Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 29.08.2012, Az.: 10 LC 107/10
Änderung der Rechtslage i.R.d. Wiederaufgreifen des Verfahrens durch die Änderung höchstrichterlicher Rechtsprechung; Unerträglichkeit der Aufrechterhaltung eines Verwaltungsakts als Voraussetzung für einen Anspruch auf Rücknahme eines bestandskräftigen Verwaltungsakts
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 29.08.2012
- Aktenzeichen
- 10 LC 107/10
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2012, 22920
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2012:0829.10LC107.10.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BVerwG - 13.06.2013 - AZ: BVerwG 3 B 96.12
Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs. 1 NVwVfG
- § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG
- § 51 Abs. 5 VwVfG
- § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG
Fundstelle
- AUR 2013, 11-18
Amtlicher Leitsatz
Fortführung der Senatsrechtsprechung; vgl. Urteile vom 1. August 2012 - 10 LC 180/10 - und - 10 LC 143/10 -
Tatbestand
Der Kläger begehrt für die Jahre 1993 bis 2004 im Wege des Wiederaufgreifens höhere Ausgleichs- und Flächenzahlungen nach der Stützungsregelung für Erzeuger bestimmter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen.
Er bewirtschaftet einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Nutzflächen im Landkreis Rotenburg (Wümme). In den Jahren 1993 bis 1999 beantragte er beim Amt für Agrarstruktur (AfA) Verden, deren Funktionsnachfolgerin die Beklagte ist, jeweils Ausgleichszahlungen für Getreide auf der Grundlage der Verordnung (EWG) Nr. 1765/92 vom 30. Juni 1992 und für die Jahre 2000 bis 2004 Flächenzahlungen auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1251/1999 vom 17. Mai 1999.
Auf diese Anträge hin bewilligte das AfA Verden dem Kläger mit - bestandskräftigen - Bescheiden jeweils Ausgleichs- und Flächenzahlungen für die Jahre 1993 bis 2004 in Höhe von insgesamt 48.031,24 EUR. Bei der Berechnung gem. Art. 4 Verordnung (EWG) Nr. 1765/92 bzw. Art. 4 Verordnung (EG) Nr. 1251/1999 legte das AfA für die Jahre 1993 bis 1999 die Verordnung über eine Stützungsregelung für Erzeuger bestimmter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen (Kulturpflanzen-Ausgleichszahlungs-Verordnung - KAVO -) vom 3. Dezember 1992 (BGBl. I S. 1991) und für die Jahre 2000 bis 2004 deren Nachfolgeregelung, die Verordnung über Stützungsregelungen für Erzeuger bestimmter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen und von Schalenfrüchten (Flächenzahlungs-Verordnung - FZV -) vom 6. Januar 2000 (BGBl. I S. 15), zugrunde. Durch diese Bundesverordnungen wurde Niedersachsen - anders als die weit überwiegende Zahl der anderen Bundesländer - in neun (KAVO) bzw. zehn (FZV) Erzeugungsregionen unterteilt, denen nach ihrem jeweiligen Getreidedurchschnittsertrag je Hektar unterschiedliche Fördersätze zugeordnet wurden (vgl. jeweils Spalte 1 und 2 der Anlage zu den§§ 3, 5, 7, 8, 9, 9a der KAVO und der Anlage zu den §§ 3, 7, 8, 9, 10, 11, 15 der FZV). Die Beihilfe des Klägers wurde danach durch Vervielfachung der förderfähigen Betriebsflächen mit dem Fördersatz der niedersächsischen Region 5 (u.a. Kreis Rotenburg (Wümme)) berechnet, in welcher der jährliche Getreidedurchschnittsertrag mit 41,8 dt/ha (KAVO) bzw. 49,3 dt/ha (FZV) geringer als im Durchschnitt des Landes Niedersachsen war.
Mit Urteil vom 25. Juli 2007 (- 3 C 10.06 -, BVerwGE 129, 116) entschied das Bundesverwaltungsgericht, dass die in der Anlage zurFZV hinsichtlich des Getreidedurchschnittsertrags getroffene Regelung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar und daher insgesamt verfassungswidrig und nichtig sei. Zugleich verpflichtete das Bundesverwaltungsgericht unter Änderung der Urteile der Vorinstanzen (VG Lüneburg, Urteil vom 11. April 2003 - 2 A 218/01 -; Nds. OVG, Urteil vom 29. November 2005 - 10 LC 74/03 -, n.v.) die Beklagte zur Zahlung der Beihilfe an die Kläger im dortigen Verfahren auf der Grundlage des Getreidedurchschnittsertrages des Landes Niedersachsen von 53,3 dt/ha jährlich.
Mit Schreiben vom 17. Dezember 2007 beantragte daraufhin der Kläger bei der Beklagten, ihm für die Jahre 1993 bis 2004 im Wege des Wiederaufgreifens der Verfahren rückwirkend weitergehende Zahlungen für seinen Betrieb auf der Grundlage der KAVO und der FZV zu bewilligen und dabei einen landesweiten Durchschnittsertrag von 53,3 dt/ha jährlich zugrunde zu legen. Zur Begründung nahm er auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Juli 2007 (a.a.O.) Bezug. Die Ausführungen des Gerichts bezögen sich zwar unmittelbar nur auf die FZV, gälten sachlich allerdings uneingeschränkt auch für die KAVO. Bei dieser Ausgangslage habe die Durchsetzung der Einzelfallgerechtigkeit zugunsten der verfassungswidrig benachteiligten Landwirte Vorrang vor der Bestandskraft der ergangenen Bescheide.
Mit Bescheid vom 1. April 2009 lehnte die Beklagte den Antrag auf Wiederaufgreifen ab. Die Feststellung des Bundesverwaltungsgerichts, dass die Regelung der FZV hinsichtlich des Getreidedurchschnittsertrages nichtig sei, stelle keine nachträgliche Änderung der Rechtslage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG dar. Der Antrag auf Wiederaufgreifen nach § 48 VwVfG habe unter Berücksichtigung des pflichtgemäßen Ermessens ebenfalls keinen Erfolg. Zwar komme dem festgestellten Verstoß gegen Art. 3 GG eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu. Das Bundesverwaltungsgericht habe aber ausgeführt, dass es im Ermessen der niedersächsischen Verwaltung liege, ob sich im Hinblick auf die getroffene Entscheidung eine nachträgliche Besserstellung auf alle betroffenen Anträge beziehe oder diese sich auf die Anträge beschränke, die noch nicht unanfechtbar beschieden seien. Bei dieser Entscheidung seien die Grundsätze der Bestandskraft und der Rechtssicherheit zu berücksichtigen, zumal es sich um eine Vielzahl von Bewilligungsbescheiden handele, deren Rechtsfolgen in der Vergangenheit abgeschlossen und die alle seit mehreren Jahren unanfechtbar und akzeptiert worden seien. Auch komme der Gedanke der Verwirkung zum Tragen. Außerdem spreche gegen eine Stattgabe des Antrags, dass im Hinblick auf den so nicht leistbaren Personal- und Zeitaufwand ein Wiederaufgreifen aller Verfahren praktisch nicht durchführbar sei. Auch das Gemeinschaftsrecht begründe keine Verpflichtung zu einer weiteren Auszahlung. Die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs erforderlichen Voraussetzungen, die eine nationale Behörde auf einen entsprechenden Antrag hin nach dem in Art. 10 EG-Vertrag verankerten Grundsatz der Zusammenarbeit verpflichten könnten, eine bestandskräftige Entscheidung zu überprüfen und ggf. zurückzunehmen, lägen nicht vor, da insbesondere nicht das Gemeinschaftsrecht unrichtig ausgelegt worden sei.
Der Kläger hat am 28. April 2009 Klage erhoben. Zur Begründung hat er geltend gemacht:
Der Verordnungsgeber habe auf das Urteil des Nds. Oberverwaltungsgericht vom 28. April 1997 - 3 L 2724/96 -, mit dem bereits entschieden worden sei, dass die Regionalisierung gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße, bewusst nicht reagiert.
Durch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Juli 2007 sei eine Änderung der Rechtslage i.S.d. § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG eingetreten. Diese könne auch in einer Änderung einer allgemeinen Rechtsauffassung zu einer bestimmten Rechtsfrage liegen. Ein solcher Fall liege hier vor. Das Bundesverwaltungsgericht habe erstmals entschieden, dass Rechtsverordnungen nicht Akte des Gesetzgebers, sondern Akte der Verwaltung seien und dass eine gerichtliche Korrektur erfolgen könne, wenn die Korrektur nur auf eine Weise rechtmäßig möglich sei. Damit sei ein Rechtssatz konstituiert worden, der einer Änderung der materiellen Rechtslage gleichstehe.
Darüber hinaus lägen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG i.V.m. § 580 Nr. 6 ZPO, zumindest in sinngemäßer Anwendung, vor. Durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sei die Rechtsauffassung des Nds. Oberverwaltungsgerichts korrigiert worden, nach der sich das Gericht nicht befugt sah, höhere Ausgleichszahlungen zuzusprechen, worauf die von der Beklagten verfolgte Praxis der Gewährung und Zahlung von zu niedrigen Flächenzahlungen trotz Kenntnis der Verfassungswidrigkeit beruht habe. Insoweit sei eine für die vorliegende Rechtssache präjudizielle Entscheidung aufgehoben worden.
Jedenfalls seien die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG gegeben. Die Beklagte habe verkannt, dass der für ein Wiederaufgreifen streitende Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der dagegen sprechende Grundsatz der Rechtssicherheit gleichrangig seien. Die Beklagte könne sich auch nicht auf einen nicht zu bewältigenden Verwaltungsaufwand berufen, da lediglich Verfahren bearbeitet werden müssten, in denen innerhalb von drei Monaten nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ein Wiederaufgreifensantrag gestellt worden sei. Der zusätzliche Umstand, dass der Verordnungsgeber in Kenntnis der bereits durch das Nds. Oberverwaltungsgericht festgestellten Verfassungswidrigkeit der KAVO und der FZV eine Korrektur der Regionalisierung verweigert habe, reduziere über den Grundsatz von Treu und Glauben das Ermessen für die Entscheidung über das Wiederaufgreifen auf Null. Zudem sei hier die Rechtswidrigkeit der Bescheide offensichtlich.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung ihres Ablehnungsbescheides vom 1. April 2009 zu verpflichten, die Verfahren Agrarförderung 1993 bis 2004 wiederaufzugreifen und ihm für diese Jahre weitergehende Flächenzahlungen in Höhe von insgesamt 8.221,03 EUR zu gewähren und die bestandskräftigen Agrarförderbescheide für diesen Zeitraum aufzuheben, soweit sie diesem Begehren entgegenstehen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat zur Begründung ergänzend ausgeführt: Eine Änderung der Rechtslage i.S.d. § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG liege nicht vor. Eine Änderung der Rechtsprechung genüge hierfür nicht. Durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sei auch keine für das vorliegende Verfahren präjudizielle Entscheidung i.S.d. § 580 Nr. 6 ZPO aufgehoben worden. Eine sinngemäße Anwendung der Vorschrift sei nicht möglich, weil die Wiederaufgreifensgründe des § 51 VwVfG abschließend seien.
Ein Wiederaufgreifen gem. §§ 48, 49 VwVfG scheide bereits aus formellen Gründen aus. weil dies bereits abschlägig entschieden sei und darüber hinaus die Jahresfrist des§ 48 Abs. 4 VwVfG verstrichen sei. Für die Rücknahme begünstigender Verwaltungsakte gälten auch im Übrigen erschwerte Voraussetzungen, weil hieraus entgegen der Auffassung des Klägers kein Anspruch auf Neubescheidung folge. Das Ermessen für ein Wiederaufgreifen sei auch nicht reduziert. Die Rechtswidrigkeit der früheren Bewilligungsbescheide sei zum maßgeblichen Zeitpunkt ihres Erlasses nicht offensichtlich gewesen, zumal noch die Vorinstanzen des Bundesverwaltungsgerichts die Praxis zur Handhabung der Flächenzahlungen bestätigt hätten. Sie - die Beklagte - habe bei ihrer Ermessensentscheidung dem Verstoß gegen Art. 3 GG angemessene Bedeutung zugemessen, den praktischen Schwierigkeiten bei einer Rückabwicklung von in großer Zahl erlassenen unanfechtbaren Verwaltungsakten aber ein höheres Gewicht beimessen dürfen. Aus Gemeinschaftsrecht ergebe sich nichts anderes.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 17. Juni 2010 abgewiesen.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Ein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens bestehe nicht. Eine Änderung der Rechtslage i.S.d. § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG sei durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nicht eingetreten. Rechtsprechung ändere regelmäßig nicht bestehende Rechtsnormen, sondern vollziehe deren schon vorher bestehenden Inhalt nach. Für den einzigen Ausnahmefall der Nichtigerklärung von Gesetzen durch das Bundesverfassungsgericht, der gem. § 31 Abs. 2 BVerfGG Gesetzeskraft beigemessen werde, und für den daher nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG ein Wiederaufgreifen alter Verfahren grundsätzlich geboten wäre, habe der Gesetzgeber diese Regelung in§ 79 Abs. 2 BVerfGG durch eine Spezialvorschrift ersetzt und vorgesehen, dass die Bestandskraft unanfechtbarer, auf der nichtigen Norm beruhender Entscheidungen unberührt bleibe. Die teilweise vertretene Auffassung, ein Wandel der allgemeinen Rechtsauffassung stehe einer Änderung der Rechtslage gleich, stehe im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und führe zu Abgrenzungsschwierigkeiten, da unklar sei, unter welchen Umständen von einem Wandel der "allgemeinen Rechtsauffassung" gesprochen werden könne. Abgesehen davon sei eine Änderung der für die Entscheidung des Falles maßgeblichen allgemeinen Rechtsauffassung durch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht erkennbar.
Ein Anspruch auf ein Wiederaufgreifen des Verfahrens ergebe sich auch nicht aus § 51 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG i.V.m. § 580 Nr. 6 ZPO, weil die an den Kläger gerichteten Bewilligungsbescheide nicht auf den durch das Bundesverwaltungsgericht mit seiner Entscheidung vom 25. Juli 2007 (a.a.O.) aufgehobenen Urteilen beruht hätten. Dass das aufgehobene Urteil einen abstrakten Rechtssatz enthalte, der - parallel dazu - auch in der im Restitutionsverfahren angegriffenen Entscheidung herangezogen worden sei, genüge nicht.
Auch lasse sich nicht aus einer Gesamtschau des § 51 VwVfG herleiten, dass der Gesetzgeber - ähnlich wie bei der Regelung zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 32 VwVfG) - einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens in allen Fällen habe begründen wollen, in denen den Antragstellern am Eintritt der Bestandskraft kein Verschulden treffe. Der Gesetzgeber habe das Wiederaufgreifen des Verfahrens gerade nicht einfach an das Kriterium fehlenden Verschuldens gekoppelt, sondern einen enumerativen Katalog von Wiederaufgreifensgründen geschaffen. Der Fall einer Änderung der Rechtsprechung sei mit den übrigen Wiederaufgreifensgründen auch nicht vergleichbar, da es einem Antragsteller in der Regel durchaus möglich sei, durch Verfolgung seines Anspruchs bis in die letzte Instanz und durch Vortrag überzeugender Rechtsargumente die Rechtsprechung schon im Ursprungsverfahren zu beeinflussen. Das habe der Kläger indes gerade nicht getan.
Die in Anwendung der § 51 Abs. 5, § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG getroffene Ermessensentscheidung der Beklagten, von einer Rücknahme der Bewilligungsbescheide abzusehen, sei ebenfalls nicht zu beanstanden.
Eine Ermessensreduzierung komme nicht in Betracht. Das Rechtsstaatsprinzip sei durch die Aufrechterhaltung der Bewilligungsbescheide nicht verletzt. Der Kläger könne sich nicht darauf berufen, dass der Staat von seiner eigenen, bewusst rechtswidrigen Untätigkeit profitiere, indem er als Verordnungsgeber auf die Feststellung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 28. April 1997 (- 3 L 2724/96 -), die Regionalisierung für Niedersachsen verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, nicht mit einer Anpassung der KAVO und später der FZV im Sinne des Klägers reagiert habe. Diese Argumentation, die bereits nicht für die Bewilligungsjahre vor 1997 gelten könne, übersehe, dass der Verordnungsgeber auch nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts nicht gezwungen gewesen sei, die beanstandete Gleichheitswidrigkeit durch eine Regelung zu korrigieren, die für den Kläger zu einem höheren Durchschnittsertrag geführt hätte. Daher sei die Untätigkeit des Verordnungsgebers nicht mit einer Verletzung finanzieller Interessen des Klägers gleichzusetzen. Ob der Bundesverordnungsgeber bewusst rechtswidrig handele, wenn er sich der Auffassung nur eines Oberverwaltungsgerichts nicht anschließe, solange die strittige Frage der Regionalisierung noch nicht vom Bundesverwaltungsgericht geklärt sei, könne danach offen bleiben.
Ein Fall der im Zeitpunkt ihres Erlasses offensichtlichen Rechtswidrigkeit der Ursprungsbescheide, der zu einem Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens führen könne, liege ebenfalls nicht vor. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht habe in seiner Entscheidung vom 28. April 1997 (a.a.O.) zwar die Rechtswidrigkeit der den Bescheiden zugrunde liegenden Verordnung, aber gerade nicht die Rechtswidrigkeit der Bewilligungsbescheide ausgesprochen.
Das Bundesverwaltungsgericht habe in seinem Urteil vom 25. Juli 2007 (a.a.O.) auch festgestellt, dass eine Beschränkung der nachträglichen Besserstellung auf Landwirte, deren Anträge bereits (gemeint ist: noch nicht) unanfechtbar beschieden seien, grundsätzlich zulässig sei. Auch habe die Beklagte bei der Abwägung der Prinzipien der materiellen Gerechtigkeit und der Rechtssicherheit legitime Ermessenserwägungen angestellt. Dazu gehöre auch der mit dem im Falle eines Wiederaufgreifens verbundene, aus Sicht der Beklagten nicht zu bewältigende Zeit- und Personalaufwand.
Gegen das Urteil führt der Kläger die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung. Zur Begründung vertieft er sein bisheriges Vorbringen und ergänzt:
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei die Entscheidung der Beklagten, die streitigen Verfahren nicht wiederaufzugreifen, ermessensfehlerhaft. Die Ablehnung einer rechtlichen Korrektur der ihn - den Kläger - durch Anwendung der als verfassungswidrig erkannten Regionalisierungsregelungen benachteiligenden Agrarförderung sei rechtsstaatlich unerträglich. Der Verordnungsgeber habe in mehrfacher Hinsicht zumindest bedingt vorsätzlichen Verfassungsbruch begangen, indem er mit der KAVO eine verfassungswidrige Regelung erlassen, diese trotz Urteils des Nds. Oberverwaltungsgerichts vom 28. April 1997 (a.a.O.) unverändert gelassen und schließlich mit der FZV eine im Wesentlichen gleiche und damit ebenfalls verfassungswidrige Regelung geschaffen habe, mit der Folge, dass die benachteiligten Landwirte über Jahre hinweg rechtsschutzlos gestellt worden seien. Nach der obergerichtlichen Entscheidung, nach der es für die von ihnen begehrten Mehrzahlungen an der rechtlichen Grundlage fehle, die der Verordnungsgeber durch eine rückwirkende Korrektur der beanstandeten Regionalisierungsregelung erst hätte schaffen müssen, habe für sie festgestanden, dass sie ihre Ansprüche gerichtlich nicht werde durchsetzen können. Es sei rechtsstaatlich unerträglich und verstoße gegen die guten Sitten und gegen das Gebot von Treu und Glauben, wenn sich die Beklagte heute auf die Bestandskraft der Bescheide für die Jahre 1993 bis 2004 berufe, obgleich diese Bescheide nur deshalb bestandskräftig geworden seien, weil eine Anfechtung der Bescheide seinerzeit für rechtlich aussichtslos gehalten worden sei. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, diese Argumentation könne frühestens ab 1997 gelten, überzeuge nicht, weil das Nds. Oberverwaltungsgericht in seiner Entscheidung bereits eine rückwirkende Korrektur der KAVO angemahnt habe.
Die Anmerkung des Verwaltungsgerichts, es sei fraglich, ob der Verordnungsgeber aufgrund der Auffassung nur eines Oberverwaltungsgerichts gehalten sei, eine Änderung der KAVO vorzunehmen, überzeuge ebenfalls nicht, da hinsichtlich der in Niedersachsen auftretenden Ungleichbehandlungen das Nds. Oberverwaltungsgericht das höchste niedersächsische Gericht sei. Der Bundesverordnungsgeber dürfe obergerichtliche Entscheidungen nicht ignorieren.
Die Untätigkeit des Verordnungsgebers habe auch direkte Auswirkungen auf seine - des Klägers - finanzielle Interessen. Er könne entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht darauf verwiesen werden, dass der Verordnungsgeber auch eine andere Regelung als eine Zugrundelegung des Landesdurchschnittsertrags für Niedersachsen hätte treffen können, da der Verordnungsgeber die Möglichkeit, sich auf alternative Regelungsvarianten zu berufen, durch seine Untätigkeit verwirkt habe.
Die Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Agrarförderungsbescheide sei auch offensichtlich. Das Nds. Oberverwaltungsgericht habe in seinem Urteil vom 28. April 1997 (a.a.O.) wie schon die Vorinstanz darauf hingewiesen, dass die in der KAVO enthaltene Regionalisierungsregelung nicht von der gemeinschaftsrechtlichen Vorgabe derVerordnung (EWG) Nr. 1765/92 gedeckt sei. Die Ausrichtung an den politischen Kreisgrenzen statt an spezifischen strukturellen Ertragsfaktoren entspreche nicht dem Gebot, dass jeder Mitgliedstaat homogene Erzeugungsregionen aufzuweisen habe. Das Bundesverwaltungsgericht habe in seinem Urteil vom 25. Juli 2007 bestätigt, dass bezogen auf die FZV kein einheitliches Regelungsprinzip erkennbar sei. Damit stehe fest, dass sämtliche Bescheide auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhten und damit unabhängig von ihrer Bestandskraft materiell rechtswidrig seien. Daran ändere es nichts, dass das Nds. Oberverwaltungsgericht in seinen Urteilen vom 28. April 1997 (a.a.O.) einen Anspruch der damaligen Kläger auf weitergehende Zahlungen abgelehnt habe. Der Grund hierfür sei nicht gewesen, dass das Gericht nicht von der Rechtswidrigkeit der Bescheide überzeugt gewesen sei, sondern dass es davon ausgegangen sei, eine weitergehende Bewilligung könne nur durch den Normgeber erfolgen. Die Rechtswidrigkeit der praktizierten Minderbewilligung habe allen Beteiligten schon im Jahr 1993, spätestens aber nach den Urteilen des Nds. Oberverwaltungsgerichts in 1997 bewusst sein müssen.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem in erster Instanz gestellten Antrag zu erkennen,
hilfsweise,
die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 1. April 2009 zu verpflichten, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden,
weiter hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung nimmt sie Bezug auf ihr bisheriges Vorbringen und führt im Wesentlichen ergänzend aus:
Die Argumente des Klägers seien durch die von ihm zitierten obergerichtlichen und höchstrichterlichen Entscheidungen nicht gedeckt. Nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Juli 2007 (a.a.O.) könne die Herstellung einer verfassungsgemäßen Regelung sowohl durch eine rückwirkende Besserstellung sämtlicher Betriebe erfolgen, die einen Antrag gestellt hätten, als auch durch eine Beschränkung auf die Betriebe, deren Anträge noch nicht unanfechtbar entschieden seien. Ein Verstoß gegen die guten Sitten liege nicht vor, weil rechtswidrig an KAVO und FZV lediglich der Erlass als Bundesverordnung gewesen sei, weil der Bund innerhalb seines Hoheitsgebietes nicht zwischen Landwirten in verschiedenen Ländern hätte differenzieren dürfen. Hätte der Bundesgesetzgeber die Umsetzung der EU-Verordnungen gem.§ 6 Abs. 5 MOG an die Länder delegiert, wäre die getroffene Regionalisierungsregelung verfassungsgemäß möglich gewesen.
Die Behauptung des Klägers, die Regionalisierung sei mit den zugrunde liegenden EU-Verordnungen nicht vereinbar, treffe nicht zu. Die Kommission habe die Regionalisierung in der für Niedersachsen gewählten Form durch die Annahme des Regionalisierungsplans gebilligt.
Keiner der Antragsteller sei rechtsschutzlos gestellt worden, weil die Möglichkeit bestanden habe, den Instanzenzug zu durchlaufen. Der Kläger habe die Bescheide stattdessen widerspruchslos hingenommen. Dass es nicht gegen die guten Sitten verstoße, aus Gründen der Rechtssicherheit an einem bestandskräftigen Bescheid festzuhalten, sei höchstrichterlich entschieden.
Der vom Kläger an den Verordnungsgeber gerichtete Vorwurf eines im Hinblick auf die Entscheidung des Nds. Oberverwaltungsgerichts vom 28. April 1997 (a.a.O.) jahrelang begangenen vorsätzlichen Verfassungsbruchs treffe nicht zu, weil das Gericht die Frage, ob ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vorliege, ausdrücklich als nicht entscheidungserheblich offen gelassen habe. Anders als vom Kläger dargestellt, habe auch die Vorinstanz die Klage abgewiesen. Eine obergerichtliche Entscheidung könne für den Bundesverordnungsgeber Anlass für eine Überprüfung sein, erfordere jedoch nicht notwendigerweise eine Rechtsänderung, zumal es abweichende, kleinteiligere Regionalisierungsregelungen auch in anderen Bundesländern gegeben habe.
Eine offensichtliche Rechtswidrigkeit sei entgegen der Auffassung des Klägers nicht gegeben, da die Bescheide inhaltlich nicht rechtswidrig seien, sondern in dieser Form hätten ergehen können, wenn auch nicht auf der Grundlage einer Bundesverordnung. Zudem hätten bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts verschiedene Entscheidungen der Gerichte vorgelegen, so dass von einer offensichtlichen Rechtswidrigkeit nicht ausgegangen werden könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakte verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch darauf hat, die Beklagte zu verpflichten, ihm für die Jahre 1993 bis 2004 weitere Ausgleichs- und Flächenzahlungen in Höhe von insgesamt 8.221,03 EUR zu gewähren, die bisher ergangenen Bescheide des AfA Verden aufzuheben, soweit sie dem entgegenstehen, sowie den Bescheid der Beklagten vom 1. April 2009 aufzuheben. Ihm steht auch kein Anspruch auf Neubescheidung seines Antrags auf Neufestsetzung der Ausgleichs- bzw. Flächenzahlungen zu.
1.
Dem Verpflichtungsanspruch steht die Bestandskraft der Bewilligungsbescheide des AfA Verden für die Ausgleichs- und Flächenzahlungen für die Jahre 1993 bis 2004 entgegen.
Das Verwaltungsgericht ist zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Voraussetzungen für eine Durchbrechung der Bestandskraft nach § 1 Abs. 1 NVwVfG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen, weil keiner der in § 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VwVfG bezeichneten Gründe vorliegt.
a.
Nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG hat die Behörde auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsakts zu entscheiden, u.a. wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat.
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Juli 2007 (a.a.O.), wonach die Festsetzung der Getreidedurchschnittserträge in der Anlage zur FZV gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße, stellt keine Änderung der Rechtslage im Sinne der Vorschrift dar. Denn gerichtliche Entscheidungsfindung ist rechtliche Würdigung des Sachverhalts am Maßstab der vorgegebenen Rechtsordnung. Auch die Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung oder der Erlass eines höchstrichterlichen Urteils stellen daher keine Änderung der Rechtslage dar. Diese erfordert vielmehr Änderungen im Bereich des materiellen Rechts, dem eine allgemein verbindliche Außenwirkung zukommt (BVerwG, Beschluss vom 16. Februar 1993 - 9 B 241.92 -, Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr. 29 m.w.N.; Beschluss vom 7. Juli 2004 - 6 C 24.03 -, BVerwGE 121, 226 [BVerwG 07.07.2004 - 6 C 24.03]; Urteil vom 27. Januar 1994 - 2 C 12.92 -, BVerwGE 95, 86, [BVerwG 27.01.1994 - BVerwG 2 C 12/92] m.w.N.).
Zudem hat es das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung ausdrücklich zur Sache des Bundesverordnungsgebers erklärt, eine Regelung zu schaffen, der ein bundesweit einheitliches Regelungsprinzip zugrunde liege, von dem nur aus Sachzwängen ausnahmsweise abgewichen werden könne. Die antragsgemäße Verpflichtung des Amtes erfolgte in dem entschiedenen Fall nur deshalb, weil der Verordnungsgeber nach Auffassung des Gerichts aus praktischen sowie aus Rechtsgründen daran gehindert gewesen sei, den Verfassungsverstoß für den zurückliegenden Zeitraum bezogen auf die Kläger im dortigen Verfahren anders als im Sinne des Klagebegehrens zu beseitigen. Der Verordnungsgeber hätte für die bislang benachteiligten Regionen Niedersachsens den Getreidedurchschnittsertrag auf den Landesdurchschnitt festlegen müssen, dabei aber nur entscheiden können, ob er in diese rückwirkende Besserstellung sämtliche Betriebe einbeziehe, die im Wirtschaftsjahr 2000/2001 einen Antrag gestellt hätten, oder ob er sie auf diejenigen beschränke, deren Anträge noch nicht unanfechtbar beschieden seien. Dem Begehren der Kläger im dortigen Verfahren wäre in beiden Fällen Rechnung getragen worden. Diese Erwägungen lassen sich indes nicht auf den Kläger in diesem Verfahren übertragen, da dessen Anträge auf Ausgleichs- und Flächenzahlungen unanfechtbar beschieden sind und im Hinblick auf den vom Bundesverwaltungsgericht dargestellten Entscheidungsspielraum eine Änderung der Rechtslage zu seinen Gunsten nicht zwingend war.
Die Auffassung des Klägers, in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts liege eine Änderung der Rechtsauffassung, die mit einer Änderung der materiellen Rechtslage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG gleichzusetzen sei, weil erstmals entschieden worden sei, dass Rechtsverordnungen nicht Akte des Gesetzgebers, sondern Akte der Verwaltung seien und eine gerichtliche Korrektur erfolgen könne, wenn die Korrektur nur auf eine Weise rechtmäßig möglich sei, trifft nicht zu. Aus Art. 80 Abs. 1 Grundgesetz ergibt sich seit jeher, dass Rechtsverordnungen nicht Akte des Gesetzgebers, sondern Exekutivakte sind. Dass es trotz der Entscheidungsprärogative des Verordnungsgebers ausnahmsweise den Verwaltungsgerichten zusteht, Ansprüche der durch eine verfassungswidrige Regelung zu.U.nrecht Übergangenen für begründet zu erklären, wenn die ausstehende generell-abstrakte Regelung nur dann verfassungsgerecht wäre, wenn sie solche Ansprüche vorsähe, hat das Bundesverwaltungsgericht bereits mit Urteil vom 11. Oktober 1996 (- 3 C 29.96 -, BVerwGE 102, 113) entschieden.
b.
Der Kläger erfüllt auch nicht die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG. Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO liegen nicht vor. Insbesondere ist nicht der Fall des § 580 Nr. 6 ZPO gegeben, nach dem die Restitutionsklage stattfindet, wenn das Urteil eines Verwaltungsgerichts, auf welches das Urteil - bei entsprechender Anwendung nach § 51 VwVfG der Verwaltungsakt - gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass für die Jahre 1993 bis 2004 in Bezug auf die im Streit stehenden Bewilligungsbescheide keine präjudizielle Entscheidung erging, die nachträglich aufgehoben worden ist und es für die Annahme eines Ursachenzusammenhangs nicht ausreicht, wenn das aufgehobene Urteil einen abstrakten Rechtssatz oder - wie der Kläger in der Berufungsbegründung geltend macht - eine Sichtweise enthält, die parallel dazu auch in der im Restitutionsverfahren angegriffenen Entscheidung herangezogen wurde.
2.
Liegen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vor, kann die Behörde ein abgeschlossenes Verwaltungsverfahren gem. § 51 Abs. 5 i.V.m.§§ 48, 49 VwVfG nach pflichtgemäßem Ermessen zugunsten des Betroffenen wiederaufgreifen und eine neue - der gerichtlichen Überprüfung zugängliche - Sachentscheidung treffen (sog. Wiederaufgreifen im weiteren Sinne). Mit dieser Befugnis der Behörde, ein rechtskräftig abgeschlossenes Verwaltungsverfahren im Ermessenswege wiederaufzugreifen, korrespondiert ein Anspruch des Betroffenen auf fehlerfreie Ermessensausübung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. September 2007 - 2 BvR 1613/07 -, NVwZ 2008, 418 [BVerfG 27.09.2007 - 2 BvR 1613/07]; BVerwG, Urteile vom 24. Februar 2011 - 2 C 50.09 -, Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr. 58, und vom 21. März 2000 - 9 C 41.99 -, BVerwGE 111, 77).
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Die für die Jahre 2000 bis 2004 erlassenen Bewilligungsbescheide sind zwar nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Juli 2007 insoweit rechtswidrig, als das AfA Verden unter Anwendung der FZV Flächenzahlungen unter Berücksichtigung eines Getreidedurchschnittsertrages berechnet hat, der unter dem Durchschnitt des Landes Niedersachsen lag, und die errechneten Beträge hinter den vom Kläger begehrten Zahlungen zurückbleiben. Dies gilt entsprechend auch für die Bescheide, mit denen dem Kläger für die Jahre 1993 bis 1999 Ausgleichszahlungen unter Anwendung der KAVO bewilligt worden sind, da die Anlage zur KAVO ebenfalls eine Staffelung nach Erzeugerregionen vorsah, die nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts mit dem Gleichheitsgrundsatz nicht vereinbar ist.
Daraus folgt jedoch nicht, dass der Kläger einen Anspruch auf Rücknahme der Bewilligungsbescheide hat. Insoweit liegen keine Umstände vor, nach denen sich das der Beklagten von § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG eingeräumte Ermessen dahin verdichtet hätte, dass nur die Rücknahme der Bescheide ermessensfehlerfrei wäre. Die dies ablehnende Entscheidung der Beklagten ist mithin nicht zu beanstanden.
Bei der Ausübung des Rücknahmeermessens ist in Rechnung zu stellen, dass dem Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit prinzipiell kein größeres Gewicht zukommt als dem Grundsatz der Rechtssicherheit, sofern dem anzuwendenden Recht nicht ausnahmsweise eine andere Wertung zu entnehmen ist. Das der materiellen Einzelfallgerechtigkeit gegenläufige Gebot der Rechtssicherheit ist ein wesentliches Element der Rechtsstaatlichkeit und damit eines Konstitutionsprinzips des Grundgesetzes. Aus ihm folgt die grundsätzliche Rechtsbeständigkeit unanfechtbarer Verwaltungsakte. Gibt die Rechtsordnung der Verwaltungsbehörde die Möglichkeit, durch Hoheitsakt für ihren Bereich das im Einzelfall rechtlich Verbindliche festzustellen, zu begründen oder zu verändern, so besteht auch ein verfassungsrechtliches Interesse daran, die Bestandskraft des Hoheitsakts herbeizuführen. Die mit dem Verstreichen der Frist zur Anfechtung eines Verwaltungsakts regelmäßig einhergehende Bestandskraft ist ein Instrument der Gewährleistung von Rechtssicherheit. Tritt der Grundsatz der Rechtssicherheit mit dem Gebot der Gerechtigkeit im Einzelfall in Widerstreit, so ist es Sache des Gesetzgebers und der Rechtsprechung, das Gewicht, das ihnen in dem zu regelnden Fall zukommt, abzuwägen und zu entscheiden, welchem der beiden Prinzipien der Vorrang gegeben werden soll. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besteht mit Blick auf das Gebot der materiellen Gerechtigkeit ausnahmsweise dann ein Anspruch auf Rücknahme eines bestandskräftigen Verwaltungsakts, wenn dessen Aufrechterhaltung "schlechthin unerträglich" ist. Ob dies der Fall ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls und einer Gewichtung der einschlägigen Gesichtspunkte ab (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 - 6 C 32.06 -, NVwZ 2007, 709 [BVerwG 17.01.2007 - BVerwG 6 C 32.06]; Beschluss vom 7. Juli 2004 - 6 C 24.03 -, BVerwGE 121, 226 [BVerwG 07.07.2004 - 6 C 24.03] m.w.N.). Selbst im Falle eines Verstoßes gegen Gemeinschaftsrecht gebietet Art. 4 Abs. 3 EUV (ex-Art. 10 EG) nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht in jedem Fall eine Überprüfung durch die nationalen Behörden (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Januar 2004 - C-453/00 -, (Kühne & Heitz), Slg. 2004, I-837).
a.
Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass das Ermessen hier nicht aufgrund einer sich aus Art. 4 Abs. 3 EUV (ex-Art. 10 EG) ergebenden Loyalitätspflicht der Mitgliedstaaten derart verdichtet ist, dass die Beklagte den materiellen Bestimmungen des Unionsrechts durch ein Wiederaufgreifen des Verfahrens und eine erneute, positive Sachentscheidung effektive Wirksamkeit verleihen musste. Nach dieser Vorschrift achten und unterstützen sich die Union und die Mitgliedstaaten gegenseitig bei der Erfüllung der Aufgaben, die sich aus den Verträgen ergeben, und ergreifen die Mitgliedstaaten alle geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zur Erfüllung der Verpflichtungen, die sich aus den Verträgen oder den Handlungen der Organe der Union ergeben.
Das Gemeinschaftsrecht sieht verfahrensrechtliche Regelungen für ein Wiederaufgreifen nicht vor. Die nationalen Behörden und Gerichte haben entsprechende Rechtsstreitigkeiten daher grundsätzlich nach den Vorschriften ihres eigenen Verfahrensrechts zu entscheiden. Daher verlangt das Gemeinschaftsrecht auch nicht, dass eine Verwaltungsbehörde grundsätzlich verpflichtet ist, eine bestandskräftige Verwaltungsentscheidung zurückzunehmen (EuGH, Urteil vom 13. Januar 2004, a.a.O., Rn. 24). Dass infolgedessen materiell-rechtliche Unionsrechtsnormen nicht in jedem Einzelfall realisiert werden können, wird als Folge der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten grundsätzlich hingenommen (vgl. EuGH, Urteil vom 19. September 2006 - C-392/04, C-422/04 - (i-21 Germany und Arcor), Slg. 2006, I-8559, Rn. 57). Die vom nationalen Recht vorgesehenen Ausschlussfristen sind für die Rechtsverfolgung im Hinblick auf das auch im Unionsrecht anerkannte Prinzip der Rechtssicherheit grundsätzlich mit Gemeinschaftsrecht vereinbar. Die Bestandskraft einer Verwaltungsentscheidung, die nach Ablauf angemessener Klagefristen oder Erschöpfung des Rechtswegs eingetreten ist, trägt auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Rechtssicherheit bei. Durch die Beachtung dieses Grundsatzes lasse sich verhindern, dass Handlungen der Verwaltung, die Rechtswirkungen entfalten, unbegrenzt in Frage gestellt werden können (vgl. EuGH, Urteil vom 14. September 1999 - C-310/97 P - (Kommission/AssiDomän Kraft Products u.a.), Slg. 1999, I-5363, Rn. 61). Eine unbedingte Verpflichtung der Behörde zur Rücknahme eines bestandskräftigen Bescheides kann sich auch für das Gemeinschaftsrecht nur aus besonderen, zusätzlichen Gründen ergeben.
Der Europäische Gerichtshof hat hierzu entschieden, der in Art. 10 EG (jetzt: Art. 4 Abs. 3 EUV) verankerte Grundsatz der Zusammenarbeit verpflichte eine Verwaltungsbehörde zur antragsgemäßen Überprüfung einer bestandskräftigen Verwaltungsentscheidung mit dem Ziel, der mittlerweile vom Gerichtshof vorgenommenen Auslegung einer einschlägigen Bestimmung Rechnung zu tragen, wenn die Behörde nach nationalem Recht befugt sei, diese Entscheidung zurückzunehmen, die Entscheidung infolge eines Urteils eines in letzter Instanz entscheidenden nationalen Gerichts bestandskräftig geworden sei, das Urteil auf einer unrichtigen Auslegung des Gemeinschaftsrechts beruhe, die erfolgt sei, ohne dass der Gerichtshof um Vorabentscheidung ersucht worden sei, obwohl der Tatbestand des Art. 234 Abs. 3 EG (jetzt: Art. 267 Abs. 3 AEUV) erfüllt wäre und der Betroffene sich, unmittelbar nachdem er Kenntnis von der besagten Entscheidung des Gerichtshofs erlangt habe, an die Verwaltungsbehörde gewandt habe (EuGH, Urteil vom 13. Januar 2004, a.a.O.; vgl. auch Urteil vom 12. Februar 2008 - C-2/06 - (Kempter), Slg. 2008, I- 411).
Diese Voraussetzungen liegen schon deshalb nicht vor, weil der Kläger den nationalen Rechtsweg gegen die Bescheide nicht nur nicht ausgeschöpft, sondern gar nicht erst beschritten und die nunmehr beanstandeten Regelungen ursprünglich hingenommen hat. Damit hat sich der Kläger nicht im Sinne dieser Rechtsprechung gegen die bestandskräftig gewordenenen Bewilligungsbescheide mit gerichtlichen Mitteln zur Wehr gesetzt, obgleich sich die nationale Rechtswegerschöpfung auch nach dem Gemeinschaftsrecht als unverzichtbare Voraussetzung für eine Durchbrechung der Bestandskraft erweist (vgl. auch: Weiß, Bestandskraft nationaler belastender Verwaltungsakte und EG-Recht, DÖV 2008, 477, 482). Dementsprechend fehlt es auch an der weiteren Voraussetzung einer Verletzung der Verpflichtung eines Gerichts zur Einholung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs.
Damit war es der Beklagten auch unter Beachtung des Gemeinschaftsrechts nicht schlechthin verwehrt, sich auf die Bestandskraft der von ihr getroffenen Regelung zu berufen.
b.
Nach nationalem Recht liegt ebenfalls kein Fall vor, in dem sich das Ermessen so verdichtet hat, dass nur ein Wiederaufgreifen des Verfahrens ermessensfehlerfrei wäre. Insoweit ist das Verwaltungsgericht zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass die Aufrechterhaltung der Bewilligungsbescheide in der erlassenen Form nicht schlechthin unerträglich ist.
Das Festhalten an dem Verwaltungsakt ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 7. Juli 2004 - 6 C 24.03 -, a.a.O.) dann schlechthin unerträglich, wenn die Behörde gegen den allgemeinen Gleichheitssatz dadurch verstößt, dass sie in gleichen oder ähnlich gelagerten Fällen in der Regel von ihrer Befugnis zur Rücknahme Gebrauch macht, hiervon jedoch in anderen Fällen ohne rechtfertigenden Grund absieht (dazu unter aa.). Genauso liegt es, wenn Umstände gegeben sind, welche die Berufung der Behörde auf die Unanfechtbarkeit als einen Verstoß gegen die guten Sitten oder Treu und Glauben erscheinen lassen (dazu unter bb.). Die offensichtliche Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, dessen Rücknahme begehrt wird, kann ebenfalls die Annahme rechtfertigen, seine Aufrechterhaltung sei schlechthin unerträglich. Allein die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts begründet hingegen keinen Anspruch auf Rücknahme, da die Rechtswidrigkeit lediglich die Voraussetzung einer Ermessensentscheidung der Behörde ist (dazu unter cc.).
Nach diesen Grundsätzen ist nach den Umständen des vorliegenden Falles und bei Gewichtung der einzelnen Gesichtspunkte das Festhalten an den Bewilligungsbescheiden nicht zu beanstanden.
aa.
Der Kläger hat selbst nicht geltend gemacht, dass die Beklagte in anderen bestandskräftig abgeschlossenen Bewilligungsverfahren vergleichbarer Art anders als in seinem Fall entschieden hätte. Dafür ist auch nichts ersichtlich.
bb.
Es verstößt auch nicht gegen die guten Sitten oder Treu und Glauben, dass sich die Beklagte für die Jahre 1993 bis 2004 auf die Unanfechtbarkeit der angefochtenen Bewilligungsbescheide beruft. Die Darstellung des Klägers, die Bescheide seien nur deshalb bestandskräftig geworden, weil er im Hinblick auf die Entscheidung des Nds. Oberverwaltungsgerichts vom 28. April 1997, nach der eine rückwirkende Korrektur der beanstandeten Regionalisierungsregelung durch den Verordnungsgeber zu schaffen sei und für einen Anspruch auf höhere Leistungen daher die rechtliche Grundlage fehle, rechtlich nicht in der Lage gewesen sei, die von ihm begehrten Mehrzahlungen gerichtlich durchzusetzen, trifft nicht zu.
Zum Zeitpunkt des Ergehens der Bewilligungsbescheide waren alle Adressaten hinsichtlich der Beurteilung, ob sie den sie betreffenden Bescheid mit dem Ziel einer höheren Auszahlung anfechten sollten oder nicht, in der gleichen Lage. Sie hatten die Erfolgsaussichten eines Widerspruchs- bzw. eines sich anschließenden Klageverfahrens zu bewerten und bei der Bewertung des Prozessrisikos die Prozesskosten einerseits und die im Erfolgsfall zu erhöhenden Ausgleichs- bzw. Flächenzahlungen zu gewichten. Es stand dem Kläger frei, selbst gegen die nach seiner Auffassung teilweise rechtswidrigen Bewilligungsbescheide vorzugehen und im Falle einer in seinem Fall gleichlautenden Entscheidung des Nds. Oberverwaltungsgerichts - ebenso wie der Kläger in dem vom Bundesverwaltungsgericht am 25. Juli 2007 entschiedenen Verfahren - Revision einzulegen bzw. Nichtzulassungsbeschwerde zu erheben. Dabei hätte er das Prozessrisiko dadurch erheblich vermindern können, dass er zwar in allen Verfahren Widersprüche erhebt, auf eine Bescheidung im Hinblick auf die laufenden Musterverfahren zunächst verzichtet und nach einer abschlägigen Entscheidung des Nds. Oberverwaltungsgerichts, die erstmals 1997 erfolgt ist, zunächst nur eines der ihn betreffenden Verfahren in letztinstanzlichem Verfahren zur Überprüfung stellt. Darüber hinaus hätte er eine Feststellungsklage gegen die Bundesrepublik Deutschland richten können mit dem Ziel festzustellen, dass er durch die KAVO in seinem Recht auf Gleichbehandlung verletzt worden ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom17. Januar 2006 - 1 BvR 541/02, 1 BvR 542/02 -, BVerfGE 115, 81).
Indem der Kläger jedoch bei gleicher Ausgangslage aller Betroffenen die ihn betreffenden Bescheide im Hinblick auf das Kostenrisiko in Verkennung seiner Erfolgsaussichten hat unanfechtbar werden lassen, hat er selbst die Ursache dafür gesetzt, dass er eine rückwirkende Nachzahlung von Agrarleistungen nicht erreichen kann. Die für den Kläger mit der Bestandskraft verbundenen negativen Folgen sind allein auf sein Verhalten zurückzuführen und ihm deshalb zuzurechnen. Es erscheint daher nicht schlechterdings unzumutbar und unerträglich, wenn der Kläger im Interesse der Rechtssicherheit an den Folgen seines Verhaltens, die von vornherein im Bereich des Möglichen lagen, festgehalten wird.
Ob - wie der Kläger meint - der Bundesverordnungsgeber verpflichtet war, eine rückwirkende Korrektur der KAVO und der FZV dergestalt vorzunehmen, dass alle benachteiligten Landwirte von dem Landesdurchschnitt entsprechenden Ausgleichs- bzw. Flächenzahlungen profitieren, kann hiernach offen bleiben. Aufgrund der Bestandskraft der Bewilligungsbescheide kann sich der Kläger hierauf nicht berufen. Auch kann - wenn der entsprechende Vortrag des Klägers so verstanden werden soll - ein Verstoß der Beklagten gegen die guten Sitten oder Treu und Glauben nicht darin erkannt werden, dass die Ämter für Agrarstruktur die jeweiligen verfassungswidrigen Vorschriften angewandt haben. Denn bei untergesetzlichen Normen, die gegen einfaches Recht oder das Grundgesetz verstoßen, wird zwar überwiegend eine Nichtanwendungsbefugnis der Behörden anerkannt. Ein Anspruch darauf, dass die Exekutive die nichtige Vorschrift in einer gesetzes- bzw. grundgesetzkonformen Weise anwendet, hier dahingehend, dass eine Bewilligung der Ausgleichs- und Flächenzahlungen nach Maßgabe des Landesdurchschnitts erfolgt, erwächst hieraus aufgrund der Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) und des Grundsatzes der Gewaltenteilung nicht.
cc.
Ein offensichtlicher Rechtsverstoß, der zu einer Ermessensreduzierung führen könnte, liegt ebenfalls nicht vor. Eine offensichtliche Rechtswidrigkeit ist anzunehmen, wenn an dem Verstoß der streitigen Maßnahme gegen formelles oder materielles Recht vernünftigerweise kein Zweifel besteht und sich deshalb die Rechtswidrigkeit aufdrängt. Anders als bei der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts nach § 44 Abs.1 VwVfG ist es in diesem Zusammenhang nicht erforderlich, dass der Verwaltungsakt an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 - 6 C 32.06 -, a.a.O.; Urteil vom 20. März 2008 - 1 C 33.07 -, NVwZ 2008, 1024). Für die Beurteilung der offensichtlichen Rechtswidrigkeit als eines das Rücknahmeermessen reduzierenden Umstandes ist nicht auf die Verhältnisse in dem Zeitpunkt abzustellen, in dem die Rechtswidrigkeit offensichtlich geworden ist, sondern auf den Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides, der zurückgenommen werden soll (BVerwG, Urteil vom 20. März 2008, a.a.O.).
Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass im Zeitpunkt des Erlasses der Bewilligungsbescheide deren offensichtliche Rechtswidrigkeit durch vorherige obergerichtliche oder höchstrichterliche Rechtsprechung eindeutig aufgedeckt gewesen wäre.
Zwar hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht mit Urteilen vom 28. April 1997 (- 3 L 3851/95 -, RdL 1997, 319 und - 3 L 6137/96 -, n.v.; offen gelassen in - 3 L 2724/96 -, RdL 1998,12) erstmals obergerichtlich entschieden, dass die in der KAVO geregelte Aufteilung des Bundesgebietes in Erzeugungsregionen und der weiteren Regionalisierung in Niedersachsen verfassungswidrig sei. Allerdings hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 25. Juli 2007 (a.a.O., Rn. 35 nach [...]) - im Zusammenhang mit Vertrauensschutzgesichtpunkten - darauf hingewiesen, dass bereits die vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht geäußerten Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der KAVO von anderen Gerichten nicht geteilt worden seien.
Zudem ist das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht als Folge der festgestellten Verfassungswidrigkeit - wenn auch zu.U.nrecht - nicht von einem Anspruch der jeweiligen Kläger auf höhere Ausgleichszahlungen ausgegangen, sondern hat entschieden, dass es grundsätzlich dem Normgeber obliege, ob und wie die verfassungswidrige Regelung der Verfassungslage angepasst werde. Die Ablehnung des Antrags der Kläger auf eine weitergehende Ausgleichsleistung sei daher trotz des Verstoßes der KAVO gegen höherrangiges Recht rechtmäßig gewesen. Lasse es die Gesetzeslage nicht zu, einen Subventionsantrag positiv zu bescheiden, könne er mangels Bestehens eines entsprechenden Anspruchs nur abgelehnt werden. Demzufolge sei in einem derartigen Fall nicht nur die Versagung der begehrten weitergehenden Leistung, sondern auch die Ablehnung des diesbezüglichen Antrags rechtlich nicht zu beanstanden (- 3 L 3851/95 -, Rn. 19 nach [...]).
Die vom Kläger mit Schriftsatz vom 10. August 2012 sowie in der mündlichen Verhandlung wiederholte und weiter vertiefte Auffassung, dass sich die offensichtliche Rechtswidrigkeit der Ablehnung höherer Ausgleichszahlungen bereits aus der obergerichtlichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der zugrunde liegenden Rechtsverordnung ergebe, trifft nicht zu.
Das Nds. Oberverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 28. April 1997 (- 3 L 3851/95 -) zu dem im dortigen Verfahren hilfsweise gestellten Antrag, den Bescheid des Beklagten in Gestalt des Widerspruchsbescheides aufzuheben, soweit die Bewilligung einer höheren Ausgleichszahlung abgelehnt worden ist, ausgeführt:
"Die Klage ist bezüglich der oben genannten Hilfsanträge aber auch unbegründet. Ein Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten zur Neubescheidung des Klägers besteht nicht, weil die Ablehnung des Antrags des Klägers auf eine weiter gehende Ausgleichsleistung trotz des Verstoßes der KAV gegen höherrangiges Recht rechtmäßig ist. Die Annahme, in einem derartigen Fall würde es an einer Rechtsgrundlage für die Ablehnung des Antrags fehlen, ist nämlich unzutreffend. Läßt die Gesetzeslage es nicht zu, einen Subventionsantrag positiv zu bescheiden, kann er mangels Bestehens eines entsprechenden Anspruchs nur abgelehnt werden. Demzufolge ist in einem derartigen Fall nicht nur die Versagung der begehrten weiter gehenden Leistung, sondern auch die Ablehnung des diesbezüglichen Antrags rechtlich nicht zu beanstanden. Daher ist auch der Anfechtungsantrag unbegründet."
Diese Rechtsprechung hat der Senat auch für die Berechnung von Flächenzahlungen auf der Basis der FZV noch in seiner Entscheidung vom 29. November 2005 (- 10 LC 74/03 -, n.v.) und damit zeitlich nach dem Erlass des letzten hier im Streit stehenden Bewilligungsbescheides bestätigt. Erst mit dem diese Entscheidung ändernden Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Juli 2007 wurde die Rechtswidrigkeit der im dortigen Verfahren ergangenen Bewilligungsbescheide festgestellt und dem dortigen Klagebegehren entsprochen.
Soweit der Kläger geltend macht, es sei hinsichtlich der Offensichtlichkeit der rechtswidrig praktizierten Agrarförderung unerheblich, dass in den vor dem Nds. Oberverwaltungsgericht geführten Gerichtsverfahren keine Aufhebung der Bewilligungsbescheide erfolgt sei, weil nicht die mit den Bescheiden gewährten Fördermittel im Streit gestanden hätten, sondern nur die Beträge, die zu.U.nrecht nicht bewilligt worden seien, überzeugt dieser Einwand nicht. Maßgeblich ist, ob die von der Beklagten "praktizierte Agrarförderung" unabhängig von der vom Kläger behaupteten Kenntnis der Rechtswidrigkeit einer Minderbewilligung zu offensichtlich rechtswidrigen Bewilligungsbescheiden geführt hat. Das ist jedoch nicht der Fall.
Das Gericht hat in den entsprechenden Entscheidungen auch hinsichtlich der nicht bewilligten Fördermittel ausdrücklich entschieden, dass ein entsprechender Anspruch nicht bestand und die Ablehnung insoweit rechtmäßig war (Urteile vom 28. April 1997 - 3 L 3851/95 -, Rn. 11, 19 nach [...]; - 3 L 2724/96 -, Rn. 6, 16 nach [...]; - 3 L 6137/96 -, Seite 11).
d.
Damit lag die Entscheidung über ein Wiederaufgreifen der Verfahren im Ermessen der Beklagten. Die Ablehnung des Wiederaufgreifens mit Bescheid vom 1. April 2009 lässt Ermessensfehler nicht erkennen. Die Beklagte hat das von ihr auszuübende Ermessen erkannt und ausweislich ihrer Ausführungen auf Seite 2 und 3 des Ablehnungsbescheides unter Verneinung eines überwiegenden Individualinteresses an der Aufhebung des bestandskräftigen Ablehnungsbescheides die insoweit erforderliche Abwägung zwischen dem Interesse des Klägers an der materiellen Gerechtigkeit einerseits und dem öffentlichen Interesse an der Rechtssicherheit für die Allgemeinheit andererseits vorgenommen und die Abwägung zugunsten der Rechtssicherheit getroffen. Die Beklagte konnte sich für ihre Entscheidung auch auf den aufgrund der Vielzahl der Fälle mit einer Wiedereröffnung von Verfahren verbundenen hohen Verwaltungsaufwand berufen. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass entgegen der Rechtsauffassung des Klägers nicht nur die Verfahren derjenigen Landwirte wiederaufgegriffen werden müssten, die innerhalb der 3-Monatsfrist des § 51 Abs. 3 VwVfG einen Antrag gestellt hätten, da diese Frist für die Ermessensentscheidung nach § 51 Abs. 5 VwVfG i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG nicht gilt. Auch im Übrigen sind Ermessensfehler der Beklagten bei der Ablehnung der Neubescheidung nicht ersichtlich.
Damit bestand auch kein Anspruch des Klägers auf Neubescheidung seines Antrags auf Gewährung höherer Zahlungen für die Jahre 1993 bis 2004.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 709 Satz 2, § 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor. Insbesondere genügt es nicht, dass möglicherweise noch einzelne gleichgelagerte Verfahren (der Kläger benennt vier Verfahren in der 1. und ein Verfahren in der 2. Instanz) anhängig sind. Die vom Kläger darüber hinaus aufgeworfene Rechtsfrage, "ob i.R.d. § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG eine Ermessensreduzierung anzunehmen ist, wenn die den rechtswidrigen Verwaltungsakt erlassende Behörde vorsätzlich verfassungswidrig gehandelt hat, indem sie vorsätzlich eine verfassungswidrige Rechtsverordnung als Rechtsgrundlage für ihren rechtswidrigen Bescheid angenommen hat", bedarf aufgrund obiger Ausführungen keiner Beantwortung.