Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 21.03.2000, Az.: 12 M 1020/00

angepasstes Vorbringen; Beweislastumkehr; eheähnliche Gemeinschaft; Gesamtbild; Nachweisanforderungen

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
21.03.2000
Aktenzeichen
12 M 1020/00
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2000, 41551
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - AZ: 4 B 5/00

Gründe

1

Mit dem angegriffenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm "ungekürzte Hilfe zum Lebensunterhalt in gesetzlicher Höhe zu gewähren", abgelehnt, weil der Antragsteller mit Frau ... in einer eheähnlichen Gemeinschaft gemäß § 122 Satz 1 BSHG lebe (...)

...

2

Die Richtigkeit des rechtlichen Ausgangspunktes der Erwägungen des Verwaltungsgerichtes wird vom Zulassungsantrag nicht ausdrücklich in Zweifel gezogen. Soweit der Antragsteller allerdings meinen sollte, das Verwaltungsgericht habe schon den rechtlichen Ausgangspunkt für seine Überzeugungsbildung falsch gewählt, trifft dies im Ergebnis nicht zu. Insoweit ist allerdings darauf hinzuweisen, dass der Senat die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg vom 14. April 1997 (- 7 S 1816/95 -, FEVS 48, 29 = NDV-RD 1998, 35), die das Verwaltungsgericht im angegriffenen Beschluss in Bezug nimmt (vgl. Beschlussabdruck S. 3 oben), nicht teilt und dass der Senat dazu in seinem Beschluss vom 24. November 1999 - 12 M 4467/99 - folgendes ausgeführt hat:

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"Unter welchen Voraussetzungen anzunehmen ist, es bestehe eine eheähnliche Gemeinschaft i.S. d. § 122 Abs. 1 BSHG, ist in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, die sich das Verwaltungsgericht in Bezug auf die Maßstabsfrage zu eigen gemacht hat, und des Senats (Beschl. v. 26.1.1998 - 12 M 345/98 -, FEVS 48, 545 m. w. Nachw. aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungs- und des Bundesverwaltungsgerichts) geklärt. In dieser Entscheidung hat sich  der Senat auch zu dem Urteil des Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg vom 14. April 1997 (- 7 S 1816/95 -, FEVS 48, 29 = NDV-RD. 1998, 35) geäußert und festgehalten, aus dem geltenden Recht folge "keine Umkehr der Beweislast" in der Weise, dass es den Partnern einer Wohngemeinschaft obliege, nachzuweisen, dass lediglich eine "Zweckgemeinschaft" bestehe. Richtig sei vielmehr, dass eine umfassende Würdigung aller Umstände des Einzelfalles ohne eine förmliche Umkehr der Darlegungslast erforderlich sei (so auch BVerwG, Beschl. v. 24.6.1999 - BVerwG 5 B 114.98 -)."

4

Insbesondere die Zusammenfassung des Verwaltungsgerichtes am Ende seines angegriffenen Beschlusses (S. 5 des Abdrucks) macht aber deutlich, dass sich das Verwaltungsgericht trotz seiner Bezugnahme auf den Bad.-Württ. VGH (aaO) gerade nicht von einer "Umkehr der Beweislast" hat leiten lassen, sondern umfassend die Indiz-Tatsachen (im Sinne der o.a. Rspr. d. BVerwG) gewürdigt und sich seine Überzeugung nach § 108 VwGO gebildet hat. Mithin können die - so verstandenen - Erwägungen des Zulassungsantrages nicht durchgreifen, das Verwaltungsgericht sei bei seiner Überzeugungsbildung von einem rechtlich nicht zutreffenden 'Obersatz' ausgegangen, der zu einer rechtsfehlerbehafteten Würdigung des Tatsachenstoffes geführt habe (...).

5

Dabei hebt der Senat hervor, dass das Verwaltungsgericht gerade aus dem Zusammentreffen vieler verschiedener Einzelumstände, deren Vorliegen vom Zulassungsantrag auch nicht in Abrede gestellt wird, im Rahmen einer Gesamtschau seine Würdigung vorgenommen hat, und sich damit im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes (vgl. Beschl. v. 24. Juni 1999 - BVerwG 5 B 114.98 -) befindet, das ausgeführt hat:

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"Gemäß diesem Urteil <gemeint hier: Urt. v. 17. Mai 1995 - BVerwG 5 C 16.93 -, BVerwGE 98, 195 ff.> sind die Tatsacheninstanzen im Rahmen der Anwendung des § 122 Satz 1 BSHG gehalten, in tatsächlicher Hinsicht das Vorliegen einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft im Sinne einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft zwischen den beiden Partnern festzustellen (a.a.O. S. 199). Als Hinweistatsachen hat der Senat beispielhaft eine lange Dauer des Zusammenlebens hervorgehoben (gewichtigstes Indiz), bei Zusammenfall des Beginns des Zusammenlebens mit dem Beginn des streitgegenständlichen Leistungszeitraums auch Dauer und Intensität der Bekanntschaft vor Begründung der Wohngemeinschaft, den Anlass für das Zusammenziehen, die konkrete Lebenssituation der Partner während der streitgegenständlichen Zeit und die - nach außen erkennbare - Intensität der gelebten Gemeinschaft genannt (a.a.O. S. 199, 200). Entscheidend ist stets das Gesamtbild der für den streitgegenständlichen Zeitraum feststellbaren Indizien (a.a.O. S. 201). Diese Maßstäbe erleichtern infolge der Indizwirkung äußerer Umstände die tatrichterliche Feststellung einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft, erfordern aber in jedem Fall eine Würdigung des Gesamtbildes der für den streitgegenständlichen Zeitraum feststellbaren Indizien..." (BVerwG, Beschl. v. 24. Juni 1999, a.a.O., S. 3 des Abdrucks; Hervorhebungen durch den Senat).

7

Diese Rechtsprechung greift der Zulassungsantrag nicht auf. Indem der Zulassungsantrag einzelne Tatsachen (Hinweistatsachen/Indizien) isoliert betrachtet und bewertet, geht er nicht hinreichend auf diese Rechtsprechung und die vom Verwaltungsgericht im angegriffenen Beschluss vorgenommene Würdigung der Gesamtumstände ein. So macht der Zulassungsantrag beispielsweise geltend, das Verwaltungsgericht habe u.a. darauf abgestellt, dass der Antragsteller und Frau ... bereits zwei Wohnungen gemeinsam bewohnt haben, aus dem Funktionieren einer Wohngemeinschaft könne aber kein Rückschluss auf das Bestehen einer Beistandsgemeinschaft gezogen werden, ohne zu beachten, dass das Verwaltungsgericht insoweit ein Indiz im Gesamtzusammenhang bewertet hat. Im Hinblick auf die vom Verwaltungsgericht herangezogene Tatsache, das der Antragsteller durch persönlichen Einsatz die ihm erbrachten materiellen Vorteile auszugleichen suche, gilt Entsprechendes. Soweit der Zulassungsantrag ferner anführt, die Zeugin ... habe deutlich erklärt, "sie habe eigene Freunde..." (Zulassungsantrag S. 3 unten), berührt diese Darlegung die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Wertung und Würdigung des Gesamtbildes gleichfalls nicht, weil der Antragsteller nicht auf die "Gesamtschau" des Verwaltungsgerichts eingeht.

8

Soweit schließlich der Zulassungsantrag die Erwägung in den Raum stellt, eine Gemeinschaft i.S. von § 122 Satz 1 BSHG zwischen dem Antragsteller und Frau ...liege auch deshalb nicht vor, weil sich aus dem Verhalten der Zeugin ...anderes ergebe, die - sinngemäß (vgl. Zulassungsantrag S. 3 oben) - dem Antragsteller die Möglichkeit zur Mitbenutzung der gemeinsamen Wohnung inzwischen gekündigt habe, so ist dieses Vorbringen - ebenfalls - nicht hinreichend im o.a. Sinn. Vielmehr legt eine Kündigung eines Mietverhältnisses zum gegenwärtigen Zeitpunkt und vorliegenden Stand des Verfahrens nahe,"dass die Partner der Gemeinschaft nach § 122 Satz 1 VwGO bei Fortschreiten des Verfahrens mehr und mehr ihre Äußerungen dem anpassen, was nach ihrer Auffassung zum Erfolg ihres Anliegens führen müsste" (st. Rspr. d. Senats, vgl. Beschl. v. 24. November 1999, a.a.O., m. w. Nachw.)."