Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 30.03.2000, Az.: 1 K 2491/98

Bekanntmachung; Einzelhandelsgroßprojekt; Flächennutzungsplan; Genehmigung; Konkurrenzschutz; Mittelzentrum; Normenkontrollantrag; Normenkontrolle; Normenkontrollverfahren

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
30.03.2000
Aktenzeichen
1 K 2491/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 42089
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Leitsätze ZfBR:

1. Zur Form der Bekanntmachung der Genehmigung des Flächennutzungsplanes. Eine Bauleitplanung ist im Überschwemmungsgebiet nicht ausgeschlossen.

2. Befürchtungen eines Mittelzentrums, ein großflächiger Textilmarkt des "unteren Preissegments" in einer Nachbargemeinde könne in Zeiten einer ungünstigen Konjunktur zu einem Abwandern der Kaufkraft führen, stellt keine unzumutbaren Auswirkungen städtebaulicher Art dar.

3. Die Bestimmung des Landesraumordnungsprogrammes II, Umfang und Zweckbestimmung von Einzelhandelsgrpßprojekten müssten der jeweiligen Stufe der zentralen Orte entsprechen, ausgeglichene Versorgungsstrukturen dürften durch solche Objekte nicht wesentlich beeinträchtigt werden, räumt Mittelzentren keinen "Konkurrenzschutz" absoluter Art ein.

1. Belegt ein Gutachten, dass ein Mittelzentrum für ein Warensortiment mehr Verkaufsfläche als der Bundesdurchschnitt aufweist, obgleich in eine Nachbargemeinde ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb dieses Sortiments seit 10 Jahren besteht, kann die Gemeinde unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art gegen eine Verlagerung des Einzelhandelsbetriebes innerhalb der Nachbargemeinde nicht geltend machen.
2. Die Bestimmung des Landesraumordnungsprogramms, dass Umfang und Zweckbestimmung von Einzelhandelsgroßprojekten der jeweiligen Stufe der zentralen Orte zu entsprechen haben, ist für ein Ziel der Raumordnung nicht bestimmt genug.
3. Möglichkeiten der Bauleitplanung im Überschwemmungsgebiet.

Tatbestand:

1

Die Antragstellerin wendet sich unter anderem unter Berufung auf ihre Stellung als Mittelzentrum sowie wegen der befürchteten Kaufkraftabflüsse gegen einen Vorhaben- und Erschließungsplan der Antragsgegnerin, mit dem diese eine Umsiedlung der Anzuhörenden, einem Textilunternehmen, ermöglichen will. In deren Betrieb werden Kleidungsstücke aus dem unteren Preissegment, die überwiegend noch in Deutschland genäht werden, verkauft. Er befand sich seit 1986 am nordwestlichen Ortsausgang an der B 83 im sogenannten Allkauf-Center. 1995 gab sie den Betrieb auf.

2

In dem - laut Antragstellerin: nur vorgeschobenen - Bestreben, der Äußerungsberechtigten, die Umsiedlung auf ihrem Gemeindegebiet zu eröffnen, leitete die Antragsgegnerin 1995 die 29. Änderung ihres Flächennutzungsplanes sowie die Ausstellung eines Bebauungsplanes Nr. 46 "Südlich der Bahnanlagen" sowie des hier angegriffenen Vorhaben- und Erschließungsplanes ein.

3

Der Normenkontrollantrag hat nur zum Teil Erfolg.

Entscheidungsgründe

4

Der auch im übrigen zulässige Normenkontrollantrag ist indes nur zum Teil begründet. Er hat einen Teilerfolg allein deshalb, weil die Antragsgegnerin den angegriffenen Vorhaben- und Erschließungsplan nicht ordnungsgemäß ausgefertigt hatte (wird ausgeführt).

5

Im Übrigen ist der Normenkontrollantrag nicht begründet. Die von der Antragstellerin erhobenen Rügen greifen nicht durch.

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Der Vorhaben- und Erschließungsplan ist in Übereinstimmung mit § 8 BauGB aus einem parallel geänderten Flächennutzungsplan entwickelt worden. Die Rüge, die 29. Änderung des Flächennutzungsplanes sei nicht in ortsüblicher Weise bekannt gemacht worden und das Parallelverfahren schon aus diesem Grunde nicht eingehalten, greift im Ergebnis nicht durch. Die Antragsgegnerin hat die 29. Änderung ihres Flächennutzungsplanes zwar in einem unzutreffenden Publikationsorgan und damit nicht wirksam bekannt gemacht. Dieser Mangel ist indes unbeachtlich.

7

Das Baugesetzbuch enthält keine Bestimmungen dazu, wie die in ihm vorgeschriebene Bekanntmachungen durchzuführen sind. Dafür ist das Landesrecht maßgeblich. Das ist hier die Verordnung über die öffentliche Bekanntmachung von Rechtsvorschriften der Gemeinden und Landkreise in Verkündungsblättern (am 9. Dezember 1996, GVBl. S. 520 - BekVO -). Diese bestimmt in ihrem § 1, dass Rechtsvorschriften (Satzungen und Verordnungen) in dem Amtsblatt der Bezirksregierung oder in einer örtlichen Tageszeitung bekannt zu machen sind. In der Hauptsatzung ist nach § 1 Abs. 3 BekVO das Verkündungsblatt, in dem alle Rechtsvorschriften bekannt zu machen sind, namentlich zu bezeichnen. Diese Bestimmung gilt gemäß § 6 BekVO für den Flächennutzungsplan entsprechend.

8

§ 21 Abs. 2 der Hauptsatzung der Antragsgegnerin (Anlagenteil 1 BA C) bestimmt, dass Satzungen und Verordnungen im Amtsblatt für den Regierungsbezirk Hannover bekannt gemacht würden und auf diese Bekanntmachung in der Schaumburger sowie in der Deister- und Weser-Zeitung hinzuweisen sei. Entgegen der Annahme der Antragstellerin ist dies eine auch für Flächennutzungspläne ausreichende Bestimmung trotz des Umstandes, dass § 21 Abs. 4 der Hauptsatzung für "andere Bekanntmachungen" den Aushang an der städtischen Bekanntmachungstafel im Rathaus anordnet und eine Sonderbestimmung für den Flächennutzungsplan fehlt. Einer solchen Sonderbestimmung für Flächennutzungspläne bedarf es wegen der Anordnung des § 6 BekVO nicht, § 1 BekVO sei auf sie entsprechend anzuwenden. Gerade kraft dieser landesrechtlichen Verweisung braucht sich die Hauptsatzung der Gemeinde nur zu "Rechtsvorschriften", d.h. Satzungen und Verordnungen zu verhalten. Der Rest ergibt sich im Hinblick auf Flächennutzungspläne aus § 6 BekVO. Diesen Anforderungen genügte die Bekanntmachung der 29. Änderung des Flächennutzungsplanes nicht. Diese wurde nur in den beiden oben genannten Zeitungen bekannt gemacht, nicht dagegen - wie dies zutreffend beim angegriffenen Vorhaben- und Erschließungsplan geschehen war - im Amtsblatt. Dieser Mangel ist hier indes wegen § 214 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 BauGB - beide Vorschriften können miteinander kombiniert werden - unbeachtlich. Der geschilderte Mangel ist formeller Natur. Die Gegenüberstellung zum Einleitungssatz des § 214 Abs. 1 BauGB zeigt, dass auch Formvorschriften des Landesrechts nach Absatz 2 unbeachtlich sein können. Die weitere Voraussetzung (§ 214 Abs. 2 Nr. 4 BauGB), die geordnete städtebauliche Entwicklung dürfe nicht beeinträchtigt sein/werden, ist erfüllt.

9

Der Vorhaben- und Erschließungsplan unterliegt - materiell - ebenfalls keinen durchgreifenden Bedenken. Er ist namentlich nicht deshalb zu beanstanden, weil ein Teil seines Bereiches im Überschwemmungsgebiet liegt. Nach § 93 Absätze 1 und 2 NWG dürfen im Überschwemmungsgebiet ohne Genehmigung der Wasserbehörde u.a. bauliche Anlagen nicht hergestellt oder geändert werden. Ein generelles Bauverbot stellt dies - wie sich schon aus dem Wortlaut ergibt - nicht dar. § 93 NWG lässt vielmehr die Errichtung von Einzelvorhaben mit Genehmigung der Wasserbehörde zu. Das mag der Planung eines größeren zusammenhängenden Baugebiets im Überschwemmungsgebiet so lange entgegenstehen, wie der Bereich der Überschwemmungsverordnung nicht in einer dem Planvorhaben günstigen Weise geändert worden ist. Einer - wie hier - vorhabenbezogenen Planung des § 12 BauGB n.F. steht § 93 NWG dagegen nicht entgegen (vgl. Nds. OVG, Beschl. vom 8.12.1995 - 6 M 7018/95 - V.n.b. unter Hinweis auf Bad.-Württ. VGH, Urt. vom 24.11.1994 - 2 N 93.3393 -, NVwZ 1995, 924). Das gilt jedenfalls im hier gegebenen Fall. Denn die überbaubaren Flächen sind außerhalb des Überschwemmungsgebietes festgesetzt worden. Der Baukörper des Textilmarktes kann außerhalb des Verordnungsbereiches errichtet werden. Lediglich die auf nicht überbaubaren Grundstücksteilen zulässigen Einstellplätze liegen im Geltungsbereich der Überschwemmungsverordnung. Es ist indes evident, das diese in einer Weise angelegt werden können, welche mit den Belangen des Überschwemmungsschutzes in Einklang gebracht werden können. Der Genehmigungsbescheid des Landkreises H. vom 8. Januar 1997 - 66.1-23/7-1 - zeigt dementsprechend, dass die Bedenken, welche eine Verwirklichung des von der Anzuhörenden verfolgten Vorhabens aus wasserrechtlicher Sicht entgegenstanden, haben ausgeräumt werden können. Dieser Bescheid ist vor dem Satzungsbeschluss vom 17. März 1997 erteilt worden.

10

Die angegriffene Planung verletzt nicht das interkommunale Abstimmungsgebot (§ 2 Abs. 2 BauGB). Es fordert der Antragsgegnerin ab, ihre Planung mit derjenigen der Antragstellerin in einer Weise abzustimmen, die auf sie Rücksicht nimmt und unzumutbare Einwirkungen auf die Antragstellerin vermeidet, d. h. sie vor unmittelbaren Auswirkungen gewichtiger Art verschont. Bei dieser Abstimmung ist insbesondere das Gebot zu sachgerechter Abwägung widerstreitender nachbarlicher Belange zu beachten. (vgl. zum Vorstehenden BVerwG, Urt. vom 15.12.1989 - 4 C 36.86 -, BVerwGE 84, 209, 215 f. = BRS 50 Nr. 193; Beschl. vom 9.5.1994 - 4 NB 18.94 -, BauR 1994, 492 = NVwZ 1995, 266 = BRS 56, Nr.36). Ob die von der Antragstellerin ins Feld zu führenden Interessen verstärkt das Gewicht erlangen (können), wenn sie zugleich Zielen der Raumordnung und Landesplanung entsprechen (mit beachtlichen Gründen verneinend BayVGH, Beschl. vom 25.10.1999 - 26 CS 99.222 -, BayVbl. 2000, 152; Büchner, NVwZ 1999, 345, 348 f. m.w.N.), kann hier unentschieden bleiben. Denn nachstehend wird im Zusammenhang mit § 1 Abs. 4 BauGB auszuführen sein, dass Ziele der Raumordnung und Landesplanung die Antragstellerin nicht berechtigen, das Vorhaben abzuwehren.

11

Die verfahrensrechtliche Seite des interkommunalen Abstimmungsgebotes hat die Antragsgegnerin unbestrittenermaßen gewahrt. Sie hat die Antragstellerin in allen Planungsschritten beteiligt und ihr Gelegenheit gegeben, ihre Sicht der Dinge geltend zu machen.

12

Aber auch in materieller Hinsicht ist das interkommunale Abstimmungsgebot nicht verletzt worden. Der angegriffene Vorhaben- und Erschließungsplan stellt die Interessen der Antragstellerin, von der Verwirklichung eines Textilmarktes von rund 3.000 qm Verkaufsfläche verschont zu bleiben, nicht unter Verletzung der oben genannten materiellen Kriterien, d.h. von schutzwürdigen Interessen der Antragstellerin, hintan. Denn aus der oben zitierten Forschungsarbeit der Universität G "Einzelhandel & Citymarketing - Situationsanalyse des H. Einzelhandels und konzeptionelle Grundlagen eines Citymarketing" aus dem Jahre 1996 ergibt sich, dass die Ausnutzung des angegriffenen Vorhaben- und Erschließungsplanes keine unzumutbaren Auswirkungen städtebaulicher Art, d.h. keine unmittelbaren Auswirkungen gewichtiger Art haben wird.

13

Es bestehen keine Bedenken, dieses Privatgutachten zur Stütze der Senatsentscheidung zu machen. Ein generelles Verbot, solche Gutachten zu verwerten, gibt es nicht. Der Umstand, dass es auf Veranlassung der Antragstellerin erstattet worden ist, mag bei seiner Würdigung zu beachten sein. Diese ergibt, dass methodische Fehler nicht erkennbar, im Übrigen auch nicht geltend gemacht sind und schon nach dem Inhalt dieses Gutachtens keine Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, die Antragstellerin werde durch das angegriffene Vorhaben im oben beschriebenen Sinne unzumutbar beeinträchtigt. Dementsprechend bestand auch für die Antragsgegnerin, der die Antragstellerin diese Äußerung mit ihrer Eingabe vom 21. Mai 1996 übersandt hatte, kein Anlass, den von der Antragstellerin behaupteten Gefahren - wie von dieser beantragt - durch Einholung eines neuen, eigenen Gutachtens weiter nachzugehen. Die planende Gemeinde ist nicht verpflichtet, jedwede Zweifelsfrage gutachtlich klären zu lassen. Eine solche - schon bei der Prüfung des Abwägungsvorgangs rechtlich erhebliche - Pflicht besteht vielmehr erst dann, wenn vorgebracht wird oder von Amts wegen ersichtlich sein muss, dass abwägungsrelevante Zweifelsfragen eines Ausmaßes existieren, die mit "gemeindlichen Bordmitteln" nicht (mehr) zu klären sind. Das war hier gerade nach der Einreichung der nunmehr zu würdigenden Untersuchung aus dem Jahr 1996 nicht der Fall.

14

Bei ihrer Betrachtung ist als ganz wesentlicher Gesichtspunkt voran- und einzustellen, dass der 1986 am nordwestlichen Ortsausgang der Antragsgegnerin eingerichtete Textilmarkt der Anzuhörenden schon ca. neun Jahre bestand, als die Abteilung Wirtschaftsgeographie der Universität G ihre eigenen Tatsachengrundlagen zu ihrer Stellungnahme ermittelte; dies geschah Seite 3 des Gutachtens zufolge in der Zeit von Juni bis September 1995. Selbst wenn man annimmt, dass noch etwas älteres Zahlenmaterial in die Untersuchung eingeflossen ist (Seite 24 des Gutachtens wird beispielsweise eine Zahl aus dem Jahr 1992 verwendet), ist doch Folgendes festzuhalten: Die für das Gutachten aus dem Jahr 1996 ermittelten Ergebnisse geben einen Zustand wieder, zu dem der Betrieb der Anzuhörenden sich am Markt bereits fest etabliert hatte. Das lässt deshalb der Antragstellerin nachteilige Rückschlüsse auf die behaupteten unmittelbaren Auswirkungen auf ihr städtebauliches Gefüge zu, weil der alte und der neue Standort der Anzuhörenden im Wesentlichen dieselben Lagevorteile hat und der Betrieb am neuen Standort lediglich um ca. 300 qm Verkaufsfläche und damit nur unwesentlich vergrößert werden soll. Der Altstandort lag - von der Antragstellerin aus betrachtet - am nordwestlichen Ortsausgang und war dementsprechend erst nach Durchfahren des - allerdings nicht sonderlich großen - Ortskerns der Antragsgegnerin zu erreichen. Das wird sich bei Ausnutzung des angegriffenen Vorhaben- und Erschließungsplans entgegen früherer Darstellung der Antragstellerin nicht wesentlich ändern. Zwar liegt das Plangebiet zwischen der neuen, seit dem Jahre 1999 baulich fertiggestellten und dem Verkehr übergebenen Ortsumgehung der B 83 und der Bahntrasse. Es kann jedoch nach der Darstellung der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung, der die Antragstellerin dann nicht mehr substantiiert entgegengetreten ist, unmittelbar von der Ortsumgehung nicht erreicht werden. Dazu muss vielmehr - wie ein Mitarbeiter der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung anschaulich demonstriert hat - die Ortsumgehung frühzeitig verlassen und die Bahntrasse - den Markt der Anzuhörenden schon im Blick - zweimal überquert und ein Teil der Innenstadt der Antragsgegnerin durchmessen werden. Von einer deutlichen Lageverbesserung, welche eine Übertragung der 1995/96 von der Universität Göttingen erzielten Ergebnisse auf den neuen Standort ausschlösse, kann damit keine Rede sein.

15

Die Ergebnisse der Begutachtung durch die Universität G aus dem Jahre 1996 lassen sich etwa wie folgt zusammenfassen:

16

Schon die Kaufkraft der Antragstellerin ist überdurchschnittlich; sie liegt 11,2 % über dem Bundesdurchschnitt (auf Seite 11 oben d.G.). In der Altstadt der Antragstellerin, welche sie mit dem Normenkontrollantrag besonders zu schützen beabsichtigt, sind 26,5 v.H. der Geschäfte der Branche Textil/Bekleidung zuzurechnen. Sortiert man die Verkaufsflächen nach Warengruppen und nicht nach Branchenzuordnung des Geschäftes, dann entfallen sogar 43,2 v.H. der Verkaufsfläche in der Altstadt auf die Textilbekleidung. Dies stellt einen im Vergleich zu anderen Zentren sehr hohen Wert dar (Seite 14 d.G.). Insgesamt ist festzustellen, dass citytypische Bekleidungs- und Schuhgeschäfte gerade in der sogenannten A-Lage dominieren (Seite 15 unten d.G). Aufschlussreich ist, dass die Expansion der entsprechenden Verkaufsflächen überwiegend vor dem Jahr 1985 und damit so deutlich vor dem Auftreten der Anzuhörenden verlief, dass die Eröffnung ihres Textilmarktes im Jahre 1986 nicht als ursächlich für den anschließenden etwas schwächeren Zugang an Verkaufsflächen dieser Branche angesehen werden kann (Seite 23 d.G.). Aber auch nach dem Jahre 1985 ist die Verkaufsfläche bis zum Jahr 1995 um ca. 10 bis 20 v.H. gewachsen. Der Umsatz des Einzelhandels der Antragstellerin stieg zwischen den Jahren 1984 und 1992 um immerhin 40 v.H. (Seite 24 d.G.). Das mag zwar unter dem Bundesdurchschnitt (47 v.H. Steigerung) gelegen haben; bei der Berücksichtigung des Bundesdurchschnitts ist indes zu beachten, dass dessen Steigerung im Wesentlichen auf den Einfluss der Steigerung in den neuen Bundesländern zurückzuführen ist (a.a.O.). Bemerkenswert ist dies deshalb, weil im Jahr 1986 das Geschäft der Anzuhörenden auf den Plan getreten war und gleichwohl eine Steigerung um 40 v.H. bis zum Jahr 1992 hatte erzielt werden können. Schon das zeigt, dass ein erheblicher d.h. gewichtiger Einbruch durch die Verlagerung des Betriebs der Anzuhörenden nicht zu erwarten ist. Die Antragstellerin erfüllt nach dieser Studie (Seite 32 unten d.G.) voll ihre Funktion als Mittelzentrum; dies gilt namentlich im Hinblick auf die Marktgebiete für Bekleidung, auf denen die Antragstellerin sich eine charakteristische Stärke bei einem hohen Nachfragezufluss aus dem Umland (Seite 49 d.G.) unter starker regionaler Marktposition (Seite 52 d.G.) hat attestieren lassen. Insgesamt weist die Antragstellerin gerade auf dem Gebiet der Textilien eine hohe Attraktivität und einen dementsprechend hohen Nachfragezufluss aus dem Umland auf (vgl. auch Seite 34 und 35 d.G.). Diese starke Kaufkraftbindung bezieht sich namentlich auf den Altstadtbereich der Antragstellerin.

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Bemerkenswert ist (vgl. Seite 25, 37 und 39 sowie d.G.), dass diese Stärken seit den 70er Jahren bestehen und über die Jahre 1985 und 1995 im Wesentlichen gleich gut erhalten geblieben sind. Hinweise auf Instabilitäten enthält diese Studie nicht. Den Ausführungen auf Seite 51 zufolge gibt es namentlich keine Hinweise auf Angebotsdefizite oder Überangebot. Dementsprechend gibt es auch keine Anhaltspunkte für die Gefährdung dieser Bereiche, in denen die klassischen Stärken der Antragstellerin liegen, oder auf die Gefährdung der innerstädtischen Versorgungssituation (vgl. dazu Seite 52 f. d.G.). Auf dieser Linie liegt es auch, dass nach einer Befragung der Vertreter des Einzelhandels Hemmnisse weniger in einem unzureichenden Branchenmix, sondern in Umständen gesehen werden, welche allein in der Verantwortungssphäre der Stadtverwaltung der Antragstellerin liegen (vgl. Ausführungen Seite 62 ff. d.G., das Diagramm auf Seite 64 d.G. sowie die Ausführungen auf Seite 70 und die Tabelle auf Seite 81 d.G.).

18

Nach alledem liegt die Würdigung auf der Hand: Der Einzelhandel im Altstadtbereich der Antragstellerin war trotz langjährigen Auftretens der Anzuhörenden noch im Jahr 1995 "kerngesund". Ein Einfluss, der bei der Antragstellerin unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art auf das städtebauliche Geschehen namentlich im Altstadtbereich haben würde, ist in den neun Jahren, die der Betrieb der Anzuhörenden bis zur Erstellung des Gutachtens bestanden hat, nicht annähernd deutlich geworden. Solche Befürchtungen lassen sich entgegen der Annahme der Antragstellerin auch nicht unter Hinweis auf konjunkturelle Unwägbarkeiten ableiten. Es mag sein, dass die Konsumenten in Zeiten (noch) schlechterer Konjunktur(en) und Arbeitseinkommen gerade auf dem Gebiet mittelfristig angeschaffter Güter wie namentlich der Textil und der Schuhe sparen werden/würden. Die Studie hat indes - wie oben wiedergegeben (vgl. nochmals Seite 25, 37 und 39 d.G.) - belegt, dass sich gerade die Textilbranche der Antragstellerin seit den früheren 70er Jahren als stabil und stetig wachstumsorientiert gezeigt hat. Dieser Aufwärtstrend liegt unter anderem in dem unverändert vorteilhaften Erscheinungsbild der Altstadt der Antragstellerin begründet. Er mag vielleicht nicht "auf alle Ewigkeit" anhalten. Zureichende Anhaltspunkte dafür, das Hinzutreten des Textilmarktes der Anzuhörenden an einem anderen Standort würde im oben genannten Sinne unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art (!) auf das städtebauliche Geschehen der Antragstellerin haben, existieren jedoch nicht. Diese Befürchtungen liegen auf dem Gebiet der Spekulation und möchten ihren Grund vielleicht auch in dem Bestreben des Einzelhandels der Antragstellerin haben, vor großflächiger Konkurrenz verschont zu bleiben (vgl. namentlich Spalte 2 der Tabelle auf Seite 81 d.G.). Eine gewisse "Dämpfung" des Bestrebens, noch erfolgreicher zu werden, liegt bei Auftreten der Anzuhörenden möglicherweise im Bereich realistischer Erwartungen, ist mit dem Erfordernis unmittelbarer Auswirkungen gewichtiger Art auf städtebauliche Absichten der Antragstellerin aber nicht einmal annähernd gleichzusetzen. Konkrete Absichten, außerhalb des Altstadtbereiches, den die Antragstellerin in den Vordergrund ihrer Darlegung gestellt hat, Nutzungen zu entwickeln, die in Konkurrenz zu dem Vorhaben- und Erschließungsplan treten können, sind nicht geltend gemacht worden und auch nicht ersichtlich.

19

Das Vorstehende gilt zugleich - wie bei der Wiedergabe der gutachtlichen Ergebnisse schon angegeben worden ist - im Hinblick auf die Funktionen, welche die Antragstellerin als Mittelzentrum zu erfüllen hat. Angesichts des attraktiven Branchenmixes und stabiler Nachfragebindung sind keine Anhaltspunkte für die Annahme erkennbar, das Wieder-Hinzutreten des Textilmarktes der Anzuhörenden werde der Antragstellerin die Erfüllung dieser Aufgaben in einer ins Gewicht fallenden Weise hemmen oder gar ausgeglichene Versorgungsstrukturen beeinträchtigen.

20

Der Vorhaben- und Erschließungsplan verletzt § 1 Abs. 4 BauGB nicht. Ziele der Landesplanung und Raumordnung stehen dem Vorhaben nicht entgegen. Als "Ziele" sind nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urt. v. 30.8.1995 - 1 L 894/94 -, BRS 57 Nr. 273 = ZfBR 1996, 54 = BauR 1996, 348 unter Hinweis auf BVerwG, Beschl. v. 20.8.1992 - 4 NB 20.91 -, DVBl. 1992, 1438) nur landesplanerische Letztentscheidungen anzusehen, welche eine nicht mehr ergänzungsbedürftige und -fähige Aussage treffen und daher nicht nur eine Abwägungsdirektive für die Gemeinde vorgeben dürfen. Solche Ziele, welche dem angegriffenen Vorhaben entgegenstehen könnten, sind dem Landesraumordnungsprogramm Niedersachsen I vom 2. März 1994 (GVBl. S. 130) und dem Landesraumordnungsprogramm Niedersachsen II (vom 18.7.1994, GVBl. S. 317) - dieses und nicht das Landesraumordnungsprogramm 1998 entscheidet - nicht zu entnehmen.

21

Nach B 3 02 LROP I sind in ländlichen Räumen, in denen beide Beteiligte liegen, die funktionale Arbeitsteilung durch Sicherung und Ausbau der zentralörtlichen Funktionen der Mittel- und Grundzentren stärken und weiter zu entwickeln. Hierbei handelt es sich um einen allgemeinen Programmsatz, der ein bestimmtes Ziel, welches der Antragsgegnerin bei ihrer Bauplanung vorgegeben wäre, nicht zu entnehmen.

22

Dasselbe gilt im Hinblick auf die Bestimmungen in B 6 01 bis 03 LROP I, wonach in allen Teilen des Landes die zentralen Einrichtungen entsprechend den Bedarf in zumutbarer Entfernung angeboten sein müssen und Grundzentren zentrale Einrichtungen und Angebote für den allgemeinen täglichen Bedarf zu enthalten haben. Auch dies sind lediglich allgemeine Programmsätze, jedoch noch nicht konkret gefasste Ziele, welche im Sinne einer verbindlichen Letztentscheidung mit der erforderlichen Eindeutigkeit und Bestimmtheit dem Planungswillen der Antragsgegnerin vorgegeben wäre. Im Übrigen bezeichnen die letztgenannten Aussagen lediglich eine Mindestausstattung, welche diese Zentren aufweisen müssen, sagen jedoch nichts dazu, ob niederrangige "Zentren" Einrichtungen enthalten dürfen, welche in einem höherrangigen Zentrum ausgewiesen sein müssen.

23

Ein dahingehender Wille lässt sich auch nicht C 1.6 04 LROP II entnehmen. Richtig ist zwar, dass danach Hameln - wie im Übrigen auch Rinteln, welches trotz gleicher Entfernung zu dem fraglichen Textilmarkt ausdrücklich keine Bedenken gegen seine Umsiedlung erhoben hat - als Mittelzentren ausgewiesen, nicht jedoch die Antragsgegnerin. In der Teilziffer 04 heißt es dann:

24

"Umfang und Zweckbestimmung von Einzelhandelsgroßprojekten haben der jeweiligen Stufe der zentralen Orte zu entsprechen. Durch solche Objekte dürfen ausgeglichene Versorgungsstrukturen nicht wesentlich beeinträchtigt werden."

25

Satz 1 enthält nach Auffassung des Senats ebenfalls noch kein hinreichend bestimmtes "Ziel", welches der Antragsgegnerin bei ihren bauplanerischen Entscheidungen gemäß § 1 Abs. 4 BauGB verbindlich als Letztentscheidung vorgegeben wäre. Dafür ist diese Vorschrift für sich allein betrachtet zu wenig bestimmt gefasst. Konkrete Folgerungen, mit welchem Ziel die Einzelhandelsgroßprojekte noch "der jeweiligen Stufe der zentralen Orte zu entsprechen" haben, ergeben sie erst in Verbindung mit Satz 2 dieser Vorschrift. Dieser Zusammenhang erhellt, dass das Raumordnungsrecht mit der Verleihung einer bestimmten zentralörtlichen Funktion diesen Orten keinen "Konkurrenzschutz" absoluter Art dahin einräumt, von Ansiedlungen von Betrieben, welche auch auf ihrem Gebiet zulässig wären, verschont zu bleiben. Ein solcher "Cordon sanitair" wird durch die zitierte Bestimmung nicht begründet. Die Antragstellerin soll durch C 1.6 04 LROP II ... allenfalls davor geschützt werden, dass ihr durch die Ansiedlung großflächiger Einzelhandelsprojekte in niederrangigen Zentren die Erfüllung der oben beschriebenen Aufgabe ("Mindeststandard") erschwert wird, wenn/indem ausgeglichene Versorgungsstrukturen auf ihrem Gebiet wesentlich beeinträchtigt werden. Schon die Einführung des Wesentlichkeitsgebotes zeigt, dass ein Mittelzentrum damit nicht jedweden Einfluss abwehren kann, den ein in einem Unterzentrum zu errichtendes Einzelhandelsgroßprojekt haben kann.

26

Die vorstehende Würdigung der Studie der Universität G aus dem Jahre 1996 hat gezeigt, dass trotz aller zwischenzeitlichen konjunkturellen Schwankungen und des Auftretens des Textilmarktes der Anzuhörenden auf dem Altstandort im Jahr 1986 in der Zeit zwischen den frühen 70er Jahren bis zum Jahre 1995 die Erfüllung der Aufgaben, welche die Antragstellerin als Mittelzentrum trifft, nicht annähernd, erst recht nicht "wesentlich" gefährdet oder gar beeinträchtigt war. Dementsprechend ist der Einschätzung der Bezirksregierung H. vom 28. Dezember 1995 (Az 1.1-32061-2) zuzustimmen, die Verlagerung des Betriebs der Anzuhörenden verstoße nicht gegen C 1.6 04 LROP II