Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 08.03.2010, Az.: 1 ME 218/09
Anforderungen an ein von einer Behörde einer bauaufsichtlichen Verfügung zu Grunde zu legendes Blitzschutzgutachten
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 08.03.2010
- Aktenzeichen
- 1 ME 218/09
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 11961
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2010:0308.1ME218.09.0A
Rechtsgrundlagen
- § 20 Abs. 3 NBauO
- § 89 Abs. 1 NBauO
Fundstellen
- BauR 2010, 1215-1217
- DVBl 2010, 596
- GewArch 2010, 372-374
Amtlicher Leitsatz
Zu den Anforderungen an ein (Blitzschutz-) Gutachten, das die Behörde einer bauaufsichtlichen Verfügung zugrunde legen will.
Gründe
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Anordnung, in ihrem Hotel "C. " in D. eine äußere Blitzschutzanlage einzurichten.
Für das bereits länger bestehende Hotelgebäude wurden verschiedentlich Baugenehmigungsanträge jeweils unter der Angabe in der Baubeschreibung gestellt, dass eine Blitzschutzanlage vorhanden sei. Der Antragsgegner erklärte die Baubeschreibungen jeweils zum Bestandteil seiner Genehmigungen vom 7. Oktober 1986 (Erweiterung des Hotels), 25. Februar 1987 (Atrium-Überdachung und Veränderung von Brandschutztüren) und vom 29. März 1989 (Ausbau des Bettentraktdachgeschosses zu einem Appartement).
In der Folge einer Brandschau erteilte der Antragsgegner auf Antrag vom 25. Januar 2001 am 5. Juli 2001 eine Nachtragsbaugenehmigung für Um- und Einbauten gemäß einer brandschutztechnischen Stellungnahme vom 8. März 2000. Die angeordnete Schlussabnahme verzögerte sich. Bei einer Besprechung vom 12. Oktober 2005 erfuhr der Antragsgegner, dass eine Blitzschutzanlage nicht vorhanden sei. In einer überwiegend andere Brandschutzmaßnahmen betreffenden Zwangsgeldandrohung vom 1. November 2005 gab er der Antragstellerin auf, eine Blitzschutzanlage einzubauen oder nachzuweisen, dass diese nicht notwendig sei. Er sei bisher davon ausgegangen, dass eine Blitzschutzanlage vorhanden sei und gewartet werden müsse. Nach § 20 Abs. 3 NBauO in Verbindung mit der Richtlinie des Vds 2010 sei eine äußere Blitzschutzanlage und innerer Blitzschutz (Überspannungsschutz) für Beherbergungsbetriebe ab 60 Gästebetten erforderlich. Der von der Antragstellerin beauftragte Architekt stellte sich mit Schreiben vom 15. Mai 2007 auf den Standpunkt, eine Blitzschutzanlage sei nicht erforderlich. Dem trat der Antragsgegner mit erläuterndem Schreiben vom 19. September 2007 entgegen.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 22. Oktober 2007 erklärte die Antragstellerin, sie reduziere die Bettenkapazität auf nicht mehr als 60 Betten und baue die übrigen Hotelzimmer zu Büroräumen um. Nach der Rechtslage in anderen Bundesländern werde eine Blitzschutzanlage nur bei Hotelanlagen mit mehr als 60 Betten gefordert.
Die Antragstellerin legte ferner zwei Fassungen einer "Blitzschutz-Risikoberechnung" nach IEC/EN 62305-2:2006 einer Fach-Firma vor. Zunächst überreichte sie mit anwaltlichem Schreiben vom 12. Dezember 2007 ein "Original" ohne Datum und Unterschrift, auf Anforderung des Antragsgegners vom 26. Februar 2008 sodann eine unterschriebene, mit dem Datum vom 6. Dezember 2007 versehene Fassung, bei der offenbar einige Blätter durcheinandergeraten sind. Beide Fassungen gehen fälschlich davon aus, dass ein Blitzschutzsystem der Klasse IV vorhanden sei. Unterschiede bestehen bei den Eingabedaten etwa hinsichtlich der Abmessung der baulichen Anlage und dem spezifischen Bodenwiderstand. Nach beiden Fassungen sollen weitere Blitzschutzmaßnahmen nicht erforderlich sein. Dabei gibt das erstgenannte Gutachten das für die Schadensart "Verletzung oder Tod von Personen" ermittelte Gesamtrisiko mit einem Wert von 9,87 an, das später eingegangene Gutachten mit einem Wert von 8,86. Das liege unter dem Toleranzwert von 10,00.
Der Antragsgegner beauftragte seinerseits ein Ingenieurbüro mit der Prüfung des Gutachtens. Dieses legte mit Schreiben vom 7. August 2008 zwei Berechnungsvarianten vor. In Variante I legte es bei identischer Software im Wesentlichen die gleichen Eingabedaten zugrunde wie das von der Antragstellerin vorgelegte Gutachten vom 6. Dezember 2007, allerdings ausgehend vom Nichtvorhandensein eines (äußeren) Blitzschutzsystems. Später teilte es bei einem Ferngespräch vom 3. November 2008 mit dem Antragsgegner noch mit, dass auch eine Änderung bei dem Parameter vorgenommen worden sei, der die Gefahr einer Panik unter den Nutzern bei Blitzeinschlag betreffe. Dies wirkt sich offenbar - auf aus dem Gutachten allerdings nicht nachvollziehbare Art - auf Werte aus, die (u.a.) bei der Schadensart L 1 für die Risiko-Komponenten gesetzt werden. Ermittelt wurde danach ein Gesamtrisiko mit dem Wert von 13,62. Die Variante II setzte einige geänderte Parameter ein (z.B. andere Abmessungen der baulichen Anlage, Bodenwiderstand 500 statt 200, Standortfaktor 0,5 statt 0,25) und gelangte damit zu einem Gesamtrisiko mit dem Wert 77,98.
Auf Anhörung stellte sich die Antragstellerin auf den Standpunkt, die Eingabedaten in den Gutachten seien hinsichtlich des Bodenwiderstandes, der Blitzdichte, des Standortfaktors. der Oberflächenbeschaffenheit, der Länge der Versorgungsleitungen und des Widerstandes des Kabelschirms falsch gewählt. Im Übrigen sei aber eine Blitzschutzanlage ohnehin nur für Beherbergungsbetriebe mit mehr als 60 Betten erforderlich.
Mit der angegriffenen Verfügung vom 25. November 2008 ordnete der Antragsgegner unter Zwangsgeldandrohung und mit Sofortvollzug der Antragstellerin gegenüber die Einrichtung einer äußeren Blitzschutzanlage an, weil ein Blitzeinschlag bei baulichen Anlagen der fraglichen Art, in denen sich viele Menschen versammelten, im Sinne des § 20 Abs. 3 NBauO schwere Folgen haben könne. Die Blitzschutz-Risikoberechnungen vom 7. August 2008 gelangten zu dem Ergebnis, dass das Gesamtrisiko den tolerierbaren Wert überschreite. Soweit die Antragstellerin ihre Hotelanlage mit weniger als 60 Betten betreiben wolle, sei das für die rechtliche Bewertung nicht ausschlaggebend, weil sich diese Bettenzahl nur aus Versicherungs-Richtlinien ableite.
Mit ihrem dagegen gerichteten Widerspruch machte die Antragstellerin geltend, angesichts der bestehenden Baugenehmigungen dürfe der Antragsgegner eine Blitzschutzanlage nicht fordern. Auch ein Anpassungsverlangen nach § 99 NBauO komme schon mangels Rechtsänderung nicht in Betracht. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen des § 20 Abs. 3 NBauO nicht vor. Der Antragsgegner habe mit Schreiben vom 19. September 2007 seine Auslegungspraxis mitgeteilt, entsprechende Maßnahmen nur bei Beherbergungsbetrieben mit mehr als 60 Betten anzuordnen. Daran sei er nach Art. 3 GG nunmehr gebunden. Zur Zeit würden nur noch 58 Zimmer vorgehalten. Im Übrigen seien "schwere Folgen" im Sinne des § 20 Abs. 3 NBauO nicht zu befürchten. Nach der Kommentierung einer gleichlautenden nordrhein-westfälischen Vorschrift bei Gädkte/Temme/Heintz/Cze- puck setze dies voraus, dass das Gebäude seine Umgebung erheblich überrage. Auch die Kommentierung von Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert (NBauO, § 20 Rdnr. 29) hebe hervor, dass es sich um einen Ort handeln müsse, an dem sich viele Menschen versammelten. Das sei in einem Hotelkomplex auf engem Raum aber gerade nicht der Fall. Auf den Restaurantbereich könne insoweit nicht abgestellt werden, weil § 1 Nr. 1, 14 Abs. IV NVStättVO Anforderungen wegen Blitzschutzes nur bei mehr als 200 Besucherinnen und Besuchern stelle. Ferner sei die Anordnung mit der Formulierung "äußere Blitzschutzanlage" nicht hinreichend bestimmt. Ihr lägen für Blitzschutzanlagen ganz unterschiedliche Angebote vor. Es könne ihr nicht zugemutet werden, erst im Nachhinein möglicherweise zu erfahren, dass die von ihr ausgesuchte Anlage keine Billigung finde. Schließlich sei das Ermessen fehlerhaft ausgeübt, weil sich der Antragsgegner auf ein aus sich heraus nicht verständliches privates Gutachten verlassen habe, auf dessen Defizite sie umfassend hingewiesen habe. Dabei sei auch unverhältnismäßig, Blitzschutz für die gesamte Hotelanlage zu fordern, wo der Schutz einzelner Räume ausreichend gewesen wäre. Für einen Sofortvollzug bestehe ohnehin keine Veranlassung.
Der Antragsgegner äußerte sich mit Schreiben vom 28. Juli 2009 zum Widerspruchsvorbringen.
Mit ihrem Antrag auf vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz legte die Antragstellerin eine dritte, ebenfalls undatierte Variante einer Blitzschutz-Risikoberechnung der gleichen Fach-Firma vor, die in ihren Grundannahmen im Wesentlichen der früheren undatierten Berechnung entsprach, allerdings nicht mehr das Vorhandensein eines äußeren Blitzschutzsystems zugrunde legte und auch bei den Werten für die Risiko-Komponenten Abweichungen aufweist. Sie gelangt zu einem Gesamtrisiko von 15,04 und hält danach ebenfalls weitere Blitzschutzmaßnahmen für erforderlich.
Das Verwaltungsgericht hat vorläufigen Rechtsschutz mit der Begründung versagt, die früher erteilten Baugenehmigungen stünden einem Einschreiten nach § 89 Abs. 1 NBauO nicht im Wege, weil die vorgelegten Baubeschreibungen jeweils bekundet hätten, dass eine Blitzschutzanlage vorhanden sei. Die Baugenehmigung vom 5. Juli 2001 erkläre die brandschutztechnische Stellungnahme vom 26. Juni 2001 zu ihrem Bestandteil; danach sei die Antragstellerin verpflichtet gewesen, die Sicherheitseinrichtungen - u.a. die Blitzschutzanlage - fachgerecht warten zu lassen. Damit sei die Existenz der Blitzschutzanlage zum bindenden Bestandteil der Baugenehmigungen geworden.
Die Verfügung habe auf § 89 Abs. 1 i.V.m. § 20 Abs. 3 NBauO gestützt werden können, weil bei Hotels ab einer bestimmten Größe und Bettenzahl "viele Menschen versammelt" seien. Zur näheren Beurteilung sei eine Blitzschutz-Risikoberechnung geeignet. Sowohl nach dem vom Antragsgegner als auch nach dem von der Antragstellerin im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Gutachten sei der Toleranzwert von 10,00 überschritten.
Die dagegen gerichtete Beschwerde hat Erfolg. Die an sich verständliche Annahme des Antragsgegners, dass im Interesse der Hotelbesucher eine Blitzschutzanlage vonnöten sei, ist fachlich nicht ausreichend erhärtet.
Soweit der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen "die Zwangsgeldanordnung des Antragsgegners vom 25.11.2008" gerichtet war, scheint dies allerdings missverständlich formuliert zu sein, ggfs. ins Leere zu gehen. Die genannte Verfügung enthält lediglich die Androhung des Zwangsgelds. Das in der Antragsbegründung zusätzlich genannte Schreiben des Antragsgegners vom 28. Juli 2009 stellt keine Zwangsgeldfestsetzung dar, sondern fordert die Antragstellerin nur auf, "zur Vermeidung einer Festsetzung des angedrohten Zwangsgeldes" die Blitzschutzanlage bis zu einer neu bestimmten Frist zu errichten. Dem Anliegen der Antragstellerin ist deshalb damit Genüge getan, dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Androhung des Zwangsgeldes angeordnet wird.
Bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Überprüfung geht der Senat im Übrigen von Folgendem aus:
Der Antragsgegner war durch die erteilten Baugenehmigungen nicht an einen Vorgehen nach § 89 Abs. 1 NBauO gehindert. Genehmigt worden ist nicht ein Hotel ohne Blitzschutzanlage bzw. die Änderung eines solchen. Das wäre allerdings der Fall gewesen, wenn die Bauvorlagen zum Bestehen einer Blitzschutzanlage geschwiegen hätten. Falschangaben in den Bauvorlagen führen demgegenüber dazu, dass die Baugenehmigung für den falsch deklarierten Teil keine Bindungswirkung entfaltet und nicht etwa den falsch dargestellten Zustand legalisiert. Soweit lediglich Änderungen genehmigt worden sind, deckt dies fehlenden Blitzschutz für die Gesamtanlage ohnehin nicht ab.
Der Antragsgegner ist auch mit Rücksicht auf die Zimmerzahl nicht an einem Einschreiten gehindert. Maßgeblich ist insoweit der genehmigte Zustand, nicht die tatsächliche Nutzung. Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, dass der Antragsgegner aus Gründen des Gleichheitssatzes bei Hotels mit weniger als 60 Betten keine Blitzschutzanlage verlangen dürfte. Das könnte zwar näher zu erwägen sein, wenn eine entsprechende Praxis erwiesen wäre. Dazu reicht es aber nicht, dass sich die Behörde selbst auf bestimmte Regeln berufen hat; hinzu kommen muss eine gleichmäßige tatsächliche Anwendung in einer nicht vernachlässigbar geringen Anzahl von Fällen. Für eine irgendwie geartete "Routine" des Antragsgegners in Fällen dieser Art ist jedoch nichts ersichtlich. Im Übrigen kann eine Behörde den Einzelfall auch zum Anlass nehmen, eine bestehende Verwaltungspraxis auf Grund geläuterter Rechtserkenntnis zu ändern.
Sollte die Antragsgegnerin eine verbesserte Fassung ihrer Verfügung in Erwägung ziehen, wäre sie gut beraten, ihre Anordnung präziser zu fassen. Maßstab ist insoweit (auch bei tatsächlicher Androhung von Zwangsgeld) die Frage, ob die aufgegebene Maßnahme auch im Wege der Ersatzvornahme durchgeführt werden könnte. Sie müsste also so gefasst sein, dass sie aus sich heraus auch Grundlage für einen entsprechenden Auftrag an Dritte sein könnte. Insoweit ist zu bedenken, dass es bei Blitzschutzanlagen offenbar unterschiedliche "Klassen" gibt, die Verfügung aber weder diese noch andere Qualitätsmerkmale benennt. Für das vorliegende Verfahren kann jedoch offen bleiben, ob die Verfügung insoweit Mängel aufweist oder die Offenheit der Formulierung nur dazu führt, dass ihr bereits mit der Einrichtung einer beliebigen "Billig"-Blitzschutzanlage Genüge getan wäre.
Materiellrechtlich lassen sich § 20 Abs. 3 NBauO nicht unmittelbar Anhaltspunkte dafür entnehmen, unter welchen Voraussetzungen ein Blitzeinschlag in ein Hotel "schwere Folgen" haben kann. Eine Beherbergungsverordnung, die hierzu Regelungen treffen könnte, hat das Land Niedersachsen nicht erlassen. Auch die Muster-Beherbergungsverordnung (vgl. unter www.is-argebau.de) vermeidet insoweit Festlegungen, knüpft aber in verschiedenen anderen Zusammenhängen an das Vorhandensein von "mehr als 60 Gastbetten" an. Die Niedersächsische Versammlungsstättenverordnung vom 8. November 2004 (GVBl. S. 426), die in ihrem § 14 Abs. 4 Blitzschutzanlagen vorschreibt, setzt bei Versammlungsräumen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 ein Fassungsvermögen von mehr als 200 Besucherinnen und Besuchern voraus und gilt nach Abs. 3 Nr. 4 nicht für Räume, die zum Verzehr von Speisen und Getränken bestimmt sind und weder einzeln noch insgesamt mehr als 400 Besucherinnen und Besucher fassen. Hinzuweisen ist auch auf Nr. 3, wonach Seminarräume in Hochschulen nicht in den Anwendungsbereich der Versammlungsstättenverordnung fallen, wenn sie nicht mehr als 75 Besucherinnen oder Besucher fassen. Das zeigt, dass nicht jede kleinere Ansammlung von Menschen in einem Gebäude als Rechtfertigung für besondere Maßnahmen ausreicht.
Vor diesem Hintergrund müsste eine Blitzschutz-Risikoberechnung hohe Überzeugungskraft haben, um bei einem Vorhaben der hier in Rede stehenden Größenordnung die Anforderung einer Blitzschutzanlage begründen zu können. Die beiderseits vorgelegten Berechnungen genügen jedoch nicht die Mindestanforderungen, die gutachterliche Stellungnahmen erfüllen müssen und die nach der Erfahrung des Senats in anderen Sachzusammenhängen (z.B. bei immissionsschutzrechtlichen Fragestellungen) regelmäßig eingehalten und häufig überschritten werden. Es fehlt schon an formaler Qualität, wenn etwa von Antragstellerseite drei auf den ersten Blick kaum unterscheidbare Fassungen einer Risikoberechnung vorgelegt werden, von denen nur eine datiert ist. Im übrigen kann der Umstand, dass die Berechnungen kaum verständlich sind, nicht etwa auf eine besondere Komplexität von Blitzschutzfragen zurückgeführt werden, sondern liegt offenbar nur daran, dass sich die auf diesem Gebiet tätigen Fachleute noch nicht daran gewöhnt haben oder gewöhnen wollen, "hinterfragt" zu werden; das zeigt sich insbesondere in der weiteren Stellungnahme des vom Antragsgegner herangezogenen Ingenieurbüros vom 18. Januar 2010. Zwar mag es sein, dass die eigentliche Berechnung, mit welcher der Gehalt technischer Regelwerke umgesetzt wird, nur noch von geeigneter Software bewältigt werden kann, die selbst von Experten kaum zu durchschauen ist. Dafür spricht hier, dass die vorgelegten Stellungnahmen fast ausschließlich aus einem vorgefertigten Textfluss bestehen und nur an sehr wenigen Stellen einen individuellen "Input" ausweisen. Um so wichtiger ist es unter diesen Umständen jedoch, dass die für den Input ausgewählten Werte plausibel sind und im Übrigen deutlich gemacht wird, an welcher Stelle ansonsten im Einzelfall noch auf den Ablauf des Rechenprozesses Einfluss genommen worden ist oder werden kann. Schließlich gehört es zu den Grundanforderungen jeder sachverständigen Stellungnahme, dass die prinzipiellen Entscheidungskriterien dargelegt werden. Daran fehlt es hier völlig. Insbesondere bleibt unerörtert, welche Gefahrenschwelle der Toleranzwert 10,00 für das Gesamtrisiko von Verletzung oder Tod von Menschen markiert.
Handgreiflich unzureichend ist bei den vorgelegten Stellungnahmen insbesondere der Umgang mit den Eingabedaten. Schon für die Gebäudeabmessungen werden ohne Erläuterung unterschiedliche Werte verwendet. In den von der Antragstellerin vorgelegten Stellungnahmen sind diese einmal - in der datierten Stellungnahme - mit 80 m x 45 m x 9 m angegeben, in den beiden anderen Fassungen dagegen mit 128 m x 25 m x 9 m. Bei der Antragsgegnerseite nennt die Variante I ebenfalls 80 m x 45 m x 9 m, die Variante II jedoch 150 m x 25 m x 9 m. Entsprechend unterschiedliche Werte werden für die "Fangfläche" der baulichen Anlage angenommen. Weitere unerklärte Diskrepanzen oder jedenfalls Fragestellungen ergeben sich hinsichtlich der übrigen Parameter, etwa des spezifischen Bodenwiderstandes, der Blitzdichte, der Gewittertage, des Standortfaktors und weiterer Umstände, die die Antragstellerin benannt hat. Es ist nicht nachvollziehbar, warum die hierfür verwendeten Werte auch auf ausdrückliche Nachfrage des Senats nicht erläutert werden. Selbst wenn sich erweisen sollte, dass der Einfluss einzelner dieser Parameter auf das Gesamtergebnis gering ist, zeigt der nicht transparente Umgang mit ihnen, dass auch dem Gesamtergebnis nicht vertraut werden kann.
Hinzu kommt, dass offenbar auch Annahmen über mögliche Panikwirkungen in die Berechnung einfließen, deren Grundlage und deren Einfluss auf die Berechnung nicht deutlich gemacht werden.
Dem Antragsgegner ist einzuräumen, dass er als Behörde in Brand- und Blitzschutzfragen auf externen Sachverstand zurückgreifen muss, schon weil die fachlichen Regelwerke keine überschaubare Struktur aufweisen. Erst recht ist davon aber der Bürger betroffen, der sich insoweit nicht unmittelbar an Rechtsvorschriften messen lassen soll, sondern an nicht allgemein zugänglichen, kostenpflichtigen Hervorbringungen Dritter (vgl. zu diesem Themenkreis auch OVG Koblenz, Urt. v. 26.3.2009 - 8 C 10729/08.OVG -, NVwZ-RR 2009, 673). In dieser Situation ist es Aufgabe der Behörden, sich Entscheidungsgrundlagen zu erarbeiten, die über den Einzelfall hinausreichend auch in anderen Fällen dieser Art herangezogen werden können. Dazu gehört, dass sie die zugezogenen sachverständigen Kreise durch entsprechende Formulierung der Gutachtensaufträge zu Äußerungen anleiten, die einer substanziellen gerichtlichen Kontrolle zugrunde gelegt werden können, und ggfs. mit dem erforderlichen Nachdruck eine entsprechende Qualitätskontrolle durchführen. Das ist im vorliegenden Fall noch nicht ausreichend geschehen.