Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 17.03.2000, Az.: 9 L 4271/99

betriebsfertige Herstellung; Betriebsfertigkeit; Entstehung; Erstattungsanspruch; Grundstücksanschluss; Herstellung; kommunale Einrichtung; Kostenerstattung; leitungsgebundene Einrichtung; Sondervorteil; Vorteil; öffentliche Einrichtung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
17.03.2000
Aktenzeichen
9 L 4271/99
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2000, 41969
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 29.07.1999 - AZ: 1 A 33/99

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Der Anspruch der Gemeinde auf Kostenerstattung nach § 8 NKAG entsteht mit der betriebsfertigen Herstellung des Grundstücksanschlusses und der Berechenbarkeit des Aufwandes nach Vorlage der Unternehmerrechnung (im Anschluss an Urt. des Senats v. 20.7.1999 - 9 L 5638/98 -).

2. Einen Sondervorteil in Form einer konkreten aktuellen Nützlichkeit (OVG Münster, Urt. v. 17.1.1996 - 22 A 2467/93 - KStZ 1997, 217) fordert das Niedersächsische Landesrecht nicht.

Tenor:

Der Kläger wendet sich als Eigentümer von zwei bislang nicht bebauten Grundstücken gegen seine Heranziehung zur Kostenerstattung für die Herstellung von zwei Grundstücksanschlüssen für Regen- und Schmutzwasser. Der nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 29. Juli 1999 stattgegeben. Für die Entstehung des Erstattungsanspruches reiche nicht die bloße Möglichkeit der Inanspruchnahme des Grundstücksanschlusses durch den Grundstückseigentümer aus. Vielmehr müsse der Grundstückseigentümer durch den Grundstücksanschluss einen Sondervorteil in Form einer konkreten aktuellen Nützlichkeit erlangen. Daran fehle es bei unbebauten Grundstücken.

Tatbestand:

1

Der Kläger wendet sich als Eigentümer von zwei bislang nicht bebauten Grundstücken gegen seine Heranziehung zur Kostenerstattung für die Herstellung von zwei Grundstücksanschlüssen für Regen- und Schmutzwasser. Der nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 29. Juli 1999 stattgegeben. Für die Entstehung des Erstattungsanspruches reiche nicht die bloße Möglichkeit der Inanspruchnahme des Grundstücksanschlusses durch den Grundstückseigentümer aus. Vielmehr müsse der Grundstückseigentümer durch den Grundstücksanschluss einen Sondervorteil in Form einer konkreten aktuellen Nützlichkeit erlangen. Daran fehle es bei unbebauten Grundstücken.

Entscheidungsgründe

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Die vom Senat wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils und wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung der Beklagten ist begründet. Der Beklagten gegen neben den Kläger für die Erstellung der Grundstücksanschlüsse zu seinen beiden Grundstücken ein Erstattungsanspruch in Höhe von insgesamt 7.303,89 DM zu. Der Erstattungsanspruch ist mit Beendigung der Maßnahme, also mit der betriebsfertigen Herstellung der Grundstücksanschlüsse durch die Beklagte entstanden.

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Der Beklagten steht gemäß § 11 ihrer Abwasserbeseitigungsabgabensatzung iVm § 8 NKAG gegen den Kläger für die Herstellung der Grundstücksanschlüsse ein Erstattungsanspruch zu. Dieser Erstattungsanspruch entsteht gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 der Abwasserbeseitigungsabgabensatzung der Beklagten "mit der betriebsfertigen Herstellung des Anschlusses". Nach der über § 8 Satz 4 NKAG anwendbaren Vorschrift des § 6 Abs. 6 NKAG entstehen Beitragspflichten, hier also Erstattungsansprüche, "mit der Beendigung der beitragsfähigen Maßnahme". Bei Grundstücksanschlüssen ist damit -- entsprechend der satzungsrechtlichen Umsetzung der Ermächtigungsgrundlage durch die Beklagte -- an die betriebsfertige Herstellung der Anschlussleitung (u.U. nebst Revisionsschacht) an die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage anzuknüpfen. In seinen beiden Urteilen vom 20. Juli 1999 (9 L 5638/98 und 9 L 4722/98) hat der Senat bereits zur Entstehung von Erstattungsansprüchen Folgendes ausgeführt:

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"Während die Kanalbaubeitragspflicht für bebaubare Grundstücke bereits mit der betriebsfertigen Herstellung des öffentlichen Kanals vor dem Grundstück entsteht, gilt indes für die hier interessierenden Erstattungsansprüche eine Besonderheit. Denn für die Entstehung der Beitragspflicht im Kanalbaubeitragsrecht ist es unerheblich, welcher Aufwand für die Herstellung des Kanals vor dem Grundstück tatsächlich entstanden ist. Die Höhe des Kanalbaubeitrags richtet sich nach einem zuvor kalkulierten Beitragssatz, der mit Wirksamwerden der Beitragssatzung feststeht. Der Erstattungsanspruch nach § 8 NKAG setzt indes voraus, dass der zu erstattende Aufwand der Höhe nach feststellbar ist. Er kann deshalb -- ebenso wie die sachliche Beitragspflicht im Erschließungsbeitrags- und Straßenbaubeitragsrecht (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 5. Aufl. 1999, § 19 RdNr. 8, § 37 RdNr. 8) -- regelmäßig erst mit Eingang der letzten nach Abschluss der Herstellungsarbeiten erteilten Unternehmerrechnung entstehen. Der Erstattungsanspruch der Beklagten konnte mithin hier erst im Dezember 1992 entstehen, weil die Unternehmerrechnung vom 9. Dezember 1992 datiert."

5

Weitergehende Anforderungen als die hier nicht streitige betriebsfertige Herstellung des Grundstücksanschlusses und die Berechenbarkeit des Aufwandes nach Vorlage der Unternehmerrechnung fordert weder die satzungsrechtliche Vorgabe des § 11 der Abwasserbeseitigungsabgabensatzung der Beklagten noch § 8 NKAG als Ermächtigungsgrundlage für die satzungsrechtliche Regelung. Soweit das Verwaltungsgericht im Anschluss an die Rechtsprechung des OVG Münster (z.B. Urt. v 14.7.1987 -- 22 A 1605/86 -- KStZ 1988, 16 = NVwZ-RR 1988, 119 = DÖV 1988, 376 = NWVBl. 1988, 46; Urt. v. 17.1.1996 -- 22 A 2467/93 -- KStZ 1997, 217 = NVwZ-RR 1996, 599) -- zusätzlich -- einen Sondervorteil in Form einer konkreten aktuellen Nützlichkeit fordert, ist dem für das Niedersächsische Landesrecht nicht zu folgen. Zwar verlangt § 6 Abs. 1 Satz 1 NKAG für die Beitragserhebung "besondere wirtschaftliche Vorteile". Daraus ist aber nicht das Erfordernis eines Sondervorteils in Form einer konkreten aktuellen Nützlichkeit ableitbar. Vielmehr liegt dieser Vorteil schon dann vor, wenn "die Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung" besteht (st.Rspr. d. Sen.: bereits Urt. v. 23.8.1989 -- Nds.Rpfl. 1990, 66 = dng 1989, 356 = NSt-N 1989, 358; in jüngster Zeit Beschl. v. 3.5.1999 -- 9 L 1856/99 -- NVwZ-RR 2000, 44). Der Senat sieht weder die rechtliche Möglichkeit noch die tatsächliche Notwendigkeit dafür, den Zeitpunkt der Entstehung des Erstattungsanspruches nach § 8 NKAG weitergehenden Anforderungen zu unterwerfen. Dies ist zum einen nicht durch den Wortlaut des § 8 Satz 4 iVm § 6 Abs. 1 Satz 1 NKAG gedeckt und würde zum anderen auch nur den Entstehungszeitpunkt der Erstattungspflicht ohne Not weiter aufsplittern. Nicht zutreffend beruft sich das Verwaltungsgericht für seine Auffassung auf die Kommentarstelle von Dietzel, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht (Stand: Juli 1999), § 10 RdNr. 31 bzw. RdNr. 49. Die angeführten Zitatstellen beschränken sich ausdrücklich auf die Auslegung der entsprechenden landesrechtlichen Vorschrift für Nordrhein-Westfalen -- § 10 KAG NW (vgl. RdNr. 28). Unter RdNr. 38 findet sich die ausdrückliche Klarstellung, dass -- im Unterschied zu der Rechtslage nach § 10 KAG NW -- die Auslegung des § 8 NKAG durch die Rechtsprechung des OVG Lüneburg kein Sonderinteresse des Grundstückseigentümers verlange.