Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 20.09.2023, Az.: 8 A 325/20

Abrechnungsgebiet; Besonderer wirtschaftlicher Vorteil; Gestaltungsmissbrauch; Graben; Grundstücksteilung; Inaugenscheinnahme; Mitwirkungspflicht; Rechtliche Erreichbarkeit; Straßenausbaubeitrag; Straßenbegleitgrün; Tatsächliche Erreichbarkeit; Überweg; Straßenausbaubeiträge: Bestimmung des Abrechnungsgebiets; tatsächliche und rechtliche Erreichbarkeit von Grundstücken; Gestaltungsmissbrauch

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
20.09.2023
Aktenzeichen
8 A 325/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 41791
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:2023:0920.8A325.20.00

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Für eine vorteilsrelevante Inanspruchnahmemöglichkeit müssen die Grundstücke zum Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht tatsächlich und rechtlich erreichbar sein. Dabei stehen mit zumutbaren Mitteln ausräumbare Hindernisse auf dem Anliegergrundstück einer Beitragspflicht nicht entgegen. Befindet sich das Hindernis (etwa eine Böschung oder ein Graben) hingegen auf dem Straßengrundstück, fehlt es an der Erreichbarkeit.

  2. 2.

    Ein Graben mit einem Überweg von mind. 1,25 m Breite im Straßenbegleitgrün ist kein die Vorteilslage beeinträchtigendes Hindernis. Die Breite von 1,25 m genügt den Anforderungen an eine gefahrlose tatsächliche Erreichbarkeit. Es ist zudem bei der Lage des Grabens im Straßenbegleitgrün nicht erforderlich, dass eine Nutzung des Überwegs dinglich abgesichert ist, wenn das Straßenbegleitgrün als unselbstständiger Bestandteil der Teileinrichtung Fahrbahn bis an das Anliegergrundstück heranreicht.

  3. 3.

    Ein Anlieger kann sich seiner Beitragspflicht nicht dadurch entziehen (§ 42 Abs. 1 AO), dass er in zeitlichem Zusammenhang mit einer angekündigten Ausbaumaßnahme ein im hinteren Teil bebautes Grundstück teilt und das dadurch entstandende, an die demnächst abzurechnende Anlage angrenzende Grundstück auf einen Dritten überträgt, soweit diese Übertragung nicht aus wirtschaftlichen oder sonst beachtlichen Gründen nachvollziehbar ist. Dabei obliegt es dem Anlieger im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht, die Gründe für die Grundstücksteilung glaubhaft zu machen (hier im Einzelfall Gestaltungsmissbrauch bejaht).

Tenor:

Der Bescheid der Beklagten vom 13. November 2020 wird aufgehoben, soweit er einen Betrag von 5.286,79 € übersteigt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens tragen die Kläger 3/4 und die Beklagte 1/4. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, soweit nicht der jeweiligen Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.156,33 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Kläger wenden sich gegen die Heranziehung zu einem Straßenausbaubeitrag für Ausbaumaßnahmen an der Straße "K." in der Gemeinde A-Stadt, einer Mitgliedsgemeinde der Beklagten.

Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks der Flur L., Flurstück M., in der Gemarkung A-Stadt mit der Anschrift "C-Straße, A-Stadt", auf dem sich ein freistehendes Einfamilienhaus sowie ein Nebengebäude befinden. Das 1.247 m2 große Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans "N.", inzwischen in der dritten Änderungsfassung von 2018, bekannt gemacht im Amtsblatt des Landkreises O. am 28. Februar 2018. Danach ist als Art der baulichen Nutzung ein Mischgebiet festgesetzt, und die beplanten Grundstücke sind mit bis zu zwei Vollgeschossen bebaubar.

Östlich von dem Grundstück der Kläger verläuft die durch Beschluss des Rates der Gemeinde A-Stadt vom 26. Februar 1987 gewidmete (Bekanntmachung der Widmung durch öffentlichen Aushang am 17. März 1987) öffentliche Straße "K.". Diese beginnt im Norden an der Einmündung in die "P." und verläuft in südlicher Richtung zunächst auf dem gemeindlichen Flurstück Q. der Flur L., nach etwa 100 Metern auf dem Flurstück R. der Flur L., das ebenfalls im Eigentum der Gemeinde A-Stadt steht. 75 Meter weiter setzt sich die Straße nach einer 90° Kurve in westlicher Richtung fort und führt - nunmehr als "S." bezeichnet - etwa 220 Meter weiter, bis sie auf die "T." trifft.

Westlich und südlich des Grundstücks der Kläger liegen die Flurstücke U. und V. der Flur W.. Ursprünglich handelte es sich dabei um ein einheitliches, im Eigentum der Beigeladenen zu 2) stehendes Grundstück, welches am 13. Dezember 2017 in die beiden Flurstücke U. (Größe: 308 m2) und V. (Größe: 3.205 m2) geteilt worden ist. Dabei übertrug die Beigeladene zu 2) das Flurstück U. zunächst ihrer Tochter. Inzwischen steht es im Eigentum des Beigeladenen zu 1), dem Sohn der Beigeladenen zu 2). Das Flurstück V. verblieb stets im Eigentum der Beigeladenen zu 2).

Das Flurstück U. grenzt mit seiner östlichen Seite an das gemeindliche Flurstück R., auf dem sich Teile der abgerechneten Anlage befinden. An der östlichen Flurstücksgrenze befinden sich ein großer Zaun sowie eine Bretterwand. Zwischen der Flurstücksgrenze und dem Straßenkörper der abgerechneten Anlage "K." erstreckt sich auf dem Flurstück R. eine etwa 10 Meter breite und 70 Meter lange Grünfläche. Auf dieser verläuft unmittelbar hinter der Flurstücksgrenze ein etwa 2 Meter breiter und ca. 1,50 Meter tiefer Graben in südlicher Richtung. Über diesen Graben führt an der nordöstlichen Flurstücksgrenze ein ca. 3 Meter breiter, mit Gras bewachsener Überweg. Diese Grünfläche samt Graben und Überweg auf dem Flurstück R. bezeichnete die Beklagte in den Berechnungen zur Ermittlung der beitragsfähigen Fläche mit einer Größe von 701,25 m2 als "Straßenbegleitgrün (Graben)".

Das Flurstück V. teilt keine Flurstücksgrenze mit der Anlage "K.". Es schließt sich westlich und nördlich an das Flurstück U. an. An seinem nördlichen Ende grenzt es an die "P." an. Am südlichen Grundstücksende des Flurstücks V. befindet sich ein größerer Teich, der vor über 40 Jahren mit einer Baugenehmigung errichtet wurde. Dieser dient der Sammlung des auf dem Grundstück anfallenden Regenwassers und ist in seinen Randbereichen mit Bäumen bewachsen. Aufgrund einer Stellungnahme der unteren Naturschutz- und Waldbehörde des Landkreises O. nahm die Gemeinde A-Stadt in ihrer dritten Änderung des Bebauungsplans "N." den Hinweis auf, dass es sich dabei um ein Regenrückhaltebecken handele, das erhalten werden sollte. Die Festsetzung lautet "TR" und lässt erkennen, dass das Flurstück U. vollständig und das Flurstück V. in seinem südlichen Bereich mit einer Größe von ca. 1.030 m2 als Regenrückhaltebecken ausgewiesen ist.

Die Deutsche Bahn AG plante bereits seit längerem die Verbreiterung der Bahntrassen, die östlich von der Straße "K." verlaufen, sowie einen behindertengerechten Zugang zu den Zügen; in diesem Zusammenhang beabsichtigte die Gemeinde A-Stadt, die Straße "K." auszubauen sowie den Bahnhofsvorplatz neu zu gestalten. Da für den Busverkehr, der den Bahnhof anfahren soll, keine Wendemöglichkeit vorhanden war, erwog sie die Errichtung eines Ringverkehrs, wonach die Busse von der "P." kommend in südlicher Richtung auf die Straße "K." abbiegen und dann - nach Halt am Bahnhofsgebäude - über diese und die neu zu errichtende Straße "S." weiter in Richtung "T." fahren sollen. Bereits mit Ratsbeschluss vom 30. November 2015 beschloss der Gemeinderat A-Stadt, dass die Neugestaltung des Bahnhofsumfeldes und der Bau einer Erschließungsanlage eine hohe Priorität genießen. Mit der Aufnahme der Gemeinde A-Stadt in das Dorferneuerungsprogramm erkor diese die Erneuerungsmaßnahmen an der Straße "K." zu einer Maßnahme höchster Priorität. Der Dorfentwicklungsplan sieht dementsprechend in der Maßnahmenkategorie I. unter der Ziffer 13. als priorisierte Maßnahme die Erneuerung der Straße "K." samt Ergänzung und Neugestaltung des Bahnhofsumfeldes vor. Die Gemeinde beabsichtigte die Erneuerung der Zufahrt zum Bahnhof sowie die Anlage eines Kfz-Parkplatzes und die Ausbildung eines attraktiven Aufenthaltsbereichs. Der Rat der Gemeinde A-Stadt beschloss in seiner Sitzung am 6. Juni 2016, das vorgelegte Dorfentwicklungskonzept auszuführen. Die Gemeinde A-Stadt beantragte bei dem Amt für Regionale Landesentwicklung die Bezuschussung der Maßnahme, die positiv beschieden wurde.

Am 18. Oktober 2017 fand eine Anwohnerversammlung statt, bei der es um den Umbau der Bahnsteiganlage A-Stadt ging und bei der ebenfalls die Thematik eines Straßenausbaubeitrags für die Straße "K." besprochen wurde. Zu diesem Zeitpunkt war aufgrund der Ratsbeschlüsse der Gemeinde A-Stadt aus den Jahren 2015 und 2016 bereits absehbar, dass die Straße "K." neugestaltet werden sollte. An dieser Veranstaltung nahmen sowohl die Kläger als auch die Beigeladenen teil.

Die Planung des Ausbaus erfolgte im zweiten Halbjahr des Jahres 2018 auf Basis eines Erläuterungsberichts des Planungsbüros X. aus dem Februar 2017. Ausweislich dieses Berichts befand sich die Straße "K." in einem schlechten Zustand; das Kopfsteinpflaster sei teilweise abgängig und die Gehwege unbefestigt gewesen. Die Bordsteine seien in einigen Bereichen abgesackt und ein sicherer Winterdienst sei wegen der ungleichmäßigen Oberflächen kaum möglich. Die Straßenbeleuchtung sei überaltert, abgängig und die Lichtpunktabstände seien zu groß. Als bauliche Maßnahmen waren unter anderem der Neubau der Straßendecke, der Oberflächenentwässerung, des Gehwegs, der Straßenbeleuchtung und des Begleitgrüns vorgesehen. Die gemeinsame Ausschreibung für die Straßen "K." und "S." wurde am 25. Oktober 2018 veröffentlicht. Am 21. November 2018 beschloss der Verwaltungsausschuss der Gemeinde A-Stadt, vorbehaltlich der Prüfungen durch das Planungsbüro, der Firma Y., Z., den Auftrag für den Umbau des Bahnhofs und den Neubau der Straße zu einem Preis von 650.779,24 € zu erteilen.

In der Folgezeit wurden die Straßenteileinrichtungen Fahrbahn, Gehweg, Straßenbeleuchtung, Oberflächenentwässerung und Regenwasserkanal der Straße "K." in Umsetzung der Planung durch das Büro X. in Gestalt einer grundhaften Erneuerung ausgebaut. Zugleich stellte die Gemeinde A-Stadt die Straße "S.", die sich nach der Westkurve der Straße "K." anschließt, erstmalig her.

Die Auswertung aller Schlussrechnungen ergab für die Ausbaumaßnahmen an der Straße "K." Gesamtbaukosten in Höhe von 286.470,35 €. Unter Anrechnung eines 73 %-igen Zuschusses in Höhe von 175.354,31 € sowie von Einnahmen aus Pflastersteinen in Höhe von 10.000,00 € errechnete sich ein beitragsfähiger Aufwand in Höhe von 101.116,04 €. Hinsichtlich der Fahrbahn übernahm die Gemeinde A-Stadt ausgehend von der Einstufung der Straße "K." als Straße mit starkem innerörtlichen Verkehr gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 ihrer "Satzung über die Erhebung von Beiträgen nach § 6 des niedersächsischen Kommunalabgabengesetzes für straßenbauliche Maßnahmen vom 26. Juli 2017" (Straßenausbaubeitragssatzung - im Folgenden: ABS) einen Anteil von 65 %, für die Beleuchtung, die Oberflächenentwässerung und den Regenwasserkanal einen Anteil in Höhe von 60 % und für den Gehweg einen Anteil in Höhe von 50 % des beitragsfähigen Aufwandes. Damit belief sich der Gemeindeanteil auf insgesamt 61.820,14 € und der umlagefähige Anliegeranteil auf 39.295,90 €.

In das Abrechnungsgebiet bezog die Beklagte die Flurstücke AA., AB., M. (jeweils vollständig), Q., R. und AC. (jeweils anteilig) der Flur L., sowie das Flurstück AD. der Flur W. und das Flurstück AE. der Flur AF. (beide vollständig) ein und ermittelte eine Beitragsfläche in Höhe von 8.559,21 m2. Den Anliegeranteil verteilte sie auf diese beitragspflichtige Fläche, woraus sich ein Beitragssatz in Höhe von 4,591069 €/m2 ergab. Hinsichtlich der näheren Einzelheiten der Berechnung wird gemäß § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf die Berechnung der Beklagten verwiesen.

Aufgrund der Bebaubarkeit mit zwei Vollgeschossen multiplizierte die Beklagte die Grundstücksfläche des klägerischen Grundstücks von 1.247 m2 mit einem Nutzungsfaktor von 1,25 (§ 6 Abs. 3 Nr. 2 ABS) und errechnete eine beitragspflichtige Grundstücksfläche von 1.558,75 m2. Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 13. November 2020 setzte sie daraufhin einen Straßenausbaubeitrag gegenüber den Klägern in Höhe von 7.156,33 € fest.

Hiergegen haben die Kläger am 10. Dezember 2020 Klage erhoben. Zu deren Begründung tragen sie im Wesentlichen vor:

Die Beklagte habe die Grundstücke der Beigeladenen, Flur L., Flurstücke U. und V., zu Unrecht nicht in das Abrechnungsgebiet mit einbezogen, obgleich deren Eigentümern durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der ausgebauten öffentlichen Einrichtung "K." besondere wirtschaftliche Vorteile geboten würden. Die Flurstücke U. und V. seien angesichts der angekündigten Straßenausbaumaßnahmen Ende 2017 nach einer Grundstücksteilung gebildet worden, um eine Beitragspflicht für das Flurstück V. zu verhindern. Der vormalige Eigentümer des Flurstücks V. habe gegenüber der Beklagten behauptet, der auf seinem Grundstück befindliche Teich würde regelmäßig übertreten, woraufhin der vor dem Grundstück verlaufende Graben als Überlauf geöffnet worden sei. Auch dies sei mit der Absicht erfolgt, dass das sich dort befindliche Gartentor unbenutzbar werde, um so einer Beitragspflicht für das Flurstück U. zu entgehen. Tatsächlich sei an der östlichen Grenze des Grundstücks U. aber gar kein Graben vorhanden, jedenfalls keiner, der einen ersichtlichen Effekt auf den Abfluss des Wassers habe. Übertretendes Wasser aus dem Teich versickere nämlich. Das Flurstück U. sei durch ein Gartentor von der Anlage "K." aus zu betreten. Daher hätten die Eigentümer der beiden Flurstücke die Möglichkeit zur Inanspruchnahme der ausgebauten Anlage und seien folglich ebenfalls beitragspflichtig.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid der Beklagten vom 13. November 2020 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verteidigt den angefochtenen Bescheid und erwidert: Das Flurstück V. grenze nicht an die neu ausgebaute Straße an, sodass es der beigeladenen Eigentümerin keinen wirtschaftlichen Vorteil biete. Darüber hinaus würde der sich auf dem Grundstück befindliche Teich die Wohnbebauung von der ausgebauten Anlage trennen. Auch das Flurstück U. sei durch einen sich auf dem Flurstück R. befindlichen und im Eigentum der Gemeinde A-Stadt stehenden Wassergraben zur Straße "K." getrennt. Anders als am benachbarten südlichen Flurstück AD. führe kein Brückenübergang über den Graben zum Grundstück, sodass auch hier keine Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung bestehe.

Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt und sich schriftsätzlich nicht geäußert.

Im Verlaufe des Verfahrens hat die Kammer die Beklagte um Durchführung einer Vergleichsberechnung unter Einbeziehung der Flurstücke U. und V. der Beigeladenen gebeten. Laut der daraufhin angestellten Berechnung der Beklagten würde auf das klägerische Grundstück ein Straßenausbaubeitrag in Höhe von (nur noch) 5.286,79 € entfallen.

Die erkennende Kammer hat Beweis erhoben über die örtlichen Gegebenheiten der abgerechneten Anlage durch Einnahme richterlichen Augenscheins. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Sie waren ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der im Rahmen des Ortstermins durchgeführten mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

I. Soweit die Beklagte in dem angegriffenen Bescheid von den Klägern einen Straßenausbaubeitrag von mehr als 5.286,79 € verlangt, ist er rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Rechtsgrundlage für den streitgegenständlichen Straßenausbaubeitragsbescheid ist § 6 Niedersächsisches Kommunalabgabengesetz (NKAG) i. V. m. der Straßenausbaubeitragssatzung der Gemeinde A-Stadt (ABS). Kommunale Abgaben (wie Beiträge, vgl. § 1 Abs. 1 NKAG) können gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 NKAG nur auf Grundlage einer Satzung erhoben und festgesetzt werden. Von dieser Ermächtigung hat die Gemeinde A-Stadt mit ihrer Straßenausbaubeitragssatzung Gebrauch gemacht. Nach § 1 ABS erhebt sie - sofern Erschließungsbeiträge nicht erhoben werden können - zur Deckung ihres Aufwandes für die Herstellung, Anschaffung, Erweiterung, Verbesserung und Erneuerung (Ausbau) ihrer öffentlichen Straßen, Wege und Plätze (öffentliche Einrichtungen) - insgesamt, in Abschnitten oder Teilen - nach Maßgabe dieser Satzung Beiträge von den Grundstückseigentümern, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser öffentlichen Einrichtungen besondere wirtschaftliche Vorteile bietet (Anlieger). Die Grundstücke, deren Eigentümern durch die Inanspruchnahmemöglichkeit der ausgebauten öffentlichen Einrichtung, Abschnitten davon oder zur Abrechnungseinheit zusammengefasste öffentliche Einrichtungen besondere wirtschaftliche Vorteile geboten werden, bilden das Abrechnungsgebiet (§ 5 ABS).

Rechtliche Bedenken gegen die Satzung sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (Urteil vom 27. März 2017 - 9 LC 180/15 -, juris Rn. 30 ff., bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 30. Juli 2018 - 9 B 23/17 -, juris Rn. 5 f.), der die erkennende Kammer folgt, ist die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen mit höherrangigem Recht vereinbar und § 6 Abs. 1 NKAG stellt eine verfassungskonforme Rechtsgrundlage dar.

2. Die Beklagte war für den Erlass des angefochtenen Bescheides zuständig, weil sie als Samtgemeinde im Sinne des § 2 Abs. 3 Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetzes (NKomVG) für ihre Mitgliedsgemeinden, zu denen auch die Gemeinde A-Stadt gehört, gemäß § 98 Abs. 5 Satz 1 NKomVG unter anderem Gemeindeabgaben erhebt. Unter Gemeinde- bzw. Kommunalabgaben fallen auch Straßenausbaubeiträge (vgl. §§ 1 Abs. 1, 6 NKAG).

3. Die Tatbestandsvoraussetzungen der Straßenausbaubeitragssatzung liegen allerdings teilweise nicht vor. Zwar handelt es sich bei der Straße "K." um eine abrechnungsfähige Einrichtung (a) und die Gemeinde A-Stadt hat beitragsfähige Maßnahmen durchführen lassen (b), jedoch hat die Beklagte das Abrechnungsgebiet unzutreffend bestimmt, indem sie die Flurstücke der Beigeladenen (Flurstücke U. und V. der Flur L.) nicht mitberücksichtigt hat (c). Wegen dieser rechtswidrigen Ermittlung des Abrechnungsgebietes ist der streitgegenständliche Bescheid teilweise rechtswidrig (d).

a) Bei dem abgerechneten Bereich der Straße "K." handelt es sich um eine selbstständige öffentliche Einrichtung im Sinne des Straßenausbaubeitragsrechts. Als öffentliche Einrichtungen kommt eine Einzelanlage wie eine Straße in Betracht. Eine Straße ist dann eine selbständige öffentliche Einrichtung, wenn der Straßenzug von einem unbefangenen Beobachter bei natürlicher Betrachtungsweise als selbstständiges, von anderen Straßen abgegrenztes Element des gemeindlichen Straßenverkehrsnetzes angesehen wird, wobei insbesondere die Länge, Breite, Führung, Ausstattung und äußere Gestaltung der Straße zu berücksichtigen sind (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 9. April 2015 - 9 LC 320/13 -, juris Rn. 25 m. w. N.). Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes erstreckt sich die öffentliche Anlage "K." - wie auch von der Beklagten zutreffend in Ansatz gebracht - von der Einmündung in die Bahnhofstraße an in südliche Richtung bis hin zu der Stelle, an der die Straße eine Kurve von 90° in westlicher Richtung vollzieht. An dieser Stelle endet sie und setzt sich insbesondere nicht in dem Straßenzug, der als " S." bezeichnet wird, fort. Denn der Straßenzug "S." ist erst im Rahmen der Erneuerung der bereits vorhandenen Anlage "K." erstmalig hergestellt worden. Bei der erstmaligen Herstellung einer Anlage gilt der bundesgesetzliche Vorrang (Art. 31 GG) des Erschließungsbeitragsrechts nach den §§ 127 ff. BauGB (vgl. v. Waldthausen, in: Rosenzweig/Freese/von Waldthausen, NKAG, Stand: Februar 2016, § 6 Rn. 55), sodass bereits aus rechtlichen Gründen die öffentliche Einrichtung "K." im Sinne des Straßenausbaubeitragsrechts an dieser Stelle endet und die Erhebung eines Straßenausbaubeitrages für den Straßenzug "S." wegen der fehlenden Erschließung ausscheidet.

b) Bei der durchgeführten Baumaßnahme handelt es sich auch um eine beitragsfähige Maßnahme im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 NKAG i. V. m. § 2 ABS. Die Gemeinde A-Stadt hat die Fahrbahndecke der Anlage "K." sowie die Oberflächenentwässerung, den Gehweg, den Regenwasserkanal und die Straßenbeleuchtung grundhaft erneuern lassen. Hierbei handelt es sich angesichts des zureichend dokumentierten schlechten vorherigen Zustandes der jeweiligen Teileinrichtungen der Anlage nicht nur um Maßnahmen der laufenden Unterhaltung und Instandsetzung, sondern um ausbaubeitragsrechtliche Maßnahmen. Dies steht zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit.

c) Die Beklagte hat allerdings das Abrechnungsgebiet unrichtig bestimmt, indem sie die Flurstücke U. und V. der Flur L. im Eigentum der Beigeladenen nicht mit einbezogen hat.

Das Abrechnungsgebiet besteht aus den Grundstücken, deren Eigentümer durch die Inanspruchnahmemöglichkeit der ausgebauten öffentlichen Einrichtung einen Vorteil von der ausgebauten Straße haben (§ 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 8 Satz 1 NKAG, §§ 5, 12 Abs. 1 ABS). Vorteilsrelevant ist eine Inanspruchnahmemöglichkeit dann, wenn aufgrund einer räumlich engen Beziehung des Grundstückes zu der ausgebauten Anlage erfahrungsgemäß angenommen werden kann, diese werde von ihm aus in stärkerem Umfang in Anspruch genommen als von anderen Grundstücken (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 10. Aufl., § 35 Rn. 10 m. w. N.). Für die Frage, ob ein Grundstückseigentümer durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung einen besonderen wirtschaftlichen Vorteil (§ 6 Abs. 1 Satz 1 NKAG, § 5 ABS) hat, kommt es nicht auf die spezifischen Nutzungsmöglichkeiten des Grundstücks an, sondern nur darauf, dass überhaupt eine Nutzungsmöglichkeit besteht, die für eine Straße von Bedeutung ist (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 17. März 2000 - 9 L 4271/99 -, juris Rn. 5 m. w. N.). Das bedeutet, die Grundstücke müssen im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht über die Straße erreichbar sein (vgl. BayVGH, Urteil vom 6. April 2017 - 6 B 16.1043 -, juris Rn. 14; v. Waldthausen, in: Rosenzweig/Freese/von Waldthausen, NKAG, Stand: Februar 2016, § 6 Rn. 120). Dabei reicht es aus, wenn auf der Fahrbahn der ausgebauten Straße bis in Höhe des Grundstücks herangefahren werden kann und es dann möglich ist, das Grundstück zu betreten (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 16. Dezember 2003 - 2 L 505/02 -, juris Rn. 5). Der Erreichbarkeit dürfen weiter keine tatsächlichen Hindernisse im Weg stehen, die den Zugang unmöglich machen. Auch rechtlich muss der Zugang im Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht gesichert sein (vgl. BayVGH, Urteil vom 6. April 2017 - 6 B 16.1043 -, juris Rn. 15). Zu unterscheiden ist zwischen Hindernissen auf dem Anliegergrundstück und auf dem Straßengrundstück:

Rein tatsächliche Hindernisse auf dem Anliegergrundstück, die mit zumutbaren Mitteln beseitigt werden können, bilden keinen Grund, von der Beitragspflicht abzusehen, weil auf die bloße Möglichkeit abzustellen ist, Zugang zur Straße zu nehmen (vgl BayVGH, Beschluss vom 25. November 2019 - 6 ZB 19.525 -, juris 11; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 10. Aufl., § 35 Rn. 37); das gilt auch für rechtliche Hindernisse, die ausgeräumt werden können (vgl. Thüringer OVG, Beschluss vom 25. September 2013 - 4 EO 1205/10 -, juris Rn. 21). Daneben sind auch künstliche Zugangshindernisse wie Zäune, Stützmauern oder andere bauliche Anlagen auf dem Anliegergrundstück unbeachtlich für die vorteilsrechtliche Lage (vgl. BayVGH, Beschluss vom 25. November 2019 - 6 ZB 19.525 -, juris 12; Urteil vom 8. März 2010 - 6 B 09.1957 -, juris Rn. 20 m. w. N.).

Steht dagegen der Möglichkeit der Inanspruchnahme der ausgebauten Anlage von einem Anliegergrundstück aus ein auf dem Straßengrundstück befindliches Hindernis tatsächlicher Art, das nicht zum Betreten bestimmt und geeignet ist (etwa eine Böschung, Stützmauer oder ein Graben), entgegen, hindert dies grundsätzlich die Inanspruchnahmemöglichkeit der ausgebauten Straße und damit das Entstehen der Beitragspflicht, wenn es von der Gemeinde nicht rechtzeitig ausgeräumt wird (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 9. November 2012 - 9 LA 157/11 -, juris Rn. 7 m. w. N). Denn dann ist eine vorteilsrelevante Inanspruchnahmemöglichkeit der Anlage weder von den Gegebenheiten des Anliegergrundstücks noch von dem Willen des Eigentümers abhängig, sondern allein von der Anlage und damit letztlich von der Gemeinde. In diesen Fällen verfügt das Grundstück im maßgebenden Zeitpunkt nicht über eine ungehinderte Inanspruchnahmemöglichkeit der ausgebauten Straße und unterliegt mangels einer solchen auch nicht der Beitragspflicht (vgl. Thüringer OVG, Beschluss vom 24. Juni 2013 - 4 EO 233/10 -, juris Rn. 35; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 10. Aufl., § 35 Rn. 38). Ein Bach oder Graben kann als Hindernis ausgeräumt werden, wenn er im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht z. B. durch einen von der Gemeinde eigens errichteten oder bereits vorhandenen Steg überquert werden kann und damit zumindest eine fußläufige Zugangsmöglichkeit gewährleistet ist. Für eine tatsächliche Zugangsmöglichkeit zu einem Wohngrundstück reicht nicht jedwede Art des Zugangs aus, sondern der Zugang muss aktuell im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten den Anforderungen an eine gefahrlose Erreichbarkeit genügen. Die Voraussetzungen für den Zugang zu einem bestimmungsgemäß zu Wohnzwecken genutzten Grundstück entsprechen im Straßenausbaubeitragsrecht denen, die bauordnungsrechtlich an die Zugänglichkeit eines Baugrundstücks zu stellen sind und ergeben sich aus § 4 Abs. 1 NBauO i. V. m. der Allgemeinen Durchführungsverordnung zur NBauO (DVO-NBauO). Damit erfordert die bauordnungsrechtliche Zugänglichkeit zu einem Baugrundstück mit Gebäuden geringer Höhe gemäß § 4 Abs. 1 NBauO i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 DVO-NBauO einen Zugang mit einer Mindestbreite von 1,25 m. Diese Mindestbreite ist auch im Straßenausbaubeitragsrecht für die Erreichbarkeit eines Grundstücks maßgeblich, wenn dessen bestimmungsgemäße Nutzung als Wohngrundstück zu ermöglichen ist (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 9. November 2012 - 9 LA 157/11 -, juris Rn. 7; bestätigt durch Nds. OVG, Urteil vom 9. April 2015 - 9 LC 248/13 -, juris Rn. 26). Es muss neben dieser tatsächlichen Überquerungsmöglichkeit allerdings auch eine rechtlich gesicherte Befugnis zur Querung des Bachs bzw. Grabens existieren; hierfür genügt weder eine schuldrechtliche Gestattung einer Überquerung noch eine lediglich zur Pflege des Grundstücks genutzte Querungsmöglichkeit (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 9. November 2012 - 9 LA 157/11 -, juris Rn. 7 m. w. N.).

Ausgehend von diesen Maßgaben gilt für die Flurstücke der Beigeladenen Folgendes:

aa) Das Flurstück U. des Beigeladenen zu 1) ist durch die ausgebaute Anlage bevorteilt, weil es zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht sowohl tatsächlich als auch rechtlich gesichert erreichbar gewesen ist.

Der auf dem Gemeindegrundstück (Flurstück R.) befindliche Graben hindert die Inanspruchnahmemöglichkeit der Anlage "K." in tatsächlicher Hinsicht nicht. Er mag zwar ohne Überweg oder Brücke aufgrund seiner Breite und Tiefe nicht überwindbar sein, allerdings ist - wie die Kammer im Rahmen der Inaugenscheinnahme feststellen konnte - entgegen dem schriftsätzlichen Vortrag der Beklagten rein tatsächlich ein Überweg an der nordöstlichen Flurstücksgrenze zwischen dem Flurstück U. und R., südlich vom Grundstück der Kläger, vorhanden. Über diesen könnte das Flurstück des Beigeladenen zu 1) tatsächlich von der abgerechneten Anlage aus fußläufig erreicht werden. Diese Überwegung stellt sich nach Inaugenscheinnahme durch die Kammer als zwar unbefestigt, aber doch stabil dar und genügt mit einer nachgemessenen Breite von 3 Metern auch den Anforderungen an eine gefahrlose Erreichbarkeit (§ 4 Abs. 1 NBauO i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 DVO-NBauO). Der Erreichbarkeit und Vorteilslage steht ferner nicht entgegen, dass sich auf dem Flurstück des Beigeladenen zu 1) ein Zaun samt Bretterwand befindet, der ein Betreten über den Überweg derzeit verhindert. Dabei handelt es sich um ein künstliches Zugangshindernis auf dem Anliegergrundstück, welches der Vorteilslage des Grundstücks gerade nicht entgegensteht, weil es sonst in der Hand des Beigeladenen zu 1) stünde, der Beitragspflicht zu entgehen (vgl. hierzu Hess. VGH, Urteil vom 6. Mai 2009 - 5 A 2017/08 -, juris Rn. 23 m. w. N.).

Auch rechtlich ist die Erreichbarkeit gesichert. Zwar befindet sich der Graben mit dem Überweg auf dem Gemeindegrundstück R., und eine dingliche Sicherung der Nutzung des Überwegs ist nicht eingetragen. Allerdings ist dies vorliegend auch nicht erforderlich, denn Graben und Überweg gehören nach Ansicht der erkennenden Kammer als Teil der Grünfläche zwischen dem Flurstück des Beigeladenen zu 1) und dem Straßenkörper zum Straßenbegleitgrün und damit zur abgerechneten Anlage selbst, sodass es keiner gesonderten rechtlich gesicherten Befugnis zur Querung des Grabens über den Überweg bedarf. Unter Straßenbegleitgrün versteht man im ausbeitragsrechtlichen Sinn Grünflächen am Rande der Fahrbahn, die neben oder an die Stelle einer sonst üblichen Befestigung (z. B. Gehweg) treten (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 10. Aufl., § 33 Rn. 27). Bei dem Straßenbegleitgrün handelt es sich nicht um die Teileinrichtung einer Straße, sondern um Bestandteile der Straßenfläche (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 24. März 2010 - 4 L 284/08 -, juris Rn. 6; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 10. Aufl., § 33 Rn. 27 unter Hinweis auf Nds. OVG, Urteil vom 11. Juni 2010 - 9 LB 158/08 -, n. v.). So liegt es auch hier in Bezug auf die Grünfläche mit dem Graben. Die Beklagte hat die ca. 700 m2 große Grünfläche auf dem Flurstück R. in ihren Berechnungen zur Ermittlung der Straßenausbaubeiträge gesondert ausgewiesen und selbst als "Straßenbegleitgrün (Graben)" bezeichnet. An dieser getroffenen Einstufung muss sich die Beklagte festhalten lassen. Insbesondere bewertet die Kammer die Äußerung des Vertreters der Beklagten im Ortstermin, die Grünfläche sei ein selbstständiges Gemeindegrundstück und daher mangels rechtlich gesicherter Befugnis der Überquerung ein Zugangshindernis zu dem Flurstück U., als widersprüchliches Verhalten (§ 242 BGB) gegenüber der zuvor selbst getroffenen Einstufung als Straßenbegleitgrün. Die geäußerte Rechtsansicht ist aber auch sachlich unrichtig. Straßenkörper und Grünfläche liegen auf demselben Flurstück R.; keineswegs handelt es sich bei der Grünfläche mit Graben um ein eigenständiges Grund- oder Flurstück. Daneben ist die Kammer nach Durchführung der Beweisaufnahme vor Ort davon überzeugt (§ 108 Abs. 1 VwGO), dass die Grünfläche zur abgerechneten Anlage gehört. Dafür streitet der optische Eindruck, den die Kammer im Rahmen der Inaugenscheinnahme vor Ort gewinnen konnte. Die Grünfläche setzt unmittelbar westlich von dem Straßenkörper der Straße "K." an und erstreckt sich bis zur Grenze des Flurstücks U.. Eine Unterbrechung oder Zäsur dieses Grünstreifens existiert nicht, vielmehr ist es ohne weiteres möglich, über diese Grünfläche die Grenze zum Flurstück des Beigeladenen zu 1) fußläufig zu erreichen. Für diese Einordnung der Grünfläche als Straßenbegleitgrün spricht weiter, dass sich südlich - etwa auf Höhe des Flurstücks AD. - auf dieser Grünfläche ein Gehweg befindet, dessen Seitenbegrünung typischerweise Straßenbegleitgrün ist. Als Straßenbegleitgrün ist die Grünfläche unselbstständiger Bestandteil der Teileinrichtung Fahrbahn und damit der Straßenanlage "K.". Diese Straße (einschließlich der Grünfläche als Straßenbegleitgrün) ist dem öffentlichen Verkehr gewidmet und reicht unmittelbar an die Flurstücksgrenze des Flurstücks U. heran. Der Eintragung einer dinglichen Sicherung zur Querung des Grabens über den Überweg auf der Grünfläche bedurfte es folglich nach Ansicht der Kammer nicht zur rechtlich gesicherten Erreichbarkeit.

bb) Auch das Flurstück V. im Eigentum der Beigeladenen zu 2) hätte in das Abrechnungsgebiet miteinbezogen werden müssen, denn es wird durch die ausgebaute Anlage bevorteilt. Dies gilt trotz seiner Lage als anderes, sog. "nicht gefangenes" Hinterliegergrundstück ohne gemeinsame Grenze mit dem Straßengrundstück. Denn die Teilung des ursprünglichen Flurstücks AG. in die beiden Teilflurstücke U. und V. ist wegen des Missbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b NKAG i. V. m. § 42 Abgabenordnung (AO) unberücksichtigt zu lassen und beitragsrechtlich so zu behandeln, als habe sie nicht stattgefunden.

Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 AO kann durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Abgabengesetz nicht umgangen werden; vielmehr entsteht der Abgabenanspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht (§ 42 Abs. 1 Satz 3 AO). Dabei liegt ein solcher Missbrauch vor, wenn nach den Umständen des Einzelfalls eine Gestaltung gewählt wird, die gemessen an dem erstrebten Ziel unangemessen ist und durch wirtschaftliche oder sonstige beachtliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (vgl. auch § 42 Abs. 2 Satz 1 AO). Das Motiv, Abgaben zu sparen, macht dabei eine rechtliche Gestaltung noch nicht unangemessen. Dies ist erst dann der Fall, wenn der Abgabenpflichtige die vom Gesetz als naheliegend angesehene Gestaltung zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels nicht gebraucht, sondern dafür einen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzes das Ziel nicht erreichbar sein soll (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18. April 2018 - 15 A 270/16 -, juris Rn. 15 m. w. N.). Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn im zeitlichen Zusammenhang mit der bevorstehenden Entstehung sachlicher Beitragspflichten ein im hinteren Teil bebautes Grundstück geteilt und das dadurch entstandene, an die demnächst abzurechnende Anbaustraße angrenzende Anliegergrundstück auf einen Dritten übertragen wird, ohne dass die Übertragung aus wirtschaftlichen oder sonstigen beachtlichen Gründen nachvollziehbar ist (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 18. Januar 2022 - 9 LA 122/20 -, juris Rn. 6; m. w. N.). Es obliegt dem Abgabenschuldner im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht, einen wirtschaftlich sinnvollen oder anderen einleuchtenden Grund für die Übertragung des Grundstücksteils darzulegen. Zwar liegt die Beweislast für das Vorliegen eines Missbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten bei der Abgabenbehörde (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 18. Januar 2022 - 9 LA 122/20 -, juris Rn. 8), allerdings ist aufgrund der Mitwirkungspflicht dann, wenn keine vernünftigen Gründe genannt werden können, im Rahmen der Beweiswürdigung grundsätzlich ein Gestaltungsmissbrauch anzunehmen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 28. Februar 2008 - 2 S 1946/06 -, juris Rn. 21).

In Anwendung dieser Grundsätze ist die vorgenommene Teilung des Grundstücks der Flur L., Flurstück AG., missbräuchlich im vorstehenden Sinne, weil sie allein mit dem Zweck erfolgt ist, eine Beitragspflicht für das deutlich größere Grundstück V. zu vermeiden. Davon ist die Kammer unter Berücksichtigung des gesamten Verfahrens einschließlich der Angaben der Beigeladenen zu 2) in der mündlichen Verhandlung mit dem erforderlichen Maß an Gewissheit überzeugt (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Für einen Gestaltungsmissbrauch spricht zunächst die Größe des abgetrennten Flurstücks U. mit 308 m2, die - gemessen an der vormaligen Gesamtgröße des Flurstücks AG. von 3.513 m2- nicht beträchtlich ins Gewicht fällt. Das neugebildete Flurstück U. ist - unabhängig von seinem derzeitigen starken Baum- und Strauchbewuchs - wegen dieser geringen Größe kaum eigenständig nutzbar. Weiter ist der zeitliche Zusammenhang zwischen der Grundstücksteilung im Dezember 2017 und den Ausbaumaßnahmen augenfällig. Die Gemeinde A-Stadt beabsichtigte bereits seit 2015 den Ausbau der Straße "K." und erklärte diesen zur Maßnahme höchster Priorität. Im Februar 2017 schlug das Planungsbüro die im Einzelnen geplanten Maßnahmen vor. Im Oktober 2017 fand dann eine Anliegerversammlung anlässlich der bevorstehenden Ausbaumaßnahmen statt, an der unbestritten auch die Beigeladenen teilgenommen haben. Knapp zwei Monate später erfolgte sodann die Grundstücksteilung. Bei diesen Umständen drängt sich für die Kammer die Annahme einer gestaltungsmissbräuchlichen Teilung geradezu auf.

Den gegen die Beigeladenen streitenden ersten Anschein des Gestaltungsmissbrauchs haben diese nicht zu entkräften vermocht. Nachvollziehbare wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe für die Grundstücksteilung gerade zu diesem Zeitpunkt haben diese trotz der ihr obliegenden Mitwirkungspflicht auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht aufzeigen können. Zwar hat die Beigeladene zu 2) im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausgeführt, sie habe die Grundstücksteilung und Übertragung des Flurstücks U. an ihre Tochter vorgenommen, damit diese dort Parkplätze für ihre auf dem südlich gelegenen Flurstück AD. geplante Arztpraxis errichten könnte. Diesen Erklärungsansatz hält die erkennende Kammer allerdings nicht für einen nachvollziehbaren wirtschaftlichen oder sonst beachtlichen Grund. Das liegt zum einen an den zeitlichen Abläufen, wie sie die Beigeladene zu 2) geschildert hat. So hat sie erklärt, ihre Tochter habe 2016 beabsichtigt, auf dem Flurstück AD. eine Arztpraxis zu eröffnen. Diese Pläne hätten sich aber schnell verflüchtigt, weil ihr ein besseres Angebot im Ortszentrum gemacht worden sei. Deshalb sei nicht einmal ein Bauantrag gestellt worden. Vor diesem Zeitrahmen ist es nicht nachvollziehbar, warum noch vor Stellung eines Bauantrags und trotz bereits erfolgter Aufgabe der Pläne einer Arztpraxis auf dem Flurstück AD. das "Parkplatzgrundstück" Flurstück U. gebildet worden ist und dies noch im Dezember 2017 unmittelbar vor dem Ausbau der Straße. Zum anderen spricht die Gestaltung der Grundstücksteilung entscheidend gegen die behauptete Absicht, auf dem Flurstück U. einen von dem südlichen Flurstück AD. erreichbaren Parkplatz zu errichten. Das abgetrennte Flurstück ist nach Einschätzung der Kammer im Rahmen des Ortstermins nicht geeignet für die behauptete Nutzung als Parkfläche. Zum einen ist es hierfür nach den Eindrücken vor Ort zu schmal. Angesichts der geringen Breite wäre es nicht möglich, Parkbuchten neben einer Zufahrt hierauf zu errichten; als Zufahrt würde noch ein Teil des Flurstücks V. benötigt werden. Zum anderen erscheint es der Kammer wenig glaubhaft, dass die Beigeladene zu 2) unmittelbar neben dem Teich als idyllische Rückzugszone auf ihrem Flurstück V. das Parken von ihr unbekannten Patienten beabsichtigt hätte. Sollte die Grundstücksteilung wirklich wie behauptet für die Errichtung von Parkplätzen erfolgt sein, wäre das Flurstück AG. bei lebensnaher Betrachtung in einer anderen Form geteilt worden; nämlich so, dass das Flurstück, auf dem die Parkplätze geplant waren, unmittelbar nördlich an dem Flurstück AD. anliegen würde. Schließlich spricht gegen die vorgebrachte Begründung der Teilung zwecks Schaffung von Parkplätzen für das Flurstück AD., dass dieses Flurstück mit 1.106 m2 über eine hinreichende Größe zur eigenen Schaffung von Parkkapazitäten verfügen würde. Dieser Eindruck hat sich für die Kammer im Rahmen der Inaugenscheinnahme, bei der auch das Flurstück AD. besichtigt worden ist, bestätigt. Die Beigeladene zu 2) konnte daher nicht überzeugend aufzeigen, warum gerade die Neubildung des Flurstücks U. - dazu noch in dieser Gestalt - erforderlich gewesen sein soll, um Parkkapazitäten zu schaffen.

Rechtsfolge dieser missbräuchlichen Grundstücksteilung ist, dass der Sachverhalt beitragsrechtlich so zu bewerten ist, als ob die Teilung und Übertragung nicht stattgefunden hätten (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 10. Aufl., § 17 Rn. 119). Dadurch liegt das Grundstück Flurstück V. direkt an der ausgebauten Anlage.

d) Der streitbefangene Bescheid unterliegt aber nur teilweise - nämlich in Höhe von 1.869,54 € - der Aufhebung, denn nur in dieser Höhe verletzt er die subjektiven Rechte der Kläger (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). In Höhe von 5.286,79 € ist die Heranziehung der Kläger rechtmäßig.

Unstreitig werden die Kläger als Eigentümer des Grundstücks der Flur L., Flurstück M., durch die ausgebaute Straße bevorteilt und sind daher für die durchgeführten Maßnahmen beitragspflichtig (§ 6 Abs. 1 Satz 1 NKAG, §§ 5, 12 ABS). Die Beklagte hat auch die Verteilungsregelung aus § 6 ABS zutreffend angewendet. Für die in das Abrechnungsgebiet einbezogenen Grundstücke sind Fehler weder bei der Berechnung der Grundstücksfläche (§ 6 Abs. 2 ABS) noch bei der Ermittlung des Nutzungsfaktors (§ 6 Abs. 3 - 5 ABS) ersichtlich und auch nicht vorgetragen. Die Einordnung der abgerechneten Anlage "K." als Straße mit starkem inhaltlichen Verkehr und daher die Vorteilsbemessung nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 ABS ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten.

Jedoch beläuft sich der von den Klägern zu leistende Beitrag bei rechtsfehlerfreier Bestimmung des Abrechnungsgebietes (unter Einbezug der Flurstücke der Beigeladenen) nur auf 5.286,79 €, wie sich aus der von der Kammer im Vorfeld angeforderten und den Beteiligten zur Kenntnis gereichten Vergleichsberechnung der Beklagten ergibt. In dem darüber hinaus gehenden Umfang ist der Bescheid aufzuheben gewesen.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 162 Abs. 3 VwGO. Gründe dafür, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aus Billigkeit für erstattungsfähig zu erklären, bestehen nicht. Diese haben keinen Antrag gestellt und damit kein Kostenrisiko übernommen.

III. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 167 Abs. 1 VwGO, 708 Nr. 11, 709 Satz 2 analog, 711 ZPO.

IV. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.