Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 20.09.2022, Az.: 5 ME 26/22

Bewerbungsverfahrensanspruch; Dienstposten; Verwendung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
20.09.2022
Aktenzeichen
5 ME 26/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 59667
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 28.02.2022 - AZ: 5 B 103/21

Fundstellen

  • DÖV 2023, 86
  • NordÖR 2022, 604

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Auch eine lediglich faktische - d.h. ohne entsprechende Kenntnis und Verfügung der für die Personalbearbeitung zuständigen Stelle - Verwendung eines Beamten ist als Vorverwendung im Sinne von Ziffer 9.1.2.3 des Personalentwicklungskonzepts der Bundespolizei anzuerkennen. Der Umstand, dass der personalbearbeitenden Stelle mangels Kenntnis ein Einfluss auf die Personalentwicklung des betreffenden Beamten nicht möglich war, kann nicht zur Konsequenz haben, die von ihm tatsächlich erlangte Verwendungsbreite zu nivellieren, denn Erfahrung ist etwas Faktisches, das nicht nachträglich hinweggedacht werden kann.

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 5. Kammer - vom 28. Februar 2022 geändert.

Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, bis zum Ablauf einer Frist von zwei Wochen nach Bekanntgabe einer erneuten Entscheidung über die Bewerbung des Antragstellers eine der ausgeschriebenen Stellen der Besoldungsgruppe A 10-12 BBesO als ‚stellvertretender Zugführer‘ (m/w/d) in einer Einsatzhundertschaft der Bundespolizeiabteilung G. -Stadt, Aktenzeichen ..., mit einem der Beigeladenen zu besetzen und ihm die Ernennungsurkunde auszuhändigen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind in beiden Instanzen nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 31.369,08 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller (geb. ...) wendet sich gegen eine zugunsten der Beigeladenen getroffene Auswahlentscheidung.

Er ist als Polizeihauptkommissar (Besoldungsgruppe A 11 BBesO) bei der zweiten Einsatzhundertschaft der Bundesbereitschaftspolizei in G. -Stadt tätig, wo er den Dienstposten eines Gruppenführers (A 9g-11 BBesO) innehat. Im Wege der Beauftragung nimmt er seit dem 1. September 2019 die Aufgaben eines nach A 10-12 BBesO bewerteten Dienstpostens wahr. Seine letzte Regelbeurteilung zum Stichtag 1. Oktober 2019 - diese bezog sich noch auf sein damaliges Statusamt A 10 - endete mit dem Gesamturteil A2 (= zweithöchste von insgesamt sechs Notenstufen).

Im Frühjahr 2021 schrieb die der Antragsgegnerin direktionsintern unter der Stellenausschreibungsnummer ... zwei Dienstposten eines stellvertretenden Zugführers (Besoldungsgruppe A 10-12 BBesO) in einer Einsatzhundertschaft bei der Bundespolizeiabteilung G. -Stadt aus. Als konstitutive Anforderung wurden in der Ausschreibung unter anderem unter c)

„mindestens zwei Verwendungen in unterschiedlichen Bereichen im gehobenen Polizeivollzugsdienst gem. Ziffer 9.1.2.3 Personalentwicklungskonzept (PEK) und der dazugehörigen Anlage nach Abschluss der Probezeit

oder

ein bereits übertragener Dienstposten mit der Endbewertung nach BesGr. A 12 BBesO“

genannt. Eine Verwendung müsse regelmäßig zwei Jahre, im Ausland mindestens ein Jahr umfassen.

Auf die Stellenausschreibung bewarben sich insgesamt acht Beamte, darunter der Antragsteller und die beiden Beigeladenen. Letztere stehen ebenfalls jeweils im Statusamt eines Polizeihauptkommissars (Besoldungsgruppe A 11 BBesO) und sind ebenfalls jeweils auf einem nach A 9g-11 BBesO bewerteten Dienstposten eingesetzt.

In seinem Bewerbungsschreiben gab der Antragsteller an, im Zeitraum von Dezember 2010 bis zum 27. März 2013 [richtig wohl: 18. Dezember 2010 bis 26. Mai 2013] in der Führungsgruppe der Hundertschaft eingesetzt gewesen zu sein. Infolge einer schweren Schulterverletzung und einer damit einhergehenden nicht vollen Dienstfähigkeit habe er seine Tätigkeit als Gruppenführer in einer Einsatzhundertschaft nicht ausüben können. Nach Rücksprache mit seinem damaligen Hundertschaftsführer sei eine temporäre Verwendung in der Führungsgruppe der Hundertschaft vereinbart worden. Den Schwerpunkt der Tätigkeit habe das Sachgebiet Einsatz gebildet. Im Rahmen dessen habe er alle dort anfallenden Tätigkeiten durchgeführt und habe auch Einsätze bei Großlagen wie z.B. H. in dieser Funktion wahrgenommen. Zudem sei er mehrere Monate in die Arbeit des Führungsstabes der Abteilung G. -Stadt für den letzten Castor Transport in I. -Stadt im Jahr 2011 eingebunden gewesen. Diese temporäre Tätigkeit sei immer wieder intern verlängert worden, da es Komplikationen mit der Schulter gegeben habe.

Der Personalakte des Antragstellers ließen sich folgende Verwendungen entnehmen (Bl. 10/BA 001):

tatsächlich vorgenommene Verwendungen
in der aktuellen Laufbahn ab 6 Monaten (Inland)/
ab 3 Monaten (Ausland)

Verwendungsbereiche gem.
Anlage zu Ziffer 9.1.2.3 PEK

Zeitraum (von-bis):

Dienstposten; Abordnung;
befr. Umsetzung; Beauftragung;
Zuweisung; Hospitation

Stellv. ZF in der 2EHu, BPOLD BP,
BPOLABT G-Stadt

4.1     

01.09.2019 - heute

Beauftragung

GF in der 2EHU, BPOLD BP,
BPOLABT G-Stadt

4.1     

01.09.2014 - 31.08.2019

Dienstposten

Stellv. GF in der 2EHu, BPOLD BP,
BPOLABT G-Stadt

4.1     

18.12.2010 - 31.08.2014

Dienstposten

Hinsichtlich der Beigeladenen ließ die Antragsgegnerin Anlassbeurteilungen - jeweils bezogen auf das aktuelle Statusamt A 11 - erstellen, die im Fall des Beigeladenen zu 2. das Gesamturteil B2 (= vierthöchste von insgesamt sechs Notenstufen) und im Fall des Beigeladenen zu 1. das Gesamturteil B1 (= dritthöchste von insgesamt sechs Notenstufen) ergaben. In seiner Regelbeurteilung zum Stichtag 1. Oktober 2019 hatte der Beigeladene zu 1. - noch im Statusamt A 10 stehend - wie der Antragsteller das Gesamturteil A2 erhalten. Der Beigeladene zu 2. hatte in seiner Regelbeurteilung zum Stichtag 1. Oktober 2019 - im Statusamt A 10 stehend - das Gesamturteil B1 erhalten.

In ihrem Auswahlvermerk vom 23. August 2021 stellte die Antragsgegnerin fest, dass der Antragsteller das konstitutive Anforderungsprofil nicht erfülle, da er weder zwei Verwendungen in unterschiedlichen Verwendungsbereichen gemäß der Anlage zu Ziffer 9.1.2.3 PEK absolviert habe, noch einen Dienstposten mit der Endbewertung nach der Besoldungsgruppe A 12 BBesO wahrnehme. Der Antragsteller wurde infolgedessen vom weiteren Auswahlverfahren ausgeschlossen.

Mit Schreiben vom 10. September 2021 unterrichtete die den Antragsteller über die beabsichtigte Übertragung der beiden Dienstposten auf die Beigeladenen.

Der Antragsteller hat am 30. September 2021 Widerspruch erhoben, über den bislang nicht entschieden worden ist, und zugleich beim Verwaltungsgericht Lüneburg um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht.

Er hat dem Verwaltungsgericht ein Schreiben seines damaligen Vorgesetzten J. vom 2. Dezember 2021 (Anlage Ast 4 zur Antragsbegründung [Bl. 59/GA]) vorgelegt, in dem es heißt:

„Hiermit bestätige ich, dass Sie aufgrund einer langwierigen Verletzung Ihre originäre Funktion als stellv. GF im Dienst und vor allem in Einsätzen, durch die dadurch bedingte eingeschränkte Dienstfähigkeit nicht wahrnehmen konnten. Um Sie aber vom 18.12.2010 bis zum 26.05.2013 überhaupt verwenden zu können, habe ich Sie in diesem Zeitraum in der Funktion des Bearbeiters im Sachgebiet Einsatz der Hundertschaft Führungsgruppe eingesetzt.“

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit Beschluss vom 28. Februar 2022 abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antragsteller das zulässige konstitutive Anforderungsmerkmal der zwei Verwendungen im gehobenen Polizeivollzugsdienst nach Ziffer 9.1.2.3 PEK entgegen seiner Ansicht nicht erfülle. Er habe über einen Zeitraum von ca. elf Jahren verschiedene Dienstposten des Verwendungsbereichs 4.1 wahrgenommen. Soweit er die Auffassung vertrete, dass seine Tätigkeit in der „Hundertschaft Führungsgruppe“ in der Zeit vom 18. Dezember 2010 bis zum 26. Mai 2013 als weitere Verwendung anerkannt werden müsse und er damit das konstitutive Anforderungsprofil erfülle, sei ihm nicht zu folgen. Bei dieser Tätigkeit habe es sich lediglich um eine inoffizielle tatsächliche Aufgabenwahrnehmung, beruhend auf einer durch den damaligen Hundertschaftsführer veranlassten inoffiziellen „Umverteilung“ des Antragstellers gehandelt, die der Antragsgegnerin weder zur Kenntnis gelangt noch aktenkundig geworden sei. Die Anerkennung einer solchen - ohne die grundsätzlich vorgeschriebene Ausschreibung erfolgten - tatsächlichen Aufgabenwahrnehmung konterkariere das mit dem PEK neben weiteren verfolgte Ziel, ein auf sachlichen Erwägungen und gesetzlichen Vorgaben basierendes Konzept vorzuhalten, an dem sich Beamte im Hinblick auf ihre persönliche Entwicklung orientierten. Zudem laufe diese auf eine Ungleichbehandlung derjenigen Beamten hinaus, die sich und ihr eigenes Fortkommen an den Vorgaben des PEK ausrichteten. Ohne geordnetes Verfahren hätten es Dienstvorgesetzte in der Hand, den ihnen unterstehenden Beamten durch tatsächliche, inoffizielle Aufgabenbetrauungen an dem PEK und der Antragsgegnerin vorbei die erforderliche Verwendungsbreite zu verschaffen.

Gegen jene Entscheidung wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde vom 8. März 2022, welcher die Antragsgegnerin entgegentritt.

Die Beigeladenen haben weder im erstinstanzlichen Verfahren noch im Beschwerdeverfahren Anträge gestellt oder Stellung genommen.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers hat Erfolg. Die im Rahmen der Beschwerde dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) beschränkt ist, rechtfertigen eine Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung in dem vom Antragsteller begehrten Sinne.

Die zugunsten der Beigeladenen getroffene Auswahlentscheidung erweist sich als rechtswidrig und verletzt den Antragsteller in seinem Bewerbungsverfahrensanspruch.

Gemäß Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) dürfen öffentliche Ämter nur nach Kriterien vergeben werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung betreffen. Die inhaltlichen Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG machen eine Bewerberauswahl erforderlich. Diese Auswahlentscheidung ist grundsätzlich anhand dienstlicher Beurteilungen vorzunehmen, die hinreichend aktuell und aussagekräftig sein müssen. Beide - Auswahlentscheidung wie dienstliche Beurteilung - sind auf das Statusamt bezogen. Nach dem Laufbahnprinzip wird ein Beamter aufgrund seiner Befähigung für eine bestimmte Laufbahn regelmäßig als geeignet angesehen, jedenfalls diejenigen Dienstposten auszufüllen, die seinem Statusamt entsprechen oder dem nächsthöheren Statusamt (seiner Laufbahn) zugeordnet worden sind. Es kann erwartet werden, dass der Beamte imstande ist, sich in die Aufgaben dieser Dienstposten einzuarbeiten. Der Grundsatz der auf das Statusamt bezogenen Bestenauswahl ist grundsätzlich auch bei der Festlegung eines Anforderungsprofils zu beachten, in dem der Dienstherr die besonderen Anforderungen des konkret zu besetzenden ("förderlichen") Dienstpostens festlegt. Eine Einengung des Bewerberfeldes aufgrund der besonderen Anforderungen eines konkreten Dienstpostens ist mit Art. 33 Abs. 2 GG grundsätzlich nicht zu vereinbaren. Ausnahmen hiervon sind nur zulässig, wenn die Wahrnehmung der Aufgaben eines Dienstpostens zwingend besondere Kenntnisse oder Fähigkeiten voraussetzt, die ein Laufbahnbewerber regelmäßig nicht mitbringt und sich in angemessener Zeit und ohne unzumutbare Beeinträchtigung der Aufgabenwahrnehmung auch nicht verschaffen kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23.3.2021 - BVerwG 2 VR 5.20 -, juris Rn. 24 f. m. w. Nw.).

Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 25. Oktober 2011 (- BVerwG 2 VR 4.11 -, juris Rn. 35) vorgegeben, wann die Anforderungsmerkmale den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG genügen und zur Grundlage einer Beförderungsentscheidung gemacht werden können: Dies ist dann der Fall, wenn die Anforderungsmerkmale grundsätzlich von jedem entsprechend qualifizierten Bediensteten erfüllt werden können, indem die für ein Fortkommen erforderlichen Stellen (Verwendungen) regelmäßig durch - hausinterne - Ausschreibungen vergeben werden. Des Weiteren müssen die erforderlichen Verwendungen in einem Zusammenhang mit der Beförderungsstelle stehen, indem sie entweder den Beamten besser befähigen, das nächsthöhere Statusamt auszufüllen, oder aber geeignet sind, eine zuverlässigere Beurteilung des Leistungsvermögens und eine besser fundierte Prognose über die voraussichtliche Bewährung in einem höheren Amt zu gewährleisten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25.10.2011 - BVerwG 2 VR 4.11 -, juris Rn. 35).

Die Rechtmäßigkeit der Einengung des Bewerberfeldes durch das vorliegende konstitutive Anforderungsprofil wird vom Antragsteller im Hinblick auf die Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 27.7.2017 - 5 ME 23/17 -, juris) ausdrücklich nicht (mehr) in Zweifel gezogen (Beschwerdebegründung, S. 9 f. [Bl. 141 f./GA]). Die Beteiligten streiten lediglich darüber, ob der Antragsteller die im konstitutiven Anforderungsprofil genannte Voraussetzung von mindestens zwei Verwendungen in unterschiedlichen Bereichen im gehobenen Polizeivollzugsdienst gem. Ziffer 9.1.2.3 PEK in Verbindung mit der zugehörigen Anlage erfüllt.

Dies ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts der Fall. Der Antragsteller hätte nicht vom weiteren Auswahlverfahren ausgeschlossen werden dürfen. Er erfüllte im maßgeblichen Zeitpunkt der Auswahlentscheidung die erste Alternative des konstitutiven Anforderungsmerkmals c), da er neben dokumentierten Verwendungen im Verwendungsbereich 4.1 (Bereitschaftspolizei) auch eine Vorverwendung im Verwendungsbereich 5.5 (Hundertschaft Führungsgruppe) gemäß der Anlage zu Ziffer 9.1.2.3 PEK aufweisen konnte.

Der Begriff der „Verwendung“ ist weder im PEK noch gesetzlich definiert. Er beschreibt die konkrete Funktion, die ein Beamter wahrnimmt, bzw. die konkrete Stelle, auf der er eingesetzt wird. Nach den Ausführungen der Antragsgegnerin zielt die dem PEK zu entnehmende Anforderung zweier Vorverwendungen auf einen Nachweis der Verwendungsbreite und damit prognostisch auf die Eignung für eine Vielzahl von Verwendungen ab, die im gehobenen Polizeivollzugsdienst mit dem angestrebten Statusamt typischerweise verbunden seien. Es solle sichergestellt werden, dass nur Beamtinnen und Beamte mit hinreichender Führungs- und Verwendungserfahrung diese verantwortungsvollen Funktionen wahrnähmen und möglichst schnell in die neuen Führungsaufgaben hineinwüchsen, um so ihrem Auftrag zur Gewährleistung der inneren Sicherheit bestmöglich gerecht zu werden. Die beruflichen Verwendungen des Bewerbers sollten erkennen lassen, dass er breit gefächerte Interessen habe und sich zügig auf im Rahmen der dienstlichen Führungstätigkeit ergebende Veränderungen und neue Fragestellungen, insbesondere in zu führenden Einsatzlagen, einstellen könne (Antragserwiderung vom 21.12.2021 [Bl. 80 f./GA]). Hiervon ausgehend handelte es sich bei dem vom 18. Dezember 2010 bis zum 26. Mai 2013 andauernden und zwischen den Beteiligten nicht streitigen Einsatz des Antragstellers in der Hundertschaft Führungsgruppe um eine Vorverwendung im Sinne von Ziffer 9.1.2.3 PEK i.V.m. Ziffer 5.5 der zugehörigen Anlage. Der Antragsteller war während dieser Zeit in einem anderen Bereich eingesetzt als zuvor und dort in anderer Funktion tätig. Der mit dem Erfordernis zweier Vorverwendungen in unterschiedlichen Bereichen bezweckte Effekt - die Förderung bzw. der Nachweis der Verwendungsbreite des betreffenden Beamten - wurde somit erreicht.

Der Einwand des Antragsgegners, der Antragsteller habe nicht den erforderlichen Nachweis darüber erbracht, dass es sich bei seiner Verwendung in der Hundertschaft Führungsgruppe um eine solche als „Sachbearbeiter“ gehandelt habe, da in dem Bestätigungsschreiben seines damaligen Hundertschaftsführers lediglich von einem Einsatz als „Bearbeiter“ die Rede gewesen sei, greift nicht durch. Es liegt auf der Hand, dass es sich bei dem Begriff des „Bearbeiters“ um ein Synonym bzw. eines Abkürzung des Begriffs des „Sachbearbeiters“ handelt. Denn es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, was der Antragsteller dort sonst - also abgesehen von Sachlagen - hätte bearbeiten sollen.

Der Einordnung des Einsatzes des Antragstellers in der Hundertschaft Führungsgruppe als Vorverwendung im Sinne von Ziffer 9.1.2.3 PEK i.V.m. Ziffer 5.5 der zugehörigen Anlage steht auch nicht entgegen, dass diesem keine förmliche Beauftragung, befristete Umsetzung oder sonstige Verfügung der personalverwaltenden Stelle zugrunde lag. Zwar trifft die Entscheidung über die konkrete Verwendung eines Beamten in der Regel die hierfür zustände Stelle des jeweiligen Dienstherrn im Rahmen ihres Organisationsermessens. Dies ist im Fall des Antragstellers die . Nach den Angaben der Antragsgegnerin (Beschwerdeerwiderung, S. 3 [Bl. 151/GA]), an deren Richtigkeit zu zweifeln der beschließende Senat keinerlei Anlass hat, ist es den nachgeordneten Bundespolizeiabteilungen vor Ort lediglich erlaubt, Polizeivollzugsbeamte des gehobenen Dienstes für die Dauer von sechs Monaten in eine andere, aber gleich oder niedriger bewertete Funktion befristet umzusetzen; dies sei schriftlich zu verfügen und der personalverwaltenden Behörde zur Kenntnis zu geben. Jegliche darüberhinausgehenden Maßnahmen seien ausschließlich durch die Direktion anzuordnen und schriftlich zu verfügen. All dies ist vorliegend unterblieben. Die fast zweieinhalb Jahre andauernde Tätigkeit des Antragstellers in der Hundertschaft Führungsgruppe beruhte stattdessen lediglich auf einer entsprechenden Absprache zwischen ihm und seinem damaligen Hundertschaftsführer.

Das Versäumnis, diese Verwendung zu „formalisieren“ und in der Personalakte zu dokumentieren, kann zur Überzeugung des Senats jedoch nicht dazu führen, dass jene Verwendung zulasten des Antragstellers als „nicht existent“ anzusehen ist (so aber die Antragsgegnerin in der Beschwerdeerwiderung, S. 3 [Bl. 151/GA]). Zum einen wäre es hier die Pflicht des Dienstvorgesetzten gewesen, die von ihm veranlasste fortgesetzte „Umverteilung“ des Antragstellers der personalverwaltenden Stelle mitzuteilen. Dass dieser seiner Pflicht nicht nachgekommen ist, ist nicht dem Antragsteller anzulasten, sondern muss sich die Antragsgegnerin zurechnen lassen. Durch seine eigenmächtige Vorgehensweise war es letztlich der damalige Hundertschaftsführer J., der der Antragsgegnerin die Personalhoheit in Bezug auf den Antragsteller in diesem Punkt entzogen hat. Und zum anderen ist die einer Verwendung zugrundeliegende Organisationsentscheidung für die Frage, ob eine Verwendung vorliegt, nicht entscheidend, da es sich bei der Verwendung eines Beamten um etwas Faktisches handelt. Dementsprechend hatte der Senat bereits in zwei Beschlüssen vom 27. Juli 2017 (- 5 ME 23/17 - sowie - 5 ME 24/17 -, jeweils juris Rn. 32 ff.) ausgeführt, dass auch Zeiträume einer lediglich faktischen Verwendung als Vorverwendung im Sinne des PEK anzuerkennen seien.

Aus dem gleichen Grund steht es der Einordnung als Vorverwendung auch nicht entgegen, dass der Dienstposten in der Hundertschaft Führungsgruppe zuvor nicht - wie nach Ziffer 7.4 PEK vorgesehen - ausgeschrieben worden war.

Die Anerkennung der Vorverwendung des Antragstellers in der Hundertschaft Führungsgruppe führt auch nicht zu einer (ungerechtfertigten) Ungleichbehandlung gegenüber anderen Bewerbern. Im Gegenteil würde es eine nicht zu rechtfertigende Benachteiligung des Antragstellers darstellen, seine knapp zweieinhalbjährige, tatsächlich stattgefundene dienstliche Verwendung in der Hundertschaft Führungsgruppe als nicht existent zu behandeln.

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass Dienstvorgesetzte es ohne ein geordnetes Verfahren in der Hand hätten, den ihnen unterstellten Beamten durch inoffizielle Aufgabenübertragungen bzw. Umverteilungen die erforderliche Verwendungsbreite zu verschaffen, ohne dass die Antragsgegnerin hierauf Einfluss nehmen könne. Dass es für die Personalentwicklung eines geordneten, transparenten Verfahrens bedarf und der Dienstweg einzuhalten ist, steht indes außer Frage. Es liegt jedoch in der Verantwortung der Antragsgegnerin, geeignete Vorkehrungen dafür zu treffen, dass die entsprechenden dienstlichen Vorgaben bzw. Abläufe den personalführenden Beamten bekannt sind und von diesen eingehalten werden, damit sich Fälle wie der vorliegende nicht wiederholen oder gar häufen. Der Umstand, dass die zuständige Stelle mangels Kenntnis auf die Personalentwicklung des Antragstellers keinen Einfluss zu nehmen vermochte, kann nicht zur Konsequenz haben, die von ihm tatsächlich erlangte Verwendungsbreite zu nivellieren, denn Erfahrung ist etwas Faktisches, das nicht nachträglich hinweggedacht werden kann.

Der Antragsteller kann nach alledem beanspruchen, dass über seine Bewerbung erneut - unter Zugrundelegung einer aktuellen, auf das Statusamt A 11 bezogenen Beurteilung - fehlerfrei entschieden wird. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass er im Falle einer erneuten Auswahlentscheidung zum Zuge kommt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und Abs. 3 VwGO. Verfahrenskosten waren den („unterlegenen“) Beigeladenen mangels eigener Antragstellung nicht aufzuerlegen.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht gemäß § 162 Abs. 3 VwGO erstattungsfähig, weil die Beigeladenen „unterlegen“ sind (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 11.5.2022 - 5 ME 161/21 -, juris Rn. 34).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 40, 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 und Abs. 6 Satz 4 i.V.m. Satz 1 Nr. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) und folgt derjenigen des Verwaltungsgerichts.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).