Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 16.08.2012, Az.: 1 KN 21/09
Berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit einer außer Kraft getretenen Veränderungssperre zur Vorbereitung einer offensichtlich aussichtslosen Klage
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 16.08.2012
- Aktenzeichen
- 1 KN 21/09
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2012, 24186
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2012:0816.1KN21.09.0A
Rechtsgrundlage
- § 17 Abs. 2 BauGB
Fundstellen
- DVBl 2012, 1452-1453
- DÖV 2013, 38
- NordÖR 2013, 274
- ZfBR 2013, 281
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Das Interesse, die Rechtswidrigkeit einer außer Kraft getretenen Veränderungssperre festgestellt zu sehen, ist nicht berechtigt, wenn dies der Vorbereitung einer offensichtlich aussichtslosen Klage dienen soll. Das ist der Fall, wenn der Antragsteller in vorwerfbarer Weise ("Verschulden gegen sich selbst") den Versuch abgebrochen hat, Primärrechtsschutz gegen die Ablehnung seines Baugesuchs zu erreichen.
- 2.
Besondere Umstände im Sinne des § 17 Abs. 2 BauGB liegen nicht vor, wenn die Gemeinde das Planverfahren für ein überschaubares Plangebiet mit Änderungen belastet, die mit dem eigentlichen, die Veränderungssperre rechtfertigenden Planungsziel nur in losem Zusammenhang stehen.
Tatbestand
Der Antragsteller wendet sich gegen eine von der Antragsgegnerin erlassene und zwischenzeitlich zweimal verlängerte Veränderungssperre zur Sicherung der 2. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 83 beiderseits der E. straße.
Er ist Eigentümer der Grundstücke E. straße 6 in B. (Flurstücke 67/109, 67/110, 67/111 und 67/112, Flur 7, Gemarkung F.), die insgesamt 1294 m2 groß sind. Sie liegen in dem genannten Bebauungsplan aus dem Jahr 1982, geändert 1993, der ein Allgemeines Wohngebiet mit zwei Vollgeschossen, GRZ 0,3, GFZ 0,6, nur Einzel- und Doppelhäuser, mit nicht mehr als zwei Wohnungen festsetzt. Er hatte mit seiner Wohnbaufirma 5 Bauanträge gestellt. Genehmigt wurde am 2. Oktober 2008 ein rückwärtiges Einfamilienhaus; die übrigen Bauanträge wurden abgelehnt. Gegen die Versagung dieser Bauanträge erhob der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Oldenburg Klagen - 4 A 1718 bis 1721/09 -, die er zwischenzeitlich zurückgenommen hat.
Am 11. Dezember 2008 beschloss der Rat der Antragsgegnerin die Aufstellung der 2. Änderung des genannten Bebauungsplanes und die angegriffene Veränderungssperre als Satzung. Ziel der Planung sei, eine grundsätzlich mögliche Nachverdichtung der Bebauung in dem fraglichen Bereich so zu begrenzen, dass sie noch als 'maßvoll' angesehen werden könne. Der Aufstellungsbeschluss wurde in der G. zeitung am 15. Dezember 2008 bekannt gemacht, die Veränderungssperre im Amtsblatt des Landkreises B. am gleichen Tage.
Nachdem der Antragsteller im anhängigen Verfahren Bekanntmachungsfehler gerügt hatte, machte die Antragsgegnerin den Aufstellungsbeschluss in der G. zeitung vom 24. Februar 2009 und die Veränderungssperre im Amtsblatt des Landkreises B. vom 2. März 2009 erneut bekannt. Auf weitere Rügen machte die Antragsgegnerin die Veränderungssperre im Amtsblatt des Landkreises B. vom 1. April 2009 ein weiteres Mal rückwirkend zum 25. Februar 2009 bekannt.
Am 10. Februar 2009 hat der Antragsteller um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Der Senat hat den Eilantrag des Antragstellers mit Beschluss vom 6. Juli 2009 - 1 MN 22/09 - abgelehnt. Auf die Gründe dieser Entscheidung wird Bezug genommen.
Am 31. August 2010 beschloss der Verwaltungsausschuss der Antragsgegnerin - ausweislich der Sitzungsvorlage vom 6. August 2010 aufgrund der Erkenntnisse aus dem Eilbeschluss des Senats -, die 2. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 83 im vereinfachten Verfahren zu ändern (1. Überarbeitung) und den Änderungsentwurf samt Begründung öffentlich auszulegen. Zur Begründung führte er an:
Mit Hilfe der Änderung beabsichtige er, auch auf der östlichen Seite der E. straße die bislang festgesetzte Bebauungstiefe von etwa 60 m durch die zusätzliche Festlegung zweier Baugrenzen in zwei Baumasken aufzuteilen (zeichnerische Festsetzung und Legende). Somit könne das städtebauliche Ziel einer maßvollen Nachverdichtung erreicht werden.
Die Antragsgegnerin machte den Änderungsbeschluss in der G. zeitung vom 30. September 2010 bekannt und legte zur Beteiligung der Öffentlichkeit den Planentwurf mit Begründung in der Zeit vom 8. Oktober bis zum 8. November 2010 öffentlich aus.
Mit Schreiben vom 29. Oktober 2010 machte der Antragsteller Bedenken gegen die Festsetzung der Baugrenzen geltend, die er mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 4. November 2010 im Wesentlichen noch einmal wiederholte.
Der Rat der Antragsgegnerin beschloss am 9. Dezember 2010 über die erstmalige Verlängerung der Veränderungssperre als Satzung und machte diese in dem Amtsblatt für den Landkreis B. am 1. Februar 2011 öffentlich bekannt. Zur Begründung führte er aus:
Derzeit werde die Abwägung vorbereitet. Es seien mehrere Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange und drei Stellungnahmen von Bürgern eingegangen.
Am 24. August 2011 beschloss der Verwaltungsausschuss der Antragsgegnerin, die 2. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 83 erneut zu ändern (2. Überarbeitung) und den geänderten Entwurf samt Begründung öffentlich auszulegen. Die Antragsgegnerin begründete dies wie folgt:
Aufgrund der sich aus der Abwägung ergebenden Änderungen sei eine erneute Auslegung erforderlich. Der Geltungsbereich werde um die im Ursprungsplan vorgesehene Erschließungsstraße, so genannte "Planstraße", zwischen Friedhofs- und E. straße erweitert, mit der Folge, dass diese Straße wegfalle.
Die Antragsgegnerin machte den Änderungsbeschluss in der G. zeitung vom 12. Oktober 2011 bekannt und legte zur Beteiligung der Öffentlichkeit den Planentwurf mit Begründung in der Zeit vom 21. Oktober bis zum 21. November 2011 öffentlich aus.
Mit Schreiben vom 15. November 2011 machte der Antragsteller Bedenken gegen die Aufgabe der Planung der Erschließungsstraße "Planstraße", die Mindestgrundstücksgröße und die festgesetzten Baugrenzen geltend.
Am 8. Dezember 2011 beschloss der Rat der Antragsgegnerin die nochmalige Verlängerung der Veränderungssperre als Satzung (2. Verlängerung) und machte diese in dem Amtsblatt für den Landkreis B. am 10. Februar 2012 öffentlich bekannt. Zur Begründung führte er aus:
Die Abwägung der teilweise sehr ausführlichen Stellungnahmen benötige noch einige Zeit. Ursprünglich sei geplant gewesen, das Verfahren Ende des Jahres 2011 im Rahmen der verlängerten Veränderungssperre abzuschließen. Allerdings sei es aufgrund der Stellungnahmen voraussichtlich notwendig den Plan abermals zu ändern und auszulegen. Daher sei von der letztmaligen Möglichkeit der Verlängerung der Veränderungssperre Gebrauch zu machen. Insbesondere sei es erforderlich, im Bereich der ursprünglichen Straßentrasse ein Leitungsrecht zur Erschließung einzutragen. Vor Änderung eines Leitungsrechts müsse die Realisierungsfähigkeit dieser Leitung im Gespräch mit den betroffenen Eigentümern erörtert werden. Darüber hinaus mache die Eintragung eines Leitungsrechts die erneute Auslegung des Planentwurfs und damit die nochmalige Verlängerung der Veränderungssperre notwendig.
Am 27. Juni 2012 beschloss der Verwaltungsausschuss der Antragsgegnerin, die 2. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 83 erneut zu ändern (3. Überarbeitung) und den geänderten Entwurf samt Begründung öffentlich auszulegen. Die Antragsgegnerin begründete dies u.a. damit, dass sie im Hinblick auf eine gerechte Abwägung auf die Festlegung von Bautiefen durch Baugrenzen im Bereich östlich der E. straße verzichte. Zudem nehme sie die - ursprüngliche - Planung zum Ausbau der Planstraße wieder auf, um im Interesse der Anwohner eine Erschließung der rückwärtigen Grundstücke der Friedhofstraße zu ermöglichen.
Der Antragsteller hat am 10. Februar 2009 einen Normkontrollantrag gestellt. Zur Begründung wiederholt er seine Ausführungen aus dem Eilverfahren - 1 MN 22/09 - und trägt ergänzend vor:
Die zweite Verlängerung der Veränderungssperre verstoße gegen § 17 Abs. 2 BauGB, weil "besondere Umstände", die eine nochmalige Verlängerung rechtfertigten, nicht vorlägen. Vielmehr handele es sich, abgesehen von seiner zeitlichen Dimension, um ein normales Planungsverfahren. Darüber hinaus sei das ursprüngliche Planungsziel der Antragsgegnerin, eine "maßvolle" Nachverdichtung zu gewährleisten, durch ihre sich über 3 Jahre erstreckenden Planungen überholt. Ein konkretes Planungsziel bestehe nicht mehr.
Der Antragsteller beantragt
festzustellen, dass die vom Rat der Antragsgegnerin am 11. Dezember 2008 als Satzung beschlossene Veränderungssperre für den Geltungsbereich der 2. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 83 sowie die am 9. Dezember 2010 als Satzung beschlossene erste Verlängerung dieser Veränderungssperre unwirksam gewesen sind,
außerdem die vom Rat der Antragsgegnerin am 8. Dezember 2011 als Satzung beschlossene zweite Veränderungssperre für den Geltungsbereich der 2. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 83 für unwirksam zu erklären.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Anträge abzulehnen.
Zur Begründung wiederholt sie ihre Ausführungen aus dem Eilverfahren - 1 MN 22/09 - und macht ergänzend geltend:
Es lägen besondere Umstände für eine nochmalige Verlängerung der Veränderungssperre vor. Der ursprüngliche Bebauungsplan habe eine Planstraße zwischen der Friedhofstraße und der E. straße zur rückwärtigen Erschließung der auf der Ostseite der E. straße gelegenen Grundstücke vorgesehen. Da diese Grundstücke nicht verfügbar seien, habe sie diese Planung aufgegeben und die Planstraße als Wohngebiet überplant. Im Rahmen der Auslegung vom 21. Oktober bis zum 21. November 2011 seien zahlreiche Stellungnahmen, insbesondere zur Ableitung von Schmutz-, Niederschlags- und Regenwasser und der Trinkwasserversorgung, eingegangen. Zahlreiche Anwohner rügten, dass eine rückwärtige Bebauung ihrer Grundstücke in zweiter Reihe von der Friedhofstraße aus wegen mangelnder Erschließung nicht mehr möglich sei. Mit diesen Bedenken habe sie nicht gerechnet, weil sich die Anwohner im Jahr 1978 noch gegen die Planstraße gewandt haben. Aufgrund des Generationswechsels hätten die jetzigen Anwohner Interesse, ihre Grundstücke in zweiter Reihe zu bebauen. Sie habe daher entschieden, den Ausbau der Planstraße in der Planung wieder vorzusehen. Allerdings gestalte sich die Erschließung der Grundstücke in zweiter Reihe der Friedhofstraße schwierig. Für eine Wasserver- und Entsorgung in der Planstraße bedürfe es der Eintragung eines Leitungsrechts, was mit den Bürgern zuvor erörtert werden müsse. Dies mache eine erneute Offenlage des Planentwurfs erforderlich.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und die des Verfahrens 1 MN 22/09 sowie die jeweiligen Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Anträge haben in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
Der Feststellungsantrag ist unzulässig. Der Antragsteller kann eine nachträgliche Feststellung dahingehend, dass die am 11. Dezember 2008 beschlossene ursprüngliche Veränderungssperre der 2. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 83 und die am 9. Dezember 2010 beschlossene erstmalige Verlängerung dieser Veränderungssperre unwirksam gewesen sind, nicht erreichen. Ihm fehlt das dafür erforderliche berechtigte Interesse. Dieses liegt vor, wenn die begehrte Feststellung präjudizielle Wirkung für die Frage der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit eines auf die Norm gestützten behördlichen Verhaltens und damit für in Aussicht genommene Entschädigungs- oder Schadensersatzansprüche haben kann. Es besteht nur dann nicht, wenn sie der Vorbereitung einer Klage dient, die offensichtlich aussichtslos ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 2. September 1983 - 4 N 1.83 -, BVerwGE 68, 12 = ZfBR 1983, 288 [BVerwG 02.09.1983 - BVerwG 4 N 1/83] = DVBl. 1984, 145 = BauR 1984, 156; Nds. OVG, Urt. v. 28. Januar 2010 - 12 KN 65/07 -, BauR 2010, 1043 = BRS 76 Nr. 3). Letzteres ist hier der Fall. Denn den Erfolgsaussichten eines etwaigen Entschädigungs- bzw. Aufopferungsanspruches des Antragstellers wegen der Ablehnung seiner gestellten Bauanträge für vier Doppelhäuser steht der Gedanke des § 839 Abs. 3 BGB in der Gestalt eines Verschuldens gegen sich selbst (vgl. BGH, Urt. v. 15.11.1990 - III ZR 302/89 -, BGHZ 113, 17 = NJW 1991, 1168) entgegen. Danach tritt die Ersatzpflicht nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Primär-Rechtsmittels - hier: gegen die Ablehnung der Bauanträge - abzuwenden. Der Kläger muss sich in vorwerfbarer Weise entgegen halten lassen, dass er die vor dem Verwaltungsgericht Oldenburg erhobenen Verpflichtungsklagen nach Ladung zur mündlichen Verhandlung aus Kostengründen zurückgenommen hat. Denn damit hat er sich der Möglichkeit begeben, die Rechtmäßigkeit der Ablehnungsbescheide gerichtlich zu überprüfen. Der Umstand, dass die Rechtsordnung Rechtsschutz nur um den Preis des Kostenrisikos gewährt, entbindet den Antragsteller nicht, die verwaltungsgerichtlichen Verfahren zur Vorbereitung eines eventuellen Entschädigungs- bzw. Aufopferungsanspruches fortzuführen. Entscheidet sich der Antragsteller dafür, die Versagung der Baugenehmigungen zu dulden, bleibt ihm die nachträgliche Geltendmachung eines eventuell daraus entstandenen Schadens verwehrt. Ungeachtet dessen hat der Antragsteller bislang nicht in Aussicht gestellt, nach einer Feststellung der Unwirksamkeit der Ur-Veränderungssperre bzw. ihrer erster Verlängerung einen Zivilprozess überhaupt führen zu wollen.
Der Feststellungsantrag ist auch unbegründet. Die Antragsgegnerin durfte am 11. Dezember 2008 die Ur-Veränderungssperre der 2. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 83 beschließen. Die Veränderungssperre begegnet keinen formellen und materiellen Bedenken. Insbesondere war es ein zulässiges Ziel, eine grundsätzlich mögliche Nachverdichtung der Bebauung so zu begrenzen, dass sie noch als "maßvoll" angesehen werden kann. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Gründe des Senatsbeschlusses vom 6. Juli 2009 - 1 MN 22/09 - Bezug genommen. Auch hat die Antragsgegnerin die Veränderungssperre am 9. Dezember 2010 gemäߧ 17 Abs. 1 Satz 3 BauGB zu Recht um ein Jahr verlängert. Im Gegensatz zu den Anforderungen, die an die zweite Verlängerung einer Veränderungssperre gestellt werden, bedurfte es für die erstmalige Verlängerung "besonderer Umstände" im Sinne des § 17 Abs. 2 BauGB nicht. Die Antragsgegnerin hat zum Zeitpunkt der erstmaligen Verlängerung der Veränderungssperre ihre Planungsabsichten ferner hinreichend konkretisiert. Denn sie hat mit Beschluss vom 31. August 2010 die 2. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 83 durch die zusätzliche Festsetzung zweier Baugrenzen geändert und diesen Planentwurf erneut öffentlich ausgelegt. Damit hat sie die Anregung des Senats im Eilbeschluss vom 6. Juli 2009 - wenn auch erst nach Ablauf 1 Jahres - in ihre Planung umgesetzt.
Der Antrag, die vom Rat der Antragsgegnerin am 8. Dezember 2011 als Satzung beschlossene zweite Veränderungssperre für den Geltungsbereich der 2. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 83 für unwirksam zu erklären, ist begründet.
Eine zweite Verlängerung ist gemäß § 17 Abs. 2 BauGB nur bei Vorliegen besonderer Umstände statthaft. Mit den ersten beiden Absätzen des § 17 BauG hat dasBaugesetzbuch verbindlich zum Ausdruck gebracht, dass die Schaffung von Bebauungsplänen im Regelfall innerhalb von drei Jahren bewältigt werden (kann und auch) muss und diese Frist nur bei "besonderen Umständen" um ein Jahr überschritten werden darf (vgl. BVerwG, Urt. v. 10. September 1976 - IV C 39.74 -, BVerwGE 51, 121 = BauR 1977, 31 = DÖV 1977, 290 = [...] Rn. 41; OVG Lüneburg, Urt. v. 15. Oktober 1974 - VI A 196.73 -).
Der Antragsgegnerin ist es in einem Zeitraum von 3 1/2 Jahren nicht gelungen, das Verfahren zu einem Abschluss zu bringen. Es bestehen keine besonderen Umstände, die diese nochmalige Verlängerung der Veränderungssperre rechtfertigen könnten. Solche liegen vor, wenn ein Planungsverfahren durch eine Ungewöhnlichkeit gekennzeichnet wird, die sich von dem allgemeinen Rahmen der üblichen städtebaulichen Planungstätigkeit, z.B. aufgrund des Umfanges, des Schwierigkeitsgrades oder des Verfahrensablaufes wesentlich abhebt, hierin die Ursache für die übermäßig lange Dauer des Planungsverfahrens liegt und die Gemeinde die - verzögerungsverursachende - Ungewöhnlichkeit nicht zu vertreten hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. September 1976 - IV C 39.74 -, a.a.O.). Vertreten muss eine Gemeinde insoweit jedes ihr vorwerfbare Fehlverhalten, wobei im allgemeinen davon ausgegangen werden kann, dass Mängel, die in der Sphäre der Gemeinde auftreten - z.B. eine zu Verzögerungen führende Überforderung der mit der Planung beschäftigten Dienstkräfte oder ein sich als zu umfangreich erweisender Zuschnitt des Plangebietes -, auf ein Fehlverhalten der Gemeinde zurückzuführen sind. Das ist aber nur eine - widerlegbare - Regel. Mängel, die in der Sphäre der Gemeinde auftreten, müssen nicht stets auf ein Fehlverhalten zurückzuführen sein. Kann eine Gemeinde dartun, dass sie sich im jeweiligen Zeitpunkt objektiv vernünftig verhalten hat, kann ihr nicht dennoch der Vorwurf eines Fehlverhaltens gemacht werden (BVerwG, Urt. v. 10. September 1976 - IV C 39.74 -, a.a.O.).
Der Antragsgegnerin ist anzulasten, dass sie das Umplanungsverfahren - für den Antragsteller unzumutbar lang - verzögert hat, indem sie den Aufstellungsvorgang insbesondere mit den Änderungen zur Planstraße belastet hat. Die Antragsgegnerin hat das Planungsziel, eine maßvolle Nachverdichtung zu steuern, seit Ende 2008 bis zum heutigen Tage nicht konsequent verfolgt. Grund für die 1. Verlängerung am 9. Dezember 2010 war die noch durchzuführende Abwägung hinsichtlich der Festsetzung von Baugrenzen, mit Hilfe derer die Antragsgegnerin auf die Entscheidung des Senats vom 6. Juli 2009 reagierte. Dieser Festsetzung lag der Beschluss des Verwaltungsausschusses der Antragsgegnerin vom 31. August 2010 zugrunde. Zwischen der Entscheidung des Senats und der Festsetzung der Baugrenzen lag daher ein Zeitraum von bereits mehr als einem Jahr. Die Antragsgegnerin hat die Planungen hinsichtlich ihres Planungsziels in dem Folgejahr nicht erkennbar vorangetrieben bzw. konkretisiert. Sie beschloss am 24. August 2011, die 2. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 83 erneut zu ändern und von der Verwirklichung der ursprünglich vorgesehenen Planstraße zwischen Friedhofs- und E. straße abzusehen. In Bezug auf die festgesetzten Baugrenzen enthielt dieser Beschluss keine Änderungen. Zur Begründung der nochmaligen Veränderungssperre vom 8. Dezember 2011 beruft sich die Antragsgegnerin gleichermaßen auf die noch zu treffende Abwägung "zu teilweise sehr ausführlichen Stellungnahmen". Ungeachtet des Umstandes, dass ausweislich der Verwaltungsvorgänge außergewöhnlich umfangreiche bzw. rechtlich anspruchsvolle Stellungnahmen nicht vorlagen, stellt sich die Frage, weshalb die Antragsgegnerin zur Zielerreichung nunmehr Planänderungen im Bereich der Planstraße umsetzt, die sie nach öffentlicher Auslegung im Juni 2012 wieder revidiert. Da die Antragsgegnerin ebenfalls die beiden mit Beschluss vom 31. August 2010 festgesetzten Baugrenzen mit Beschluss vom Juni 2012 wieder aufhob, entspricht die Planung zum heutigen Zeitpunkt im Ergebnis derjenigen zum Zeitpunkt der Ausgangsplanung Ende 2008. Unter Berücksichtigung der überschaubaren Größe des Plangebietes und des handhabbaren Planungsziels der Steuerung einer maßvollen Nachverdichtung liegen Schwierigkeiten, die den Rahmen der üblichen städtebaulichen Planungstätigkeit überschreiten, nicht vor. Etwas anderes ergibt sich ferner nicht aus dem Umstand, dass die Antragsgegnerin ausweislich der am 8. Dezember 2011 beschlossenen zweiten Verlängerung der Veränderungssperre Leitungsrechte zur Ent- und Versorgung in die Planung aufgenommen hat. Denn nach den Ausführungen der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung stellt sich das Entwässerungsproblem, welches mit den Leitungsrechten zu lösen beabsichtigt ist, nicht, wenn die Planstraße - dem jetzigen Planungsstand entsprechend - hergestellt wird. Insoweit sind zeitliche Verzögerungen auch deshalb nicht nachvollziehbar, weil die Antragsgegnerin auf die Planungen aus dem Jahr 2008, welche die Umsetzung der Planstraße zum Gegenstand hatte, mühelos hätte zurückgreifen können. Des Weiteren kann sich die Antragsgegnerin zur Rechtfertigung der Verzögerungen nicht darauf berufen, dass keine Ratssitzung anberaumt gewesen sei, in der die neuerlichen Umplanungen hätten behandelt werden können. Schließlich hat es der Rat der Antragsgegnerin selbst in der Hand gehabt, darüber in einer außerordentlichen Sitzung zu entscheiden.