllt sei, weil er Angaben zu seinen Konten (G 1.) sowie vorhandenem Bargeld (G 4.) gemacht habe und sich daraus „im Umkehrschluss“ ergebe, dass „andere Vermögenswerte nicht vorhanden“ seien, kann ihm nicht gefolgt werden. Denn aus dem vom Antragsteller angegebenen Umstand, dass er über ein Bankkonto mit dem angegebenen Kontostand sowie Bargeld in der angegebenen Höhe verfügt, lässt sich gerade nicht der sichere Rückschluss ziehen, dass der Antragsteller z.B. kein Kraftfahrzeug, keine Lebens- oder Rentenversicherung und keine sonstigen Vermögenswerte hat. Auch die Frage in Abschnitt B nach dem Vorliegen einer Rechtsschutzversicherung bzw. einer Mitgliedschaft in einer Vereinigung, die die Kosten der Prozess- oder Verfahrensführung übernehmen könnte, hat der Antragsteller vollständig unbeantwortet gelassen, ohne dass diese Lücken anhand der von ihm getätigten Angaben vergleichbar übersichtlich und klar gefüllt werden könnten. Da der Antrag des Antragstellers damit bereits durch diese fehlenden bzw. in Bezug auf den Abschnitt G unvollständigen Angaben in wesentlichen Punkten unvollständig ausgefüllt ist, kommt es auch nicht mehr entscheidungserheblich auf die Frage an, ob man - wie der Antragsteller meint - in Bezug auf die von ihm im Abschnitt E ausschließlich zum Bezug von Arbeitslosengeld II getätigten Angaben den berechtigten Umkehrschluss ziehen kann, dass der Antragsteller keine weiteren Bruttoeinnahmen hat.