Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 23.03.2000, Az.: 11 L 975/00

Familienzusammenführung; Verlängerung Aufenthaltserlaubnis; Verlängerung Aufenthaltsgenehmigung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
23.03.2000
Aktenzeichen
11 L 975/00
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2000, 41550
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - AZ: 5 A 419/99

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Art. 7 S. 1 ARB 1/80 setzt eine Nachzugsgenehmigung zum Zwecke der Familienzusammenführung voraus. Eine allein zum Zwecke der Ausbildung erteilte Aufenthaltserlaubnis reicht für eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach dieser Vorschrift nicht aus.

Gründe

1

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts hat keinen Erfolg.

2

1. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) hinsichtlich der von dem Kläger aufgeworfenen Frage, inwieweit volljährige Angehörige von türkischen Arbeitnehmern gemäß Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 einen Anspruch auf Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis haben, auch wenn diese ursprünglich für ihre Ausbildung erteilt wurde. Denn die Frage ist bereits aufgrund des Wortlauts des Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 dahingehend zu beantworten, dass diese Vorschrift eine Nachzugsgenehmigung zum Zwecke der Familienzusammenführung voraussetzt und deshalb eine allein zum Zwecke der Ausbildung - wie im vorliegenden Fall - erteilte Aufenthaltserlaubnis nicht ausreicht (so auch VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 29. 1. 1992, InfAuslR 1992, 127, 129 [VGH Baden-Württemberg 29.01.1992 - 11 S 1995/91]; OVG NW, Beschl. v. 22. 8. 1997, InfAuslR 1998, 23, 24 f. [OVG Nordrhein-Westfalen 22.08.1997 - 18 B 2856/95]; BayVGH, Urt. v. 4. 2. 1998, InfAuslR 1998, 154 f.; OVG Rh.-Pf., Beschl. v. 22. 6. 1998, InfAuslR 1998, 421 [OVG Rheinland-Pfalz 22.06.1998 - 10 B 10665/98]; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 12. 12. 1995, InfAuslR 1996, 165, 166 f. [BVerwG 12.12.1995 - BVerwG 1 C 35.94], das zwar über die Auslegung des Art. 7 Satz 2 ARB 1/80 zu entscheiden hatte, aber in den Gründen klarstellt, dass Satz 2 im Gegensatz zu Satz 1 des Art. 7 ARB 1/80 keine Genehmigung zum Zwecke der Familienzusammenführung voraussetzt; offengelassen worden ist diese Frage vom Schl.-H. OVG, Urt. v. 16. 2. 1993, InfAuslR 1993, 166, 168).

3

Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 setzt voraus, dass der Familienangehörige eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedsstaats angehörenden türkischen Arbeitnehmers die Genehmigung erhalten hat, "zu ihm zu ziehen". Damit wird die Zweckrichtung der Einreisegenehmigung, nämlich die zur Aufrechterhaltung der familiären Verbundenheit gewährte Befugnis zur gemeinsamen Wohnsitznahme im Aufnahmeland, zum Ausdruck gebracht. Mit dem Erfordernis einer Genehmigung zum Zwecke der Familienzusammenführung unterscheidet sich Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 sowohl von Satz 2 dieser Regelung als auch von Art. 6 ARB 1/80 (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 29. 1. 1992, a. a. O., Hailbronner, AuslR, Komm., Stand: Dezember 1999, Assoziation EWG/Türkei, Rdnr. 35), die eine solche ausdrückliche Einschränkung nicht enthalten.

4

 Diese Auslegung des Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 entspricht auch seinem Sinn und Zweck - wie er auch vom EuGH in der Kadiman-Entscheidung (Vorabentscheidung vom 17. 4. 1997, InfAuslR 1997, 281) festgestellt worden ist -, der darin besteht, günstige Voraussetzungen für die Familienzusammenführung im Aufnahmemitgliedsstaat zu schaffen. Als Konsequenz daraus muss der Grund für die Einreise des Betroffenen in den jeweiligen Mitgliedsstaat die Familienzusammenführung sein (so auch EuGH, Vorabentscheidung v. 17. 4. 1997, a. a. O., S. 283, wo noch darüber hinaus gefordert wird, dass sich dieser Grund für die Einreise während einer bestimmten Zeit im tatsächlichen Zusammenleben des Betroffenen mit dem Arbeitnehmer in häuslicher Gemeinschaft manifestiert haben muss).

5

Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergibt sich auch nicht daraus, dass der EuGH in der Eroglu-Entscheidung (Urt. v. 3. 10. 1994, InfAuslR 1994, 385) zu Art. 7 Satz 2 ARB 1/80 die Auffassung vertreten hat, diese Regelung hänge nicht davon ab, aus welchem Grund dem Betroffenen die Einreise- und Aufenthaltsgenehmigung ursprünglich erteilt worden ist, da der EuGH in dieser Entscheidung allein zur Auslegung des Satz 2 des Art. 7 ARB 1/80 Stellung genommen hat, der für Kinder eines türkischen Arbeitnehmers, die im Aufnahmeland eine Berufsausbildung abgeschlossen haben (dies hat der Kläger noch nicht erreicht), nicht verlangt, dass sie eine "Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen", und sich damit hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen deutlich von Satz 1 dieser Regelung unterscheidet (so auch BVerwG, Urt. v. 12. 12. 1995, a. a. O.).

6

Schließlich ist der EuGH auch in der Ergat-Entscheidung (Urteil vom 16. März 2000 - C-329/97 -) unter Bezugnahme auf die Kadiman-Entscheidung davon ausgegangen, dass Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 eine Genehmigung "zum Zweck der Familienzusammenführung" (vgl. Rdnrn. 28, 35 und 36 des Urteils) voraussetzt.

7

Für die Beantwortung der aufgeworfenen Frage ist es im übrigen unerheblich, dass der Kläger bereits volljährig ist, da Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 keine Altersbegrenzung enthält (BVerwG, Beschl. v. 15. 7. 1997, InfAusR 1998, 4, 5).

8

2. Anhaltspunkte für die von dem Kläger ferner gerügte Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§§ 124 Abs. 2 Nr. 5 i. V. m. 138 Nr. 3 VwGO) sind nicht ersichtlich, da sich das Verwaltungsgericht ausführlich (in dem Prozesskostenhilfe-Beschluss vom 15. November 1999, auf den das angefochtene Urteil Bezug nimmt) mit der hier entscheidungserheblichen Frage der Auslegung des Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 unter Einbeziehung der von dem Kläger für seine Auffassung angeführten Entscheidungen des EuGH auseinandergesetzt hat.