Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 30.03.2010, Az.: 1 ME 54/10
Vorliegen einer genehmigungsbedürftigen Baumaßnahme bei Aufstellen von Geldspielgeräten in einem als Stehausschank genehmigten kleinen Ladenlokal
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 30.03.2010
- Aktenzeichen
- 1 ME 54/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 12989
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2010:0330.1ME54.10.0A
Rechtsgrundlagen
- § 69 Abs. 4 Nr. 1 NBauO
- § 146 Abs. 4 S. 3 VwGO
Fundstellen
- DVBl 2010, 666
- DÖV 2010, 570
- FStNds 2010, 437-441
- GewArch 2010, 221-222
- NVwZ-RR 2010, 634-635
- NdsVBl 2010, 217-218
Amtlicher Leitsatz
Werden in einem als Stehausschank genehmigten kleinen Ladenlokal, das in unmittelbarer Nachbarschaft genehmigter und betriebener Spielhallen liegt und mit diesen einen gemeinsamen Eingang hat, drei Geldspielgeräte aufgestellt, kann dies eine genehmigungsbedürftige Baumaßnahme sein.
Gründe
Die Antragstellerin wendet sich gegen das mit Sofortvollzug versehene Verbot, in den unter dem 18. Oktober 1993 als "Stehausschank" genehmigten Räumen im Gebäude B. Straße 17-19 in C. (Flurstück 12/7, Flur 24 der Gemarkung C.) eine Spielhalle zu betreiben. Außerdem gab der Antragsgegner ihr auf, die dort vorhandenen drei Geldspielgeräte innerhalb einer Woche nach Zustellung der Verfügung zu beseitigen. Für der Fall der Nichtbefolgung drohte er ein Zwangsgeld von 3.000,-- EUR für die Nutzungsuntersagung und von 500,-- EUR für jedes nicht entfernte Geldspielgerät an.
Den nach Widerspruchseinlegung gestellten Eilantrag hat das Verwaltungsgericht mit der hier angegriffenen Entscheidung, auf deren Einzelheiten Bezug genommen wird, und im Wesentlichen folgender Begründung abgelehnt:
Weil die Geldspielgeräte ohne Substanzverlust entfernt werden könnten, reiche es für die Beseitigungsanordnung aus, wenn sie ohne die dafür erforderliche Baugenehmigung aufgestellt worden seien. Das sei hier der Fall. Der Antragsgegner habe mehrfach Ortsbesichtigungen durchgeführt und dabei festgestellt, dass in dem vergleichsweise kleinen Gastraum von ca. 36 qm Größe außer den mit eigenen Sitzgelegenheiten versehenen drei Geldspielgeräten zwar noch eine kleine Kuchen- und Brötchenauslage mit der Möglichkeit, Getränke zu kaufen, vorhanden gewesen sei. Der Bereich werde jedoch durch die Geldspielgeräte geprägt. Das werde durch die Lichtbilder erhärtet. Die Antragstellerin räume selbst ein, dass sich die Gäste hauptsächlich mit dem Zweck im Stehausschank aufhielten, die Spielgeräte zu nutzen; die Aufnahme von Speisen und Getränken stehe allenfalls an zweiter Stelle. Der gastronomische Teil sei also völlig untergeordnet.
Hiergegen führt die Antragstellerin Beschwerde.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil sie unzulässig und zugleich unbegründet ist.
Nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO muss die Beschwerde nicht nur einen bestimmten Antrag enthalten. Es müssen außerdem die Gründe dargelegt werden, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist. In diesem Zusammenhang muss sich der Beschwerdeführer mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen (Satz 4 der Vorschrift).
Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung vom 24. März 2010 nicht gerecht. Diese besteht im Wesentlichen in der Behauptung, es handelt sich zwar um kleine, aber eben um Räumlichkeiten, die nur Gaststättenzwecken dienten. Die Annahme, diese erhalte ihr Gepräge durch drei Geldspielgeräte, liege neben der Sache, weil die drei Geldspielgeräte allenfalls einen Platz von einem Quadratmeter benötigten. Die gegenteilige Behauptung liege neben der Sache. Der Antragsgegner müsse akzeptieren, dass in einer nun einmal zulässigen Gaststätte Geldspielgeräte aufgehängt werden könnten.
Damit setzt sich die Antragstellerin nicht in dem gebotenen Umfang mit den Feststellungen, welche der Antragsgegner getroffen und welche das Verwaltungsgericht in der angegriffenen Entscheidung zustimmend referiert hat, auseinander. Es fehlt auch an einer ins Einzelne gehende Auseinandersetzung mit den ergänzenden Erwägungen, welche das Verwaltungsgericht in dieser Entscheidung angestellt hat.
Die Beschwerde ist darüber hinaus unbegründet. Wie der Senat schon in seinem vom Verwaltungsgericht zitierten Beschluss vom 2. Juni 2009 - 1 ME 68/09 - (Veröffentlichung nicht bekannt), welche ein unmittelbar benachbartes Ladenlokal betraf, ausgeführt hat, kommt es hier auf Folgendes an:
Nutzungsverbot und Beseitigung von Geldspielgeräten können schon wegen formeller Illegalität ausgesprochen und angeordnet werden. Dazu reicht es aus, dass für diese Nutzung eine Baugenehmigung nicht existiert oder die Variationsbreite einer erteilten Baugenehmigung in einer Weise verlassen wird, dass die Aufstellung der Geldspielgeräte nicht mehr in den Genuss des § 69 Abs. 4 Nr. 1 NBauO kommt. Hiernach bedarf die Nutzungsänderung einer Genehmigung auch dann, wenn nach Lage der Dinge in Folge der Aufstellung von Geldspielautomaten eine Beurteilung in Betracht kommt, welche zu einem anderen Ergebnis als die seinerzeit erteilte Baugenehmigung führen kann. Erforderlich, aber auch ausreichend ist mit anderen Worten, dass das öffentliche Baurecht an die Zulässigkeit der in Rede stehenden Nutzung trotz unveränderten Räumlichkeiten andere Anforderungen stellt, so dass die Prüfung bei abstrakter Betrachtungsweise zu einem anderen Ergebnis führen kann. Erst dann, wenn nach Lage der Dinge eine abweichende Beurteilung nicht einmal in Betracht kommt, greift § 69 Abs. 4 Nr. 1 NBauO zum Vorteil des Betreibers/Bauherrn ein.
Einen solchen Fall hatte der Senat in seinem Beschluss vom 2. Juni 2009 verneint. Maßgeblich für die Frage, ob eine Schankwirtschaft ihren Charakter verliert, wenn Geldspielgeräte hinzutreten, hat eine Würdigung der diesen Sachverhalt prägenden Indizien zu sein. Entscheidend ist, ob diese Indizien unverändert die Einschätzung rechtfertigen, es handele sich um eine Schankwirtschaft, in der lediglich ergänzend, d.h. gleichsam als "Zubehör" Geldspielgeräte aufgestellt sind, oder ob die Geldspielgeräte in den Räumlichkeiten eine Dominanz entfalten, angesichts derer die Ausgabe von Getränken und (kleineren) Speisen zur Nebensache wird. Als Anhaltspunkte hatte der Senat dabei u.a. betrachtet: Aufteilung des Ladenlokals; Größe und Funktionsweise der Geldspielautomaten (sitzende Bedienung oder Anbringung der Geldspielautomaten an der Wand); Abschottung der Geldspielautomaten hinter Raumteilern; Gepräge der Außen-Eingangstür; Außenwerbung für Gaststättennutzung wie namentlich Aufnahme von Speisen und Getränken; räumliche Verbindung zu einer Spielhalle.
Würdigt man unter diesen Blickwinkeln die in Rede stehenden Räumlichkeiten, so überwiegen in einem Umfang die Indizien für die Umwandlung des Stehausschanks in eine Spielhalle, dass dies die baurechtliche Genehmigungspflicht neuerlich auslöst. Es trifft zwar zu, dass nach den vom Antragsgegner getroffenen Feststellungen (vgl. insbesondere die aus Anlass der Ortsbesichtigung vom 7. Januar 2010, 11.30 Uhr, gefertigten Fotografien; etwa Mitte der nicht paginierten Beiakte A) der Besucher unmittelbar auf einen kleinen Tresen trifft, in dessen Kühlauslage belegte Brötchen, Sandwiches, Wraps und Kuchenstücke anzutreffen sind. Außerdem ist dort eine Preistafel ausgehängt, derzufolge Kaffee, Espresso, Latte Macchiato, Capuccino, Mineralwasser, Cola, Fanta und Orangensaft erhältlich sind.
Für die Darstellung der Antragstellerin scheint des Weiteren zu sprechen, dass die fotografisch ebenfalls festgehaltenen Geldspielautomaten nicht durch Trennwände voneinander separiert sind; dies ist nur für die beiden Internetplätze im rückwärtigen Teil der Stirnseite "links des Eingangs" zu beobachten. Anders als in dem am 2. Juni 2009 entschiedenen Fall werden die Getränke - so scheint es - auch nicht unentgeltlich an die Spieler abgegeben.
Diesen Indizien stehen indes die folgenden gegenüber:
Schon die Baugenehmigung vom 18. Oktober 1993 hatte in der Nebenbestimmung Nr. 9 die Aufmerksamkeit auf die Aufstellung von Geräten dieser Art gelenkt. Dort heißt es:
"9) Die Aufstellung von Geld-, Waren- und Unterhaltungsspielgeräten hat in Abstimmung mit dem Ordnungsamt des Landkreises Ammerland zu erfolgen." Dies hatte der Antragsgegner seinerzeit wegen der unmittelbar benachbarten, durch denselben Windfang zu erreichenden Spielhallen 1 und 2 so angeordnet. Diese räumliche Nähe zweier (weiterer) Spielhallen begründet in nicht unerheblichem Umfang den Verdacht, durch die Aufstellung gleich dreier Geldspielgeräte (das ist nach § 3 Abs. 3 der Spielverordnung die Höchstzahl der in einer Spielhalle aufzustellenden Geldspielautomaten) solle nicht allein dem Spieltrieb Rechnung getragen werden, den Kunden eines Stehausschanks gelegentlich empfinden mögen; es gehe hier vielmehr um die Erweiterung zweier bereits vorhandener Spielhallen.
Es kommt Folgendes hinzu: Nach den vorliegenden Fotografien sind die Geldspielgeräte größeren Umfangs und nicht in der Weise an der Wand aufgehängt, wie dies typischerweise bei Schankwirtschaften zu verzeichnen ist. Dort haben Gäste Gelegenheit, zur Zerstreuung, d.h. neben einem Getränk oder Imbiss gelegentlich Geldspielgeräte zu bedienen. Hier hingegen sind drei größere "Geldspielterminals" aufgestellt worden mit vergleichsweise umfangreichen Sesseln davor. Auf dem in der Ortsbesichtigung vom 17. September 2009 gefertigten Foto 1 sieht man, dass demgegenüber Gästen, die eine der oben genannten Speisen oder Getränke zu sich zu nehmen wünschen, dies unter anderem nur an einem Hochtisch machen können, an dem entsprechend hohe Stühle stehen. Daher ist es nicht, wie die Antragstellerin anzumerken scheint, eher dem Zufall zuzuschreiben, dass der Antragsgegner bei seinen Ortsbesichtigungen alle drei Geldspielautomaten besetzt fand. Dies ist vielmehr Indiz, wie der Adressat dieser Anordnungen, der Kunde, das Angebot des möglicherweise eben nur vermeintlichen Stehausschanks auffasst und auch auffassen darf. Dass dort die oben beschriebene Vitrine steht, ist kein vollständig schlüssiges Gegenindiz. Denn dort können sich auch diejenigen mit einem Imbiss erfrischen, welche die Spielhallen 1 und 2 frequentieren.
Es kommt hinzu, dass die Schaufensterscheibe des vermeintlichen Stehausschanks in spielhallentypischer Weise vollständig "verklebt" ist. Die Beschriftung "Late-Night Cafe" sowie das Foto dreier Damen und zweier Herren zeigt nicht ein Gepräge, wie dies für Stehausschank typisch ist. Diese fünf Personen kehren ihre Gesichter nicht einander, sondern wenden diese in einem kasinoähnlichen Interieur einem dritten Gegenstand (Spiel?!) zu. Es ist typischerweise nicht das Bestreben von Stehausschänken mit dem oben beschriebenen "harmlosen", d.h. namentlich alkoholfreien Angebot, sondern von Spielhallen, die Identität der Kunden verheimlichen zu helfen.
In dem Bereich zwischen den drei Geldspielgeräten (Wange an Wange mit dem Windfang) und den beiden Internetplätzen sind nach den vorliegenden Fotos zwar auch noch zwei "Club-Garnituren/Sitzgruppen" aufgestellt. Angesichts der Dominanz der Internetplätze sowie - vor allem - der drei Geldspielautomaten fehlt es dem als Stehausschank genehmigten, nun aber entscheidend umgestalteten Ladenlokal ungeachtete des Tresens, von dem sich wegen der räumlichen Nähe auch die Spieler in den beiden "unbestrittenen" Spielhallen bedienen können, an einem Gepräge, in dem der Ausschank von Getränken und Speisen im Vordergrund steht und das Spielen an Geräten nur Begleitung, Annex oder Zubehör darstellt. All das wird abgerundet durch einen Eingangsbereich, der von außen allenfalls ganz untergeordnet auf die Möglichkeit verweist, hier Getränke und kleinere Speisen zu sich nehmen zu können.
Insgesamt ist daher festzustellen, dass Anlass besteht, diese Nutzung vor ihrer Aufnahme insbesondere im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit den Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. 32 I (Ausschluss von Spielhallen) baurechtlich zu untersuchen. Dieser präventiven Prüfungspflicht hat sich die Antragsteller nicht gestellt. Diese formelle Illegalität der Nutzung hat zur Folge, dass diese unterbunden werden dürfen und die Beseitigung der dazu aufgestellten Geldspielgeräte unter Anordnung des Sofortvollzuges aufgegeben werden darf.