Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 02.03.2000, Az.: 12 M 756/00
Anhörung; Bevollmächtigter; Ermittlung; Fahrtenbuch; Täterfeststellung; Unmöglichkeit der Fahrerfeststellung; Verschulden; Vertreter; Zurechnung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 02.03.2000
- Aktenzeichen
- 12 M 756/00
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2000, 41543
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - AZ: 7 B 4867/99
Rechtsgrundlagen
- § 164 BGB
- § 13 GKG
- § 20 Abs 3 GKG
- § 46 OWiG
- § 60 OWiG
- § 31a StVZO
- § 67 VwGO
- § 78 ZPO
- § 85 ZPO
- § 85 Abs 1 S 1 ZPO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Zur Aufklärungspflicht der Behörde.
2. Zur Anhörung des Kraftfahrzeughalters.
3. Zur Zurechenbarkeit des Verhaltens der Bevollmächtigten.
Tenor:
Der Antrag des Antragstellers, die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 7. Kammer, Einzelrichter - vom 10. Februar 2000 zuzulassen, wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdezulassungsverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes für den zweiten Rechtszug wird auf 1.500,- DM festgesetzt.
Gründe
Der Antrag, die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts zuzulassen, bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Gründe für die Zulassung der Beschwerde - ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses und grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache - sind nicht hinreichend dargelegt, sie liegen auch der Sache nach nicht vor.
Die Zulassung der Beschwerde erfordert, dass einer der in §§ 146 Abs. 4, 124 Abs. 2 VwGO (i.d.F. des Sechsten Gesetzes zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 1. November 1996, BGBl. I S. 1626) bezeichneten Zulassungsgründe eindeutig geltend gemacht und innerhalb der Antragsfrist aus sich heraus verständlich näher dargelegt (§ 146 Abs. 5 Satz 3 VwGO) wird, dass und aus welchen Gründen dieser Zulassungsgrund vorliegen soll. An die Darlegung sind nicht geringe Anforderungen zu stellen (vgl. Senat, Beschl. v. 16.9.1997 - 12 L 3580/97 -, NdsVBl. 1997, 282 und st. Rspr.; Bader, DÖV 1997, 442; ders., in: Bader, VwGO, Rdnrn. 41 zu § 146, Rdnrn. 27 ff zu § 124a; Seibert, DVBl. 1997, 932; Kopp/Schenke, VwGO, 11. Aufl. 1998, RdNr. 7 zu § 124a). ...
Für den Zulassungsgrund der §§ 146 Abs. 4, 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist für die Darlegung als Mindestvoraussetzung zu verlangen, dass geltend gemacht wird, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung im Ergebnis unrichtig ist, und die Sachgründe hierfür bezeichnet und erläutert werden.
Hiernach ist für die Darlegung hinreichend, dass ...
Diesem Maßstab wird der Zulassungsantrag nicht in vollem Umfang gerecht, der nur in Form einer allgemeinen Rechtsbehauptung geltend macht, es sei dem Antragsteller nicht zuzurechnen, dass er keine Angaben dazu gemacht habe, wer das von ihm gehaltene Kraftfahrzeug zum Zeitpunkt einer Verkehrszuwiderhandlung gelenkt habe, weil er hiermit seinen Bevollmächtigten beauftragt habe, eine entsprechende Zurechnungsnorm fehle, deshalb sei die Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen, rechtswidrig.
Wie das Verwaltungsgericht zu Recht festgehalten hat, kann nach § 31a StVZO die Verkehrsbehörde gegen einen Fahrzeughalter die Führung eines Fahrtenbuches anordnen, wenn die Feststellung des verantwortlichen Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen die Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Eine solche Unmöglichkeit liegt vor, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage war, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.12.1982 - BVerwG 7 C 3.80 -, Buchholz 442.16, § 31a StVZO Nr. 12). Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt: Beschl. v. 10.2.2000 - 12 L 468/00 -) ist die Anhörung oder Vernehmung des Kraftfahrzeughalters als Beteiligter oder als Zeuge zur Frage, wer das Fahrzeug zum Zeitpunkt des Verkehrsverstoßes geführt hat, dann nicht als angemessene und der Behörde zumutbare Aufklärungsmaßnahme anzusehen, wenn der Halter im Anhörungsbogen keine entsprechenden Angaben zur Sache gemacht hat und damit die Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes erkennbar ablehnt. So liegen die Dinge entgegen der Auffassung des Antragstellers hier, wobei herauszustellen ist, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Senats die Behörde zu weiteren Aufklärungsmaßnahmen nicht verpflichtet ist, wenn der Halter des Fahrzeuges Angaben zur Sache nicht macht. Der Antragsteller hat sich nicht geäußert, seine von ihm beauftragten Rechtsanwälte haben dazu gleichfalls innerhalb der Verjährungsfrist geschwiegen. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist das Verhalten seiner Bevollmächtigten ihm zurechenbar. Es ist ein allgemeines Rechtsprinzip, dass Handlungen und Verschulden des Vertreters oder Bevollmächtigten dem Vertretenen oder Vollmachtgeber wie eigenes Verhalten oder eigenes Verschulden zuzurechnen ist (vgl. §§ 164 ff. BGB, 46, 60 OWiG, 78 ff, 85 ZPO, 60, 67 VwGO, 14 ff. VwVfG; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 9.10.1973 - BVerwG V C 110.72 -, BVerwGE 44, 104). Deutlich drückt dieses Prinzip § 85 Abs. 1 Satz 1 ZPO aus, wonach die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen für die Partei in gleicher Art verpflichtend sind, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären und (Abs. 2 aaO) das Verschulden des Bevollmächtigten dem Verschulden der Partei gleichsteht. Jedenfalls haben die Bevollmächtigten des Antragstellers die Nichtäußerung auch dadurch verschuldet, dass sie trotz des Hinweisschreibens der Antragsgegnerin vom 30. September 1999 weitere Erklärungen nicht abgegeben haben, weil dies Schreiben bei ihnen "untergegangen" sei (S. 4 der Antragsschrift, vorletzter Absatz). Angesichts der unterlassenen Mitwirkung des Antragstellers (seiner Bevollmächtigten) kommt es auf das weitere Verhalten der Bußgeldstelle der Antragsgegnerin nicht an. Deshalb ist auch der Hinweis des Antragstellers nicht belangvoll, bei der streitigen Anordnung hätte die Antragsgegnerin ihr Ermessen dahin betätigen müssen, zugunsten des Antragstellers das "Ermittlungsverhalten der Bußgeldstelle" zu berücksichtigen. Angesichts der fehlenden Mitwirkung des Antragstellers war die Bußgeldstelle zu weiterer Aufklärung nicht gehalten mit der Folge, dass ihr Vorgehen nicht zugunsten des Antragstellers bei der Ermessensbetätigung im Rahmen von § 31a StVZO in die Waagschale fällt.
Unzulänglich ist auch der Zulassungsantrag, soweit er die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht.
Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache im Sinne der §§ 146 Abs. 4, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nur dann zu, wenn sie in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht eine Frage aufwirft, die im Rechtsmittelzug entscheidungserheblich und fallübergreifender Klärung zugänglich ist sowie im Interesse der Rechtseinheit geklärt werden muss. Der Zulassungsantrag muss eine konkrete Frage aufwerfen, ...
Diese Anforderungen erfüllt der Zulassungsantrag ersichtlich nicht, der sich damit begnügt, anzuführen, der Rechtssache komme grundsätzliche Bedeutung zu, ohne eine bestimmte Rechtsfrage zu bezeichnen und ohne die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache eigenständig zu entwickeln (insoweit bezieht sich der Zulassungsantrag nur auf die Ausführungen zur Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses).
Davon abgesehen kommt der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung nicht zu. Soweit der Zulassungsantrag - sinngemäß - der Frage grundsätzliche Bedeutung beimessen mag, in welchem Umfang die Verwaltungsbehörde den Verkehrsverstoß aufzuklären hat, ist diese Frage in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte (s.o.) geklärt, die Frage der Zurechenbarkeit für das Verhalten eines Bevollmächtigten ist nicht klärungsbedürftig, da sie sich bereits aus den gesetzlichen Vorschriften beantwortet.
Unzulänglich ist schließlich der Zulassungsantrag, soweit er - sinngemäß - die Divergenzrüge erhebt ("es wäre sogar zu überlegen, ob der Beschluss nicht im Widerspruch zu diesbezüglich ergangener obergerichtlicher Rechtsprechung steht, was meines Erachtens der Fall ist").
Eine die Beschwerdezulassung gemäß §§ 146 Abs. 4, 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne von § 146 Abs. 5 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn ...
Alle diese Anforderungen erfüllt der Zulassungsantrag nicht, der weder einen bestimmten abstrakten Rechtssatz aufzeigt, der in einer Entscheidung der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO bezeichneten Gerichte aufgestellt worden sei, noch einen ebensolchen Rechtssatz in der Entscheidung des Verwaltungsgerichts benennt.
Davon abgesehen liegt eine Divergenz auch nicht vor, da das Verwaltungsgericht sich an der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zu der Auslegung des § 31a StVZO orientiert hat.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 154 Abs. 2 VwGO, 20 Abs. 3, 13, 14 GKG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).